Während meiner Auszeit erscheinen hier einige Gastbeiträge von anderen Bloggern. Wenn ihr auch Lust habt, euer Blog (euren Podcast, euer Videoblog, etc) hier vorzustellen oder einfach nur mal einen Artikel schreiben wollt, dann macht mit!
Heute gibt es einen Artikel von Kevin Glinka.
In manchen Ländern werden Produkte wie Gewürze oder medizinische Artikel wie z.B. Spritzen mit Hilfe von ionisierender Strahlung sterilisiert, bevor sie vertrieben werden. Hier ist vor allem die Rede von El Salvador, Israel und Weißrussland. Dafür wird häufig Gammastrahlung verwendet, die meistens von Kobalt-60 ausgesendet wird. Die Kobaltelemente werden dafür in einem Rack befestigt, welches durch eine Seilwinde auf- und abbewegt werden kann. Meistens taucht das Rack beim Abstieg in ein Wasserbecken, bei zwei von den drei hier angesprochenen Anlagen ist dieses Becken 5,5 m tief. Bei der dritten Anlage war dieses Becken trocken, dafür gab es Einrichtungen um die Abwärme abzuführen.
Die Produkte werden in Fieberglasboxen (El Salvador), Kartons (Israel) oder Edelstahlkisten (Weißrussland) der Strahlung ausgesetzt, dafür werden Systeme verschiedener Komplexität verwendet, um die Boxen an der Strahlungsquelle vorbei zu bewegen. Bei den ersten beiden hier angesprochenen Systemen wurde eine Stauung in der Zufuhr der Pakete dadurch erkannt, dass die pneumatischen Kolben ihre Bewegungen nicht in einer bestimmten Zeit abgeschlossen hatten. Bei der weißrussischen Anlage wurde ein Stau meistens durch den anders klingenden Motor des Transportsystems erkannt.
Durch verschiedene Probleme kam es leider in allen angesprochenen Anlagen zu Unfällen, die bei ingesamt 9 beteiligten Personen zu 3 Todesfällen und leichten bis schweren Verletzungen der anderen 6 Beteiligten führten.
San Salvador, El Salvador (1989) [1]
In der betreffenden Anlage wurden medizinische Produkte sterilisiert. Aufgrund des Bürgerkriegs in El Salvador wurde die Anlage oft von Stromausfällen heimgesucht, weiterhin wurden die Arbeiter häufig nur mündlich und soweit informiert, dass es gerade ausreichte, dass sie die anfallenden Arbeiten ausführen konnten. Die Bestrahlungsanlage der kanadischen Firma Nordion wurde 1975 installiert, 1981 sollten die Kobaltelemente erneuert werden, doch aufgrund des aufflammenden Bürgerkriegs flog der Mitarbeiter von Nordion gleich wieder nach Kanada, nachdem er in San Salvador ankam. Für 14 Jahre wurde die Anlage nur per telefonischem Kontakt nach Kanada gewartet. Außerdem war die Aktivität der alten Kobaltelemente natürlich abgesunken, was durch eine Verlängerung der Bestrahlungszeit kompensiert wurde. Weiterhin waren die Bedienungselemente und weiter Einrichtungen ebenfalls relativ verfallen. Da es wie gesagt oft zu Stromausfällen kam, hatten die Arbeiter eigene Prozeduren entwickelt, die Anlage nach einem Stromausfall wieder in Gang zu bekommen, wobei aber die Sicherheitshinweise von Nordion nicht beachtet wurden. Es gab u.a. einen Schlüssel für das Instrumentenbrett (welches übrigens nicht beschriftet war!), der gleichzeitig der Schlüssel für die einzige Tür zum Bestrahlungsraum war. Weiterhin musste ein neben der Tür befestigter Strahlenmonitor (mit 9 Geiger-Müller-Zählrohren in der Kammer) eine bestimmte Grenze nicht überschritten haben, damit die Tür freigegeben wurde. Außerdem musste ein Mikroschalter am Rack anzeigen, dass das Rack vollständig in das Becken untergetaucht war. Schließlich war es sogar möglich, die Tür mit Hilfe eines Messers zu öffnen.
Am Morgen des 5. Oktober 1989 kam es dann zu dem Vorfall, dass sich Boxen in die Quere kamen und sich dann das Rack an den Boxen verhakte. Der Arbeiter an der Maschine kam von einer Kaffeepause zurück, und fand die Maschine mit mehreren Alarmmeldungen vor. Zunächst stieg er auf das Dach des Raumes, um dort mit der Pneumatik zu versuchen das Rack hinabzulassen. Dann zog er an dem Seil, das an dem Rack befestigt war und ließ es hinabfallen. Als das auch nicht funktionierte, überbrückte er das Türschloss und betrat den Bestrahlungsraum. Später holte er zwei (mit der Maschine unerfahrene) Kollegen hinzu. Gemeinsam schafften sie es, das Rack zu befreien und in das Wasserbecken hinabzulassen. Der erste Arbeiter dachte und meinte später, es sei sicher den Raum zu betreten, da das Gerät wie ein abgeschaltetes Röntgengerät sicher nicht strahlen würde.
Sechs Tage später verhakte sich das Rack wieder, wobei dieses mal beim Versuch es von außen zu befreien, 14 Aluminiumstäbe hinaus fielen (einige davon waren inert, nur manche enthielten Co-60). Alle bis auf einen Kobaltstab fielen ins Wasser. Als der Manager der Qualitätssicherung sich mit drei weiteren Arbeitern der Maschine näherte, stellte er mit einem Messgerät erhöhte Strahlung fest. Dabei erlitt er eine Dosis von 0,22 Gray, die Arbeiter etwas weniger.
Die drei ersten Arbeiter wurden inzwischen im Krankenhaus behandelt, man ging dort von einer Lebensmittelvergiftung aus (wegen dem Erbrechen und dem Durchfall, den alle hatten). Erst später zeigten sich noch andere Symptome, weshalb die drei Arbeiter nach Mexico City gebracht wurden, wo sie weiter behandelt wurden. Es war nötig, bei den ersten beiden Arbeitern jeweils ein Bein über dem Knie zu amputieren. Trotzdem starb der erste Arbeiter, der im Raum dem Rack am nächsten war. Die IAEA berechnete, dass sich in der unmittelbaren Nähe des Racks (ungefähr im Fußbereich) wohl Dosen von 40-80 Gray pro Minute entwickelt haben mussten. Der dritte Arbeiter hatte nur leichte Strahlenverbrennungen am linken Fuß, da er anscheinend weit genug vom Rack entfernt stand.
Einige Zeit später konnten zwei Techniker von Nordion mit Hilfe einer TV-Kamera, Ionisationskammern und einem durch das Dach eingeführten Mechanismus den letzten Kobaltstab in das Wasser befördern. Durch die Cerenkovstrahlung der Stäbe im Wasser konnte verifiziert werden, dass kein Stab fehlte.
Zur Vermeidung weiterer Unfälle forderte die IAEA die Firma auf, das englischsprachige Benutzerhandbuch auf Spanisch zu übersetzen und dass neue Arbeiter unter Aufsicht von Nordion ausgebildet werden sollten.
Sor-Van, Israel (1990) [2]
In Sor-Van gab es die gleiche Anlage wie in San Salvador, allerdings wurden hier die Produkte in Kartons in die Anlage eingegeben. Auch hier sah der verantwortliche Arbeiter eine Warnung, dass ein Transportstau vorlag, gleichzeitig auch die grüne Anzeige, dass die Quelle in der tiefsten Position im Wasser war, gleichzeitig aber auch eine Gammastrahlungs-Warnung. Er beschloss, dass der Gamma-Alarm falsch sein musste, da die grüne Lampe leuchtete und betrat den Raum, nachdem er die Konsole öffnete und die Gammasonde einfach vom System abkoppelte.
In der Anlage waren die Geigerzähler in der Gammasonde bereits durch die Bestrahlung abgenutzt, sodass sich auch dort der „Trick“ etabliert hatte, das Türschloss durch schnelles Ein- und Ausschalten des Systems zu überlisten. Dies tat der Arbeiter dann auch, nachdem er aber die Kartons erreicht hatte, bemerkte er ein Brennen in den Augen, sowie Kopfschmerzen. Daraufhin bekam er Angst und verließ den Raum schnell wieder.
(Anmerkung: Ich vermute, dass der Arbeiter hier sehr viel schneller diese Symptome merkte, da die Kobaltstäbe hier regelmäßig von Nordion ausgetauscht worden waren, diese also eine viel größere Aktivität als die in San Salvador hatten)
Der Arbeiter rief einen Sicherheitstechniker an, der mit einem Strahlungsmesser den Flur zur Bestrahlungskammer betrat. Als sein Messgerät schon dort 0,5 Sievert pro Stunde anzeigte, verließ er den Raum sofort und schloss die Tür. Später konnte das Rack auch hier befreit werden, die Fotos davon zeigen einen aufgerissenen Karton, in dem sich das Rack wohl verfangen hatte. Der Arbeiter starb leider auch hier nach einigen Monaten, obwohl er sofort angemessen behandelt werden konnte.
Die IAEA sah hier als Problem, dass die Sicherheitsbesprechungen in Hebräisch gehalten wurden, auch hier gab es kein hebräisches Handbuch, sondern nur das englische Original von Nordion. Weiterhin sollte eine Möglichkeit eingerichtet werden, dass das nahegelegene Soreq Nuclear Research Centre die Anlage fernsteuern könnte, bzw. dass man von dort das Absenken des Racks einleiten könnte. Außerdem wurde es von dort an strengstens untersagt, die Konsole für solche Arbeiten zu öffnen und in ihr herumzubasteln. Nordion sandte aufgrund dieser beiden Vorfälle einen Warnhinweis an alle Betreiber, die Racks mit einer speziellen Schutzverkleidung nachzurüsten, sodass die Produkte sich nicht im Rack verfangen können.
Die IAEA merkte an, dass der Arbeiter vielleicht überlebt hätte, wenn ihm aufgefallen wäre, dass die Cerenkov-Strahlung im Wasser fehlte, sowie dass es im Raum stark nach Ozon roch. Das Vorhandensein des Cerenkovlichts wäre ja ein Zeichen dafür gewesen, dass sich das Kobalt unter Wasser befindet. Das zweite resultierte aus der Ozonbildung durch die Wechselwirkung der Gammastrahlung mit dem Luftsauerstoff. Eine andere Berechnung für die Entwicklung eines Ozongenerators zur Kalibrierung von Ozonsonden hatte gezeigt, dass ein nuklearer Ozongenerator eine Quelle von tödlicher Stärke benötigt hätte. Damit ist wohl zu erklären, warum diese Bestrahlungsanlagen Ozon erzeugen.
Njaswisch, Weißrussland (1991) [3]
In dieser Anlage wurden die Produkte in an einem Transportsystem hängenden Boxen vorbei geführt. Aufgrund von vorherigen Vorfällen wurde hier das Rack von einem Schutzgitter umschlossen, sodass sich die Boxen und das Rack nicht berühren konnten. Trotzdem kam es manchmal vor, dass sich das Transportsystem verhakte. Dies wurde vom Personal oft durch den anders klingenden Motor bemerkt. Bei dem Vorfall am frühen Morgen des 26. Oktober 1991 las der Ingenieur in seiner Zeitung, als sein Assistent das veränderte Motorengeräusch bemerkte und ihn darauf aufmerksam machte. Der Ingenieur drückte auf den Knopf zum Absenken der Quelle und verließ den Kontrollraum, ließ den Schlüssel aber in der Steuerkonsole stecken. Es wurde später vermutet, dass er so die Anlage schneller wieder starten wollte.
Am Eingang angekommen, gab es hinter der Tür zunächst eine Grube mit elektrisch angetriebenem Deckel, die so im Gang eingelassen war, dass man ohne den Deckel nicht weiter vorankam. Nur mit dem Schlüssel konnte der Deckel geschlossen werden. Der Ingenieur überwand die Grube, indem er auf den in ihr befindlichen Elektromotor stieg. Weiter den Gang hinab musste der Ingenieur über eine Druckplatte im Boden gehen, die von sich aus schon das Hinablassen des Racks verursacht hätte. Die IAEA stellte fest, dass die Druckplatte bei 25 von 25 Tests funktionierte und man auch nicht über sie hinweg springen könnte, da man keinen Anlauf nehmen kann. Man könnte nur mit dem Transportsystem die Platte überwinden, aber da man den Strahlungsmesser beidhändig hält, ist das nicht so einfach möglich. Außerdem wurde es wegen der enormen Gefahr als unlogisch eingestuft, die Druckplatte umgehen zu wollen.
Als er die zu reparierende Stelle erreichte, bekam er nach etwa einer Minute Kopf- und Gelenkschmerzen. Er sah von sich aus nach links und sah das voll ausgefahrene Kobaltrack. Er lief daraufhin sofort aus der Kammer und informierte seinen Assistenten. Er wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht und später nach Moskau verlegt. Eine Dosis von 9-11 Gray wurde u.a. mit Hilfe einer Elektronenresonanzspektroskopie seiner Baumwollweste bestimmt (sein eigentliches Dosimeter hatte er in seiner Brotbox gelassen). Der Ingenieur starb nach 113 Tagen.
Hier wurden die Gründe vor allem darin gesehen, dass der Ingenieur auch hier versuchte, die Sicherheitsmechanismen zu überwinden. Es war der IAEA aber nicht verständlich, wieso das Rack wieder nach oben fuhr, als die Kammer geöffnet war. Als mögliche Gründe wurde angenommen, dass eventuell jemand auf der Konsole den Befehl dazu gegeben haben könnte, oder dass es einen elektrischen Fehler gab. Die Gammasonden in der Kammer waren auch nicht mit dem System verbunden, sodass der Hubvorgang hätte automatisch abgebrochen werden können. Weiterhin gab es kein Alarmsystem in der Kammer und der Ingenieur hat den Motor des Hubmechanismus vermutlich nicht gehört. Auch hier wurden von der IAEA mehrere Hinweise zur Verbesserung der Sicherheit gegeben, z.B. einen Alarm in der Bestrahlungskammer und die Einbindung der Gammasonden in das System.
Quellen:
[1]: The Radiological Accident in San Salvador, IAEA, STI/PUB/847 (ISBN:92-0-129090-X), 1990
[2]: The Radiological Accident in Soreq, IAEA, STI/PUB/925 (ISBN:92-0-101693-X), 1993
[3]: The Radiological Accident at the Irradiation Facility in Nesvizh, IAEA, STI/PUB/1010 (ISBN:92-0-101396-5), 1996
Mal ein technischer Hinweis: vielleicht solltest du die Gastautoren auf die Möglichkeit hinweisen, Beiträge durch Zwischenuberschriften zu gliedern oder z.B. Bilder aus der Wikimedia einzubauen. Betrifft nicht nur diesen Beitrag:-)
Da muss ich Thilo zustimmen, auch wären es an manchen Stellen sinnvoller von einem weniger damit vertrauten Publikum auszugehen.
Das Cerenkovlicht kenne ich zwar noch aus anderen Beiträgen hier aus SB (Dafür musste ich nachschauen was ich mir genau unter einem Rack vorstellen zu habe)
Zwar alles keine wichtigen Sachen, jedoch wird der Lesekomfort dadurch stark gesteigert (vll. sind wir auch nur schon zu verwöhnt hier auf SB)
Ansonsten muss ich sagen, 3 interessante Fälle welche hier vorgestellt werden. Nur irgendwie fehlt mir hier eine Einordnung bzw. ein Vergleich.
So habe ich aus dem Artikel irgendwie keinen Mehrwert mit raus genommen.
Zwar ist es mal interessant zu sehen wie selbst die strengsten Sicherheitsmaßnahmen nicht fruchten können, jedoch bleibt es für mich schwer einzuordnen und somit bleiben es lediglich drei (interessante) Einzelfälle.
Auch ziemlich heftig:
https://de.wikipedia.org/wiki/Goi%C3%A2nia-Unfall
Geht mir ähnlich wie Spoing?
Interessanter Artikel, aber irgendwie hängt er im luftleeren Raum. Wäre nett, wenn der Autor noch etwas mehr zur Einordnung, Bewertung usw. beitragen könnte.
Ich habe mal gesucht: ein Cobalt-60 Strahlentherapiegerät enthält Cobalt60 mit einer Aktivität von um die 1000 Curie = 37.000 GBq ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kobaltkanone ). Ein Lebensmittelbestrahlungsgerät enthält etwa 1500 mal so viel, nämlich im Mittel 1,5 MCi Cobalt-60 (in SI-Einheiten 56 PBq – entsprechend einer Gesamt-Strahlungsleistung von rund 4,5 MW) ( https://de.wikipedia.org/wiki/Lebensmittelbestrahlung#Bestrahlungsanlagen ). Da wundert es mich schon, dass die Geräte nicht inhärent sicher gebaut wurden. Noch mehr wundert mich die offensichtliche Naivität des Personals.
Bei aller Tragik kann einen doch die teilweise zur Schau gestellte Anwendung kreativer Intelligenz zur Überwindung von Sicherungsmechanismen dazu veranlassen an den Darwin Award erinnert zu werden…
@Spoing: „auch wären es an manchen Stellen sinnvoller von einem weniger damit vertrauten Publikum auszugehen.“
Tja, das sind halt nunmal Gastartikel. Das die anders sind, als die, die ich schreibe, ist logisch. Wenn ich jetzt jeden Artikel so lange nachbearbeite, bis er genau so ist, wie meine Artikel, dann führt das irgendwie die Gastblogger-Aktion ad absurdum…
Ging mir auch wie Spoing und Alexander, dennoch besten Dank an die Gastschreiber (wer unzufrieden ist sollte eben mit gute Beispiel vorangehen… 😉 ) und deshalb bitte dies nur als konstruktive Anregung für zukünftige Beiträge ansehen.
Danke für das Feedback bis jetzt. Der Artikel ist wirklich nur eine Aufzählung der Vorfälle, die ich einmal vorstellen wollte, ein „Fazit“ o.ä. hätte ich noch hinzufügen können, das stimmt. Ich dachte aber, dass eventuell durch den Artikel in der jetzigen Form erst einmal eine Diskussion startet, die das Fazit dann eventuell ersetzt.
Zu Bildern: Ich habe mir beim Schreiben auch gedacht, dass Bilder eventuell dem Verständnis geholfen hätten, denn als ich die Berichte der IAEA las, stellte ich mir z.B. die Bestrahlungsräume ganz anders vor, bis ich dann die entsprechenenden Grundrisse in den Berichten sah. Da die Zeichnungen aber in den IAEA-Berichten sind (und in den ersten beiden Fällen stand in den Bildunterschriften, dass die Zeichnungen von Nordion Inc. kommen), wusste ich nicht ob sie hier eingefügt werden können.
@Daniel: Der Goiânia-Unfall jährt sich ja in etwa einem Monat zum 25. Mal. Ich hatte Florian schon vor einiger Zeit davon informiert, eventuell kann ich zu diesem Vorfall (Stufe 5 von 7 auf der INES-Unfallskala) auch noch etwas schreiben, wenn Florian damit einverstanden ist.
@Ludger: Die Dinger sind ja eigentlich inhärent sicher, nur wenn die Leute so nachdrücklich eine Sicherheitsvorkehrung nach der anderen ausschalten…
Was mir irgendwie nicht behagt ist die Überschrift: „Atomunfall“, es soll wohl ein wenig die Assoziation mit der leidigen Kerntechnik herstellen…
@Daniel: Der Goiânia-Unfall ist etwas ganz anderes, hierbei wurde das radioaktive Material fein verteilt über ein grosses Gebiet verteilt. Es ist so ziemlich das dümmste was passieren kann, wenn das aktive Material aus der letzten umschliessenden Hülle genommen wird.
Die Berichte zu allen von der IAEA untersuchten Vorfällen kann man sich übrigens als .pdf runterladen (nicht nur über diese Unfälle in Bestrahlungsanlagen sondern ein ganzer Haufen, nutzt die Suchfunktion!):
https://www-pub.iaea.org/books/IAEABooks/3718/The-Radiological-Accident-in-San-Salvador
https://www-pub.iaea.org/books/IAEABooks/3798/The-Radiological-Accident-in-Soreq
https://www-pub.iaea.org/books/IAEABooks/4712/The-Radiological-Accident-at-the-Irradiation-Facility-in-Nesvizh
(kleine Warnung: Neben Fotos und Zeichnungen der Anlagen, Quellen, … sieht man auch geschwollene und eitrige Körperteile…)
Um einen kleinen Überblick über die verschiedenen in Medizin und Industrie verwendete radioaktiven Quellen zu bekommen ist dieses Buch hier sehr nett, mit vielen Fotos (keine Wunden, kein Blut 😉 ) der Geräte die es so gibt: https://www-pub.iaea.org/books/IAEABooks/7567/Identification-of-Radioactive-Sources-and-Devices
Ich habe schon länger (beruflich) mit radioaktiven Quellen zu tun, und finde die Publikationen der IAEA an sich von sehr hoher Qualität, man lernt wirklich einiges bei der Lektüre. Auch wenn die Unfall-Reports so ein bisschen Gruselqualität haben macht man sich über den eigenen Umgang (mit in meinem Fall viel, viel harmloseren Labor-Quellen) so Gedanken.
Mal vielen Dank für den Beitrag! Ein Fazit fehlt zwar schon irgendwie, aber ohne regt er mehr zum Denken an. Irgendwie komm ich aber mit zwei Dingen noch nicht so ganz klar:
Ich verstehe nicht ganz den Sinn des Wasserbeckens: Dient das Wasser zur Abschirmung der Gammastrahlung? Meinem Schulwissen nach hätte ich jetzt eher dicke Bleiplatten dafür genommen. Wie dick muss denn eine Wasserschicht sein, um die Gammastrahlung weit genug abzuschwächen?
Und außerdem: Warum benutzt man nicht einfach Röntgenstrahlen? Eine genügend hohe Röntgendosis sollte doch auch sämtliche Keime abtöten und da kann man die Quelle einfach an- und ausknippsen…
@KeinAnfang
Der Checker taucht hier jeden Tag unter neuem Namen auf und trollt rum. Er könnte ja einfach woanders hin klicken aber anscheinend fühlt er sich von der Existenz von Florians Blog ans Bein gepinkelt. Vermutlich sieht er sein Geschäftsmodell gefährdet. Am besten das tun, was er nicht hinbekommt: einfach ignorieren.
@matthias:
Die Verwendung von Wasser hat zwei Gründe:
Erstens dient es als Kühlmittel, um die entstehende Wärme abzuführen und zweitens (wie gesagt) als Abschirmung.
Bei einer genügend dicken Wasserschicht reicht es tatsächlich aus! Zwar ist Blei (wie du bereits vermutet hast) sehr gut zur Abschirmung geeignet, jedoch wäre es viel teurer, alles mit solchen dicken Bleiplatten auszustatten. Eine dünne Bleischicht hat den gleichen Effekt wie eine dicke Wasserschicht. Nachdem Wasser so billig ist, nimmt man halt lieber Wasser 😉
Achja, es gibt einige Forschungsreaktoren in Pool-Bauweise, wo man ganz gefahrlos oberhalb des Beckens stehen kann und runter auf die Brennstäbe schauen kann. Die meterdicke Wasserschicht machts möglich…
@Christian Vogel:
Sehe ich auch so, habe es aber auf eine gewisse Paranoia meinerseits zugeschrieben, aber wenigstens sind, bis jetzt, die klassischen anti Atom Hysteriker fern geblieben, kann also nicht als so „aufreisserisch“ sein. 😉
@All:
Ganz ähnliche Unfälle mit Toten oder/und schwer Verletzten, kenne ich aus der Chemischen Industrie, und haben meist die gleichen Ursachen (nicht unbedingt alle gleichzeitig):
Veraltete, schlecht gewartete Installationen
Schlecht bis nicht ausgebildetes Personal.
Das bewusste ausschalten sämtlicher Sicherheitsvorkehrungen vom Personal. Obwohl dies meist auf mangelnde Ausbildung zurückzuführen ist. Wie oft habe ich erlebt dass die Arbeiter auf einem Prozess ein Sicherheitsmechanismus der einen Alarm auslöst als Störenfried angesehen haben anstelle einer Vorkehrung die ihre eigene Sicherheit gewährleisten und dies trotz jährlichem Sicherheitstag und regelmässigem Sicherheitstraining. Aber das hat man aber auch im „normalen“ leben, Stichwort Sicherheitsgurt…
Hey,
das erinnert mich an meine Zeit als Maschinenführer. Es ist gewissermaßen ein „Sport“ die Sicherheitseinrichtungen zu überbrücken ohne das es die Sicherheitsbeauftragten oder die Berufsgenossenschaftsleute merken. Da wird durchaus Hirnschmalz aufgebracht um ja die Maschine nicht anhalten zu müssen um irgendwas zu putzen (Druckwerke) oder nicht in einen Schutzanzug zu schlüpfen, kein Dosimeter mit zu nehmen.
Bei Schrahlenschutzbereichen muss man sich normalerweise mit einem persönlichen Dosimeter anmelden, wird dann halt schnell mal durchgeschlüpft wenn wer anders durch die Tür geht…
Die Faulheit der Leute ist ein immerwährender Quell der Freude und wie man hier sieht tödlich.
Je länger eine Schädigung benötigt um aufzutreten desto weniger wird drauf geachtet, Gehörschutz ist deswegen vielen Menschen fremd. Die Ausreden warum man gerade jetzt keinen Gehörschutz oder keine Handschuhe tragen muss, ja warum die sogar gefährlich sein könnten sind durchaus kreativ und meist unfassbar dämlich. (Standard: „Wenn ich meine mit Säure verschmierten Handschuhe anbehalte und raus gehe hängt die Säure außen am Türgriff und Menschen ohne Handschuhe greifen rein.“ Grmpf, wer mit dreckigen Handschuhen aus dem Labor geht dem gehört saftig in den Hintern getreten und sonst nix!)
Ich hatte nur Glück, kleine Druckwerke oder Pressen, o.ä. reissen dir halt direkt die Finger oder eine Hand ab und es gibt öfters mal beinahe Unfälle wo dann ein Lappen oder ein Bleistift eingezogen wird, sowas brennt sich durchaus tief ins Gedächtnis ein. Deswegen ist bei vielen Menschen trotzdem ein kleines bisschen schlechtes Gewissen dabei und sie passen auf wie und wann sie in die Maschine eingreifen. Das dürfte bei Anlagen an denen normalerweise nichts passiert und die Gefahr diffus erscheint nicht mehr da sein, vor allem wenn die Mitarbeiter unzureichend sensibilisiert sind.
Die unschönen Bilder in den Unfallberichten sollte man daher immer in entsprechende Schulungen einbauen, es lachen zwar alle drüber aber da denken die Leute noch lange später drüber nach.
Maschinen sind kein Kinderspielplatz, daher immer die Sicherheitsprotokolle einhalten und defekte oder überbrückte Sicherheitsschaltungen sofort in Stand setzen lassen, so sehr die auch nerven/sinnlos erscheinen oder einem irgendwelche BWLer wegen Standzeiten im Nacken sitzen.
Die andern Leute müssen nicht die Hand reinhalten oder im Gefahrenbereich rumlaufen, das muss man höchstpersönlich und nur man selbst hat auch die Schmerzen wenn was passiert oder noch schlimmer wenn anderen was passiert und man den Kopf dafür hinhalten muss.
@Chris, Re: Maschinenführer
> https://www.google.de/search?q=this+machine+has+no+brain,+use+your+own&tbm=isch
@Richelieu
Ich finde es interessant, dass es in der chemischen Industrie auch so schludrig zugeht, in der Chemie erschienen mir die Gefahrstoffe meist deutlich sicht- und vor allem riechbar.
@Christian:
Achtung zum teil sind solche Fallbeschreibungen die für das Sicherheitstraining dienen mehrere Jahrzehnt alt und wie in dem Artikel Weltweit verbreitet und Chemie ist weit aus verbreiteter als die Verwendung von Strahlenquellen und daher ist es schon rein statistisch wahrscheinlicher das was passiert. Auch bin ich seit ein wenig mehr als 10 Jahren nicht mehr in der Branche tätig und kann deshalb nicht über den Aktuellen Stand der Dinge berichten, es ging mir viel mehr darum zu zeigen das Sicherheitsprobleme die gleichen Ursachen in anderen Bereichen haben, Chris hat eigentlich die Lage weitaus besser beschrieben als ich es getan habe (ein Grund warum ich wohl kein Gastbeitrag schreiben könnte 😉 ).
Jaein, Du brauchst nicht sehr weit zu suchen, „gängiges“ CO zB. ist sowohl unsichtbar als auch geruchlos auch kann die olfaktorische Wahrnehmung bzw. Identifikation über der Genfahrkonzentration liegen, mir ist es passiert das ich in einer Installation unterwegs war und einen Geruch wahrnahm der nicht unangenehm war und nicht unbedingt „chemisch“ roch, den ich aber nicht identifizieren konnte. Erst als eine Arbeiter aus dem Kommandoraum mit einem Luftanalyse Gerät in der Hand kam klingelte es endlich bei mir: Phosgen, das Zeug riecht wie faulendes Heu, nicht unangenehm in geringen Konzentrationen.
Es war nur ein sehr kleines Leck und die Konzentrationen lagen unter einer akuten Vergiftungsgefahr aber oberhalb der maximalen Richtwerte. Aber vor allem war es meine Reaktion, als ich den Geruch wahrnahm, die mich zum grübeln brachte, ich habe ganz natürlich tiefer eingeatmet um zu versuchen ihn zu identifizieren, nicht gerade das schlauste in Gewahrt eines Giftgas…
Interessanter Artikel.
Ich haette statt „Atomunfaelle in Bestrahlungsanlagen“ aber eher „Strahlenunfaelle in Bestrahlungsanlagen“ in den Titel geschrieben.
Es ist nichts geschehen, wobei strahlendes Material frei und unkontrollierbar geworden ist. Die hier beschriebenen Vorkommnisse haette man prinzipiell auch mit einer starken Roentgenanlage haben koennen, was die Strahlenschaeden der Opfer angeht. Bei Schaeden durch Roentgenanlagen spricht man aber nicht von Atomunfaellen, sondern von Strahlenunfaellen.
Es mag sein, dass ich danebenliege, wenn ja, dann bitte erlaeutern.
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Peter
@Pete: Die IAEA spricht von „Radiological Accidents“, allerdings wurde auch der Goiânia-Unfall, bei dem ja die Radioaktivität über die ganze Stadt verteilt wurde so genannt. Aber man hätte vielleicht wirklich „Radiologische Unfälle“ schreiben können.
Gestern habe ich das PDF von Christian Vogel gelesen, in dem die IAEA die Quellen vorstellt, das war sehr interessant. Dort gab es einen weitern Verweis auf Vorfälle in Costa Rica (1996) und Polen (2001). Dort wurden in jeweils einem Krankenhaus die Bestrahlungsgeräte mit neuen Co-60-Quellen bestückt. Bei der Bestimmung der Dosis wurde ein Berechnungsfehler gemacht, sodass viele Patienten überstrahlt wurden. In Costa Rica wurde zudem der folgende Fehler gemacht: Der Timer hatte Einteilungen von „0.3“, was 0,3 Minuten = 18 Sekunden bedeutete. Der Bediener war aber davon ausgegangen, dass die Einteilung 30 Sekunden bedeutete. Weiterhin war die Decke des Raumes nicht für Strahlentherapie ausgelegt, sodass im Raum darüber eine Dosis von etwa 1 Sievert pro Jahr erreicht wurde. Laut Wikipedia liegt der „Eingreifwert für Umsiedlung“ bei 100 mSv/Jahr.
In Costa Rica hatte dies auch den Tod von 3 Patienten zur Folge, während etwas mehr als 100 Personen überstrahlt wurden. Den Bericht über den polnischen Vorfall habe ich leider noch nicht gelesen.
Quellen:
https://www-pub.iaea.org/books/IAEABooks/4727/Accidental-Overexposure-of-Radiotherapy-Patients-in-San-Jos-Costa-Rica
https://www-pub.iaea.org/books/IAEABooks/6749/Accidental-Overexposure-of-Radiotherapy-Patients-in-Bialystok