Nachdem der Start des neuen Weltraumteleskops Herschel und der Raumsonde Planck nun wieder einmal verschoben wurde, soll es nun am 14. Mai losgehen. Um die Wartezeit bis dahin zu verkürzen, hat Torsten Löhne von der Sternwarte Jena wieder einen Gastbeitrag spendiert. Nachdem er beim letzten Mal erzählt hatte, wie man überhaupt dazu kommt, mit Herschel zu arbeiten; erklärt er nun, was genau gemacht werden soll: er und die anderen Wissenschaftler des Teams wollen Herschel benutzen, um den Staub zu untersuchen, der andere Sterne umkreist (wie z.B. den Stern Beta Pictoris). Daraus lässt sich nämlich einiges lernen. Aber das erzählt Torsten besser selber:


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Das Herschel-Programm „DUNES“ (DUst around Nearby Stars) trägt im Namen den Staub um nahe Sterne. Welcher Staub ist damit nun gemeint, und warum interessieren wir uns dafür? Auf die erste Frage kann man zunächst eine indirekte Antwort geben: Es handelt sich nicht um ursprünglichen Staub, das heißt Staub, der zusammen mit sehr viel Gas in der ursprünglichen Wolke vorlag, aus der sich später ein Stern und Planeten bilden. Auch dieser Staub wird mit Herschel untersucht, aber im Rahmen anderer Programme.

Stattdessen liegt für das Material, um das es uns geht, der größte Teil der Entwicklungsgeschichte eines Planetensystems bereits in der Vergangenheit. Diese Vergangenheit beginnt mit dem Zusammenballen und Abflachen der ursprünglichen Wolke zu einem zentralen Stern und einer diesen umgebenden Protoplanetaren Scheibe. In dieser Scheibe wächst der kleine Staub in recht kurzer Zeit zu Planetenembryos und schließlich Gasplaneten und terrestrischen Planeten — je nach Laune.
Sobald aber einige solcher großen Objekte in einer Scheibe vorhanden sind, wird diese so stark gestört, dass das Planetenwachstum sich drastisch verlangsamt und dann praktisch zum Erliegen kommt.

Hier beginnt nun das Leben einer sogenannten Trümmerscheibe (engl. debris disk). Die Störung durch entstandene Planeten sorgt dafür, dass Planetesimale, also Objekte, die den Übergang zum Planeten nicht geschafft haben, bei Kollisionen miteinander nicht mehr wachsen, sondern sich gegenseitig zerstören. Die entstehenden Trümmer werden dann irgendwann erneut mit etwas zusammenstoßen und noch kleinere Trümmer erzeugen, usw., bis am Ende der Kaskade Staub zweiter Generation steht, jener Staub, der uns interessiert. Auch Kometen können ihren Teil zur Staubproduktion beitragen. Die naheliegendsten Beispiele finden sich in unserem Sonnensystem und zwar in Form des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter und des Kuipergürtels jenseits der Neptunbahn.

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Finden diese Vorgänge in einem entfernten System statt, sind sie vor einem Beobachter übrigens größtenteils verborgen, weil wir schon Schwierigkeiten haben, in unserem eigenen System kleine Asteroiden aufzuspüren. Sobald die Trümmer aber eine gewisse Größe unterschreiten, und damit gleichzeitig eine gewisse Zahl überschreiten, sind sie plötzlich sichtbar (wie z.B. beim Stern Beta Pictoris – siehe Bild rechts). Analog wäre ein (Gedanken-)Experiment mit einer Tüte Mehl vorstellbar: Kompakt (wie ein Planetesimal) ist sie wohl (je nach Verpackungsfarbe) bereits in wenigen hundert Metern Entfernung nicht mehr auzumachen. Zerstäubt man das Mehl hingegen zu einer Wolke, ist diese noch über Kilometer hinweg zu sehen. Die Analogie geht hier natürlich nicht beliebig weit, denn bei Herschel findet das „Sehen“ nicht bei Wellenlängen des sichtbaren Lichts statt, sondern im Bereich der thermischen Strahlung des eher kalten Staubs.

Die Entstehungsgeschichte des Staubes in Trümmerscheiben ist gleichzeitig die Antwort auf die Frage nach dem Nutzen dieser Forschung. Denn daraus, wieviel sichtbarer Staub welcher Größe in welchem Abstand um Sterne welchen Typs und welchen Alters sich befindet, kann man Rückschlüsse auf die unsichtbaren Mechanismen der Staubproduktion ziehen. Der Staub gibt also Hinweise darauf, wo sich Planetesimalgürtel befinden, wo noch unsichtbare Planeten sein können und wo nicht.

Fairerweise muss man nun natürlich erwähnen, dass neue Beobachtungen sich nur selten nahtlos in bestehende Konzepte einarbeiten lassen – ganz im Gegenteil. Meist sind die Ergebnisse nicht ganz eindeutig, oder man ist konfrontiert mit neuen, scheinbaren Spezialfällen wie der ersten Entdeckung einer Trümmerscheibe im Jahre 1984 um den Stern Wega. Diese Spezialfälle erweitern dann das Weltbild zu einem noch komplexeren Gebilde.

Auch die Trümmerscheiben werden also letztlich helfen unser Sonnensystem und uns besser zu verstehen – sei es als Spezialfall oder als Regel.

9 Gedanken zu „Wissenschaft mit Herschel: Warum Staub so interessant sein kann“
  1. @Florian oder Torsten

    Dazu hätte ich eine Frage:

    Da man diese „Protoplanetare Scheibe“ schon vor der Entdeckung der Exoplaneten „kannte“, wieso ging man nicht schon damals davon aus, dass es überall in der Milchstrasse und anderswo Planeten gibt?

    Ich war persönlich immer davon überzeugt, dass es überall Planeten gibt und fand die Zweifel der „Wissenschaft“ manchmal etwas seltsam, bzw. überzogen.

    MfG
    Eddy

  2. @Eddy: „wieso ging man nicht schon damals davon aus, dass es überall in der Milchstrasse und anderswo Planeten gibt?“

    Ging man ja – deswegen wurde nach den Exoplaneten auch gesucht und deswegen hat sie am Ende auch gefunden. Hat halt ein bisschen gedauert…

  3. @Eddy

    Was im Nachhinein vielleicht übermäßig zweiflerisch und vorsichtig erscheinen mag, war, denke ich, einfach angemessen. Schließlich gab es nach den ersten Entdeckungen (Trümmerscheiben: 1984, Protoplanetare Scheiben: 1994, Planeten: 1992 bzw. 1995) noch zu wenige Daten für statistische Aussagen. Und die Objekte, die man zuerst fand, waren die auffälligsten (größten, hellsten, schwersten), dass heißt nicht unbedingt typisch für ihre Zunft.
    Das grundlegende Konzept von der Wolke über die Scheibe hin zum Planetensystem war zwar schon seid Kant mehr oder weniger das Standardmodell, aber die theoretische Modellierung dieses Prozesses ist längst noch nicht völlig ausgereift. (So hat man zum Beispiel immernoch mit dem Flaschenhals der „Meter-Barriere“ zu kämpfen, das heißt man hat Schwierigkeiten, Modelle zu finden, die Objekte über eine Schwellgröße von wenigen Metern anwachsen zu lassen, ohne dass diese vorher von der Gasscheibe abgebremst werden und auf den Stern fallen.) Die Vorgänge sind zu komplex, als dass man bisher ein allgemeingültiges Modell finden konnte. Viele einzelne Effekte kann man natürlich erklären, aber quantitative Aussagen über die Häufigkeit von Planeten konnten bisher nicht wirklich aus der Theorie gewonnen werden. Hier konnte (leider) erst im Laufe der Jahre die Beobachtungsstatistik ein bisschen helfen. Deswegen hat man eben gezögert zu sagen, es gebe überall Planeten — auch wenn es sicher die meisten so vermuteten.

  4. @Florian und Torsten

    Vielen Dank für die netten und ausführlichen Erklärungen. Als Laie hat man all diese Probleme selbstverständlich nicht. Man mag auch oft intuitiv die richtige Antwort „erraten“. Bei einigen Erkenntnissen steht einem aber gerade der gesunde Menschenverstand im Weg. Ich habe z.B. auch nie verstehen können, warum man davon ausging, dass einige Umlaufbahnen von Planeten chaotisch sein müssten. Ich hielt das für äusserst „unlogisch“. Immerhin sehen diese Bahnen doch sehr stabil aus und wenn man einen Gegenstand an einer Schnur um den Körper kreisen lässt scheint eine solche „Bahn“ ganz besonders stabil.

    Erst Florians Erklärung zu den Bahnen die nicht chaotisch sein sollen, hat etwas Licht in mein kognitives Dunkel gebracht https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/04/ordnung-und-chaos-in-extrasolaren-planetensystemen-teil-3-wie-misst-man-chaos.php .

    Ich habe übrigens gedacht, ich hätte einmal vor einigen Jahren irgendwo gelesen, man hätte die klassische Vorstellung der Planetenentstehung widerlegt? Ich dachte dann immer noch, dass Planeten auch durch andere „Prozesse“ entstehen können.

    .. Und dann diese Bilder zu den Saturnringen und dem Mond der sie durchstösst. Einfach der reine Wahnsinn!!!

    Danke für die eleganten und wunderschönen Erklärungen, Erkenntnisse und Bilder!!!!

    MfG
    Eddy

  5. @Florian

    Das habe ich einmal im Fernsehen aufgeschnappt. Man erklärte, dass einige Bahnen von Planeten durch andere Himmelskörper so sehr beeinflusst werden müssten, dass ihre Bahnen eigentlich nicht stabil sein könnten. Man wäre überrascht, dass sie trotzdem so stabil wären.

    Das ist das Problem, wenn man viel fernsieht, ohne Bücher über die Themen zu lesen. Man behält immer nur kleine Erinnerungsschnipsel die man dann zu einem Gesamtbild zusammenfügt.

    Wenn ich so etwas höre, denke ich immer, das sei das zu der Zeit aktuelle Fachwissen der Spezialisten auf dem Gebiet. Erst als ich den interessanten Beitrag zu den Chaosindikatoren las, ergab das Ganze einen Sinn für mich.

    Vielleicht hatte die damalige Sendung mit dem Dreikörperproblem zu tun. Ich weiss es leider nicht mehr. Oder meine Erinnerung ist einfach fehlerhaft?

    LG
    Eddy

  6. @Florian

    Hier ist ein Beispiel für eine Meldung zum chaotischen Verhalten von Planeten:

    https://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/284004.html

    „Dass die Dynamik der kleineren Planeten des Sonnensystems vom Chaos bestimmt ist, wissen Astronomen schon seit vielen Jahren. Demnach können selbst kleine Störungen des Gravitationsfelds, etwa durch vorbeifliegende Kometen ausgelöst, prinzipiell die Bahnkurven dieser Planeten über einen Zeitraum von vielen Millionen Jahren hinweg stark verändern.“

    Oder z.B. hier:

    https://www.eberl.net/chaos/Sem/Krause/D_index.html

    „Da bei dem mit drei beteiligten Massen recht einfachen und überschaubaren Modell des eingeschränkten 3KP, chaotisches Verhalten nachgewiesen werden konnte, ist anzunehmen, daß viel komplexere Systeme, wie etwa unser Sonnensystem auch chaotisches Verhalten zeigen können.“

    Leben hätte aber wohl auf der Erde so nicht entstehen können?

    MfG
    Eddy

  7. @Eddy: Hmm – das ist ein bisschen irreführender Journalismus. Also chaotisches Verhalten gibt es definitiv in Planetensystemen. Z.B. bei den erdnahen Asteroiden oder den Zentauren. Auch die inneren Planeten sind tendentiell chaotisch – aber das sind Prozesse, die auf Zeitskalen von Milliarden Jahren ablaufen.

  8. @Florian

    Naja, ein wenig bin ich ja auch selbst schuld daran. Ich hätte ein Buch kaufen können, oder nachfragen.
    Danke schon wieder mal für die vielen Antworten. Ich weiss nicht wie Sie ihr Arbeitspensum schaffen, aber ich bin äusserst beeindruckt von soviel Freundlichkeit und Nächstenliebe, so wie ihrer Liebe zur Astronomie.

    Ich kann bloss hoffen, dass ihr Blog nicht zu populär wird … ;-)))

    LG
    Eddy

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