Zwei Gläser Wasser pro Sekunde! Nein, das sind nicht die Flüssigkeitsmengen, die die Fußballspieler bei der Weltmeisterschaft im heißen Brasilien ausschwitzen (bzw. in Katar, falls jemand zufällig diesen Artikel im Jahr 2022 lesen sollte und die FIFA tatsächlich so bescheuert war, dort ein Fußballturnier abzuhalten). Das ist die Menge an Wasser, die der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko derzeit ins All verliert – und das, obwohl er sich noch fast 600 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt befindet (also zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter).

67P/Tschurjumow-Gerasimenko ist das Ziel der Raumsonde Rosetta über deren Mission ich Anfang des Jahres schon ausführlich berichtet habe. Im Dezember wird Rosetta, wenn alles gut geht, den Kometen erreicht haben und ihn umkreisen während die Landeeinheit Philae auf seiner Oberfläche abgesetzt wird. Gemeinsam werden Philae, Rosetta und der Komet dann ihren Weg durch das Sonnensystem fortsetzen. Zum ersten Mal haben wir dann quasi einen Logenplatz bei der Annäherung eines Kometen an die Sonne und können live dabei zusehen, was passiert.

So sah Rosetta den Komet am 4. Juni (Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA)
So sah Rosetta den Komet am 4. Juni (Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA)

Je näher 67P/Tschurjumow-Gerasimenko der Sonne kommt, desto wärmer wird es auf seiner Oberfläche werden und desto mehr des dort gefrorenen Eis wird auftauen und als Gas ins All entkommen. Jetzt sind es „nur“ zwei Gläser pro Sekunde – aber im August 2015, bei der größten Annäherung an die Sonne werden es wesentlich mehr sein. Dieses ganze Gas reißt dann jede Menge Gestein mit sich und der Komet wird sich in einen riesigen Kokon aus Staub hüllen. Der Sonnenwind wird das Material dann davon blasen und dem Kometen seinen typischen Schweif verleihen. Und wir können dabei zusehen, wie das alles vor den Kameras von Philae und Rosetta passiert!

67P/Tschurjumow-Gerasimenko ist derzeit immer noch nur ein kleiner Lichtpunkt im Blickfeld der Raumsonde. Aber Anfang Juni, als Rosetta noch 350.000 km vom Kometen entfernt war, konnte MIRO, das Microwave Instrument for Rosetta Orbiter schon entsprechende Analysen des Lichts durchführen und fand darin die Hinweise auf die Existenz von Wasser in der Umgebung des Kometenkerns.

Noch ist Rosetta 72.000 Kilometer vom Kometen entfernt. Bis zum 6. August soll die Distanz auf nur noch 100 km verringert werden. Und im Dezember folgt dann die erste Landung auf einem Kometen! Und wenn dann alles klappt, werden wir mehr als nur zwei Gläser Wasser zum Feiern brauchen!

24 Gedanken zu „Zwei Gläser Wasser pro Sekunde: Rosettas Komet legt langsam los!“
  1. Das muss man sich mal überlegen: 72.000km sind weniger als 2 Erdumfänge, oder auch weniger als 6 Erddurchmesser — das ist ein Husten im Vergleich zur Größe allein des inneren Sonnensystems. Wenn diese Strecke bis 6. August auf fast 0 schwinden soll, kann die durchschnittliche Differenzgeschwindigkeit gerade noch gute 23m/s betragen, oder 83km/h, wenn ich richtig gerechnet habe. Das ist weniger als Landstraßentempo. Trotzdem hat die Raumsonde offenbar einen „Bremsweg“ von mittlerweile über einer Million Kilometern.

  2. Werden eigentlich hochauflösende Bilder gemacht, aus nächster Nähe, oder wird es auch Videoaufnahmen geben?! Ich würd‘ mir echt mal wünschen, gestochen scharfe Bilder oder auch Videos von Himmelsobjekten zu sehen, das war bei den meisten Missionen (ausser Mars) ja meistens nicht der Fall.

    1. @Hannes: Klar, Bilder wird es sicherlich geben! Gestochen scharfe Bilder von Kometen gab es bis jetzt noch nicht, weil dort noch keine Raumsonde in unmittelbarer Nähe war. Aber Asteroiden haben wir schon einige besucht. Hier zB https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/07/19/dawn-umkreist-vesta/. Und was Cassini im Saturnsystem in den letzten 10 Jahren so alles fotografiert hat (einfach mal googeln) sollte für mehr als einen Diaabend in HD reichen…

  3. Was 67P/Tschurjumow-Gerasimenko noch fehlt, wäre ein eingängigerer (Spitz-)Name als Tschurjumow-Gerasimenko. 🙂 Trotzdem bin ich schon gespannt, was diese Mission so alles an Ergebnissen liefern wird.

    1. @cimddwc: Ich glaub die englischsprachigen Projektmitarbeiter nennen den „Tschery-Gery“ (klingt so wie „Cherry-Gary“)…

  4. Hi.

    Hat jemand eine Ahnung wie groß der Komet ist?
    Mich würde auch interessieren um wie viel kleiner er dann ist, wenn er die Sonne passiert hat..

    Lg H.

  5. „…Dieses ganze Gas reißt dann jede Menge Gestein mit sich…“

    Ich habe mir schon oft überlegt, wie es auf so einem Kometen zu geht, wenn er in Sonnennähe sehr aktiv ist.

    Ist es tatsächlich so, dass dort auf der Sonnenseite „Gasvulkane“ eru… eruptieren (Hä?!?! gibt es dazu ein Wort?), dass Gesteinsbrocken senkrecht nach ober geschleudert werden, dass quasi alles an der Oberfläche explodiert „vgl. Film Armageddon).

    Oder wandelt sich gemächlich und in ruhigem Tempo Wasser langsam zu Wasserdampf, Gesteinsbrocken werden sanft vom Wasserdampf mit nach oben getragen, ….

    Ich stelle mir meißt eher das zweite Szenario vor. Ansonsten würden ja nicht so viele Trümmer mit dem Kometen mitfliegen, sondern würden sich weit von ihm entfernen und im Raum verschwinden.

    Die Gravitation auf einem Kometen ist ja wirklich gering. Da reicht doch bestimmt auch ein Schneckenpups, um einen Stein von der Oberfläche zu heben, und diesem ggf. sogar Fluchtgeschwindigkeit mit zu geben.

    Ganz ernsthafte Frage. kann man grob einschätzen, wie es auf einem aktiven Kometen zu geht?

    1. @norbert: „kann man grob einschätzen, wie es auf einem aktiven Kometen zu geht?“

      Schwer zu sagen – deswegen macht man die Mission ja. Ich nehme mal an, es ist eine Mischung aus beiden von dir erwähnten Szenarien.

  6. „kann man grob einschätzen, wie es auf einem aktiven Kometen zu geht?“

    Vermutlich wie beim Gefriertrocknen, nur halt ohne die starke Gravitation.
    Mit wegsprengen sollte da nichts sein, weil keine großen Drücke herrschen.
    Das Wasser wird zu keinem Zeitpunkt flüssig sein, damit hat man auch nie über 1mbar Druck… 1mbar sorgt auf 10m² Fläche für ~1kN Schub und das nur in dem Moment, wo sich der Druck beim lösen des Brockens entspannt…

    Es ist wohl ein gemütliches hinfortdriften von kleineren Teilchen.

  7. @Eheran

    Es gibt bei Kometen doch immer mal wieder starke Ausbrüche, offensichtliche Fontänen wurden mit Teleskopen auch schon aufgenommen. Ich meine gelesen zu haben, dass sich in Hohlräumen Gase oder Flüssigkeiten sammeln können, die dann irgendwann „durch die Decke“ brechen und geysirartig sublimieren.

    Wenn ein Komet ein Konglomerat von verschiedenen gefrorenen Gasen und Wassereis ist, die verschiedene Sublimationspunkte haben, dann ist es denkbar, dass schwerer sublimierende Stoffe solche mit niedrigerem Sublimationspunkt einschließen, so dass sich innen Druck aufbauen kann, der sich irgendwann den Weg nach draußen bahnt.

    Nach der Rosetta-Mission werden wir’s genauer wissen.

  8. Was sind denn „starke Ausbrüche“?
    Soetwas wie ein Vulkan auf unserem Planet, der richtig zerfetzt werden kann und große Felsbrocken km(?) weit fliegen?
    Ohne Gravitation und Luftwiderstand wäre das ein entsprechend größeres Spektakel. Da hat man aber auch mit ordentlichen Temperatur- und Druckgradienten zu tun, welche dies ermöglichen. Das fehlt einem solchen Himmelskörper jedoch und die wirkenden Kräfte müssen entsprechend kleiner sein.

    Sind es Gasblasen, die sich dann langsam entladen und dabei einen haufen Staub wegtragen, welcher entsprechend sichtbar ist?
    Da Kometen einen durch den Sonnenwind erzeugten Schweif haben, spricht das nicht für größere Parikel – die würde der Sonnenwind nicht so einfach wegpusten. Oder würde man solche Brocken nicht sehen/messen können, weil sie einfach zu klein sind?

    Da der Komet aber ohnehin fast nur durch Eis „zusammengehalten“ wird, erscheint mir eine Konfiguration, in der zwar durch die Hitze ein Druck aufgebaut wird aber gleichzeitig der Zusammenhalt bestehen bleibt, unwahrscheinlich.

    Aber nehmen wir es trozdem an:
    Mit welchen Oberflächentemperaturen kann man rechnen?
    Sicherlich unter 200°C. Groß wegsprengen kann dann auch Methan nichts, da hat man in der Größenordnung 100bar Druck.
    Wenn man das mit einem wegsprengen im Sinne von Sprengstoff oder unseren Vulkanen vergleicht… bleibt nicht mehr als ein Lüftchen 😉

  9. @Eheran

    Was sind denn “starke Ausbrüche”?

    So was?

    Da der Komet aber ohnehin fast nur durch Eis “zusammengehalten” wird, erscheint mir eine Konfiguration, in der zwar durch die Hitze ein Druck aufgebaut wird aber gleichzeitig der Zusammenhalt bestehen bleibt, unwahrscheinlich.

    Lies mal.

    Aber nehmen wir es trozdem an:
    Mit welchen Oberflächentemperaturen kann man rechnen?
    Sicherlich unter 200°C. Groß wegsprengen kann dann auch Methan nichts, da hat man in der Größenordnung 100bar Druck.

    Die Temperatur kommt auf die Sonnenentfernung an: wenn’s ein Sungrazer wie letztens ISON ist, im Perihel weniger als einen Sonnendurchmesser von dieser entfernt, können es ein paar tausend Grad sein; auch die Mondoberfläche kommt auf über 100°C, und viele Kometen nähern sich der Sonne mehr als 1 AU. 200°C sind nicht so unwahrscheinlich.

    Stickstoff und CO2 sublimieren aber schon unterhalb von 0°C, und die hat man schon auf Höhe der Marsbahn auf der Tagseite eines Kometen.

    Ich rede auch nicht von weggeschleuderten Eisbrocken, sondern von Geysiren aus Gas und Staub, wie bei Siding Spring. Aber ein Komet kann ja auch zerbrechen (wie bei ISON gesehen und bei Holmes anfangs vermutet), sicher kann auch mal ein größeres Stück abgelöst werden und mit ein wenig Gasdruck vom Kometen wegdriften.

  10. Das hier, aus deinem 1. (verbockten?) Link, zeigt es doch sehr schön:
    https://www.komet-ison.org/fotos/2006_73P.jpg

    Er zerfällt einfach nur gemütlich, denn die ursprüngliche Bahn verlassen die Bruchstücke alle nicht.
    Das kann man prima mit dem wegsublimieren des Eises erklären, welches den „Schneeball“ nicht mehr zusammen hält.
    Auch die höheren Temperaturen näher zur Sonne werden keine Exposionen verursachen – der Ansteig findet gemächlich statt, genug Zeit für die Gase, sich zu verflüchtigen bzw. bei größeren Objekten zumindest nicht mehr oberflächennah zu sein, sondern in den tieferen, isolierteren Schichten, zu denen entsprechend der Wärmefluss wieder gering ist.

    In deinem 2. Link ist auch immer nur von Staub die rede, der beim verdunsten weggetragen wird.

    Ich denke übrigens nicht, dass auf solchen Himmelskörpern Stickstoff sublimiert/gefriert oder flüssig ist. Dafür ist das viel zu flüchtig.

  11. ich bin so gespannt! Warten auf dezember kommt mir aus kindertagen vertraut vor, machts aber nicht besser 😉
    ich drücke mal alle daumen die ich finden kann, damit die mission ein erfolg wird!
    und falls es noch nicht zu spät für einen (anderen) spitznamen ist: T.Ger [ˈtiːɡɐ]

  12. @Eheran

    Auch die höheren Temperaturen näher zur Sonne werden keine Exposionen verursachen – der Ansteig findet gemächlich statt, genug Zeit für die Gase, sich zu verflüchtigen bzw. bei größeren Objekten zumindest nicht mehr oberflächennah zu sein, sondern in den tieferen, isolierteren Schichten, zu denen entsprechend der Wärmefluss wieder gering ist.

    Bei Spektrum der Wissenschaft wird zumindest von explosionsartiger Sublimation als Möglichkeit gesprochen.

    In deinem 2. Link ist auch immer nur von Staub die rede, der beim verdunsten weggetragen wird.

    Ich rede ja auch nicht davon, dass Gestein mit großere Wucht ins All katapultiert würde. Ich rede von Jets und Geysiren. So wie wir sie von Triton kennen (und da ist es definitiv Stickstoff), nur kleiner.

    Ich denke übrigens nicht, dass auf solchen Himmelskörpern Stickstoff sublimiert/gefriert oder flüssig ist. Dafür ist das viel zu flüchtig.

    Die Atmosphäre der Erde und von Titan enthält eine Menge Stickstoff, der also im Urnebel vorhanden war und eigentlich nur über Kometen und Asteroiden auf die in Sonnennähe entstandene Erde kommen konnte. Aber CO tut’s mit einem Siedepunkt von rund -190°C auch, und das wurde definitiv in Kometen gefunden. Siehe auch folgendes Papier:

    https://meetingorganizer.copernicus.org/EPSC2013/EPSC2013-7.pdf

  13. „Aber CO tut’s mit einem Siedepunkt von rund -190°C auch, und das wurde definitiv in Kometen gefunden.“

    Wenn das Wasser sublimiert, dann ist jeglicher Stickstoff schon lange fort. Das wird auch auf die dort genannten Lösungen von CO in Ethan zutreffen. Auch ansonsten, da es sich um eine Lösung (nicht „reine“ Substanz) im Ethan handelt, sind wir dann bei einem Limit von -90°C. Deutlich wärmer als für Stickstoff.
    Kohlenmonoxid ist ggü. Stickstoff auch in allen Belangen deutlich reaktiver. Da würde mich auch eine Entdeckung als Metallcarbonyl nicht verwundert. Wenn man hingegen Metallnitride finden würde, wäre das ziemlich ulkig 🙂

    Unsere Meinungsverschiedenheit basiert wohl auf der sehr unklaren Bedeutung von “starke Ausbrüche”.
    Fontänen/Geysire können unter den dortigen Bedinungen ja schon durch ein laues Lüfchen entstehen, sofern da durch irgendeine Gesteinsspalte eine bestimmte Richtung vorgegeben wird.

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