Mittlerweile wissen wir, dass die Milchstraße voller Planeten ist. Darunter sind auch viele kleine, erdähnliche Planeten. Wahrscheinlich auch viele, die sich in der habitablen Zonen um ihre Sterne befinden. Dort könnten die Temperaturen also gerade richtig für die Entstehung von Leben sein. Aber ist ein Planet in der habitablen Zone auch tatsächlich habitabel? Gibt es dort Leben? Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil die dafür nötigen Beobachtungen an der Grenze des technisch machbaren sind. Astronomen aus Chile, Nordirland und Spanien haben nun einen wichtigen ersten Schritt gemacht: Sie haben Leben auf der Erde entdeckt!
Das klingt erstmal nicht nach einer großen Leistung. Wenn man nicht gerade in der tiefsten Wüste lebt, dann braucht man nur vor die Tür gehen um Leben zu entdecken. Pflanzen, Tiere, Menschen: Die Erde ist voll damit.
Aber darum ging es den Forschern nicht. Sie wollten das simulieren, was wir auch tun müssen, wenn wir extrasolare Planeten untersuchen wollen. Da können wir nicht vor die Tür gehen, sondern müssen mit dem bisschen Licht auskommen, das in unseren Teleskopen landet. In der momentanen Situation stammt das so gut wie immer von Sternen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben wir es noch nicht geschafft, einen Planeten direkt zu sehen. Planeten sind einfach zu klein und das von ihnen reflektierte Licht zu schwach um es gut sehen zu können. Ohne Licht vom Planeten können wir aber auch nicht herausfinden, wie die Atmosphäre zusammengesetzt ist und ob es dort vielleicht Leben gibt. Natürlich gibt es trotzdem Wege und Mittel – die Astronomen sind kreative Leute. Man kann die kurze Phase nutzen, in der ein Planet von uns aus gesehen vor seinem Stern vorüber zieht und sein Licht durch die Atmosphäre scheint. Aus diesem „Durchblick“ lassen sich einige relevante Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphäre gewinnen. Ich habe das hier genauer beschrieben.
Wenn aber in einigen Jahren neue und sehr große Teleskope den Betrieb aufnehmen, dann können wir kleine Planeten ohne große Probleme direkt sehen. Es lohnt sich also, entsprechend vorbereitet zu sein. Man soll sich hier keine falschen Vorstellungen machen: Auch wenn ein Planet direkt beobachtet wird, dann sieht man nicht mehr als einen Lichtpunkt. Das All ist einfach zu groß und die Planeten zu weit weg um mehr beobachten zu können. Wer sich also auf Bilder fremder Welten freut, auf denen man Ozeane und grüne Landfläche – vielleicht sogar die Lichter von Alienstädten? – erkennen kann, der wird enttäuscht sein. So etwas wird noch sehr, sehr lange nicht geben. Aber auch ein Lichtpunkt enthält jede Menge Informationen. Die Astronomen wollen hier die Technik der Spektropolarimetrie nutzen. Dabei untersucht man die Polarisierung des Lichts. Das ist eine interessante Eigenschaft (unter anderem spielt sie beim Paarungsverhalten der Fangschreckenkrebse eine Rolle). Stellt man sich Licht als Welle vor, dann kann sie auf verschiedene Arten schwingen. Sie kann z.B. senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingen. So wie ein Seil schwingt, wenn man es in der Hand hält und die Hand immer auf und ab bewegt. Man kann die Hand aber auch im Kreis bewegen, dann wird das Seil auch im Kreis schwingen. Der erste Fall beschreibt linear polarisiertes Licht, der zweite Fall das zirkular polarisierte Licht. Das Licht der Sonne bzw. eines Sterns ist normalerweise unpolarisiert, alle Schwingungsarten sind vermischt. Wird das Licht aber irgendwo reflektiert, dann kann sich die Polarisierung ändern! Aus unpolarisierten Licht wird z.B. zirkular polarisiertes Licht. Was genau passiert, hängt von der Wellenlänge ab und dem Material, welches das Licht reflektiert.
In der Spektropolarimetrie nutzt man diesen Effekt. Man betrachtet reflektiertes Licht und sieht nach, wie groß der Anteil der verschiedenen Polarisierungsarten bei verschiedenen Wellenlängen ist. Das funktioniert auch bei ganzen Planeten! Je nachdem, ob es dort Wolken gibt, oder Ozeane, Kontinenten oder Vegetation wird man unterschiedliche Daten bekommen. Genau das haben die Wissenschaftler mit der Erde versucht. Denn auch die ist ein Planet und reflektiert das Licht der Sonne. Um nicht vom All aus beobachten zu müssen, haben die Astronomen einen kleinen Trick benutzt. Sie haben ihre Kameras auf den Mond gerichtet. Denn der reflektiert nicht nur das Licht der Sonne, sondern auch das Licht, das von der Erde in Richtung Mond strahlt. Wie in einem Spiegel können die Astronomen so den „Erdschein“ beobachten. Die Ergebnisse waren beeindruckend. Man „entdeckte“, dass die Erde von Wolken bedeckt ist und konnte sogar sehen, wie sich der Grad der Bedeckung im Laufe der Zeit änderte. Man fand große Ozeane. Außerdem „entdeckte“ man die Vegetation am Erdboden und damit den Beweis dafür, dass auf der Erde Leben existiert!
Den Erdschein hat man auch früher schon benutzt, um für die Suche nach außerdirdischen Leben zu üben. Da hat man aber einfach „nur“ das normale Licht untersucht. Auch hier gibt es Unterschiede im Reflexionsverhalten, je nachdem welche Gase in der Atmosphäre enthalten sind. Bestimmte „Biomarker“ wie zum Beispiel Methan, können dann auf Leben hinweisen. Die zusätzliche Untersuchung der Polarisation liefert nun mehr und bessere Informationen. Noch mehr und noch besser wäre es, wenn wir nicht auf das schwache, vom Mond reflektierte Licht angewiesen wären, sondern das Licht der Erde direkt sehen könnten. Dazu müssten wir aber ins All. Die Astronomen haben auch schon ein passendes Experiment entwickelt: Lunar Observatory for Unresolved Polarimetry of Earth (LOUPE) (wieder mal ein wunderbares Beispiel dafür, dass die Wissenschaftler es immer schaffen, aussagekräftige Akronyme zu finden).
In den nächsten Jahrzehnten werden wir deutlich mehr extrasolare Planeten kennen als heute. Wir werden jede Menge potentiell habitable Himmelskörper gefunden haben. Wir werden die großen Teleskope haben, die nötig sind, um sie nach Anzeichen für Leben abzusuchen. Und – dank Vorarbeiten wie der hier präsentierten – werden wir auch wissen, was wir tun müssen. Wenn es irgendwo anders noch Leben gibt, dann werden wir es in den nächsten 10 bis 20 Jahren finden!
Einfach großartig!
Wir leben in einer aufregenden Zeit. 🙂
Ich hätte nicht gedacht, dass die Reflexion am Mondboden die Polarisierung erhält. Braucht es nicht metallene Leinwände, um polarisiertes Licht von einem 3D-Kinoprojektor zu reflektieren? Oder war’s umgekehrt?
Jedenfalls mal wieder eine beachtliche Leistung, was sich die Forschung alles einfallen lässt, um aus dem kleinsten Quäntchen Licht noch die letzte Information über seine Quelle zu entlocken.
>So etwas wird noch sehr, sehr lange nicht geben
Ist das nicht sogar tatsächlich unmöglich? (Also Kontinente oder gar noch kleinere Strukturen auf fremden Planeten direkt zu sehen) ? Auflösungsgrenze und so?
„Wer sich also auf Bilder fremder Welten freut, auf denen man Ozeane und grüne Landfläche – vielleicht sogar die Lichter von Alienstädten? – erkennen kann, der wird enttäuscht sein. So etwas wird noch sehr, sehr lange nicht geben.“
Heißt das, dass dies prinzipiell möglich wäre? Wenn ja wie und wann schätzt du, wäre diese Technik verfügbar?
>>Wenn es irgendwo anders noch Leben gibt, dann werden wir es in den nächsten 10 bis 20 Jahren finden!<< Dieser Satz hat mich gerade sehr glücklich gemacht, danke Florian 🙂
warum forschen wir eigentlich nach anderen erdähnlichen planeten?
Weil wir es können und weil wir es wissen wollen!
@leif: „warum forschen wir eigentlich nach anderen erdähnlichen planeten? „
Warum malen wir Bilder, hängen sie in Museen auf und stehen Schlange, um sie uns anzusehen? Warum schreiben wir Bücher? Warum singen wir Lieder? Weil der Mensch eben mehr ist, als nur ein Tier, das zufrieden mit Essen, Trinken und Fortpflanzung ist. Der Mensch ist ein Tier, das die Welt verstehen will.
@interessierter Leser
Rechnen wir doch mal nach. Sagen wir, die Erde aus 10 Lichtjahren Entfernung (was schon recht nahe für einen Exoplaneten wäre) und wir wollen wenigestens 1 Pixel pro 1000 km, d.h. 13×13 Pixel für die ganze Erde. Da könnte man schon Wasser und Land unterscheiden.
Welchen Winkel machen 1000 km auf 10 Lichtjahre?
10 Lichtjahre sind 94,6e+12km, sagen wir 100e+12km = 1e+14km.
In Radians wäre unser gesuchter Winkel 1000 km / (2π*1e+14km) = 1,6e-12 rad
(Das macht in Grad: 1,6e-12 rad*π/180 = 2,78e-12° = 1,0e-10″)
Um einen Winkel von 2,78e-12° aufzulösen braucht es bei 500 nm Wellenlänge:
D = 1,22 * 500 nm/sin(2,78e-12°) = 1,22 *500e-9m/1,6e-12 = 381250 m
Wir bräuchten also ein Teleskop von rund 400 km Durchmesser. Das wäre interferometrisch sogar denkbar, das Problem ist allerdings, das Licht mehrerer so weit getrennter Teleskope mit auf die Wellenlänge exakter Weglänge zusammenzubringen. In der Radioastronomie macht man das mit noch größeren Abständen der Teleskope, indem man die Signale mit einem Zeitnormal aufzeichnet und dann in einem Rechner überlagert (hab‘ neulich von einem Projekt gelesen, mit dem man die Akkretionsscheibe der Supermassiven Schwarzen Löcher in der Milchstraße und M87 radioastronomisch auflösen will). Bis wir Zeitnormale haben, die auf ein paar 10 ns genau mit den Signalen korreliert werden können, dauert es wohl noch ein paar Jährchen, aber ganz abwegig scheint das nicht zu sein. Vielleicht in 50 Jahren?
Faszinierend 😉
@myself
Wieder zu schnell abgesendet.
Der Bogenmaßwinkel wäre 1000 km / 1e+14km = 1e-11 rad (oder 1,75e-13° = 6,28e-10″)
Der nötige Abstand der Teleskope wäre demgemäß
D = 1,22*500e-9m/1e-11 = 61000 m, also „nur“ 61 km
Es ist also ein wenig leichter geworden 🙂
61 km, das kann man doch per Laser überbrücken. Ist ja schon fast greifbar, so ein Projekt.
Frag einen Fotografen: Man bekommt mit einem Pol-Filter keine Reflexe von einer metallischen Oberfläche weg. Frag einen Physiker: es liegt bestimmt an den Elektronen.
Das größte Problem beim direkten beobachten des Exoplaneten ist die Helligkeit des Sterns, den er umkreist. Tatsächlich gibt es einen Vorschlag für eine Weltraummission, die dieses Problem mit einem „Starshade“ lösen soll. Mit der Hilfe von Interferometrie und mindestens 5 Weltraumteleskopen der 4m-Klasse wären sogar Aufnahmen der Oberflächen von Exoplaneten bis in einigen 10 LJ Entfernung denkbar.
=>Dies ist das Projekt. Im Prinzip also jetzt schon möglich, wenn jemand 3 Milliarden (realistisch eher 20, wenn wie beim James-Webb-Telescope geplant wird) spendieren würde.
Und hier noch eine tolle Präsentation über den New World Imager, mit simulierten Ansichten der Planeten des Sonnensystems, wie der Imager sie aus 10 pc sehen würde:
https://casa.colorado.edu/~wcash/Planets/new_worlds.pdf
Aussage im Text: Sepktroskopie geht heute schon; die für die Auflösung der Oberfläche nötige Technik liegt noch 10-15 Jahre in der Zukunft.
@Ludger
Dann lag ich ja richtig. Nur metallische Leinwände sind zur 3D-Kinoprojektion geeignet, weil nicht-metallische die Polarisation ändern (und deswegen bleibt der Reflex einer nicht-polarisierten Lichtquelle auf einer metallischen Fläche auch weiterhin nicht polarisiert, die frei beweglichen Elektronen machen jede Schwingungsrichtung anstandslos mit).
Anscheinend ist der Mond hinreichend metallisch, dass noch was von der Polarisation des Erdenlichts übrig bleibt.
@Alderamin
Du bekommst ja nicht nur die Doppelreflexion Sonne, Erde, Mond, Erde sondern auch die direkte Reflexion Sonne, Mond, Erde. Damit bekommt man eine Referenzaufnahme. Ich vermute mal dass diese miteingerechnet wird.
BLUEBEAM LÄ?T GRÜ?EN
@lilith: „BLUEBEAM LÄ?T GRÜ?EN „
1) Auf deiner Tastatur scheint eine Taste zu klemmen, reparier das mal.
2) Was um Himmels Willen soll die spektroskopische Untersuchung von Exoplaneten mit dem (nicht existierenden) Bluebeam-Quatsch zu tun haben? (Ok, wenn ich genauer darüber nachdenke, will ichs gar nicht wissen)
@Schak
Um das vom Mond reflektierte Licht der Erde zu sehen, muss man kurz nach Neumond den dunklen Teil des Mondes betrachten, das sogenannte aschgraue Licht (in dem man gerade bei schmaler Sichel noch sehr gut die Maria [das ist hier kein Frauenname, sondern der korrekte Plural von Mare!] erkennen kann). Also kein Sonnenlicht als Referenz.
Liegt die Stärke der Polarisation vielleicht eher am Einfallswinkel? Beim Mond sieht man ja nur das Licht mit dem Einfalls-Ausfallswinkel 0°.
Nachtrag @ Alderamin
Du kannst das: https://de.wikipedia.org/wiki/Fresnelsche_Formeln wahrscheinlich besser verstehen als ich.
@Florian
Ich habe mal kurz nachgeschaut, ob du das wirklich nicht wissen willst. Willst du nicht. 😉
https://rationalwiki.org/wiki/Project_Blue_Beam
Ach ja, zum Thema wollte ich ja auch noch kommentieren …
Sehr ausführliche Erklärung, vielen Dank. Die Meldung geisterte ja schon ein paar Tage durch die Medien, aber erst jetzt habe ich begriffen, was tatsächlich passiert, warum die Polarisation ein Rolle spielt usw.
Und es fasziniert mich gewaltig, was in einem winzigen Lichtpunkt an Information stecken kann.
@Alderamin
Du bekommst auch bei Vollmond das von der Erde reflektierte Licht, nur sehr stark überlagert mit dem direkten. Dein Einwand isr aber berechtigt, da sich die Frage stellt, ob man daraus irgendeine Referenz herleiten kann und/oder ob sich die Polarisation mit dem Einstrahlwinkel ändert.
@schak
Nö, bei Vollmond ist vom Mond aus Neuerde und dann gibt’s so gut wie gar kein zum Mond reflektiertes Licht.
Und selbst wenn Vollerde ist, dann ist die Helligkeit des aschgrauen Lichts immer noch rund 6000-mal schwächer als das des Vollmonds, mehr als 9 Größenklassen, das wäre nicht so ohne weiteres herauszufiltern, wenn man es überlagert vorfinden würde. Bei Halbmond hat man kaum noch aschgraues Licht und schon sehr viel Sonnenlicht, aber nebeneinander.
Immerhin wurde ja gerade ein Planet in userem eigenen Sonnensystem entdeckt, obwohl dann auch kein Exoplanet!
Vielleicht ein eingefangenes Exemplar?
abo
Ich muss dich korrigieren, Florian:
Wenn es irgendwo anders noch Leben GAB, dann werden wir es in den nächsten 10 bis 20 Jahren finden!
Nur, weil das hier auftreffende Licht keinen Pflanzenbewuchs aufzeigt, heißt das noch nicht, dass er nicht schon da ist und das davon ausgesendete polarisierte Licht einfach noch nicht ankam. Andersherum natürlich auch. 😉
>Wenn es irgendwo anders noch Leben gibt, dann werden wir es in den nächsten 10 bis 20 Jahren finden!
Hängst du dich da nicht etwas weit aus dem Fenster? Wir wissen ja noch nichtmal, wie dieses Leben aussieht, geschweige denn welche Biomarker es in der Atmosphäre anderer Planeten hinterlassen würde. Sofern die überhaupt eine Atmosphäre benötigen. Man müsste die Aussage schon auf kohlenstoffbasierte Lebensformen beschränken, und selbst dann ist es gut möglich, dass es irgendwo im Universum existiert und von uns NIE entdeckt wird.
@Mario: „Man müsste die Aussage schon auf kohlenstoffbasierte Lebensformen beschränken,“
Seufz. Natürlich beschränke ich diese Aussage auf Leben, das so ist wie das Leben, das wir kennen. Alles andere macht wissenschaftlich keinen Sinn.
„und selbst dann ist es gut möglich, dass es irgendwo im Universum existiert und von uns NIE entdeckt wird. „
Ja, ist es. Aber wenn Leben häufig ist, dann existiert es auf vielen Planeten. Und dann finden wir es in 10 bis 20 Jahren. Weil wir dann die technischen Möglichkeiten haben, viele Planeten entsprechend zu untersuchen.