Das sind nur ein paar der vielen Schlagzeilen, die in den letzten Tagen überall zu lesen waren:

„Exoplanet K2-18 b: Anzeichen für Leben auf anderem Planeten“
„Dieser Exoplanet zeigt erste Anzeichen von Leben“
„NASA-Forscher entdecken im All Hinweise auf Leben“
„K2-18b: Spuren von Leben auf Exoplanet gefunden“
„James-Webb-Weltraumteleskop: Leben auf dem Exoplaneten K2-18 b entdeckt?“

Klingt spektakulär. „Anzeichen“, „Hinweise“ und „Spuren“ von Leben außerhalb der Erde sind entdeckt worden. Und wenn das tatsächlich so ist, dann IST das auch höchst spektakulär. Aber wie so oft sind spektakuläre Schlagzeilen in den meisten Fällen bei genauerer Betrachtung erstaunlich weit von der Realität entfernt. Dazu kommt: Sie verstellen den Blick auf die tatsächlich spektakuläre Forschung, die auch in diesem Fall stattgefunden hat. Ich habe mir die Sache daher mal genauer angesehen.

Um was geht es?

Wir haben in den letzten Jahrzehnten ein paar tausend Planeten gefunden, die andere Sterne umkreisen. Bis jetzt aber weder einen Planeten, bei dem wir mit Sicherheit sagen könnten, dass es dort lebensfreunliche Bedingungen gibt. Und auch keine eindeutigen Spuren, die auf außerirdisches Leben hinweisen. Und wenn ich im folgenden „außerirdisches Leben“ schreibe, dann meine ich damit irgendwelche Mikroorganismen, Algen, Bakterien, und so weiter und keine intelligenten Aliens (von denen wir bis jetzt aber auch keine Spuren entdeckt haben). Es ist absolut nicht unwahrscheinlich, dass wir so eine Entdeckung machen können. Wir wissen, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit Planeten geben muss, die lebensfreundliche Bedingungen haben. Und dort kann sich dann vielleicht auch Leben entwickeln. Wenn es das getan hat und wenn es sich annähernd so verhält, wie Leben auf der Erde funktioniert, dann hinterlässt dieses Leben Spuren. Zum Beispiel bestimmte Moleküle in der Atmosphäre, die nicht von selbst entstehen können, sondern nur als Produkt des Stoffwechsels von Lebewesen. Solche Moleküle nennt man „Biomarker“ und wir sind prinzipiell technisch in der Lage, sie zu entdecken. Wenn Licht eines Sterns durch die Atmosphäre eines Planeten strahlt und dann hier auf der Erde mit einem Teleskop beobachtet wird, können wir es mit entsprechenden Geräten analysieren. Jede Molekülart in der Atmosphäre sorgt dafür, dass ein ganz bestimmter Anteil des Lichts blockiert wird. Wir müssen also nur schauen, wie viel Licht verschiedener Wellenlängen bei uns ankommt und dann schauen, welche Moleküle dafür verantwortlich sind.

Das war jetzt natürlich extrem vereinfacht, aber das Prinzip dieser „Transmissionspektroskopie“ funktioniert. Das Problem: Es funktioniert nur, wenn ein Planet von uns aus gesehen genau vor seinem Stern vorüber zieht und wir genau den kurzen Moment beobachten, wo der Rand der Atmosphäre vor dem Stern steht und von seinem Licht durchstrahlt werden kann. Und dann braucht es natürlich auch Teleskope, die ausreichend gut sind. Seit letztem Jahr haben wir aber ein wirklich tolles Teleskop im All, nämlich das James-Webb-Weltraumteleskop und das ist auch in der Lage, solche Beobachtungen durchzuführen.

Genau das hat es getan und zwar bei dem Planeten mit der Bezeichnung K2-18b. Und dort, so zumindest die Schlagzeilen, hat man Hinweise auf so einen Biomarker gefunden.

Was für ein Planet ist K2-18b?

Der Stern mit der Bezeichnung K2-18 ist ein roter Zwergstern und was das angeht, erst mal nicht sonderlich außergewöhnlich. Fast drei Viertel aller Sterne im Universum sind solche roten Zwerge; viel kleiner und kühler als unsere Sonne. K2-18 liegt 124 Lichtjahre von uns entfernt, dort wo am Himmel das Sternbild Löwe zu sehen ist. Seit 2015 wissen wir, dass dieser Stern von einem Planeten umkreist wird – der dann die Bezeichnung K2-18b bekommen hat.

Der Planet ist defintiv kein erdähnlicher Planet. Für eine Runde um seinen Stern braucht er nur 3 Tage. Er hat die 8,6fache Masse der Erde und den 2,6fachen Radius. Das heißt, dass auch seine Dichte nur circa 2,7 Gramm pro Kubikzentimeter beträgt; nur die Hälfte der Dichte der Erde. Schon früher hat das Hubble-Weltraumteleskop dort eine dichte Atmosphäre aus Wasserstoff gefunden, mit Spuren von Wasserdampf. Und es muss wirklich sehr viel Atmosphäre sein; ihre Masse macht circa 6 Prozent der Planetenmasse aus. Zum Vergleich: Bei der Erde macht die Atmosphäre weniger als 0,0001 Prozent aus. Vielleicht ist es ein Planet, der doch eine felsige Oberfläche hat, die von dieser enormen Wasserstoffatmosphäre bedeckt ist; vielleicht ist es auch ein Planet, der eher dem Gasplaneten Neptun ähnlich ist.

Die Temperatur auf diesem Planeten könnte aber jedenfalls sein, dass dort flüssiges Wasser existiert. Unter der dicken Atmosphäre aus Wasserstoff könnte also ein Wasserozean existieren, weswegen man den Planeten auch als „Hycean Planet“ bezeichnet (was für „HYdrogen oCEAN Planet“ steht, also „Wasserstoff-Ozeanplanet“). Man darf sich daber aber nicht so vorstellen wie die Meere auf der Erde, das kann zwar so sein, muss aber nicht. Es kann auch sein, dass Druck und Temperatur dort so sind, dass Wasser quasi als Gas und Flüssigkeit gleichzeitig existiert. Oder vielleicht ist es auch ganz anders; das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, über die wir nicht Bescheid wissen und wir haben bis jetzt noch keinen Hycean Planet zweifelsfrei nachweisen können. Aber wenn es sich bei K2-18b um so einen Planeten handelt und wenn die Atmosphäre auf die richtige Weise zusammengesetzt ist, dann könnten dort Bedingungen herrschen, die Leben möglich machen.

Transmissionsspektrum von K2-18b (Bild: NASA, ESA, CSA, Ralf Crawford (STScI), Joseph Olmsted (STScI))

Was hat das James-Webb-Teleskop gemessen?

Weil man schon vor dem Start des James-Webb-Teleskops (JWST) klar war, dass K2-18b ein vielversprechender Himmelskörper ist, war klar, dass auch das viel bessere JWST genau hinschauen wird. Im Januar und im Juni 2023 wurden entsprechende Messungen durchgeführt und die Ergebnisse kürzlich in der Arbeit „Carbon-bearing Molecules in a Possible Hycean Atmosphere“ veröffentlicht. Man konnte zeigen, dass in der Atmosphäre nicht nur Wasserstoff vorhanden ist, sondern auch Methan und Kohlendioxid. Ammoniak konnte man keines finden und (aus Gründen auf die ich jetzt nicht eingehen will), das alles zusammen stützt die Hypothese, dass da tatsächlich noch ein Wasserozean unter der dicken Wasserstoffschicht liegt. Das ist schon mal ein durchaus spannendes Ergebnis, genau so wie der ziemlich klare Nachweis der Moleküle Methan und Kohlendioxid. Beide werden zwar von Lebewesen produziert, es gibt aber auch noch jede Menge andere Wege, wie sie gebildet werden können, die nichts mit Leben zu tun haben. Trotzdem ist es spannend, dass wir diese Moleküle nun auch auf einem anderen Planeten nachweisen konnten, noch dazu einem, der eventuell lebensfreundliche Bedingungen hat. Das ist vielversprechend und zeigt, was technisch möglich ist und was wir da draußen alles finden können.

Wie ist das jetzt mit dem Biomarker?

Neben Methan und Kohlendioxid wurde aber auch noch „DMS“ nachgewiesen, kann man in den diversen Medienberichten lesen. „DMS“ steht für „Dimethylsulfid“ und das ist ein enorm spannendes Molekül. Wir wissen, dass es auch in der Atmosphäre der Erde existiert und die einzigen Quellen dafür die wir kennen, sind Lebewesen. Es wird hauptsächlich vom Phytoplankton in den Ozeanen gebildet, also von diversen pflanzlichen Mikroorganismen (und, auch wenn es nichts mit dem Thema zu tun hat: DMS ist auch ein Bestandteil von Fürzen und Mundgeruch, weil die Mikroorganismen in unserem Darm und unserem Mund es ebenfalls erzeugen).

Ein Molekül, das nur von Lebewesen erzeugt wird, die im Meer leben und wir haben es auf einer Ozeanwelt gefunden, die einen fremden Stern umkreist. Die Lage scheint ziemlich klar zu sein – was sonst soll das sein, als der Nachweis der Spuren von außerirdischen Leben? Tja, wenn es so einfach wäre, wäre es schon. Aber natürlich ist es nicht so einfach. Dazu müssen wir zuerst mal die diversen Schlagzeilen vergessen und einen Blick auf die Forschungsarbeit selbst wechseln. Dort können wir zum Nachweis des DMS folgendes lesen:

  • „The spectrum also suggests potential signs of dimethyl sulfide (DMS)“
  • „We find marginal evidence for DMS“
  • „Among the biomarkers, we find some evidence for DMS depending on the retrieval case. The detection significance of DMS depends on the offsets considered.“

„suggests potential signs“, „marginal evidence“ und „some evidence“ – klingt jetzt alles nicht nach einer eindeutigen Sache. Und es ist auch keine eindeutige Sache – das stellen die Forscher:innen in ihrer Arbeit sehr deutlich klar. Insbesondere der letzte Satz aus obiger Liste ist wichtig, wenn man verstehen will, worum es geht. Da steht, dass es von den „offsets“ abhängt, wie signifikant der Nachweis von DMS tatsächlich ist. Ich will jetzt nicht auf die Details der Exoplanetenatmosphärenforschung eingehen; da bin ich auch kein Experte. Aber kurz gesagt braucht man immer ein Modell, wie so eine Atmosphäre aussehen könnte, mit der man die Beobachtungsdaten abgleicht. Bei diesen Modellen gibt es ein paar Parameter, die man anpassen kann und je nachdem wie man das macht, kann man unterschiedliche Ergebnisse kriegen. Idealerweise hat man verschiedene, unabhängige Methoden mit denen das passiert, die alle zum selben Ergebnis kommen, damit man sich sicher sein kein. In dem Fall gibt es die nicht und deswegen ist der Nachweis von DMS auch extrem unsicher. Hier ist noch ein Ausschnitt aus dem Fachartikel:

Mit dem griechischen Buchstaben σ wird, vereinfacht gesagt, ausgedrückt, wie sicher man sich sein kann, dass die Daten nicht einfach nur durch Zufall so aussehen wie das, was man nachweisen will. Auch hier spare ich mir die Details, aber je höher der σ-Wert ist, desto sicherer kann man sich bei einer Entdeckung sein. In der Teilchenphysik „gilt“ eine Entdeckung zum Beispiel erst wenn man ein Niveau von 5σ erreicht hat (dann kann man sich zu 99.9999 Prozent sicher sein) und Methan konnte man bei K2-18b zum Beispiel mit näherungsweise 5σ nachweisen. Bei DMS liegt der Wert je nach offset bei 2,6σ, bei 1σ beziehungsweise ist so unsicher, dass man gar nichts sehen kann. Und mit so niedrigen σ-Werten kann man seriöserweise nicht von einem „Nachweis“ sprechen, schon gar nicht von einer „Entdeckung“ und eigentlich nicht mal von „Spuren“ oder „Hinweisen“. Normalerweise würde man so einen Datensatz gar nicht weiter beachten; das was man da (vielleicht) sehen kann, ist viel zu wenig und zu unsicher, um irgendwas sinnvolles daraus ableiten zu können. Genau deswegen sind die Forscher:innen in ihrer Arbeit auch so zurückhaltend. Dass sie die DMS-Sache dennoch erwähnen liegt einerseits daran, dass es eben potenziell durchaus eine extrem spektakuläre Entdeckung sein könnte und es sich lohnt, darauf hinzuweisen. Denn K2-18b wird nicht das letzte Mal von einem Teleskop beobachtet werden. Ganz im Gegenteil, jetzt wird erst recht genau hingesehen werden und je mehr Daten es gibt, desto besser werden wir wissen, was dort passiert. Wenn dort wirklich DMS in der Atmosphäre ist, werden wir das herausfinden. Und wenn keines da sein sollte, auch. Die aktuelle Arbeit gezeigt, dass es technisch möglich ist, solche Biomarker in der Atmosphäre eines Exoplaneten nachzuweisen, DAS ist die wichtige Nachricht, die so auch im Fachartikel steht: „Overall, our findings demonstrate the feasibility of detecting a biosignature molecule in the atmosphere of a habitable-zone sub-Neptune with JWST.“

Phytoplankton (Bild: NASA)

Das, was jetzt gerade an Daten vom JWST veröffentlicht wird, stammt aus den allerersten Beobachtungsphasen. Das Teleskop hat seitdem weiter Daten gesammelt und wird das noch auf Jahre hinaus tun. Wir sind gerade erst am Anfang und werden in den nächsten Jahrzehnten Dinge herausfinden, von denen wir noch gar nicht wissen, dass wir sie rausfinden können! Und wenn irgendwo außerirdische Mikroorganismen rumkreuchen, kriegen wir das auch raus. Aber jetzt ist es noch nicht so weit.

Warum dann die Aufregung?

Den Forscherinnen und Forschern kann man eigentlich keinen Vorwurf machen, dass ihre Arbeit so gehypt wird. Erstens IST es eine sehr beeindruckende Arbeit. Und zweitens haben sie durchaus seriös beschrieben, was sie entdeckt haben und was nicht. Ein bisschen mehr Schuld an den medialen Fehldarstellungen haben da schon NASA und die anderen Institute, die Pressemitteilungen dazu geschrieben haben. Da wird zwar auch zurückhaltend von einer „possible detection“ geschrieben, aber ein „Nachweis“ mit einem so niedrigen σ-Wert sollte eigentlich gar nicht weiter erwähnt werden, nicht mal als „möglicher Nachweis“. Und wenn die Uni Cambridge schreibt, dass das Team „identified another, weaker, signal“, dann ist das eigentlich schon irreführend, denn „identified“, also „nachgewiesen“ hat man nichts.

Aber es ist klar, dass die Medien sofort auf so etwas anspringen. Wie denn auch nicht? Der Nachweis von außerirdischem Leben wäre eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen überhaupt. Aber gerade weil das so ist, sollte man besonders genau hinsehen. Und über den (zu) spektakulären Behauptungen die eigentlich faszinierende Forschung nicht ignorieren. Wenn da draußen irgendwo Leben ist, werden wir es finden. Nicht irgendwann, sondern bald. Die Instrumente, die wir haben sind gut genug, wir finden immer mehr Exoplaneten und verstehen immer besser, wie sie funktionieren. Wenn da Leben ist, ist es eher eine Frage von Jahren als von Jahrzehnten, bis wir es finden. So lange können wir jetzt auch noch warten, da braucht es keine übertriebenen Medienberichte die am Ende die eigentliche Entdeckung abschwächen werden.

P.S. Ja, ich weiß, in Mexiko hat irgendwer angebliche mummifizierte Aliens ins Parlament gezerrt. Aber der Kerl der das gemacht hat, ist ein Betrüger, der sowas früher schon versucht hat und keine weitere Betrachtung wert.
P.P.S. Wer eine etwas wissenschaftlichere Analyse der K2-18b-Geschichte lesen will, kann hier schauen.

Ein Gedanke zu „Der Nachweis von außerirdischem Leben auf einem Exoplaneten: Was passiert ist und was nicht“

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