Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
Mehr Informationen: [Podcast-Feed][Apple]Spotify][Facebook][Twitter]
Wer den Podcast finanziell unterstützen möchte, kann das hier tun: Mit PayPal, Patreon oder Steady.
Über Bewertungen und Kommentare freue ich mich auf allen Kanälen.
Sternengeschichten Folge 590: Joseph Weber und der vielleicht erste Nachweis von Gravitationswellen
Gravitationswellen! Darüber habe ich in den Folgen 102 und 184 der Sternengeschichten schon ausführlich gesprochen. Dieses Phänomen war lange Zeit reine Theorie. Albert Einstein hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorhergesagt, dass es so etwas geben muss und es hat auch eigentlich niemand daran gezweifelt, dass es tatsächlich existiert. Woran man aber immer wieder sehr wohl gezweifelt hat, war die Frage, ob man die Gravitationswellen irgendwann auch nachweisen wird können.
Aber fangen wir vielleicht noch einmal mit einer ganz kurzen Wiederholung an. Was sind Gravitationswellen? Wir wissen, dass der Raum nicht einfach nur ein abstraktes Dinges ist, sondern ein reales physikalisches Objekt. Der Raum kann vor allem gekrümmt werden und Albert Einstein hat uns nicht nur erklärt, dass die Anwesenheit von Masse den Raum krümmt, sondern wir diese Raumkrümmung als Gravitationskraft wahrnehmen. Die Erde bewegt sich nicht deswegen um die Sonne, weil da irgendeine mysteriöse Kraft wirkt. Oder halt doch, irgendwie. Die Sonne krümmt den Raum und die Erde muss bei ihrer Bewegung dieser Raumkrümmung folgen und umkreist die Sonne deshalb, was für uns so aussieht, wie eine Kraft, die zwischen beiden Himmelskörpern wirkt. Damit ist auch eine Frage beantwortet worden, die vor Einstein nicht beantwortet werden konnte: Wie schnell breitet sich die Gravitationskraft aus? Isaac Newton hat noch gesagt, dass sie unendlich schnell wirkt. Wenn die Sonne verschwindet, würden wir auf der Erde sofort spüren, dass ihre Anziehungskraft weg ist. Einstein dagegen hat erklärt, dass sich die Krümmung des Raums nicht beliebig schnell verändern kann. Sondern nur mit Lichtgeschwindigkeit. Wenn also die Sonne verschwindet, dann dauert es 8 Minuten – so lange braucht Licht von der Sonne bis zu Erde – bis auch die veränderte Raumkrümmung sich bis zu uns ausgebreitet hat und wir das Verschwinden der Anziehungskraft merken. Oder anders gesagt: Wenn Massen sich in der Raumzeit bewegen (ganz genau: beschleunigt bewegen) verursacht das eine Veränderung in der Krümmung der Raumzeit und die breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Es gibt also quasi Wellen im Raum selbst und genau das sind die Gravitationswellen.
Die Frage die noch bleibt ist: Wie kann man so was messen? Man kann ausrechnen, dass die Effekte winzig sind. Die Erde, die die Sonne umkreist, verursacht durch diese Bewegung Gravitationswellen. Zwei Sterne, die kollidieren, verursachen Gravitationswellen, ebenso wie ein Stern der explodiert oder zwei schwarze Löcher die zusammenstoßen. Wenn diese Wellen sich ausbreiten, dann sorgen sie dafür – sehr vereinfacht – dass der gesamte Raum gestreckt oder gestaucht wird. Wenn so eine Gravitationswelle auf die Erde trifft, dann wird unser Planet dadurch also ein klein wenig verformt. Und man kann sich denken, dass das ein sehr winziger Effekt ist, ansonsten hätten wir davon schon etwas mitbekommen, unter anderem, weil die Erde dabei kaputt gegangen wäre. Tatsächlich sorgen selbst extreme Ereignisse wie die Kollision zweier schwarzer Löcher nur für eine Verformung des Raums, die viel kleiner ist als der Durchmesser eines Atomkerns. Das zu messen ist enorm schwierig und man dachte, es wäre unmöglich. Aber wenn man immer so schnell aufgeben würde, würde in der Wissenschaft nichts vorwärts gehen. Das mag sich in den 1950er Jahren auch der amerikanische Physiker Joseph Weber gedacht haben. Der eigentlich einmal „Jonas“ hieß; Webers Eltern sind aus Litauen nach Amerika ausgewandert und hießen ursprünglich „Gerber“, aber daraus wurde dann „Weber“ und aus Jonas irgendwann „Joseph“. So oder so: Joseph Weber, 1919 geboren, ging nach seiner Schulzeit auf die Marineakademie, was deutlich billiger für ihn und seine Eltern war als der Besuch einer normalen Universität. Das führte aber auch dazu, dass Weber, nach seinem Abschluss 1940 als Offizier auf einem amerikanischen Flugzeugträger im zweiten Weltkrieg kämpfen musste. Sein Schiff wurde versenkt, aber Weber überlebte und kommandierte später selbst Schiffe. Nach dem Krieg begann er erneut zu studieren, weil er eine Stelle an einer Uni bekommen sollte, ihm dafür aber noch ein Doktortitel fehlte. Er begann zu Mikrowellentechnik zu forschen, war einer der Pioniere die sich mit der Physik von Lasern beschäftigte und war dafür auch für den Nobelpreis nominiert. Bekommen haben diesen Preis aber Kollegen; er selbst wurde bei der Auszeichnung für die Entwicklung des Lasers übergangen.
In den 1950er Jahren begann Weber sich für die Relativitätstheorie zu interessieren. Von 1955 bis 1956 war unter anderem bei John Wheeler zu Besuch, einem der wenigen Forscher, die sich damals intensiv mit der Gravitation im Rahmen von Einsteins Theorie beschäfigt haben. Dort lernte Weber auch die Gravitationswellen kennen und beschloss: Die Dinger müssen nachgewiesen werden! Also begann er in den 1960er Jahren, Detektoren zu bauen, die genau das tun sollten.
Aber wie baut man einen Gravitationswellendetektor? Man kann ja nicht einfach ein Lineal irgendwo hin legen und warten, ob es kürzer wird. Das müsste man ja mit einem anderen Lineal messen, das aber ebenfalls kürzer werden würde, wenn da eine Gravitationswellen durchsaust. Webers Idee sah so aus: Gravitationskraft wirkt auf Massen. Wir brauchen also auf jeden Fall mal ein Stück Masse. In Webers Fall war das zu Beginn ein großer Zylinder aus Aluminium, bis zu einem Meter im Durchmesser und bis zu zwei Meter lang. Dieser Zylinder war frei beweglich aufgehängt. Wenn jetzt eine Gravitationswelle durch die Erde und damit auch den Zylinder läuft; der Zylinder dadurch periodisch gestaucht und gestreckt wird, dann kann er dadurch zum Schwingen angeregt werden, was er auch dann noch tut, wenn die Gravitationswelle wieder weg ist. Wenn man den Zylinder also wackeln sieht, weiß man: Da ist ne Gravitationswelle gewesen.
In der Praxis ist das natürlich alles andere als einfach. Denn selbstverständlich wird der Zylinder durch eine Gravitationswelle nicht anfangen, wild hin und her zu schwingen. Es geht, wie gesagt, um Schwingungen in Bereichen, die kleiner als der Durchmesser eines Atomkerns sind. Das sieht man nicht mit freiem Auge. Aber Weber installierte Piezo-Elemente am Zylinder, also Geräte, die schon auf kleinste Veränderungen reagieren und dabei elektrischen Strom produzieren. Außerdem ging er sowieso nicht davon aus, jede Gravitationswelle messen zu können, sondern nur die, die gerade die richtige Frequenz haben, um die Eigenfrequenz des Zylinders anzuregen. Der Zylinder würde also stärker schwanken und die Messung des winzigen Effekts möglich machen. Trotzdem war es immer noch eine enorme Herausforderung. Allein das thermische Rauschen war groß genug, um den Effekt von Gravitationswellen zu überdecken. „Thermisches Rauschen“ heißt in dem Fall, dass die Atome des Zylinders sich allein aufgrund der Temperatur bewegen und diese Bewegung in der gleichen Größenordnung ist oder größer ist, als der Effekt der Gravitationswellen. Weber installierte daher auch nicht nur einen Detektor, sondern mehrere an unterschiedlichen Orten der USA. Wenn der Zylinder nur wegen einer äußeren, lokalen Störung schwingt, dann würden die beiden Detektoren an den unterschiedlichen Orten das auch unterschiedlich tun. Aber wenn beide zur selben Zeit auf die selbe Weise reagieren, dann muss es ein globales Phänomen sein, zum Beispiel eine Gravitationswelle.
Genau so einen Ausschlag sah Weber im Juni 1969 in den Daten seiner beiden 1000 km voneinander entfernten Detektoren. Und er veröffentlichte eine Arbeit mit dem Titel „Hinweis auf die Entdeckung von Gravitationsstrahlung“. Die Wissenschaft war aufgeregt und beeindruckt. Aber als dann andere anderswo ihre eigenen Detektoren bauten, konnte niemand Gravitationswellen damit messen. Weber meinte, die anderen Geräte wären nicht gut genug; die anderen meinten, Weber hätte sich geirrt. Es gab jede Menge Diskussion und Streit. Als ein andere Wissenschaftler Weber als Scharlaten bezeichnet hat, soll Weber geantwortet haben „Ich werde ihnen gleich zeigen, wozu ein Offizier der Marine fähig ist, den man Scharlatan nennt“.
Weber jedenfalls forschte weiter und veröffentlichte Daten, die zeigten, dass er im Februar 1987 Gravitationswellen messen konnte. Und nicht einfach irgendwann im Februar 1987 sondern genau in dem Moment, als man auch die berühmte Supernova 1987A in der Magellanschen Wolke registriert hat. Die Teleskope der Astronomie sehen also einen explodierenden Stern und Weber misst zum gleichen Zeitpunkt eine Gravitationswelle, also genau das, was ein explodierender Stern verursacht. Aber auch hier war er der einzige, der die Welle gemessen hatte; andere Detektorne waren damals nicht in Betrieb und die Kolleginnen und Kollegen waren skeptisch.
Mittlerweile hatten andere Forscherinnen und Forscher eine andere Idee zum Nachweis der Gravitationswellen gehabt, nicht mit schwingenden Metallzylindern, sondern durch kilometerlange unterirdische Tunnel, in denen Lichtstrahlen hin und her reflektiert werden; in unterschiedliche Richtungen aber genau aufeinander abgestimmt. Sollte eine Gravitationswelle durch die Konstruktion hindurchlaufen, dann würden die Lichtstrahlen in der einen Richtung einen leicht kürzeren oder längeren Weg zurück legen müssen und das würde man dann merken. Auch hier waren die technischen Herausforderungen massiv und es hat Jahrzehnte gedauert, bis diese Gravitationswellenobservatorien einsatzbereit waren. Aber dann ist es damit im Jahr 2015 tatsächlich gelungen, die Existenz von Gravitationswellen einwandrei und ohne Zweifel nachzuweisen. Joseph Weber war zu diesem Zeitpunkt aber schon tot, er starb im September 2000.
Webers Arbeit mit seinen Detektoren war umstritten, aber Weber deswegen kein Außenseiter. Er bekam diverse Preise; man war beeindruckt von seinen kreativen Ideen und seiner enorm exakten Ingenieursarbeit. Vor allem aber hat er dafür gesorgt, dass die Forschung an Gravitationswellen von einem Randthema in der Physik zu einem populären Arbeitsgebiet geworden ist. Und vielleicht war er ja tatsächlich der erste, der sie auch nachweisen konnte. Die Astronomin Virgina Trimble, Webers zweite Ehefrau, wurde 2016 gefragt, ob sie glaube, dass ihr Mann Gravitationswellen gemessen hat. Ihre Antwort: „Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, wenn es zwei Technologien gegeben hätte, die sich im Wettstreit zueinander vorangetrieben hätten – und nicht im Konkurrenzkampf – dann hätte man vielleicht schon früher Gravitationswellen beobachten können.“. Und der Physiker Kip Thorne, einer der drei, der für den Nachweis von Gravitationswellen den Nobelpreis bekommen haben, hat über Weber gesagt: „Joe ist in dieses Gebiet eingestiegen, als sonst niemand auf der Welt daran dachte“. Und so wichtig es auch ist, etwas zu entdecken: Es ist mindestens ebenso wichtig, bei etwas den Anfang zu machen.
Wäre es also im Prinzip möglich, mit einer Weber-Antenne Gravitationswellen zu verstromen, wenn man dicht genug dran wäre?