Ich mache gerade einen kleinen Kurzurlaub im Bayrischen Wald und will daher heute auch nur kurz auf ein sehr nettes und interessantes Buch hinweisen, das ich kürzlich gelesen habe. Es heißt „Deutschland, deine Götter: Eine Reise zu Kirchen, Tempeln, Hexenhäusern“* und wurde von Gideon Böss geschrieben.
Das Konzept des Buches ist einfach: Böss reist durch ganz Deutschland und spricht dort mit Vertretern verschiedenster Religionen. Und „verschieden“ heißt hier auch wirklich „verschieden“. Das Buch beginnt gleich mit einem Wicca-Ritual in Aachen. Wicca, das ist eine neuheidnische Religion in der es um Hexerei und ähnliches geht. Gar nicht neu, sondern mindestens so alt wie das Christentum ist die Religion der Mandäer, deren Angehörige Böss in Nürnberg trifft, wo er einer Taufe in der Pegnitz beiwohnt. Anhänger des Raelismus, die glauben das die Menschen von Aliens geschaffen wurde, gibt es in Deutschland so gut wie keine; einen der wenigen die es doch gibt, hat Böss aber auch getroffen. Aber natürlich beschäftigt sich das Buch nicht nur mit den religiösen Exoten und Minderheiten. Die großen christlichen Kirchen tauchen ebenfalls auf: Protestanten, Baptisten, Mormonen und Katholiken. Aber auch viele der christlichen Sekten und Splittergruppen wie die Zeugen Jehovas, die Heilsarmee, die Quäker oder die Metropolitan Community Church.
Böss besucht einen Hinduistischen Tempel in Hamm; Buddisten in Hamburg, Juden in Kiel und München und eine von den Piusbrüdern geleitete Schule. Scientologen, Heiden, christliche Wunderheiler und asiatische Erleuchtungssekten tauchen auf. Und natürlich die verschiedenen Richtungen des Islam – inklusive eines sehr interessanten Besuchs in der ältesten Moschee Deutschlands.
Ich kann das Buch nur ausdrücklich empfehlen. Man kann es einerseits als einen sehr amüsanten und kurzweiligen Reisebericht durch ganz Deutschland lesen. Aber eigentlich geht es natürlich um die Religionen. Man bekommt selbstverständlich keinen kompletten Überblick über die jeweilige Lehre und Geschichte; dafür reicht der Platz nicht. Aber doch jedes Mal einen ziemlich guten Eindruck, worum es geht. Dafür sorgt auch Böss mit seinen Fragen. Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich die verschiedenen Religionen auf die gleiche Fragen von Böss („Komme ich in die Hölle?“, „Wie ist das mit der Homosexualität?“, usw) reagieren. Und vermutlich werden viele auch überrascht von den Antworten sein…
Das Buch ist aber vor allem ein hervorragendes Bild der religiösen Vielfalt. Und über die könnte man in der heutigen Zeit durchaus ein wenig mehr informieren. Bei all dem Gerede das zur Zeit beispielsweise über „den Islam“ und „die Moslems“ stattfindet, fehlt zum Beispiel jegliche Differenzierung. Man muss ja schon froh sein, wenn „Moslem“ nicht sofort mit „islamistischer Terrorist“ gleichgesetzt wird. Aber dass es im Islam genau so viele und so unterschiedliche Strömungen gibt wie bei den Christen dürfte vielen gar nicht bewusst sein. Wer weiß schon, wodurch sich Sunniten und Schiiten wirklich unterscheiden? Was die Lahore-Ahmadiyya-Bewegung ist und wie die Bahai oder Aleviten mit dem Islam zusammenhängen (bzw. ob überhaupt)?
Angenehm an dem Buch fand ich auch, dass es sich weitestgehend einem Urteil über die jeweiligen Religionen enthält. Böss stellt zwar ganz zu Beginn gleich klar, dass er selbst an keinen Gott glaubt. Aber die Gespräche mit den Religionsvertretern finden alle sehr offen statt. Natürlich kann auch Böss sich schwer zurück halten, die Praktiken der christlichen Wunderheiler, der Scientologen oder heidnischen Schamanen ein wenig seltsam zu finden und auch zu kritisieren. Aber im wesentlichen bleibt es beim Leser selbst, sich ein Urteil zu bilden.
Ich habe das Buch zufällig im Buchladen entdeckt und mich bei der Lektüre gut amüsiert und informiert. Mehr kann man kaum erwarten. Ich kann euch nur empfehlen, ebenfalls mal einen Blick in „Deutschland, deine Götter“ zu werfen.
Scientologen werden schon als Religion bezeichnet?
Zumindest in den USA ist Scientology als offizielle Religionsgemeinschaft anerkannt. Wikipedia meint noch (Zitat): „Die Frage, ob Scientology der Status einer Religion zuzuerkennen sei, ist umstritten und hängt einerseits von dem zugrunde liegenden Religionsbegriff ab, andererseits aber auch davon, ob die Merkmale, durch die Scientology Kriterien eines Religionsbegriffes erfüllt, als für Scientology wesentliche oder aber nur vorgetäuschte Eigenschaften beurteilt werden, durch die Scientology aus Sicht der Kritiker den Anschein einer Religion zu erwecken suche.“
Aber das Buch heißt ja nicht „Deutschland, deine Religionen“, sondern „Deutschland, deine Götter“. Danke für den Tipp, ich werde mich demnächst schlau über das Buch machen-
Der Fußball-Gott!,… haben wir überhaupt noch einen? 😉
Interessanter Tipp – aber eigentlich hätte ich hier eher einen Titel „Deutschland, deine Biere. Eine Reise zu Brauereien, Biergärten und Hopfenplantagen“ erwartet … 🙂
@Withold Ch.
Ohne es nachzuprüfen bin ich mir ziemlich sicher das Deutschland 10x mehr Brauereien als Religionen hat. Dementsprechend wäre das vermutlich eine enzyklopädie mit tausenden seiten 😀
Und wenn man erst all die Brauereien berücksichtigt, die von Mönchen gegründet worden sind…
@Florian:
Gratuliere, ich habe mich über das Buch kundig gemacht, und es prompt bestellt. Dann habe ich schönen Lesestoff für meine Zugfahrt nächste Woche. 🙂
> Bei all dem Gerede das zur Zeit beispielsweise über “den Islam” und “die Moslems” stattfindet, fehlt zum Beispiel jegliche Differenzierung. Man muss ja schon froh sein, wenn “Moslem” nicht sofort mit “islamistischer Terrorist” gleichgesetzt wird.
Jetzt übertreibst du aber, flunkerst sogar:
Und der Islam hört leider allmählich auf, Religion, Transzendenz, Lebenshilfe zu sein, und wird stattdessen zur saladinhaften Kampfansage an den unislamischen, säkularen Westen, aber die vielen Muslime, die das nicht gut finden, schweigen lieber oder drehen merkwürdige Rechtfertigungs-Pirouetten, um nicht ihre eigenen Leute zu verraten.
@Karl: Also sind also alle Moslems Terroristen? Wie viele Christen haben sich damals eigentlich dafür entschuldigt, dass Breivik Christ war? Ne – diese absurde xenophobe Diskussion über den angeblich inherenten Terrorismus des Islam werde ich nicht führen.
Was heißt hier schon „verraten“? Darf ich als steuerzahlender Christ etwa nicht sagen, dass die Pius-Brüder Sektierer und Möchtegern-Umstürzler sind? Sollten diese Idioten in Deutschland an die Macht gelangen, hätten wir im Nu eine „Christliche Republik Deutschland“ ähnlich wie den Iran, in der ein religiöser Wächterrat die eigentliche Macht in Händen hält und nur ausgewählte Politiker überhaupt zur Wahl zulässt. Da fühle ich mich überhaupt nicht als Verräter, denn die Kerle sind einfach nicht übergeschnappt. Katholiken müssen sie übrigens auch kritisieren dürfen, denn deren geliebten Päpste nach Johannes XXIII. sind in Augen der Brüder allesamt illegitime Gegenpäpste bei gleichzeitiger Sedisvakanz.
„Den Islam“ gibt es eher noch weniger als „das Christentum“. Im Grunde darf jeder Imam oder Ayatollah seiner eigenen Auslegung des Islams verbreiten. Weicht diese zu stark von anderen Strömungen wird, wird er ignoriert, verfolgt oder zum Begründer einer neuen Denkschule.
zu #8: Quote-mining ist keine besonders feine Art, um die eigene Argumentation zu unterstützen. Wer den kompletten Artikel liest, wird bemerken, dass der Autor eine komplett andere Intention verfolgt, als im Post angedeutet wird.
@myself:
Was wollte ich bloß mit diesem „nicht“ ausdrücken? Macht natürlich an der Stelle so gar keinen Sinn!
@Karl
Wir haben keinen Konflikt zwischen dem Islam und den Christentum. Wir befinden uns längst in einem Krieg mit dem IS, der unsere Gesellschaft spalten will, was offenbar hervorragend funktioniert. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen demokratischen Staaten, in denen Muslime gleichberechtigt sind, und einer terroristischen Organisation, die auch und vor allem Muslime tötet. Sie rekrutiert überwiegend eingeborene Europäer mit ihrer Propaganda über das Netz oder über Hassprediger, zum Teil, aber eher selten, schleust sie auch ein paar Leute hier ein. Wegen einiger weniger zehn Idioten, die zum größten Teil hier aufgewachsen sind, werden sämtliche hunderttausende Flüchtlinge hier verdächtigt und ganze Staaten verweigern die Hilfe.
Das Gift steht im Koran, aber es steht auch in der Bibel. Letztlich kommt es nur darauf an, wer es wie und an wen verkauft. Und da ist eben nicht die Trennlinie zwischen Christen und Moslems, sondern zwischen Extremisten des IS (oder anderer Couleur) und Menschen, die in Freiheit leben wollen. Die Flüchtlinge aus Syrien fliehen vor dem gleichen Feind, der dort noch unerbittlicher ist. Wir müssen nicht Flüchtlinge aussperren, sondern etwas dagegen unternehmen, dass junge Menschen sich von Hasspropaganda im Netz aufstacheln lassen.
Man fragt sich aber, wer naiver ist: Diejenigen, die sich vom IS zu Anschlägen anstiften lassen, oder die, die sich von ihm in Hass auf Muslime verleiten lassen und somit unsere demokratischen Grundwerte in Frage stellen. Was nach AfD kommt ist PiS und danach wohlmöglich Erdogan. Wehret den Anfängen.
@Alderamin:
Applaus, eine sehr schöne Analyse. 🙂
Kann mich Alderamin nur anschließen!
@Alderamin
Treffsicher wie immer.
Danke Florian! Habe auch schon das Buch im Reader und amüsiere mich prächtig. „Wicca“ in der ersten Lesesitzung waren sehr erheiternd. Ob sich die Heiterkeit im Folgekapitel „Protestantismus“ fortsetzt, wird sich später herausstellen. ;o)
Sehr treffend formuliert, Alderamin.
Genau so ist das und nicht anders.
@aldemarin
„Das Gift steht im Koran, aber es steht auch in der Bibel. Letztlich kommt es nur darauf an, wer es wie und an wen verkauft“
uhhps das ist gefährlich !
@tomtoo
Ist aber so.
@tomtoo
Was meinst Du mit „gefährlich“?
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Das Buch ist heute angenommen. Die Bahnfahrt ist gerettet. 🙂
@basilios
was soll ich da antworten ?
@tomtoo
Wie wäre es mit der ehrlichen Wahrheit?
Ich hätte von Dir gerne gewusst, wie ich diesen, Deinen Kommentar verstehen darf. Mir ist nicht klar, was genau Du mit „gefährlich“ meinst.
@tomtoo
Ich habe deinen Kommentar verstanden. Man muss nicht auf alles eine Antwort geben, nur weil ein anderer nachbohrt.
@basilio
so ein satz kann zu diskussionen mit dem ein oder andere anhänger der oben genannten glaubensrichtungen führen. ist es so verständlicher ?
@ tomtoo
Danke für Deine Antwort. Ich denke, ich habe Dich jetzt auch verstanden.
Ich bin da übrigens Deiner Ansicht. Ja, so Aussagen wie die oben von Alderamin gebrachte können tatsächlich zu Diskussionen führen. Diese können meiner Erfahrung nach recht fruchtbar (eher selten) oder ziemlich furchtbar (eher öfter) verlaufen. Dennoch bin ich der Ansicht, daß man solche Diskussionen nicht scheuen sollte, sondern, daß sie es wert sind geführt zu werden.
@Alderamin:
Ich kann Deinen Post#13 nur unterstreichen!
Die Trennung von Staat und Religion bzw. weltlicher und religiöser Macht ist eine der wichtigsten Errungenschaften der demokratischen Welt.
Ich hoffe, dass dies auch in mehrheitlich islamischen Regionen weiter voran- als zurückschreitet.