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Sternengeschichten Folge 560: Quasi-Sterne

In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um Quasi-Sterne. Und damit sind nicht die „quasi stellar objects“ gemeint, beziehungsweise die „Quasare“; also die aktiven Zentren von fernen Galaxien, von denen ich in Folge 52 schon ausführlich erzählt habe. Die Quasi-Sterne um die es jetzt geht sind, sind wie normale Sterne, nur nicht so ganz. Quasi Sterne eben. Es sind Objekte, die von außen so aussehen wie normale Sterne, in deren Inneren sich aber eine Überraschung verbirgt. Diese kosmischen Überraschungseier sollte man aber eher geschlossen halten, denn in ihnen gibt es nichts zum Spielen und auch keine Schokolade. Sie sind allerdings äußerst spannend und um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir bei einem ganz anderen Problem anfangen.

Und brauchen dafür jetzt doch noch einmal kurz die Quasare, die ich zu Beginn erwähnt habe. Wir wissen, dass sich in den Zentren aller großen Galaxien gigantische schwarze Löcher befinden, deren Masse das Millionen- bis Milliardenfache der Sonnenmasse betragen kann. Solche supermassereichen schwarzen Löcher können ruhig sein oder aktiv, je nachdem was sich in ihrer Umgebung befindet. In jungen Galaxien gibt es jede Menge Gas und Staub und all das wirbelt um das zentrale schwarze Loch herum, bevor es hineinfällt. Bei diesem Wirbeln wird elektromagnetische Strahlung freigesetzt und deswegen leuchtet die Umgebung dieser aktiven schwarzen Löcher enorm hell. So hell, dass man das auch noch in großer Entfernung beobachten kann. Diese aktiven Zentren ferner Galaxien nennt man auch „Quasare“; die Zentren von alten Galaxien wie unserer Milchstraße sind dagegen ruhiger. Dort ist nur noch sehr wenig Staub und Gas und diese supermassereichen schwarzen Löcher bringen ihre Umgebung deswegen deutlich weniger stark zum Leuchten.

Dass es supermassereiche Löcher in den Zentren der Galaxien gibt, weiß man schon lange (darüber habe ich in Folge 455 mehr erzählt) und spätestens als wir 2019 das erste Bild so eines supermassereichen schwarzen Lochs gemacht haben, besteht darüber kein Zweifel mehr. Was wir dagegen nicht gut verstehen, ist die Entstehung dieser Objekte. Wir wissen, wie normale schwarze Löcher entstehen, also schwarze Löcher die bis zu ein paar Dutzend Mal schwerer sind als die Sonne. So etwas bildet sich, wenn ein großer Stern am Ende seines Leben keine Kernfusion mehr durchführen kann und unter seinem eigenen Gewicht immer weiter in sich zusammenfällt. Es gibt aber keine Sterne, die so groß sind, dass sie zu einem schwarzen Loch kollabieren, dass ein paar Millionen Sonnenmassen hat.

Kein Problem, könnte man denken: Dann entstehen diese gewaltigen schwarzen Löcher halt in dem viele kleine miteinander verschmelzen. Das ist prinzipiell zwar möglich. Aber es braucht Zeit und wir haben mittlerweile aktive Galaxien entdeckt, die nur ein paar hundert Millionen Jahre nach dem Urknall existieren – und das ist zu kurz, als dass ein supermassereiches schwarzes Loch aus vielen kleinen entstehen kann. Es muss also einen anderen Mechanismus geben; einen Mechanismus, der schwarze Löcher produziert, die deutlich größer sind als sie normalerweise aus dem Kollaps eines Sterns entstehen würden.

Supermassereiche schwarze Löcher sind da, aber wir wissen nicht, warum.
Bild: EHT Collaboration, CC-BY 4.0)

Die Quasi-Sterne sind genau so ein Mechanismus. Und zwar ein hypothetischer, das sage ich am besten gleich dazu. Wir wissen nicht, ob es solche Objekte gibt, aber wenn, dann wären sie enorm faszinierend. Simpel gesagt handelt es sich um einen Stern, in dessen Inneren ein schwarzes Loch sitzt. Nur dass es eben kein echter Stern sein kann; in normalen Sternen findet im Zentrum Kernfusion statt und die sorgt dafür, dass so ein Stern überhaupt so funktionieren kann, wie ein Stern. Die großen Mengen an Gas aus denen ein Stern besteht, wollen unter ihrer eigenen Schwerkraft immer stärker in sich zusammenfallen; die bei der Kernfusion freiwerdende Strahlung dagegen bewegt sich vom Kern nach außen und wirkt diesem Kollaps entgegen. Deswegen bleibt ein Stern stabil und es klingt ein wenig seltsam, wenn man behauptet, dass im Kern eines Sterns auch ein schwarzes Loch sein kann. Das schwarze Loch zieht einfach alles an, verschluckt die Gasmassen des Sterns und fertig. Am Ende kriegen wir ein schwarzes Loch und es bleibt weder ein Stern übrig, noch ein Quasi-Stern.

Das ist im Prinzip richtig. Aber in Warheit auch ein wenig komplizierter. Gehen wir zurück in die Frühzeit des Universums, als es noch keine Sterne gab. Nur sehr viel Wasserstoff und Helium; die anderen chemischen Elemente gab es damals noch nicht, denn die müssen ja erst durch die nuklearen Prozesse in den Sternen produziert werden. Die gigantischen Gaswolken aus Wasserstoff und Helium kollabieren und bilden nun genau diese ersten Sterne. Es kann aber auch sein, dass die Gaswolke so enorm viel Masse hat, dass sie gleich direkt zu einem schwarzen Loch kollabiert. Und es kann sein, dass da noch viel mehr Masse ist. Dann kriegen wir ein schwarzes Loch mit einer Hülle aus Wasserstoff und Helium. Und warum fällt dieses ganze Zeug nicht auch einfach ins schwarze Loch?

Weil schwarze Löcher eben nicht einfach nur Löcher sind, in das Zeug kommentarlos hineinfällt. Ich hab das zu Beginn schon erwähnt: Material in der Nähe eines schwarzen Lochs fällt nicht auf direktem Weg hinein, so wie ein Stein, den man in ein Loch im Boden wirft. Es wird beschleunigt; es wirbelt auf spiralförmigen Umlaufbahnen um das Loch herum, bis es irgendwann am Ende dabei so nahe gekommen ist, dass es der Anziehungskraft nicht mehr entkommen kann. Und bei dieser enorm schnellen Bewegung wird das Material so stark aufgeheizt, dass es Strahlung abgibt. Diese Strahlung kann so stark sein, dass sie das verbliebene Material in der Umgebung des schwarzen Lochs regelrecht davon pustet und deswegen kann ein schwarzes Loch auch nicht so einfach beliebig stark anwachsen. Man nennt das das „Eddington-Limit“: Wenn ein schwarzes Loch zu viel Zeug verschluckt, entsteht dabei so viel Strahlung, dass der Rest weit hinaus ins All gedrückt wird und nicht mehr ins Loch fallen kann. Das Wachstum des schwarzen Lochs hat also eine eingebaute Grenze und das ist ein Problem, wenn wir auf der Suche nach einem Mechanismus sind, der überdurchschnittlich große schwarze Löcher produziert.

Es ist allerdings nur auf den ersten Blick ein Problem. Auf den zweiten Blick sieht die Situation nämlich so ähnlich aus, wie ich es vorhin kurz bei den normalen Sternen erzählt habe. Die Gravitation will den Stern kollabieren lassen; der Strahlungsdruck der Kernfusion wirkt dem entgegen und es entsteht ein Gleichgewicht, dass den Stern stabil hält. Jetzt haben wir eine sehr große Menge an Gas, die kollabiert. Ein schwarzes Loch entsteht; verschluckt noch mehr Material und dabei wird Strahlung frei, die nach außen drängt. Wenn die Gashülle um das schwarze Loch aber aussreichend viel Masse hat, dann kann sie durch diese Strahlung NICHT weggedrückt werden. Wir kriegen ein Gleichgewicht, zwischen der Strahlung die aus der Umgebung des schwarzen Lochs frei wird und der Gravitationskraft der Gashülle. Und auch hier kann am Ende eine Art von Gleichgewicht entstehen. Kein dauerhaftes natürlich. Die Strahlung die aus der Umgebung des schwarzen Lochs kommt, reicht nicht, um die äußere Gashülle davon zu pusten. Sie kann sie aber auch nicht dauerhaft auf Abstand zum schwarzen Loch halten. Das heißt, es fällt weiterhin ständig Material aus der Hülle ins Loch; das Loch wächst – langsam – immer weiter, bis die Gashülle irgendwann komplett weg ist. Es dauert circa 7 Millionen Jahre, bis alles verschluckt ist, aber während dieses Vorgangs würde das Objekt von außen so aussehen, wie ein großer, heißer Stern, obwohl er alles andere ist als ein normaler Stern.

„Groß“ heißt hier wirklich groß: Ein solcher Quasi-Stern hätte eine Masse von circa 10 Millionen Sonnenmassen; so viel wie manche sehr kleine Galaxien. Und der Quasi-Stern ist zwar groß, aber definitiv kleiner als eine Galaxie, weil eben ein großer Teil der Masse im schwarzen Loch in seinem Inneren sitzt. Die äußersten Schichten der Gashülle, die das Loch umgeben hätten eine Temperatur von circa 10.000 Grad, was circa doppelt so viel ist als bei der Sonne, aber nicht unbedingt untypisch für Sterne.

Größenvergleich von Quasisternen und Sternen (Bild: Sauropodomorph, CC-BY-0)

Wichtig ist aber, was am Ende passiert: Nachdem das schwarze Loch die gesamten Gasmassen verschluckt hat, hat es eine Masse von ein paar tausend Sonnenmassen und das ist deutlich mehr, als es normalerweise haben könnte. Denn normalerweise würde eben das Eddington-Limit verhindern, dass ein schwarzes Loch zu stark wächst. Weil wir bei einem Quasi-Stern aber genau die richtigen Bedingungen haben; weil die Masse der Gashülle genau groß genug ist, um NICHT durch die Strahlung davon gepustet zu werden; weil wir hier das schwarze Loch quasi langsam genug füttern: Deswegen kann es über sein normales Limit hinaus wachsen. Und wenn so etwas oft genug vorkommt und es ausreichend viele solcher schwarzen Löcher gibt, die aus Quasi-Sternen entstanden sind, und DIE miteinander verschmelzen, dann könnte das schnell genug passieren, um zu erklären, wie die supermassereichen schwarzen Löcher entstanden sind, die wir heute beobachten.

Die ganze Sache klingt plausibel; ist aber eben nur eine Hypothese. Und eine, die schwer zu überprüfen ist. Quasi-Sterne kann es nur im frühen Universum gegeben haben. Sie können nur aus Gaswolken entstehen, die aus Wasserstoff und Helium bestehen. Beziehungsweise: Sie können nur aus Gaswolken entstehen, in denen außer Wasserstoff und Helium sonst keine anderen Elemente enthalten sind. Warum das so ist, ist fast schon wieder ein Thema für eine eigene Sternengeschichte. Aber ganz kurz erklärt: Wie groß eine Gaswolke beziehungsweise ein Protostern werden kann, hängt unter anderem auch von der Fähigkeit des Gases ab, sich selbst zu kühlen. Ansonsten landen wir wieder beim Eddington-Limit: Wenn die Gasmassen zu heiß werden, dann können sie nicht mehr zu einem kompakteren Objekt wie einem Stern kollabieren sondern fliegen auseinander. Aus diversen Gründen, auf die ich hier jetzt nicht eingehen möchte, läuft der Kühlungsprozess effizienter, wenn in einer Gaswolke nicht nur Wasserstoff und Helium vorhanden sind, sondern auch andere chemische Elemente. Die gab es aber im frühen Universum nicht; und deswegen waren damals sehr, sehr große Gaswolken nötig, mit ausreichend viel Masse, um die ersten Sterne entstehen zu lassen. Nur solche großen Massen konnten ausreichend viel Gravitationskraft aufbringen, um trotz der schlechteren Kühlung zu Sternen zu kollabieren. Deswegen waren die erste Sterne im Universum so viel größer als die Nachfolgegenerationen, denen dann ja schon die chemischen Elemente zur Verfügung standen, die diese ersten Sterne bei der Kernfusion erzeugt haben.

Für einen Quasi-Stern braucht man aber noch viel mehr kollabierende Masse und wenn man das mit einer „modernen“ Gaswolke aus dem heutigen Universum versuchen würde, würde das nicht klappen. Es kann sie nur im frühen Universum gegeben haben und ein paar Millionen Jahre später waren sie schon wieder verschwunden und zu großen schwarzen Löchern geworden.

Irgendwie müssen die supermassereichen schwarzen Löcher entstanden sein; immerhin wissen wir ja, dass sie da sind. Vielleicht waren die Quasi-Sterne im frühen Universum ihr Ursprung. Und vielleicht finden wir irgendwann auch noch einen Weg, das zweifelsfrei nachzuweisen. Bis dahin bleibt es weiter spannend; ganz ohne Schokolode.

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 560: Quasi-Sterne“
  1. Wäre ein solcher Stern kugelförmig? Ich dachte, die Materie um ein schwarzes Loch ordnet sich durch die Rotation in einer Akkretionsscheibe an, wie kann dann eine radialsymmetrische Gaskugel entstehen?

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