Gestern habe ich das wichtigste Diagramm der Astronomie vorgestellt: das Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD). Es fasst die fundamentalen Eigenschaften der Sterne zusammen und ist eines der wichtigsten Werkzeuge bei ihrer Untersuchung. Bevor ich in späteren Artikel die die Details des HRD erkläre, möchte ich noch eine äußerst nette und witzige Idee vorstellen. Stuart vom Astronomy Blog hat ein neues HR-Diagramm erstellt. Diesmal aber nicht für Sterne – sondern für Astronomen…
Im HRD werden die Temperatur bzw. der Spektraltyp eines Sterns in Zusammenhang mit seiner Helligkeit bzw. der Leuchtkraft gebracht. Daraus ergeben sich die verschiedenen Typen von Sternen und es lassen sich sofort die unterschiedlichen Entwicklungsstadien im Leben eines Sterns untersuchen. Für das HR-Diagramm der Astronomen hat sich Stuart ebenfalls zwei interessante Größen ausgesucht: einerseits die Anzahl der peer-reviewten Publikationen – also quasi die fachliche Kompetenz eines Astronomen. Der zweite Parameter ist die Anzahl der Google-Treffer, die eine Suche nach dem Namen des Astronomen liefert – also ein Maß für die generelle Bekanntheit eines Wissenschaftlers.
Aus diesen beiden Zahlen hat Stuart ein HRD für Astronomen erstellt. So sieht es aus:
Ok – man darf das jetzt nicht allzu ernst nehmen. Die entsprechenden Zahlen sind zwar leicht zu bekommen. Einerseits über Google – andererseits über ADS, die Datenbank für astronomische Literatur. Aber natürlich sind die Zahlen nicht allzu genau (immerhin sind Namen nicht immer eindeutig) – und es sind nicht allzu viele Astronomen konkret ausgewertet worden. Trotzdem ist das HRD interessant. Ganz oben im Diagramm sind die Leute, die bei Google viele Treffer liefern: die „Media Stars“. Das sind die Leute, die bekannt sind; unabhängig von der Anzahl ihrer wissenschaftlichen Publikationen. Links oben findet man die „Academic Giants“. Das sind die Berühmtheiten; die Nobelpreisträger; die Genies: sie haben wichtige wissenschaftliche Arbeit geleistet und viel publiziert und sind auch der Allgemeinheit bekannt. Die „Hauptreihe“ (eng.: „main sequence“) wurde zur „Main Career Sequence“ und deren Existenz ist auch nicht allzu unplausibel: je mehr ein Astronom veröffentlicht, desto mehr Google-Treffer sollte er auch haben. Die noch „unfertigen“ Astronomen findet man unten rechts: sie haben noch nicht viel veröffentlicht und sind auch nicht bekannt: sie sind die „Proto-Astronomers“ und dann soll es angeblich auch Astronomn geben, die viel veröffentlicht haben die aber trotzdem niemand kennt. Wenn jemand mehr über diese „Dark Astronomers“ weiß, dann bitte Bescheid sagen! 😉
Ich hab mal probiert, mich selbst in das Diagramm einzutragen. Bei ADS findet man 18 begutachtete Publikationen von mir und Google gibt mir 17700 Treffer. Damit lande ich mitten im Niemandsland zwischen Main Career Sequence und New Media Branch.
Naja… Ich finde die Idee jedenfalls äußerst witzig. Und interessant. Wenn auch nicht unbedingt aus naturwissenschaftlicher Sicht so könnte eine sorgfältiger ausgeführte Analyse zum Zusammenhang zwischen Publikationstätigkeit und allgemeiner Bekanntheit vielleicht für die Soziologen bzw. verwandte Disziplinen tatsächlich interessant sein. Was meinen meine Leserinnen und Leser? Wer ist der erste der ein neues Hertzsprung-Russell-Diagramm ernsthaft in eine andere Wissenschaft einführt?;-)
Hmmm…. 12x peer reviewed (nicht nur Erstautor) und bei Google „Carolin Liefke“ einen Tick mehr als 4000 Hits. damit lande ich in etwa in derselben Gegend wie du, mit Tendenz zum New Media-Ast 🙂
Das Problem mit den Google-Treffern sind häufige Namen. „John Smith“ wird bestimmt häufiger gefunden als „Florian Freistetter“ auch wenn beide gleich bekannt sind.
Und da komm noch mal so ein blöder Troll und behaupte, Wissenschaftler seinen humorlose weiß- (oder grau-)kittelige Nerds, ohne Partner(-in) und ohne Freunde, die den ganzen Tag nur im Labor sitzen und das Leben verpassen.
Auch ohne das Diagramm bierernst zu nehmen: es wäre mMn wirklich interessant zu erfahren, wie ein solches Diagramm, wenn man das mal wirklich durchzieht, aussähe und warum an manchen Stellen (if at all) weiße Flecken bleiben. Denn das originale HRD sieht ja auch nicht ohne Grund so aus, wie es aussieht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß es den einen oder anderen theoretischen Physiker gibt, der Arbeiten darüber geschrieben hat, was man alles allein an der Größe und Verteilung der Sternhäufigkeitsflecken im HRD über die dem zugrundeliegenden Mechanismen herausfinden kann.
hmm ich fänd (zitationen in peer reviewten artikeln * artikelanzahl) wäre ein geeigneteres maß für den wissenschaftlichen teil.. man kann auch mit wenigen guten papern nen riesigen eindruck bewirken
Also das ist doch mal echt wieder eine nette Idee 🙂
Bei sowas frage ich mich immer wieder, wieso da noch die ewigen Spassbremsen umherfliegen und meinen Wissenschaft oder gar die tatterigen vertrockneten Wissenschaftler (Hui Buh!) seien staubtrockene Dinger, mit denen man nix zu tun haben will.
Na ja, liegt wahrscheinlich daran, daß ein gewisses generelles mathematisch/naturwissenschaftliches Grundverständnis für Diagramme vonnöten ist, damit man so ein Diagramm lustig finden kann. Wer damals in der Schule nicht so recht hat aufpassen wollen, wird den Witz wohl nur schwer verstehen. Und irgendwie führt ja Unverständnis gerne und leicht zu genereller Ablehnung.
@perk: Auch die Wissenschaftler selber sind sich nicht einig, wie man den eigentlich den „Wert“ von wissenschaftliche Veröffentlichungen festlegen soll.
Ein Ansatz dafür, die Zahl der Zitationen zu berücksichtigen, ist der sogenannte Hirsch-Index: https://de.wikipedia.org/wiki/H-Index
aber auch der ist irgendwo nur Statistik, die ihre Grenzen hat.
Denn: Man kann jede Menge Artikel schreiben, die Murks sind – aber das heißt noch lange nicht, daß sie selten zitiert werden. Ein Zitat kann ja auch sein „Wir haben andere Ergebnisse als xy“. Andersrum kann man auch sehr gute Artikel schreiben, die aber nicht beachtet werden, sei es weil das Thema gerade nicht „in“ ist und zu wenige Leute auf dem selben Gebiet arbeiten, die damit etwas anfangen können.
Ein anderer Punkt ist: Wie bewertet man den Beitrag eines Autors zu einem Paper? Auf Veröffentlichungen großer Kollaborationen (besonders beliebt in der Teilchenphysik) stehen oft mehrere 100 Leute – wer das Paper geschrieben hat oder konkret beigetragen hat, ist oft nicht mehr ersichtlich. Auch wenn die „Richtlinien“, die die meisten Zeitschriften sich und den Autoren auferlegt haben, besagen, daß jeder Mitautor zumindest hinter dem stehen kann, was in dem Paper steht, ist oft nichtmal das garantiert.
Meine Paper beispielsweise entstanden alle nach demselben Prinzip: Erstautor ist derjenige, der den Großteil des Textes geschrieben hat, und das ist normalerweise auch derjenige, der die meiste wissenschaftliche Arbeit geleistet hat. Dann kommen je nach Anteil alle anderen Autoren. Anderswo wird das aber anders gehandhabt. Manchmal schreiben sogar noch Professoren Artikel aus der Arbeit ihrer Studenten, die dann erst später auf der Liste kommen. Manchmal sind Koautoren alphabetisch sortiert, usw.
Florian hat darüber auch schon mal geschrieben:
https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/02/wie-bewertet-man-wissenschaftlichen-erfolg.php
„Update 2010-07-22T11:10:00 UT: It turns out that Google gives wildly different results depending on which Google you are connected to. Being in the UK I was automatically redirected to google.co.uk and that is where these numbers come from. Google.com seems to produce more search results. I may re-make this plot using Google.com as the standard.“ heißt es auf Astronomy Blog. Da kommt sicher noch einer, der darauf hinweist, dass es Parallelwelten tatsächlich gibt.
Vielleicht sind ja „Dark astronomers“ die, die in der vor-Google-Zeit ihre Artikel geschrieben haben und über die keiner mehr blogt weil sie nicht mehr aktiv sind.
Ich hätte da Theorien zu den Dark Astronomers:
1. Sie veröffentlichen in Spezialjournalen, welche in der Datenbank gelistet sind aber nicht bei google. Bin aber nicht sicher ob es sowas gibt.
2. Ihre Namen sind aus einer anderen Sprachgruppe, werden oft mit unterschiedlichen Akzenten geschrieben oder oft vertippt, so dass sie entsprechend bei google nicht so oft angezeigt werden. Oder könnte es vllt den Effekt geben: Sie publizieren z.B. in einem chinesischen Journal, sind damit in der Datenbank erfasst, aber nicht über dem westlichen Netz erreichbar?