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Sternengeschichten Folge 585: Das Sternbild Drache

Es wird wieder mal Zeit, dass wir uns eines der Sternbilder ansehen. Und der Drache ist ein ganz besonderes Sternbild. Ok – jedes Sternbild ist besonders, denn wie ich ja schon oft erklärt habe, sind die modernen Sternbilder ja einfach nur abgegrenzte Bereiche am Himmel. 88 Stück davon gibt es und es gibt keine Stelle am Himmel, wo man nicht irgendwas besonders finden könnte. Aber der Drache ist nicht nur ein altes Sternbild mit jeder Menge spannender Mythologie sondern auch ein Sternbild, in dem man aus so gut wie jedem Bereich der Astronomie etwas findet.

Aber fangen wir mal damit an, wo der Drache ist. Man findet ihn im Norden; er windet sich quasi um den kleinen Bären herum, zu dem ja auch Polaris gehört, der Polarstern, der den Himmelsnordpol markiert. In Mitteleuropa kann man den Drachen deswegen auch das ganze Jahr über in jeder Nacht sehen und weil er vergleichsweise viele helle Sterne enthält, ist er auch leicht zu erkennen. Sucht euch einfach den Polarstern und schaut nach einer langen Kette aus Sternen, die sich in seiner Nähe über den Himmel windet. Das ist der Drache und dieses Sternbild war schon in der Antike bekannt. Es war eines der 48 Sternbilder, die Ptolemäus vor knapp 2000 Jahren in seinen astronomischen Werken aufgelistet hat, aber die Menschen haben dort auch schon früher alle möglichen Monster gesehen. In der Schöpfungsgeschichte der Babylonier hat man sich dort oben Tiamat vorgestellt; die Göttin des Salzwassers die als eine Art Seeschlange mit Hörnern dargestellt wird. Sie kämpft gegen Marduk, die Hauptgottheit der Babylonier, der Tiamat besiegt, ihren Körper zerteilt und aus den beiden Hälften Himmel und Erde erschafft. In der griechischen Mythologie gibt es auch jede Menge drachenähnliche Monster, zum Beispiel Ladon, der gleich 100 Köpfe hat und die goldenen Äpfel der Hesperiden bewacht, die Untersterblichkeit verleihen. Hat er auch immer super geschafft, bis Herkules gekommen ist und ihn umgebracht hat. In den Mythen der arabischen Nomaden hat man hier allerdings ein Kamel gesehen, dass sein Junges beschützt, das gerade von zwei Hyaenen angegriffen wird.

Aber schauen wir uns jetzt lieber an, was es im Drachen zu sehen gibt. Wenn wir das Anfang Oktober tun und wir eine gute, dunkle Nacht erwischen, werden wir vielleicht mit jeder Menge Draconiden belohnt. So nennt sich ein Meteorstrom, also ein „Sternschnuppenschauer“, der jedes Jahr um den 9. Oktober herum sichtbar ist. Dann bewegt sich die Erde durch den Staub, den der Komet 21P/Giacobini-Zinner im All hinterlassen hat und wir können sehen, wie jede Menge Sternschnuppen über den Himmel sausen. Wenn wir Glück haben, jedenfalls. Üblicherweise sind die Draconiden eher schwach, mit höchstens einer Handvoll an Sternschnuppen pro Stunde. Aber alle paar Jahrzehnte kann es richtig viel werden, wenn nämlich der Komet gerade vorher vorbei gekommen ist und frischen Staub hinterlassen hat. Das war zum Beispiel 1985, 1998 und 2011 der Fall, da konnte man ein paar hundert Sternschnuppen pro Stunde sehen. Wegen der Richtung, in die sich die Erde Anfang Oktober bewegt, scheinen die Sternschnuppen alle aus Richtung des Sternbilds Drache zu kommen und daher haben sie auch ihren Namen.

Der hellste Stern eines Sternbilds wird üblicherweise mit dem griechischen Buchstaben Alpha bezeichnet, gefolgt von der lateinischen Bezeichnung des Sternbilds. Alpha Draconis ist aber nur der achthellste Stern im Drachen – aber trotzdem einer der wichtigsten. Auf jeden Fall war er das für die Menschen die vor knapp 5000 Jahren gelebt haben. Da war Alpha Draconis nämlich der Polarstern. Oder besser gesagt: Der Polarstern war damals natürlich auch schon der Polarstern, aber er war nicht dort, wo sich der Himmelsnordpol befindet. Da befand sich zu der Zeit eben Alpha Draconis. Die Achse, um die die Erde sich dreht und die in Richtung Himmelsnordpol zeigt, beschreibt im Verlauf von gut 26.000 Jahren einen kleinen Kreis am Himmel. Heute zeigt sie ungefähr dorthin, wo sich Polaris befindet. Damals war sie aber auf Alpha Draconis ausgerichtet. Und um das Jahr 20.000 herum wird sie das wieder tun.

Die Erdachse bewegt sich (Bild: gemeinfrei)

Der tatsächlich hellste Stern im Drachen ist Gamma Draconis beziehungsweise „Etamin“ wie er auch genannt wird. Das bedeutet „Schlange“ und Etamin ist nicht nur hell, sondern hat in der Geschichte der Astronomie auch eine wichtige Rolle gespielt. Ich habe davon schon in Folge 83 erzählt: Mit dem 16. Jahrhundert setzte sich langsam die Idee durch, dass die Erde sich um die Sonne bewegt und nicht umgekehrt. Wenn das so ist, dann müsste sich aber auch die Position der Sterne scheinbar verändern, weil wir sie im Laufe eines Jahres von unterschiedlichen Positionen im Sonnensystem aus beobachten. Sie müssten sich in Bezug auf die noch weiter entfernt liegenden Sternen leicht verschieben. Diesen Effekt, die „Parallaxe“ sollte man messen können und die Leute haben versucht, es zu messen. Einer der ersten war 1725 der britische Astronom James Bradley, und er hat sich Gamma Draconis ausgesucht – unter anderem deswegen, weil er jede Nacht am Himmel zu sehen und darum gut wiederholt zu beobachten war. Und Bradley hat tatsächlich eine scheinbare Veränderung der Position gemessen, aber nicht die, die zu erwarten war. Bradley hatte die Aberration entdeckt. Die funktioniert, kurz gesagt, so: Die Erde bewegt sich durchs All. Licht der Sterne bewegt sich zur Erde. Das Licht ist aber nicht unendlich schnell. Stellen wir uns vor, das Licht eines Sterns fällt exakt senkrecht in die obere Öffnung eines Teleskops. Es braucht dann zwar nicht lange, um das untere Ende zu erreichen, aber es ist nicht unendlich schnell. In der kurzen Zeit bis es unten angekommen ist, bewegt sich die Erde ein kleines Stückchen weiter und verschiebt dadurch auch das Teleskop ein kleines Stückchen. Wenn das Sternenlicht dann auf unser Auge trifft – oder ein Messgerät, je nachdem – sieht es so aus, als sei das Licht eben nicht senkrecht aufgetroffen, sondern ein winziges bisschen aus der Senkrechten abgelenkt. Wie stark diese scheinbare Positionsänderung ist, hängt davon ab, in welche Richtung sich die Erde gerade bewegt; auf den Stern zu, von ihm weg oder irgendwas dazwischen. Das ändert sich im Laufe eines Jahres und so beschreibt der Stern ebenfalls im Laufe eines Jahres einen scheinbaren Kreis am Himmel.

Das war zwar nicht die Parallaxe, die Bradley messen wollte – aber seine Messungen der Aberration konnten erstmals zweifelsfrei nachweisen, dass die Erde sich tatsächlich bewegt und nicht still im Zentrum des Universums steht.

Was gibt es noch im Drachen? Den Stern Arrakis, der eigentlich Al-Rakis heißt oder wissenschaftlich My Draconis. Und ich erwähne den Stern eigentlich nur deswegen, weil der Science-Fiction-Autor Frank Herbert diesen Namen für den Planeten ausgewählt hat, auf dem sein Buch „Dune – der Wüstenplanet“ spielt. Obwohl Arrakis dort den Stern Alpha Carinae umkreist, aber wir wollen jetzt nicht in die Details von Dune eintauchen.

Echte extrasolare Planeten hat der Drache natürlich auch. Zum Beispiel die beiden, die den Stern Kepler-10 umkreisen. Das ist ein sonnenähnlicher Stern in 600 Lichtjahren Entfernung mit mindestens zwei bekannten Planeten. Der eine ist eineinhalb mal so groß wie die Erde und der andere mehr als doppelt so groß. Beide haben aber sehr viel mehr Masse: Der eine die 3fache und der andere die 7fache Masse unseres Planeten. Es gibt noch 18 andere bekannte Sterne im Drachen, die Planeten haben – aber auch am anderen Ende der Größenskala ist dort einiges zu finden.

1786 hat der Astronom William Herschel dort den Katzenaugennebel entdeckt oder NGC 6543, wie er offiziell heißt. Es handelt sich um einen über 3000 Lichtjahre entfernten planetaren Nebel. Also das, was entsteht, wenn ein sehr großer und heißer Stern am Ende seines Lebens das Gas aus dem er besteht, Schicht für Schicht ins All hinaus bläst. Beim Katzenaugennebel hat das ein Stern, der ungefähr 10.000 mal heller und knapp 20 mal heißer als unsere Sonne ist, mit Sinn für Ästhetik getan. Der Katzenaugennebel ist einer der komplexesten Nebel die wir kennen und sieht, wenig überraschend, wie ein Katzenauge aus.

Es geht aber auch noch größer und weiter weg. Schauen wir auf die Draco-Zwerggalaxie. Die ist, wenig überraschend, eine kleine Galaxie. Sie besteht aus circa drei Millionen Sterne – viel weniger als die gut 100 Milliarden in der Milchstraße. Aber die Draco-Zwerggalaxie ist eine unserer Nachbarn, sie ist Teil der Lokalen Gruppe, also der Gruppe an Galaxien, zu der auch die Milchstraße gehört. Sie ist nur 280.000 Lichtjahre entfernt und deswegen vergleichsweise gut zu untersuchen. Und die Daten zeigen unter anderem, dass sich die Sterne dort viel zu schnell bewegen. Eigentlich sollte sich die Galaxie schon längst aufgelöst haben; die Gravitationskraft der paar Millionen Sterne reicht nicht, um sie zusammenzuhalten. Es muss dort also dunkle Materie geben, die Gravitationskraft ausübt und die wir nicht sehen können. Und es muss dort überdurchschnittlich viel dunkle Materie geben, viel mehr als in den anderen Galaxien.

Die Kaulquappen-Galaxie würde nicht in den Raum zwischen uns und der Draco-Zwerggalaxie passen. Muss sie aber auch nicht, sie ist gut 420 Millionen Lichtjahre entfernt, im Sternbild Drache natürlich und sieht aus wie eine normale Spiralgalaxie, wenn sie nicht einen Schweif aus Sternen hinter sich herziehen würde, der fast 300.000 Lichtjahre lang ist. In der Vergangenheit ist sie einer anderen Galaxien zu nahe gekommen und die zwischen ihnen wirkenden Gezeitenkräfte habe jede Menge Sterne aus ihnen herausgerissen, so dass diese seltsame Form entstanden ist.

Der Galaxienhaufen Abell 2218 ()

Und wenn wir noch weiter hinaus schauen, finden wir im Drachen auch noch Abell 2218. So heißt ein Galaxienhaufen, dessen Licht mehr als 2 Milliarden Jahre bis zu uns braucht. Dort befinden sich ungefähr 10.000 Galaxien und diese gewaltige Masse krümmt den Raum enorm und lenkt so das Licht der Galaxien ab, das aus noch weiterer Entfernung zu uns kommt. Oder anders gesagt: Abell 2218 wirkt wie eine Gravitationslinse, die das Licht von fernen Objekten quasi verstärken kann, so das es für uns sichtbar wird, obwohl wir es eigentlich gar nicht mehr sehen sollten. 2004 hat man durch die Gravitationslinsenwirkung von Abell 2218 zum Beispiel eine Galaxie identifizieren können, deren Licht fast 13 Milliarden Jahre bis zu uns unterwegs war. Das bedeutet: Wir sehen etwas, das existiert hat, als das Universum gerade mal 750 Millionen Jahre alt war!

Es gäbe noch viel mehr über den Drachen zu erzählen. Von den interplanetaren Staubkörnern der Draconiden, über die Sterne in unserer Nähe und ihre Planeten, über nahe Galaxien und fernste Galaxienhaufen. Der Drache bietet alles, was man sich in der Astronomie wünschen kann.

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