Nach Zeitz und seiner Unterwelt, Zwickau und dem Mittelalter bin ich auf meiner Tour heute noch ein Stück weiter nach Sachsen vorgedrungen. Ich war in Bad Schlema und hab mir dort angesehen, wie man Uran abbaut, wie Bergbau ganze Landstriche verändert und was man mit Radium für lustige Sachen anstellen kann.

Mein Ziel heute war das Museum Uranbergbau.

Wie der Name schon vermuten lässt, geht es dort um den Abbau von Uran, denn genau das hat man in Bad Schlema und der Umgebung in den letzten Jahrzehnten exzessiv gemacht. Von 1946 bis 1990 wurden dort insgesamt 80000 Tonnen Uran aus dem Boden geholt. Das wollte vor allem die Sowjetunion haben, die damit nicht sehr freundliche Dinge vor hatte…

Der Bergbau in der DDR nimmt daher auch einen großen Teil der Ausstellung ein. Zuerst wird man aber mit einer sehenswerten Galerie voller Gemälde, die den Bergbau der Region in verschiedenen Zeiten zeigen, auf das Museum eingestimmt.

Die DDR-Exponate sind zahlreich und sehr detailliert. Wer – so wie ich – nicht in einem sozialistischen Land aufgewachsen ist, der kann sich schwer vorstellen, wie sehr sich das Arbeitsleben dort vom Rest der Welt unterschied. Die vielen Dokumente, Fotos und Exponate im Museum zeigen das gut. Da gibt es Arbeitsunterlagen der Geophysiker zu sehen, Dienstanweisungen der Bergwerksleiter, Briefe, die Schüler an ihre „Paten“-Bergleute geschrieben hatte, Programmhefte, die zeigen, was damals an organisierter Freizeitaktivitäten für die Bergleute geboten wurde – und so weiter. Allein in diesem Teil der Ausstellung könnte man ein paar Stunden verbringen…

Damals war es anscheinend auch nicht so einfach wie heute, wenn man ne leere Batterie wieder aufladen wollte:

Eine Sonderausstellung im Museum hat sich mit der Papierindustrie von Bad Schlema beschäftigt. Im Ort gab es früher nicht nur Papiermühlen, auch die verschiedenen Mineralien, die aus dem Boden gegraben wurden, fanden bei der Produktion Verwendung (zum Beispiel um buntes Papier zu erzeugen).

Mit dem Uran – das übrigens schon 1789 entdeckt wurde, was ich überraschend früh fand und bis heute nicht wusste – konnten die Menschen lange nichts anfangen. Es wurde quasi als Müll beim Silberabbau, der früher in der Region stattgefunden hat, einfach liegen gelassen. Irgendwann stellt man fest, dass man damit hübsch leuchtenden Glas produzieren konnte und fand so zumindest etwas, das sich mit dem Zeug anstellen ließ:

Heute weiß man natürlich, dass es nicht so toll ist, radioaktives Material auf diese Weise zu verwenden. Aber in der ersten Hälfte des letzte Jahrhunderts war „radioaktiv“ ein äußerst positiv besetztes Adjektiv. Radioaktivität war gesund und sollte bei den verschiedensten Leiden helfen. Überall machte man sich auf, radioaktive „Heilwässer“ zu finden und in Schlema fand man jede Menge davon. Deswegen machte der Ort zur damaligen Zeit eine große Karriere als Kurort. Das radioaktive Radium, das erst kurz zuvor von Marie Curie entdeckt wurde – übrigens in radioaktivem Erz, dass aus der Region um Bad Schlema stammte – war der letzte Schrei:

Man entwickelte sogar extra Geräte, um das Wasser radioaktiv zu machen:

Und war stolz auf die starke Radioaktivität des Wassers aus Schlema:

Es war das stärkste der Welt und half gegen alles mögliche. Offensichtlich sogar gegen Frauen…

Als dann nach dem zweiten Weltkrieg der Uranbergbau begann, war es aus mit dem beschaulichen Leben im Kurort. Wenn man sich die umfangreiche Sammlung von Bildern aus dieser Zeit ansieht und sie mit dem vergleicht, was danach gekommen ist, dann blieb in Schlema kaum ein Stein auf dem anderen. Die meisten Häuser verschwanden und die ganze Landschaft veränderte sich. Es ist erschreckend und beeindruckend zugleich, wenn man sieht, mit welcher Macht der Mensch ganze Landstriche umgestaltet hat, nur um an die benötigten Bodenschätze zu kommen (und anderswo in Deutschland geschieht diese Umgestaltung ja immer noch…). Mindestens ebenso beeindruckend und glücklicherweise viel weniger erschreckend waren die Umgestaltungen, die nach 1990 passiert sind. Wieder gibt es viele Bilder, die zwischen dem Bad Schlema des Uranbergbaus und dem heutigen Schlema vergleichen lassen.

Heute ist Bad Schlema von grünen Hügeln umgeben, wirkt recht nett und beschaulich, hat einen sehr schönen Kurpark mit Planetenweg und es erinnert wenig an die Zeit, als hier alles voller Schutthalden war. Ein „Bad“ ist Schlema übrigens erst seit 2005. Denn seit 1998 ist Schlema wieder ein Kurort. Und wieder ist es die Radioaktivität die helfen soll. Man trinkt allerdings kein radioaktives Wasser mehr, sondern nutzt die therapeutische Wirkung des radioaktiven Gases Radon. Belegt durch Doppelblindversuch, wie man im Museum stolz verkündet:

(Die Studie selbst hab ich jetzt aber nicht rausgesucht; weiß also nicht, ob sie wirklich museumswürdig ist).

Wenn ihr mal in der Gegend seid, kann ich euch nur empfehlen, das Museum für Uranbergbau zu besuchen. Es ist zwar klein, aber enorm vielseitig. Genauso wie die Geschichte von Bad Schlema – das übrigens noch einige andere bergbaumäßige Attraktion hat: ein Schaubergwerk und einen Bergbau- und Sanierungslehrpfad zum Beispiel. Die müssen aber auf meinen nächsten Besuch warten – der aber sicher stattfinden wird!

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21 Gedanken zu „Astrodicticum Simplex on the road: Uranbergbau und die Heilkraft der Radioaktivität in Bad Schlema“
  1. Schöner Bericht! Scheint eine Reise wert zu sein. Aber auch krass, was man früher alles mit Radioaktivität anstellte. Die Gläser sind mein persönlicher Favorit!!

  2. Die Aktivitäten die da vorkommen sind schon relativ krass weil Rn ja Alphastrahler ist. Die Freigrenze liegt in Deutschland bei 10 kBq oder 10 Bq/g damit man mal einen Vergleich hat

  3. auch nicht so einfach wie heute

    Hab ich auch noch so gelernt fürs Aufladen der Autobatterie – da durchaus die entstehenden Blasen mittels Aufsteigen und Platzen zu Spritzern führen können. Das beißt auch von durch Transport unten benetzten Zellstopfen aus ganz gut, wie ich einmal erfahren ‚durfte’…

  4. Die leuchtenden Gläser stehen bestimmt unter einer UV-Lampe. Bei Normallicht ist das einfach grün gefärbtes Glas – das sogar recht viele Leute bei sich zuhause als Familienerbstück stehen haben.

  5. Finde ich klasse, dass du in meinem Heimatort warst.
    Ein Besuch im Bad wäre auch lohnend gewesen. Im Eingangsbereich sieht man übrigens 3 Bergleute über dem Torbogen, von denen einer mein Urgroßvater ist. 🙂

  6. Ich glaub und den 50ern glaubte man tatsächlich man werde bis u den 80ern jeder für sich einen kleinen Atomreaktor im Keller haben, der dann alles lästige Strom und Heizung usw. Für einen

  7. Klar, der niedrige Brennstoffbedarf ist halt sehr verlockend, genauso wie bei Radioisotopengeneratoren. Die wollten ja sogar nuklear angetriebene Flugzeuge,Lokomotiven und Autos bauen

  8. Gibt es denn da derzeit echte Alternativen?
    Über Verträge, die das verbieten hab ich auf die schnelle nichts gefunden, da gab es einige die Nuklear und Weltraumwaffen verbieten, die sollten darauf aber nicht zutreffen

  9. ‚Aber in der ersten Hälfte des letzte Jahrhunderts war “radioaktiv” ein äußerst positiv besetztes Adjektiv.‘

    Dazu fällt mir das Buch „Die Welt in hundert Jahren“ ein, in dem diverse Persönlichkeiten des Jahres 1910 beschrieben, wie sie sich unsere Welt im Jahr 2010 vorstellen. So schrieb Everard Hustler damals dem Element Radium allerlei positive und gesundheitsfördernde Eigenschaften zu. Zum Schmunzeln angeregt hat mich u.a. die Idee, Radium mittels Zigarette zu inhalieren oder die Idee, daß Strassenbeleuchtungen unnötig werden würden, da man allen Häusern einen radiumhältigen Anstrich verpassen würde und diese daher im Dunkeln leuchten.

  10. Falls jemand noch tiefergehende Informationen zur „Wismut AG“ und ihrer Rolle als „Staat im Staate“ sucht, ist „Altlast Wismut“ von Michael Beleites eine interessante Hintergrundlektüre.

    Zu den Akkus: damals kamen (zumindest im DDR-Bergbau und dort von der Handlampe bis zur Grubenbahn) vor allem Nickel-Eisen- und Nickel-Kadmium-Akkuszum Einsatz. Vor allem erstere waren praktisch unverwüstlich: alle paar Jahre mal gründlich mit Wasser ausspülen, neue Kalilauge rein, und weiter ging’s. Da konnte es durchaus vorkommen, daß ein nach 20 Jahren „ausgemusterter“ Grubenbahnakku nochmal anstandslos 20 Jahre seinen Dienst als Energiequelle in einer Gartenlaube versah – davon können die heutigen, auf maximale Energiedichte getrimmten Typen nur noch träumen…

  11. Jetzt muss ich mir von nem Österreicher erzählen lassen, wo es nicht so weit von mir interessante Ausflugsziele gibt, ne ne ne… 😉 Danke FF für Deinen Wissendurst! 🙂

  12. Was Akkus angeht: Ich habe mal ein Paar Kleidungsstücke gehabt, die hatten sonderbare Löcher unregelmässig über den Stoff verteilt. Mir war nicht klar, woher die kamen. Bis ich irgendwann einen Putzlappen mit der Säure in kontakt brachte und der darauf wenig später zu Fetzen und Staub zerfiel. Die Löcher mussten offenbar von Batteriesäure stammen, die mir irgendwann um die Ohren spritzte. Das mit der Schutzkleidung macht also Sinn, wenn man nicht regelmässig dazu gezwungen werden will, neue Klamotten kaufen.

  13. Radioaktivität wird ein Hormesis-Effekt nachgesagt. In einem neuen Forschungsprojekt unter Federführung der GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH in Darmstadt sollen die entzündungshemmende, therapeutische Wirkung und die Risiken einer Radontherapie untersucht werden. Auch in der Sperrzohne um Tschernobyl wurden entsprechende Beobachtungen gemacht.
    https://glitzerwasser.blogspot.de/2012/09/die-mause-von-tschernobyl.html

  14. Mittlerweile wird auch Radon, so gefährlich es ist, in der Medizin wieder positiv eingesetzt. Wenn Fachleute die Aufsicht haben, ist es eine große Hilfe.

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