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Sternengeschichten Folge 583: Begraben im Weltall
Heute reden wir bei den Sternengeschichten über den Tod. Nicht über den Tod von Sternen, oder den Tod von Galaxien oder den Tod des Universums. Sondern tatsächlich über den Tod von uns Menschen. Das ist kein erfreuliches Thema, aber wir sind alle lebendig und wir müssen alle sterben. Daran lässt sich nichts ändern. Und wenn man gestorben ist, wird man normalerweise auf die eine oder andere Art bestattet. In Europa findet das ebenso normalerweise auf einem Friedhof statt. Aber es gibt auch die Möglichkeit, sich im Weltraum bestatten zu lassen und davon möchte ich heute erzählen.
Für eine Weltraumbestattung muss man nicht im Weltraum sterben. Es sind ja leider schon Menschen im All verstorben. Zum Beispiel die Crew der Sojus 11, am 30. Juni 1971, achdem die Kapsel von der sowjetischen Raumstation Saljut 1 abgedockt hat, um zurück zur Erde zu fliegen. Dabei kam es aber zu einer ungeplanten Öffnung eines Ventils und die Luft entwich aus der Kapsel. Die drei Kosmonauten, Georgi Timofejewitsch Dobrowolski, Wiktor Iwanowitsch Pazajew und Wladislaw Nikolajewitsch Wolkow konnten nach der Landung nur noch tot geborgen werden. Auch die Besatzungen der Space Shuttles Challenger und Columbia starben 1986 beziehungsweise 2003, als die Raumschiffe nach dem Start beziehungsweise bei der Columbia beim Wiedereintritt explodierten. Man kann darüber diskutieren, ob diese Menschen tatsächlich IM All gestorben sind oder in der Atmosphäre der Erde. Direkt im All, also zum Beispiel auf der Internationalen Raumstation ist bis jetzt tatsächlich noch niemand zu Tode gekommen. So oder so sind all die tragischen Todesfälle so abgelaufen, dass die Körper der Verstorbenen oder zumindest Überreste davon auf der Erde geborgen und bestattet werden konnten.
Bei der Weltraumbestattung geht es um etwas anderes. Es geht darum, dass die sterblichen Überreste von Verstorbenen von der Erde ins Weltall transportiert werden. Die Idee, so etwas zu tun, ist nicht neu, aber auch noch nicht so wahnsinnig alt. Einer der ersten, der sich darüber Gedanken gemacht hat, war vermutlich der amerikanische Science-Fiction-Autor Neil R.Jones. 1931 veröffentlichte er eine Kurzgeschichte mit dem Titel „The Jameson-Satellit“ die auf deutsch auch unter dem Titel „Das Zeitmausoleum“ erschienen ist. Es geht darin um einen Professor Jameson, der seinen Körper nach seinem Tod unbedingt auf ewig erhalten möchte. Mummifizierung wie bei den alten Ägyptern ist ihm zu wenig, deswegen hat er dafür gesorgt, dass sein Körper in einem Raumschiff in eine Umlaufbahn geschossen wird, um dort auf ewig die Erde umkreist. Oder zumindest so lange, wie die Erde existiert. Natürlich bleibt das nicht so, es ist ja eine Science-Fiction-Geschichte, und deswegen kommen nach 40 Millionen Jahren ein paar Aliens vorbei und erwecken Professor Jameson wieder zum Leben, was für ihn der Start für jede Menge Abenteuer im Weltall ist.
Aber sieht man mal davon ab, dass auch ein Körper in einem Erdsatellit vermutlich keine 40 Millionen Jahre überstehen würde – immerhin sind Umlaufbahnen in der Nähe der Erde nicht beliebig lange stabil, um nur ein Problem zu nennen – sieht man davon ab, dann würde man bei einer echten Weltraumbestattung auch ganz anders vorgehen. Es ist teuer, etwas ins All zu bringen. Egal ob die Nutzlast aus wissenschaftlichen Instrumenten besteht oder aus Leichen: Jedes Kilogramm das man von der Erde ins All bringt, kostet viel Geld. Deswegen wird bei einer Weltraumbestattung auch nur die Asche einer verstorbenen Person transportiert und auch nur ein Teil davon. Eingeschlossen in einer kleinen Kapsel reist die Asche ins All und wird dann entweder dort ausgesetzt und bleibt dort, bis sie irgendwann in der Erdatmosphäre verglüht. Oder es handelt sich um einen Suborbitalflug, wo die Raketen quasi in einem hohen Bogen nur kurz die Grenze zum Weltraum überschreitet und dann wieder, mitsamt der Asche, auf der Erde landet. Sowas wird dann auch meistens als „Memorial flight“ und nicht als „Bestattung“ bezeichnet.
So oder so: Das erste, was man vielleicht eine Weltraumbestattung nennen könnte, fand am 22. Oktober 1992 statt. Da hob das Space Shuttle Columbia im Rahmen der STS-52-Mission ab. Das eigentliche Ziel war es, den Satelliten LAGEOS-2 auszusetzen, der die Geologie der Erde erforschen sollte und materialwissenschaftliche Forschung an Bord des Shuttles durchzuführen. Mit an Bord des Shuttles war aber auch ein wenig der Asche des im Jahr zuvor verstorbenen Autors und Produzent Gene Roddenberry, der ja unter anderem die Fernsehserie „Star Trek“ geschaffen hat. Diese Asche landete aber auch wieder mit dem Shuttle auf der Erde.
Die erste echte Weltraumbestattung wurde am 21. April 1997 durchgeführt und zwar von der Firma „Celestis“, die sich auf genau so etwas spezialisiert hat. Damals waren 24 winzige Urnen mit jeweils ein paar Gramm Asche an der oberen Stufe einer Pegasus-Rakete angebracht. Diese Raketen werden von einem Flugzeug in die obere Atmosphäre gebracht und von dort gestartet. Der Flug im April 1997 startete von den kanarischen Inseln und sollte den spanischen Satelliten Minisat 01 ins All bringen, was auch geklappt hat. Ebenso wie der Transport der Asche der 24 verstorbenen Menschen ins All. Sie blieben, mit der Oberstufe der Rakete, dort auf einer Umlaufbahn, bis sie im Jahr 2002 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglüht sind. Eine der Kapseln enthielt die Asche von Gene Roddenberry, der so noch zu einer echten Weltraumbestattung gekommen ist. Ebenfalls an Bord des ersten Begräbnisfluges war unter anderem die Asche von Gerard K. O’Neill, ein amerikanischer Raumfahrtpionier, der unter anderem viel am Bau von Raumstationen geforscht hat, die Asche des Raketentechnikers Krafft Ehricke und die Asche von Timothy Leary, dem Psycholgen, der unter anderem deswegen bekannt wurde, weil er sich für den medizinischen Einsatz von Drogen wie LSD ausgesprochen hat.
Seit damals gab es jede Menge solcher Begräbnisflüge, bei denen hunderte Mini-Urnen ins All gebracht worden sind. Unter anderem war da auch die Asche des Schauspielers James Doohan dabei, der als „Scotty“ in der Serie Star Trek bekannt wurde und 2007 von der Firma Celestis nach oben gebeamt wurde, wenn man so will.
Einen ganz besonderen Begräbnisflug unternahm die Asche von Eugene Shoemaker. Der Geologe und Astronom war maßgeblich daran beteiligt, dass wir in der Mitte des letzten Jahrhunderts herausgefunden haben, das Asteroiden auch heute noch auf der Erde einschlagen; hat die Geologie des Monds erforscht und die Astronauten der Apollo-Missionen auf ihre Arbeit dort vorbereitet und wäre eigentlich auch selbst ein heißer Kandidat für einen Mondflug gewesen, wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht aus der Ausbildung ausscheiden hätte müssen. Nach seinem Tod im Jahr 1997 wurde ein Teil seiner Asche an Bord der NASA-Sonde Lunar Prospector zuerst in eine Mondumlaufbahn gebracht. Nachdem die Sonde dort ihre Arbeit bei der Vermessung des Mondes und des Nachweises von Wasser im Mondgestein erledigt hatte, hat man die Mission am 31. Juli 1999 mit einem gezielten Einschlag von Lunar Prospector in der Nähe des Südpols des Mondes beendet. Eugene Shoemaker war damit also der erste, der tatsächlich – zumindest zum Teil – auf einem anderen Himmelskörper bestattet wurde.
Ein weiterer besonderer Fall ist Clyde Tombaugh. Der amerikanische Astronom, der 1930 den Pluto entdeckt hatte, starb 1997. Neun Jahre später, im Januar 2006 machte sich die Raumsonde New Horizons auf den Weg, um den Zwergplaneten das erste Mal aus der Nähe zu untersuchen. Mit an Bord war ein kleines bisschen der Asche von Tombaugh. Der Vorbeiflug an Pluto fand 2015 statt, im Jahr 2019 flog die Sonde am Asteroiden Arrokoth vorbei und sie ist immer noch unterwegs. Ob sie im fernen äußeren Sonnensystem noch Studienobjekte finden wird, wird sich zeigen, ebenso, wie lange der Kontakt mit ihr noch aufrecht erhalten werden kann. Auf jeden Fall ist New Horizons schnell genug, um der Anziehungskraft der Sonne zu entkommen. Sie wird das Sonnensystem verlassen und durch den interstellaren Raum fliegen – mitsamt der Asche von Clyde Tombaugh.
Das klingt alles ein klein wenig romantisch, sofern man so etwas romantisch finden kann. Aber natürlich ist diese Art der Bestattung auch nicht ohne Kritik. Es ist, wie gesagt, teuer, wenn man Raketen ins All schicken will. Raumfahrt ist auch nicht sonderlich umwelt- oder klimafreundlich. Noch gibt es keine speziell für Begräbnisse gestartete Raketen, aber die Firma Elysium hat beispielsweise schon ein paar Begräbnisatelliten ins All geschickt. Angesichts des ganzen Weltraummülls der da schon rumfliegt, ist das vielleicht keine so gute Idee. Aus religiösen oder ethischen Gründen konnte man sich fragen, ob man die Asche eines verstorbenen Menschen einfach so aufteilen kann oder soll; einen Teil davon auf der Erde lassen und den Rest ins All schießen. Und dann gibt es ja auch Kulturen, wie zum Beispiel manche der amerikanischen Ureinwohner, für die der Mond selbst heilig ist. Und ungefragt den heiligen Ort anderer Menschen als Friedhof zu benutzen, ist auch nichts, was man ohne Not tun sollte.
Noch ist das Thema der Weltraumbestattung eines, das kaum weitreichende Konsequenzen hat. Aber wenn wir in einer fernen Zukunft irgendwann auch einmal tatsächlich im All leben, dann werden wir uns darüber ernsthaft Gedanken machen müssen. Denn das Sterben gehört zum Leben eben einfach dazu.
Als außerirdische Begräbnisstätte eignet sich doch Pluto ganz hervorragend:
– Benannt nach dem Gott der Unterwelt, wohin alle Seelen nach Ihrem Ableben verschwinden.
– Mit bloßem Auge nicht sichtbar, kann daher auch keine traditionelle Gottheit oder Heilige Stätte (von Menschen) sein.
– Wunderbarer Ausblick auf den Rest des Universums, weil die Sonne nicht so stört.
– Ist bedeckt mit ewigen Eis, wo alle Verräter an Freunden oder Schutzbefohlenen eingefroren werden (nach Dante).