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Sternengeschichten Folge 580: Enceladus und außerirdische Mikroben

„In einem kurzen Nachtrag zu meinem letzten Artikel über Nebel, verkünde ich die Entdeckung eines sechsten Satelliten des Saturn“. So beginnt ein Artikel von William Herschel, der am 12. November 1789 veröffentlicht wurde. Der englische Astronom, der durch die Entdeckung des Planeten Uranus ein paar Jahre zuvor weltberühmt wurde, hatte auch danach nicht aufgehört, den Himmel zu beobachten. Er fand zwei Monde des frisch entdeckten Uranus und dann auch zwei Monde des Saturn. Einer davon, nämlich Mimas, war das Thema von Folge 489 der Sternengeschichten. Heute sehen wir uns den anderen an: Enceladus.

Diesen Namen hat ihm nicht William Herschel gegeben, sondern dessen Sohn John Herschel, der ebenfalls ein berühmter Astronom war. In der griechischen Mythologie ist Enkelados einer der Giganten, der gegen Zeus und die restlichen olympischen Götter kämpft. Als Saturnmond ist Encelados weniger gigantisch, er hat einen Durchmesser von nur circa 500 Kilometern, womit er es nur auf Platz 17 der größten Mondes des Sonnensystems schafft. Die Bahn des Mondes um Saturn ist fast perfekt kreisförmig und sein Abstand liegt bei circa 177.680 Kilometer, wenn man von den oberen Wolkenschichten aus misst. Er befindet sich damit auch außerhalb der Saturringe, zumindest außerhalb der klassischen Ringe. Denn Enceladus hat seinen ganze eigenen Saturnring, den sogenannten „E-Ring“. Er ist mit 300.000 Kilometern extrem breit und Enceladus sitzt ziemlich genau in der Mitte dieses Rings.

Der E-Ring leuchtet nicht sehr hell; das Material ist dort nicht so dicht wie bei den inneren Ringen, die man normalerweise meint, wenn man von den „Saturnringen“ spricht. Man braucht gute Teleskope, wenn man ihn sehen will und deswegen wurde er auch erst 1966 entdeckt. Es hat allerdings bis 2005 gedauert, bis man auch herausgefunden hat, warum es den E-Ring überhaupt gibt. In diesem Jahr ist die Raumsonde Cassini das erste Mal an Enceladus vorbeigeflogen und danach noch ein paar Mal. Heute wissen wir, dass der E-Ring aus sehr kleinen Eis- und Staubpartikeln besteht; so klein, dass der Ring eigentlich instabil sein sollte. Die feinen Partikel werden durch die Strahlung der Sonne quasi aus der Umlaufbahn des Saturn gepustet und nach ein paar 10.000 Jahre sollte nichts mehr davon übrig sein. Dass wir ihn heute immer noch sehen können, liegt daran, dass es eine Quelle gibt, die immer wieder neue Eis- und Staubteilchen produziert. Diese Quelle ist – wenig überraschend – der Mond Enceladus. Misst man die Dichte der Ringteilchen, dann findet man genau dort am meisten, wo sich auch der Mond befindet. Nur: Wie produziert Enceladus diese Teilchen und wie kommen sie ins All?

Enceladus (NASA/JPL/Space Science Institute)

Dazu schauen wir uns am Besten den Mond ein wenig genauer an. Seine Dichte liegt bei circa 1,6 Gramm pro Kubikzentimeter, dass heißt er muss im Wesentlichen aus Eis bestehen, vermutlich mit einem Kern aus Gestein. Wäre es ein felsiger Himmelskörper oder gar ein felsiger Himmelskörper mit einem metallischen Kern, so wie die Erde, dann müsste seine Dichte weitaus höher sein. Dass Enceladus eine Eiswelt ist, sieht man auch daran, wie viel Sonnenlicht er reflektiert. Nämlich gut 99 Prozent, womit er mehr Licht reflektiert als alle anderen Himmelskörper im Sonnensystem von denen wir wissen; die Oberfläche von Enceladus ist heller als frisch gefallener Schnee. Was man auf Enceladus dagegen eher kaum sieht, sind große Krater. Der größte hat nur einen Durchmesser von 34 Kilometern und das ist ein Zeichen dafür, dass seine Oberfläche vergleichsweise jung ist.

Für eine junge Oberfläche braucht es aber irgendeine Art von geologischer Aktivität. Ein geologisch toter Himmelskörper, wie zum Beispiel unser Erdmond, hat jede Menge Krater, in allen Größen. Jedes Trumm dass dort irgendwann mal eingeschlagen ist, hat einen Krater hinterlassen. Auf der Erde dagegen schlagen auch immer wieder Asteroiden ein, aber dort sorgen Plattentektonik und Vulkanismus auch dafür, dass sich die Erdoberfläche immer wieder erneuert und die alten Krater verschwinden.

Auf einem 500 Kilometer großen Eismond ist aber eher nicht mit feuerspeienden Vulkanen zu rechnen. Dafür kann es dort eine andere Art von geologischer Aktivität geben: Den Kryovulkanismus, über den ich in Folge 300 schon ausführlich gesprochen habe. Der funktioniert im Prinzip genau so wie der Vulkanismus hier auf der Erde, nur dass Eis und Wasser die Rolle von Gestein und Magma spielen. Und dass so etwas auf Enceladus tatsächlich stattfindet, haben wir sogar schon beobachtet. Die Raumsonde Cassini hat Bilder der Eisfontänen gemacht, die aus Spalten in der Südpolregion des Mondes ins All hinaus schießen. Wir wissen aus den Messungen der Raumsonde auch, dass die Temperatur in der Umgebung dieser Spalten circa 20 Grad höher ist als normal. Es liegt also nahe, dass irgendwo im Inneren des Mondes flüssiges Wasser existiert, dass durch die Spalten aufsteigt und als Eis ins All geschleudert wird. Die Schwerkraft des kleinen Mondes reicht nicht aus, um es festzuhalten, und so kriegt der E-Ring immer wieder Nachschub. Was genau für die Erwärmung im Inneren des Mondes sorgt, ist noch unklar – aber die gravitative Wechselwirkung des Mondes mit Saturn und den anderen Monden in der Umgebung dürfte eine Rolle spielen; außerdem gibt es dort auch Ammoniak, dass den Schmelzpunkt von Eis herabsetzt.

Am 9. Oktober 2008 ist Cassini dann in einem Abstand von nur 25 Kilometer an Enceladus vorbei geflogen. So dicht ist eine Raumsonde bis dahin noch nie an irgendwas vorbei geflogen und durch Glück hat man bei dieser nahen Begegnung auch noch eine frische Eruption erwischt. Cassini ist direkt durch eine „Wolke“ aus Partikeln geflogen, die der Mond ausgestoßen hat. Es war so viel Material vorhanden, dass es sogar einen messbaren Effekt auf die Bewegung der Sonde gehabt hat. Und man konnte natürlich die Instrumente von Cassini nutzen um die Zusammensetzung des Material zu untersuchen. Es bestand unter anderem aus Wasserdampf, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und diverse andere organische Moleküle.

Enceladus im E-Ring (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Wasser, Wärme und diverse auf Kohlenstoff basierende Chemikalien: Das sind eigentlich genau die Voraussetzung, die man für die Entstehung von Leben benötigt. Und tatsächlich gilt Enceladus auch als einer der besten Kandidaten für die Suche nach außerirdischem Leben im Sonnensystem. Die Daten wir haben, deuten darauf hin, dass es einen kompletten Wasserozean unter der Eiskruste von Enceladus geben muss. Wir haben auch Wasserstoff-Moleküle gemessen, die aus den Spalten im Eis der Oberfläche kommen und Methan. Auf der Erde kennen wir Orte, die sehr gut zu diesen Daten passen würden: Die hydrothermalen Quellen am Meeresgrund, wo heißes Wasser aus dem Inneren des Planeten nach oben steigt und wo sich dann Mikroorganismen ansiedeln, die mit Hilfe von Wasserstoff und Kohlendioxid Methan produzieren. All das haben wir auch auf Enceladus nachgewiesen. Aber nur weil die Daten zur Existenz von Leben passen, bedeutet das nicht, dass sie die Existenz dieses Lebens auch belegen. Es kann genau so gut ein rein chemischer Prozess sein, der im Ozean von Enceladus abläuft und all diese Chemikalien produziert.

Trotzdem hat sich die Astrobiologin Ruth-Sophie Taubner im Jahr 2018 die Sache genauer angesehen. Nicht auf dem Saturnmond, sondern in einem Labor auf der Erde. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat sie Methanothermococcus okinawensis erforscht. Dieser Mikoorganismus lebt auf der Erde an den vorhin erwähnten hydrothermalen Quellen. Dort produziert er Methan und Taubner wollte wissen, ob er das auch unter den Bedingungen könnte, die auf Enceladus herrschen. Also stellte sie die Bedingungen im Labor nach und das Ergebnis zeigt: Ja, Methanothermococcus okinawensis könnte auch im unterirdischen Ozean von Enceladus überleben. Das heißt natürlich nicht, dass genau dieser Mikroorganismus dort lebt. Das heißt nichtmal, dass dort irgendetwas lebt. Aber es zeigt, dass es auf Enceladus Leben geben könnte! Ob das wirklich so ist, wird sich aber erst zeigen, wenn wir irgendwann mal eine Raumsonde dorthin schicken, die den Mond nicht nur aus der Ferne betrachtet, sondern dort auch landet.

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