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Sternengeschichten Folge 589: Das Quark-Gluon-Plasma

In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um das Quark-Gluon-Plasma. Das klingt ein wenig langweilig und vermutlich klingt es auch sehr unverständlich. Aber es lässt sich verstehen und man sollte es verstehen wollen, denn es ist alles andere als langweilig. Das Quark-Gluon-Plasma ist quasi der Ursprung von Allem. Und deswegen definitiv interessant.

Fangen wir mal damit an, was mit „Ursprung von Allem“ gemeint ist. Nicht der Urknall, obwohl der auch eine kleine Rolle spielen wird. Der ist ja tatsächlich der Ursprung von Allem, schon per Definition. Der Urknall ist das Ereignis mit dem unser Universum begonnen hat, aber ganz so weit gehen wir nicht zurück. Wenn ich von „Allem“ rede, dann meine ich die Materie. Die muss ja irgendwo her kommen. Ich habe in den Sternengeschichten schon oft darüber gesprochen, wie Planeten entstehen. Oder wie Sterne entstehen. Wie sich die großräumigen Strukturen aus Galaxien im Universum gebildet haben. Aber das meine ich heute nicht. Es geht auch nicht darum, wie die chemischen Elemente entstanden sind, also wie durch Kernfusion im Inneren der Sterne die verschiedenen Arten der Atome entstanden sind, der Sauerstoff, den wir atmen oder der Kohlenstoff aus dem wir bestehen. Es geht nicht einmal um die „primordiale Nukleosynthese“, also die Phase, in der sich nach dem Urknall die simpelsten Elemente, nämlich Wasserstoff und Helium, gebildet haben, die die Grundlage für die Entstehung der ganzen anderen Elemente waren.

Wir gehen heute noch einen weiteren Schritt zurück. Jedes Atom besteht aus einem Atomkern und der besteht aus Protonen und Neutronen. Wenn wir also Materie haben wollen, brauchen wir die Dinger, dann brauchen wir Protonen und Neutronen. In dieser Folge werden wir uns anschauen, wie _diese_ Atomkernbausteine entstanden sind und dafür müssen wir uns mit dem Quark-Gluon-Plasma beschäftigen.

Wenn wir verstehen wollen, was ein Quark-Gluon-Plasma ist, müssen wir verstehen, was Quarks sind, was Gluonen sind und was ein Plasma ist. Fangen wir mit dem letzten Begriff an: In der Physik bezeichnet man mit „Plasma“ ein Gemisch aus Teilchen, das freie Ladungsträger enthält, in dem also geladenen Teilchen enthalten sind. Das muss nämlich nicht so sein. Wenn ich zum Beispiel einfach ein Gas betrachte, in dem sich Atome frei bewegen können, dann müssen diese Atome nicht elektrisch geladen sein und sind es auch meistens nicht. Aber wenn durch irgendwelche Prozesse zum Beispiel die elektrisch negativ geladenen Elektronen aus der Atomhülle vom elektrisch positiv geladenen Atomkern abgelöst werden und sich Kerne und Elektronen frei bewegen können, dann hat man ein Plasma. Beim Quark-Gluon-Plasma ist das nicht ganz so, aber das klären wir später noch. Schauen wir jetzt auf die ersten beiden Begriffe, auf Quarks und Gluonen.

Bei beiden handelt es sich um Elementarteilchen. Also um Bausteine der Materie von denen wir davon ausgehen, dass sie nicht aus irgendwelchen anderen Teilchen zusammengesetzt sind. Quarks gibt es in sechs verschiedenen Varianten, aber wenn es uns um die normale Materie geht, dann sind eigentlich nur zwei davon relevant, nämlich die Up-Quarks und die Down-Quarks. Wenn man zwei Up-Quarks und ein Down-Quark zusammensteckt, kriegt man ein Proton; bei zwei Down- und einem Up-Quark ist es ein Neutron. Und wie halten die Quarks zusammen? Durch die starke Kernkraft und die Gluonen sind die Teilchen, die diese Kraft vermitteln. Ich lasse jetzt sehr viel Teilchenphysik aus, aber vereinfacht gesagt tauschen die Quarks Gluonen aus und halten dadurch zusammen, so dass sie Protonen und Neutronen bilden.

Bild: gemeinfrei

Jetzt haben wir die Grundlagen geklärt, aber was wir eigentlich wissen wollen ist folgendes: Wann und wie sind im Universum die ersten Protonen und Neutronen entstanden? Dazu müssen wir bis fast zum Urknall zurück. Wir starten 100 Pikosekunden nach dem Beginn des Universums. Das sind 10 hoch minus 10 Sekunden beziehungsweise 0,00 00 00 00 01 Sekunden nach dem Urknall. Das ist wirklich kurz; in dieser Zeitspanne schafft es selbst das Licht nicht, sich weiter als drei Zentimeter fortzubewegen. Was in diesen 100 Pikosekunden seit dem Urknall passiert ist, lassen wir aus. Einerseits, weil die Wissenschaft selbst noch nicht genau weiß, was da alles abgegangen ist. Und andererseits weil das, was wir wissen, enorm kompliziert ist und den Rahmen dieser Folge sprengen würde. Also: Seit dem Urknall sind 100 Pikosekunden vergangen und der sehr junge Kosmos ist klein, extrem dicht und extrem heiß. Außerdem ist er voll mit Elementarteilchen, die gerade erst aus der Energie des Urknalls entstanden sind. Es gibt Quarks und Antiquarks; es gibt Elektronen und Anti-Elektronen und außerdem noch einen ganzen Haufen Neutrinos und Teilchen wie die Gluonen, die Kräfte zwischen ihnen vermitteln. Was es nicht gibt, sind Protonen und Neutronen und deswegen auch noch keine Atome.

Und weil das Universum so dicht war, sind die Quarks einander sehr nahe gekommen und haben sich mit Hilfe der Gluonen zu Protonen und Neutronen verbunden. Klingt plausibel. Aber das ist es nicht, was passiert ist. Denn die starke Kernkraft funktioniert ein wenig anders, als wir das von Kräften gewohnt sind. Wenn zum Beispiel zwei Massen sich gegenseitig mit ihrer Gravitationskraft anziehen, dann wird diese Kraft umso stärker, je näher sie sich kommen. Wenn wir zwei Magnete immer dichter aneinander schieben, wird die elektromagnetische Kraft zwischen ihnen immer stärker. Die starke Kernkraft, die zwischen den Quarks wirkt, funktioniert so aber nicht. Sie wird um so schwächer, je näher sich die Quarks sind. Das widerspricht unserer Intuition, aber unsere Intuition ist halt die Welt der kleinsten Teilchen nicht gewöhnt. Und alle Messungen und Beobachtungen zeigen uns genau das: Je näher sich zwei Quarks kommen, desto schwächer ist die starke Kernkraft zwischen ihnen.

Man kann sich das vielleicht so vorstellen: Wir haben einen Haufen Bälle, die durch Federn verbunden sind. Wenn die Bälle sich nahe sind, dann sind Federn nicht gespannt und die Bälle spüren keine Kraft dadurch und können sich frei hin und her bewegen. Wenn sie sich aber weit voneinander entfernen, werden die Federn gespannt und jetzt spüren sie eine Kraft von den anderen Bällen. Im jungen Universum jedenfalls waren die Temperaturen so hoch und die Teilchen so dicht aneinander gequetscht, dass sie die starke Kernkraft nicht gespürt haben. Sie sind wild durcheinander geflitzt und weil es nicht nur Teilchen gab, sondern auch Antiteilchen, haben sie sich immer wieder gegenseitig ausgelöscht. Außerdem waren nicht alle Teilchen stabil. Up- und Down-Quarks schon, genau so wie die Elektronen. Aber die anderen Arten der Quarks zum Beispiel nicht, die wandeln sich nach kurzer Zeit in andere Teilchen um, die stabiler sind. Die ganze Sache ist natürlich viel komplizierter als meine Geschichte hier, aber es läuft auf folgendes hinaus: Im Laufe der Zeit wandeln sich die instabilen Teilchen um; löschen sich diverse Teilchen und Antiteilchen aus. Von den Quarks bleiben irgendwann nur die stabilen Up- und Down-Varianten übrig. Und weil bei den Auslöschungs- und Zerfallsprozessen auch Photonen und Neutrinos entstehen, werden auch die im jungen Universum immer mehr und mehr.

Bild: gemeinfrei

Währenddessen dehnt sich das Universum immer weiter aus, es wird kühler und die Teilchen sind weniger dicht aneinander gequetscht. Und übrigens: Wir sind immer noch ganz am Anfang. Es sind jetzt vielleicht ein paar Mikrosekunden seit dem Urknall vergangen, aber es dauert immer noch, bis die erste Sekunde des Universums verstrichen ist. Auf jeden Fall haben die Quarks jetzt mehr Platz. Sie können sich weiter voneinander entfernen, unter Umständen sogar bis zu 10 hoch minus 15 Meter. Diese Distanz, ein Femtometer, ein Billiardstel von einem Meter, ist die Distanz, wo die starke Kernkraft für die Quarks spürbar wird. Oder anders gesagt: Die Quarks sind auf einmal nicht mehr frei! Sie hängen zusammen und je nachdem wie sie das tun, bilden sie Protonen oder Neutronen. Beziehungsweise auch andere Teilchen, die aber nicht stabil sind und nach kurzer Zeit zerfallen.

Ein paar Mikrosekunden nach dem Urknall hat sich dann alles ein wenig beruhigt. Das Universum ist jetzt voll mit gebundenen Quarks, die sich zur Protonen und Neutronen zusammengefunden haben. Außerdem ist es voll mit Energie in Form von Photonen, die bei den Zerfällen davor entstanden sind. Und Neutrinos und Elektronen sind natürlich noch auch noch übrig. Das, was jetzt im jungen Universum vorhanden ist, ist das, aus dem später alles andere entsteht. Diese Materie ist es, aus der sich dann ein paar Minuten später die Atomkerne von Wasserstoff und Helium bilden, die sich ein paar hunderttausend Jahre später mit den Elektronen zu kompletten Atomen verbinden aus denen dann ein paar Millionen Jahre danach die ersten Sterne entstehen. Aber angefangen hat alles in diesen ersten Sekundenbruchteilen, in der das Universum von einer wilden Mischung aus frei beweglichen, ungebundenen Quarks gefüllt war. Diesen Zustand nennt man „Quark-Gluon-Plasma“ und aus diesem Zustand heraus sind die ersten Bausteine der Atomkerne entstanden.

Es gibt noch viel, was wir da besser verstehen müssen und viel, was wir noch gar nicht verstehen. Wir können diese ersten Sekundenbruchteile nach dem Urknall nicht direkt erforschen, aber wir können sie – tatsächlich – hier auf der Erde nachstellen. In Teilchenbeschleunigern können wir schwere Atomkerne so heftig aufeinander prallen lassen, dass für extrem kurze Zeit auf einem sehr begrenzten Raum ein Quark-Gluon-Plasma entsteht. Auch hier verbinden sich die freien Quarks natürlich sofort wieder zu anderen Teilchen, zerfallen, und so weiter. Aber für einen Sekundenbruchteil herrschen im Teilchenbeschleuniger in einem unvorstellbar kleinen Raum die selben Bedingungen wie kurz nach dem Urkannl. Und wenn wir die diese Zerfallsprodukte analysieren, die aus diesem künstlichen Quark-Gluonen-Plasma entstehen, verstehen wir vielleicht irgendwann auch besser, wie vor Milliarden Jahren alles angefangen hat.

3 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 589: Das Quark-Gluon-Plasma“
  1. Top-Bebilderung 😉 so wird Teilchenphysik viel anschaulicher! Topfen-Gluon-Plasma heisst es in Österreich, oder?
    Andere Frage: bei solchen Urknallthemen werden immer wieder unfassbar kurze Zeitabstände erwähnt, aber meist sehr sicher und bestimmt und ohne jeglichen Konjunktiv, als würden wir über die Anzahl der Krater auf dem Mond sprechen. Das irritiert mich immer etwas. Wie kommen wir darauf? Therorie? Simulation? Beobachtungen in Teilchenbeschleunigern? Vielleicht könntest du in einer Sternengeschichten-Folge mal darauf eingehen. Das fände ich toll! Vielen Dank schon mal!

  2. Schließe mich dem/den Bens an, Florian: Deine SymbolbildWahl ist immer wieder ein rechter SchmunzelGarant… Und im allerersten Bild sind die einzelnen Gluonen im Quark sooo deutlich erkennbar, phantastisch!

  3. Könnte man damit nicht den Atommüll entsorgen? Theoretisch zumindest?
    Mit Bleiatomen wird schon ein Quark-Gluon Plasma erzeugt und zwar am Institut für Schwerionenforschung:
    https://www.gsi.de/start/aktuelles/detailseite/2022/02/18/alice-mc?no_cache=1
    Aus diesem Plasma entstehen dann die Elemente Wasserstoff unde Helium. Was ja sehr nützlich wäre, zumindest Helium droht knapp zu werden.
    Wenn sie es mit Blei schaffen, dann ist der Weg zum Uran nicht weit.

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