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Sternengeschichten Folge 564: Ariane 5 – Die europäische Rakete

In der Nacht von 5. auf 6. Juli 2023 gab es vermutlich jede Menge Jubel beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die Ariane-5-Rakete, die den Kommunikationssatelliten „Heinrich Hertz“ ins Weltall bringen sollte, hob pünktlich um Mitternacht ab. Der Start verlief ohne Probleme und der Satellit konnte seinen Weg in eine geostationäre Umlaufbahn antreten. Es war ein besonderer Start – nicht wegen des Kommunikationssatelliten (obwohl das DLR ihn vermutlich sehr besonders findet, immerhin sollen damit einige neue Techniken der Kommunikation im und mit dem Weltraum getestet werden). Es war der letzte Start der Ariane 5, einer der erfolgreichsten und zuverlässigsten Raketen, die Europa je gebaut hat.

27 Jahre früher war die Stimmung am Raketenstartplatz nicht ganz so gelöst. Ganz im Gegenteil, man war ziemlich am Boden zerstört, genau so wie die Ariane-5-Rakete, die am 4. Juni 1996 eigentlich das erste Mal ins Weltall fliegen sollte. Der Ariane-Flug V88 sollte vier Cluster-Satelliten ins Weltall bringen, die von der europäischen Weltraumagentur ESA und der NASA gebaut wurden, um das Magnetfeld der Erde zu untersuchen. Die Rakete schaffte es aber nicht annähernd in den Weltraum; knapp 40 Sekunden nach dem Start began sie, auseinander zu brechen und wurde schließlich gesprengt. Sie war vom Kurs abgewichen und der Grund dafür waren Fehler in der Software, die den Flug steuern sollte. Das war ein großer Rückschlag, den man hatte große Hoffnungen in diese neue Rakete gesetzt. Eigentlich ein ziemlich schlechtes Vorzeichen, und glücklicherweise absolut nicht repräsentativ dafür, wie die Ariane 5 in den kommenden Jahrzehnten gearbeitet hat.

Schauen wir zuerst aber noch ein wenig in die Vergangenheit. Die ersten Länder, die Raketen gebaut haben, die Satelliten und später auch Menschen ins All bringen konnten, waren die USA und die Sowjetunion. Europa und damals vor allem Frankreich wollten aber verständlicherweise einen eigenen Zugang zum All haben; unabhängig von den beiden Supermächten. 1962 wurde deswegen die European Launcher Development Organisation (ELDO) gegründet, um genau dieses Ziel durch eine Entwicklung einer eigenen Rakete zu erreichen. Gründungsmitglieder der ELDO waren Deutschland, Belgien, Frankreich, das vereinigte Königreich, Italien, die Niederlande und Australien. Ja, Australien gehört nicht zu Europa, aber dort gab es einen Startplatz für Raketen, den man verwenden wollte. Die Rakete, die man dort ins All schicken wollte, trug den passenden Namen „Europa“, hat es aber nie geschafft, den Weltraum zu erreichen. Alle Teststarts von Europa 1 und Europa 2 (insgesamt sowieso nur vier, die zwischen 1964 und 1971 stattgefunden haben) sind gescheitert, aber das ganze Projekt war von Anfang an eher wenig erfolgreich. Italien hat schon 1969 aufgehört, die Beiträge zu zahlen; 1973 haben auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien aufgehört, zu zahlen. 1973 hat man die ELDO komplett aufgelöst; den Job eine funktionierende Rakete zu bauen, hatte von da an die European Space Research Organisation (ESRO), eine weitere europäische Weltraumorganisation aus Europa, die vor allem Satelliten gebaut hat, die von den USA ins All gebracht wurden. Aus der ESRO ist 1975 die heute noch bestehenden Europäische Weltraumagentur ESA geworden; eine eigene Rakete hatte Europa aber immer noch nicht.

Insbesondere Frankreich wollte so eine Rakete aber unbedingt und auf Anregung von Frankreich wurde das Ariane-Programm ins Leben gerufen. Die dabei entwickelte Rakete trug den Namen Ariane, der französische Name der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Ariadne. Diese Rakete war erfolgreicher als die Europa-Rakete; der erste Start der Ariane erfolgte am 24. Dezember 1979 und war erfolgreich. Wenig später wurde die multinationale Firma Arianespace gegründet, die den Betrieb und die Vermarktung der Raketen übernehmen sollte; etwas, was eine Organisation wie die ESA nicht so gut kann. Die ganzen wirtschaftlichen Details will ich jetzt nicht erklären, aber kurz gesagt: Arianespace ist dafür zuständig dass die Raketen gebaut werden und kümmert sich um die Kommerzialisierung; bietet also Transportkapazitäten für alle möglichen Satelliten an. Die ESA ist der Hauptvertragspartner von Arianespace und beauftragt den Bau der Raketen.

Ariane 4 vor dem Start im August 1992 (Bild: gemeinfrei, NASA)

Auf das Modell Ariane-1 sind – wenig überraschend die Modelle Ariane 2, Ariane 3 und Ariane 4 gefolgt. Neben diversen kommerziellen und militärischen Kommunikationssatelliten haben diese Raketen auch immer wieder wissenschaftliche Instrumente ins All gebracht. Am 2. Juli 1985 ist zum Beispiel die Sonde Giotto gestartet worden, die den Halleyschen Kometen besucht hat. Insgesamt gab es aber nur 11 Starts der Ariane 1, nur 6 der Ariane 2 und ebenfalls 11 der Ariane 3 Rakete. Die Ariane 4 dagegen war wesentlich langlebiger. Zwischen 1999 und 2003 gab es 116 Starts von denen 113 erfolgreich waren. Zu den bedeutenen wissenschaftlichen Instrumenten die damit ins All geflogen sind, gehören zum Beispiel der Hipparcos-Satellit, von dem ich in Folge 87 mehr erzählt habe und das Infrarot-Weltraumteleskop ISO. Aber auch die erfolgreiche Ariane 4 war, vereinfacht gesagt, nur eine Verbesserung der Vorläufermodelle. Eine richtig neue Rakete sollte erst die Ariane 5 werden. Man wollte sehr viel mehr Nutzlast ins All bringen können und das bei sehr viel geringeren Kosten. Mittlerweile waren die Kommunikationssatelliten deutlich größer und schwerer geworden und wenn man im Geschäft bleiben wollte, dann brauchte Europa ein eigene Schwerlastrakete. Außerdem wollte man den Raumgleiter „Hermes“ ins All bringen können. Das wäre ein Raumschiff gewesen, das ähnlich wie das Space Shuttle mit einer Rakete startet, aber von alleine landen kann. Es sollte bis zu drei Menschen ins All bringen und ich sage deswegen „wäre“ und „sollte“, weil das Hermes-Projekt am Ende nie umgesetzt worden ist.

Die neue Schwerlastrakete Ariane 5 aber sehr wohl! Ohne auf sämtliche Details des Raketenbaus einzugehen, besteht diese Rakete aus einer großen Hauptstufe und zwei zusätzlichen Feststoffboostern. Diese Komponenten geben der Ariane 5 auch ihr typisches Aussehen: In der Mitte die klassische Rakete und auf der Seite „kleben“ noch zwei kleinere Raketen dran, vereinfacht gesagt. Wenn die Ariane 5 startet, dann zündet zuerst nur das Haupttriebwerk. Die Hauptstufe ist knapp 30 Meter hoch (die gesamte Rakete übrigens knapp 55 Meter), mit einem Durchmesser von 5,4 Metern. Es passen fast 180 Tonnen Treibstoff hinein und die müssen auch drin sein, denn das Material aus dem sie besteht ist so dünn und leicht, dass die Hauptstufe unter ihrem eigenen Gewicht kollabieren würde, wenn sie nicht vom Treibstoff stabilisiert wird. Wenn die Hauptstufe korrekt zündet und alles perfekt läuft, werden ein paar Sekunden später die Booster gezündet. In jeden von ihnen passen 270 Tonnen Treibstoff, also ingesamt deutlich mehr als in der Hauptstufe. Die Booster sind es deswegen auch, die so gut wie den gesamten Schub beim Start liefern; erst wenn sie ausgebrannt sind – circa 2 Minuten nach dem Start – werden sie abgeworfen und das Haupttriebwerk übernimmt den Rest des Fluges.

Im Laufe der Zeit sind verschiedene Versionen der Ariane 5 gebaut wurden. Die, die 1996 beim ersten Start überhaupt gleich explodiert ist, war eine Ariane 5G und es war gleichzeitig auch der letzte Fehlschlag. Bei zwei weiteren Missionen wurde nicht die nötige Höhe erreicht um die Kommunikationssatelliten optimal einzusetzen. Aber die restlichen Flüge sind erfolgreich verlaufen. Die verbesserte Ariane 5G+ flog im Jahr 2004 zwar nur dreimal, aber dreimal erfolgreich. Zwischen 2005 und 2009 gab es 6 fehlerfreie Flüge der Ariane 5GS, die im Vergleich zu den beiden Vorgängermodellen eine höhere maximale Nutzlast ins All bringen konnte. Die Ariane 5ES, die zwischen 2008 und 2018 8 mal erfolgreich gestartet ist, konnte die Nutzlast nochmal erhöhen. Am häufigsten eingesetzt wurde aber die Ariane 5 ECA. Ihr erster Start war am 11. Dezember 2002 und auch das war ein Fehlschlag. Die Rakete ist abgestürzt und es war das letzte Mal, dass eine Ariane-5-Rakete explodiert ist. Das wusste man damals aber noch nicht, deswegen hat man die Entwicklung der leistungsstarken ECA ein wenig pausiert und sich alles nochmal angesehen. Was dazu geführt hat, dass eine der großen wissenschaftlichen Missionen der ESA ebenfalls verschoben werden musste. Die Raumsonde Rosetta, die auf einem Kometen landen sollte, hätte eigentlich schon am 13. Januar 2003 mit einer ECA starten sollen, konnte aber erst am 4. März 2004 mit einem anderen Raketentyp fliegen und musste deswegen auch einen anderen Kometen ansteuern als ursprünglich geplant.

Vorletzter Start der Ariane 5 (Bild: Benoît Seignovert, gemeinfrei)

Die restlichen Flüge der ECA – insgesamt waren es 82 – verliefen dann aber alle erfolgreich, nur einmal konnten zwei Kommunikationssatelliten nicht exakt an den gewünschten Ort gebracht werden. Bis zum 5. Juli 2023 sind von der Ariane 5 ECA jede Menge Satelliten ins All gebracht und vor allem auch jede Menge wissenschaftliche Instrumente. Zum Beispiel das Weltraumteleskop Herschel und Planck, die Sonde zur Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung, die 2009 gestartet wurden. Oder Bepi-Columbo, die Raumsonde zur Erforschung des Merkus, die 2018 losgeflogen ist. Und natürlich das James-Webb-Weltraumteleskop, das am 25. Dezember 2021 von einer Ariane 5 ECA erfolgreich ins All gebracht wurde. Dieser Flug war sogar so erfolgreich und das Teleskop wurde so exakt in den Weltraum gebracht, dass man sich jede Menge Treibstoff gespart hat und die Missionsdauer des Teleskops sogar verdoppeln konnte. Der vorletzte Flug der Ariane 5 hat die Raumsonde JUICE auf den Weg zur Erforschung der Jupitermonde gebracht, bevor dann der Kommunikationssatellit Heinrich Hertz den letzten Flug begleitet hat.

Die Ariane 5 war ein höchst erfolgreiche und zuverlässige Rakete. Und sie wird nicht die letzte Ariane gewesen sein, die ins All geflogen ist. Immerhin gibt es noch jede Menge Zahlen hinter der 5.

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