Astronomie ist die coolste aller Wissenschaften! Ich habe euch letzte Woche erklärt, warum das so ist. Astronomen können ihre Forschungsobjekte nicht direkt untersuchen sondern nur anschauen. Sie empfangen nur ein paar Photonen aus dem All. Und trotzdem schaffen sie, aus dem wenigen Licht das auf ihre Teleskope trifft, eine Vielzahl an Informationen über die Himmelskörper abzuleiten. Aber es geht noch besser! Die Astronomen schaffen es sogar, dem Licht das sie nicht sehen Informationen zu entlocken.

55 Cancri ist ein interessanter Stern. Das fängt damit an, dass es sich eigentlich um zwei Sterne handelt. 55 Cancri A ist ein Stern, der der Sonne recht ähnlich ist. 55 Cancri B befindet sich ungefähr 1000 Astronomische Einheiten (AE) entfernt – ist also tausendmal weiter von 55 Cancri A entfernt als die Erde von der Sonne – und ist ein kleiner roter Zwergstern. Und dann gibt es dort noch jede Menge Planeten!

55 Cancri A wird gleich von 5 Planeten umkreist! Vier davon sind große Gasriesen wie Jupiter und Saturn. Einer – 55 Cancri e – ist eine sogenannte Supererde. Der Planet ist doppelt so groß wie die Erde aber ungefähr acht mal massereicher. Ein Besuch dort wäre für uns Menschen nicht sehr angenehm. Der Planet befindet sich äußerst dicht an seinem Stern. Der Abstand beträgt nur zwei Millionen Kilometer (Die Erde ist knapp siebzig Mal weiter von der Sonne entfernt). Es ist dort also enorm heiß. Wie heiß es tatsächlich ist, haben nun Wissenschaftler aus den USA und Belgien herausgefunden. Und zwar durch eine Untersuchung des Lichts, dass sie nicht sehen konnten.

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Entdeckt wurde 55 Cancri e im Jahr 2004. Man benutzte damals die sogenannte Radialgeschwindigkeitsmethode. Die Gravitationskraft die 55 Cancri e auf seinen Stern ausübt, lässt diesen ein klein wenig hin und her wackeln. Dieses Wackeln kann man messen. Der Planet selbst ist zu klein, um ihn direkt zu sehen, deswegen ist man auf solche indirekten Methoden angewiesen. Es gibt aber noch andere Methoden, um den Planet zu untersuchen. Von der Erde aus gesehen zieht 55 Cancri e immer wieder genau vor seinem Stern vorüber. Wenn er direkt vor dem Stern steht, dann blockiert er ein wenig von dessen Licht und auch das kann man messen. Mit dieser Transitmethode wurden ebenfalls schon viele Planeten entdeckt.

Die Wissenschaftler haben in diesem Fall aber etwas anderes gemacht. Sie haben nicht gewartet, bis der Planet vor dem Stern stand. Sie haben ihre Beobachtungen gemacht, als er sich gerade hinter ihm befand! Dann kann man den Planeten natürlich nicht sehen. Aber das, was man nicht sehen kann, verrät uns trotzdem einiges über seine Eigenschaften. Von der Erde aus gesehen gibt es drei verschiedene Möglichkeiten. Entweder der Planet steht vor dem Stern. Dann blockiert er ein wenig Licht des Sterns. Oder er steht neben dem Stern. Dann sehen wir das Licht des Sterns und auch ein wenig vom Licht, dass der Planet in unsere Richtung reflektiert. Schließlich kann der Planet noch hinter dem Stern stehen. Dann sehen wir nur das Licht des Sterns. Am wenigsten Licht empfangen wir im ersten Fall. Das meiste Licht sehen wir im zweiten Fall, wenn wir Licht von Stern und Planet bekommen. Kriegen wir nur das Licht des Sterns zu sehen, so wie im dritten Fall, ist das auch weniger, allerdings nicht so wenig wie im ersten Fall. Man nennt das daher auch „sekundären Transit“.

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Diesen sekundären Transit haben die Wissenschaftler mit Hilfe des Spitzer-Weltraumteleskops beobachtet. Wir wissen also nun, wie viel Licht der Stern alleine aussendet. Und wir wissen, wie viel Licht Stern und Planet gemeinsam abstrahlen. Und da wir beides wissen, können wir zurück rechnen und den Anteil des Lichts bestimmen, der nur vom Planeten alleine kommt! Wir haben den Planeten also „gesehen“ und zwar, in dem wir ihn beobachtet haben, als er gerade nicht zu sehen war… 😉

Spitzer ist ein Infrarotteleskop und deswegen besonders gut geeignet um herauszufinden, wie warm etwas ist. Und 55 Cancri e ist enorm warm. Die Daten sagen, dass es dort gewaltige 2360 Kelvin hat! (Die Ungenauigkeit bei den Messungen beträgt etwa 300 K). Das ist sogar noch heißer, als es eigentlich sein sollte. Geht man davon aus, dass der Planet die gesamte Energie, die er von seinem Stern aufnimmt auch wieder abstrahlt, dann sollte seine sogenannte Gleichgewichtstemperatur nur 1950 Kelvin betragen. Um die erhöhte Temperatur zu erklären gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es kann sein, dass der Planet die Energie nicht ganz gleichmäßig abgibt. Das ist sogar recht wahrscheinlich, denn ein Planet der sich so nahe an seinem Stern befindet führt eine sogenannte „gebundene Rotation“ aus. Das heißt, er zeigt dem Stern immer die selbe Seite, so wie der Mond immer die selbe Seite in Richtung Erde zeigt. Grund dafür sind – so wie beim Mond – die Gezeitenkräfte, die vom Stern auf den Planeten wirken. Es ist also auf einer Hälfte des Planeten immer Tag und auf der anderen immer Nacht. Die Tagseite wird dabei natürlich enorm heiß; viel heißer als die Nachtseite. Damit der Planet die Energie gleichmäßig abgeben kann, muss Energie von der Tag auf die Nachtseite transportiert werden und wie das abläuft hängt von der Zusammensetzung seiner Atmosphäre ab. Der Planet könnte einen felsigen Kern haben der von einer dicken Schicht aus überkritischen Wasser umgeben ist. Das ist Wasser, dass weder flüssig noch gasförmig ist, sondern sich bei hohen Temperaturen und hohen Drücken ganz anders verhält. Es kann aber auch sein, dass die Atmosphäre ganz anders aussieht und Spitzer gerade eine Schicht beobachtet hat, die heißer ist als die Gleichgewichtstemperatur. So etwas hat man auch schon bei anderen Planeten beobachtet – allerdings noch nie in diesem Ausmaß.

Es ist also noch nicht ganz klar, was 55 Cancri e wirklich für ein Planet ist. Wir werden noch mehr Beobachtungsdaten brauchen, um das festzustellen. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Astronomen das schaffen werden. Sie werden das wenige Licht aus dem All sie mit ihren Teleskopen sehen zu nutzen wissen. Und auch das Licht, das sie nicht sehen…

21 Gedanken zu „Wie man Planeten sehen kann, die nicht zu sehen sind“
  1. Oh, schön. Gestern den Artikel über einen der Twitter-Feeds des DLR gefunden und gedacht „na das wäre doch was für den Herrn Freistetter“ und keine zwölf Stunden später ist der Artikel da.

    Zum Titel kann ich nichts sagen, bin da ähnlich kreativitätslos (chronisch). Er sagt, worum es geht, was will man mehr.

  2. Wenn sich dieser Planet um den Stern dreht, dann könnte man möglicherweise doch auch die Unterschiede zwischen Tag- und Nachtseite in den Lichtkurven sehen, ein ganz schwacher Sinus-förmiger Anteil müsste doch aus dem Rauschen rauszurechnen sein. Ich denke mir man kennt doch mögliche Kurven und man kennt vor allem die Frequenz.

  3. „Der Abstand beträgt nur zwei Millionen Kilometer (Die Erde ist sieben Mal weiter von der Sonne entfernt).“

    Also bei der Zwei oder bei der Sieben fehlt eine Null würde ich mal meinen 😉

  4. „Der Planet befindet sich äußerst dicht an seinem Stern. Der Abstand beträgt nur zwei Millionen Kilometer (Die Erde ist sieben Mal weiter von der Sonne entfernt)“

    Also sofern ich richtig rechne, sind wir 74 mal soweit weg, also um den Faktor 10 höher.

  5. Je länger ich drüber nachdenke, desto klarer wird mir eigentlich, dass der Titel doch nicht ganz passt. Sie sehen das Licht ja (nämlich fast die ganze Zeit). Sie wissen nur ohne den sekundären Transit nicht, was sie eigentlich sehen…

  6. Ich finds echt Wahnsinn, wie kreativ die Leute sind. „Not macht erfinderisch“ – selten so eindrucksvoll verifiziert wie auf diesem Gebiet. Schappoh.

  7. Wie immer auch die Überschrift heißen mag – ich lese deine Artikel immer wieder gerne und bin nicht nur vom Thema selbst begeistert, sondern auch darüber, mit welch Liebe zur Astronomie du das rüber bringst.

  8. @Florian: Wie sieht es eigentlich mit der Signifikanz in der Astronomie aus? Gemessen wurde eine Temperatur von (2360 +/- 300) K, erwartet waren 1950 K. Das sind ja nicht einmal 2 Sigma. Zumindest in der Teilchenphysik wuerde bei so einem Ergebnis kein Hahn danach kraehen. Gibt es in der Astronomie auch so etwas wie die 5 sigma fuer eine Entdeckung in der Teilchenphysik?

  9. Unkreativ? Mit Titel nicht zufrieden? wie wäre denn…

    „Seiner Sonne so nahe und total heiß: Planet versteckt und verrät sich…“

    oder
    „Das erste Mal und ziemlich heiß: warum sich ein Planet beim Verstecken verrät.“

    oder
    „Näher, heißer, Spitzer: Super-Erde verrät sich durch Licht beim Versteckspiel.“

    Xxx sells, und darum Spitzer und das erste Mal

  10. @Sierra: Naja, man kann das nicht direkt mit der Teilchenphysik vergleichen. Geringes Sigma heißt dort ja: Nix neues entdeckt. Hier hat man aber schon was neues entdeckt, man hat die Temperatur von dem Ding gemessen. Und die Messung ist auch nicht statistisch, wenn man 2360 +/- 300 K gemessen hat, dann hat der Planet eine Temperatur die zwischen 2060 und 2660 K liegt. Und wenn er 1950 K haben sollte, dann ist das ein realer Unterschied der erklärt werden muss.

  11. Wird der Lobgesang auf die coolste aller Wissenschaften in der Einleitung eines Artikels jetzt eigentlich zum Running Gag? Mittlerweile überspringe die die ersten Absätze der Artikel regelmäßig, weil ich es nicht mehr lesen mag. Vielleicht magst du das ja in Zukunft wieder ein wenig reduzieren. Ansonsten ein interessanter Artikel, wie immer.

  12. @Rarehero:
    Hihi, da hast Du nicht ganz unrecht.
    Aber das Schöne an Blogartikeln (im Gegensatz zu z.bsp. Büchern) ist doch, das die volle Begeisterung des Autors für sein Thema ungefiltert sichtbar wird.
    Es gibt ja nicht nur Stammleser, die dann gähnen …

  13. @Rarehero: „Vielleicht magst du das ja in Zukunft wieder ein wenig reduzieren.“

    Meine Güte. Ich hab jetzt zweimal (das ist einmal und dann noch einmal) mit „Die Astronomie ist die coolste aller Wissenschaften“ angefangen. Einmal, um zu zeigen, was die Astronomie mit wenig Licht anstellt. Und dann noch einmal um – passend dazu – zu zeigen, was man mit gar keinem Licht anstellen kann. Ist es so dramatisch, wenn man in einem Astronomieblog zweimal lesen muss, dass Astronomie toll ist?

  14. Äh, nur mal am Rande: Astronomie ist cool. Und es würde zumindest mein Lesevergnügen schwer einschränken, wenn Florian am Anfang jedes Artikel schreiben würde:
    „Hallo. Ich hab hier mal wieder was oberlangweiliges für euch. Intressiert keine Sau (wie sollte auch – is ja Astronomie), aber ich werd von der NSA und KFC bezahlt, unwichtigen Vertuschungskrempel zu schreiben. Also mach ich mal.
    […]“

    Nee. Danke. Lieber. Nicht. Dann lieber etwas zuviel Enthusiasmus (kanns das eigentlich geben?), an dem man merkt, daß der Autor wirklich mit dem Herz dabei ist.

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