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Sternengeschichten Folge 576: Der Helium-Blitz

Heute geht es um den Helium-Blitz. Das klingt gefährlich und wenn man so will, ist es das auch. Aber keine Sorge: Niemand läuft Gefahr, von einem Helium-Blitz erwischt zu werden. Dort, wo der stattfindet kommt kein Mensch jemals hin. Es geht um einen Vorgang der tief im Inneren eines Sterns stattfindet, und uns aber trotzdem etwas über das gesamte Universum verraten kann.

Aber so weit sind wir noch nicht. Bevor wir überhaupt beim Helium-Blitz ankommen, müssen wir uns ein wenig damit beschäftigen, was ein Stern so treibt. Nämlich Kernfusion! Im Inneren eines Sterns wird Wasserstoff zu Helium fusioniert und die dabei freigesetzte Energie strahlt nach außen. Das ist noch simpel; davon habe ich auch schon in sehr vielen Sternengeschichten erzählt.

Damit diese Kernfusion stattfinden kann, muss es heiß genug sein und der Druck ausreichend hoch. Das ist üblicherweise nur in den innersten Bereichen eines Sterns der Fall weswegen die Fusion wenig überraschend auch nur dort stattfindet. Und auch wenn Sterne sehr groß sind, ist der Wasserstoff im Kern irgendwann verbraucht. Und bevor er verbraucht ist, wird er natürlich immer weniger. Wenn ein Stern ein gewisses Alter erreicht, dann sinkt also auch das Ausmaß an Strahlung, dass er durch Wasserstofffusion in seinem Kern produziert. Wenn weniger Strahlung nach außen kommt, gerät der Stern aus dem Gleichgewicht. Bisher hat die stetige Strahlung der Gravitationskraft entgegen gewirkt, die die großen Mengen an Gas ausüben und die den Stern dazu bringt, in sich zusammen zu fallen. Wenn aber der Wasserstoff zur Neige geht, dadurch weniger Kernfusion stattfindet und die Strahlungsmenge sinkt: Dann wird auch der Gravitationskraft weniger entgegen gesetzt und der Stern beginnt, ein wenig in sich zusammen zu fallen. Sein Inneres verdichtet sich und das führt erstens einmal dazu, dass jetzt auch der Wasserstoff in den noch unverbrauchten Schichten weiter außen um den Kern herum heiß genug wird, um fusionieren zu können.

Vereinfacht gesagt können wir uns den Stern also jetzt so vorstellen: Im Kern ist Helium, das aber nicht viel tut, weil die Temperatur dort nur ausreichend hoch ist, um Wasserstoff zu fusionieren – der aber nicht mehr da ist – und nicht hoch genug ist, um auch Heliumatome fusionieren zu lassen. Um diesen Heliumkern herum sind Schichten aus Wasserstoff, der sehr wohl fusioniert und dabei jede Menge neues Helium produziert. Helium, dass dann aber auch wieder nur rumliegt und nichts tut. Außer natürlich, den Heliumkern immer dichter und dichter zu machen. Solange aus dem Kern keine Strahlung kommt, die durch Fusion erzeugt wird, kann er ja nicht anders, als unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen zu fallen und genau das macht der Heliumkern.

Hat nix mit dem Heliumblitz zu tun, ist aber ein sehr cooles Foto aus dem Jahr 1902 (Bild: gemeinfrei)

Irgendwann passiert aber etwas besonders: Der Kern entartet. Das klingt seltsam, aber mit „Entartung“ ist ein quantenmechanisches Phänomen gemeint. Es geht vor allem um das sogenannte „Pauli-Prinzip“, das ich aber jetzt nicht im Detail erklären will. Aber es besagt, dass zwei Teilchen, wie zum Beispiel zwei Elektronen, niemals einen identischen Quantenzustand haben können. Der Quantenzustand wird von den sogenannten Quantenzahlen bestimmt, aber auch das würde jetzt zu weit führen. Im Wesentlichen geht es um die Energie, die die Teilchen haben können und die hängt zum Beispiel davon ab, wo genau sich die Elektronen in der Hülle eines Atoms befinden. In der Praxis bedeutet das alles folgendes: Wenn die Dichte im Heliumkern immer weiter steigt, dann werden die Teilchen immer weiter zusammengequetscht. Eine der Haupterkenntnisse der Quantenmechanik ist aber nun gerade, dass Teilchen wie Elektronen nicht einfach „irgendeinen“ Zustand haben können, sondern das Eigenschaften wie die Energie die sie haben können, quantisiert sind. Insbesondere gibt es einen niedrigstmöglichen Zustand und niedriger geht es nicht. Wenn die Materie im Kern also immer weiter zusammengedrückt wird, sind die Teilchen dort irgendwann so nahe aneinander gepackt, dass alle verfügbaren Energielevels besetzt sind.

Das erzeugt eine Art von Druck, den sogenannten Entartungsdruck. Der wirkt jetzt der Gravitationskraft entgegen, aber dieser Druck hängt nicht beziehungsweise so gut wie gar nicht von der Temperatur ab. Wenn der Kern noch weiter komprimiert wird, hat das kaum Einfluss auf die Bewegungsenergie der Teilchen. Es gibt, sehr vereinfacht gesagt, keine verfügbaren Energiezustände mehr. Die Teilchen haben eh schon die höchstmöglichen Energielevel erreicht (und alle darunter auch besetzt). Mehr Energie ändert nichts an der Dichte. Denn normalerweise ist es ja genau das, was passiert: Wenn man Energie in einen Haufen Teilchen steckt, zum Beispiel in dem man sie komprimiert und dadurch erwärmt, bewegen sie sich schneller und diese Bewegung übt einen Druck aus (was man zum Beispiel gut daran sehen kann, dass die Luft sich in einer Luftmatratze ausdehnt, wenn sie in der prallen Sonne liegt und die Matratze ebenfalls viel praller macht als wenn sie im Schatten liegen würde). Die entartete Materie im Heliumkern dehnt sich aber nicht aus, wenn sie heißer wird. Der Kern bleibt also dicht, und weil von außen immer weiter neues Helium aus der Wasserstofffusion nachgeliefert wird, steigt die Temperatur immer weiter an. Irgendwann erreicht sie ungefähr 100 Millionen Grad und das ist der Zeitpunkt, an dem der Helium-Blitz stattfindet.

Ja, ich weiß, das war jetzt sehr viel Quantenmechanik. Aber manchmal ist es eben auch in der Astronomie nötig, sich mit dem Verhalten der kleinsten Teilchen zu beschäftigen, wenn man verstehen will, wie die wirklich großen Dinge funktionieren. Jetzt aber zurück zum Helium-Blitz. Bei Temperaturen von mehr als 100 Millionen Grad können die Helium-Atome endlich fusionieren. Die Temperatur im Kern steigt schlagartig enorm stark an, aber – wie ich vorhin erklärt habe – an der Dichte ändert sich dadurch nichts. Je höher aber die Temperatur ist, desto effektiver kann das Helium fusionieren. Wir kriegen also einen sich selbst verstärkenden Prozess: Die Heliumfusion erhöht die Temperatur und die erhöhte Temperatur erhöht die Heliumfusion – und so weiter. Und weil die Kernmaterie immer noch entartet ist und ihr Volumen nicht ändert, kann sich dadurch auch kein Gegendruck aufbauen; sie kann sich nicht ausdehnen, abkühlen und dadurch den Prozess stabilisieren.

Bild: RicHard-59, CC-BY-SA 3.0)

Das Resultat: In extrem kurzer Zeit wird im Kern des Sterns eine enorm große Menge an Strahlung freigesetzt. Und „extrem kurz“ heißt hier auch sehr kurz. Gerade weil so viel Helium fusioniert wird, ist es auch schnell wieder verbraucht und die enormen Mengen an Strahlung sorgen dafür, dass die entartete Materie wieder „normal“ wird. Das ganze ist nach ein paar Minuten bis Stunden vorbei. Also nicht die komplette Phase der Helium-Fusion, die dauert viel länger, die fängt jetzt quasi erst an. Erst nach dem Helium-Blitz kann der Stern das restliche Helium (und das, was von der Wasserstofffusion in den äußeren Schichten nachgeliefert wird) kontrolliert fusionieren; erst jetzt stellt sich wieder ein Gleichgewicht aus Gravitationskraft und dem Druck der nach außen dringenden Strahlung ein.

Und jetzt wollen natürlich alle gerne wissen, wie so ein Helium-Blitz aussieht, oder? Er sieht leider gar nicht aus. Man kann davon tatsächlich nichts sehen. Fast die ganze Energie wird durch die Ausdehnung des Kerns aufgebraucht, sobald der Zustand der Entartung aufgehoben ist und das was übrig bleibt, wird von den weiter außen liegenden Schichten des Sterns absorbiert. Von außen sieht man also tatsächlich nichts – aber wir wissen, dass so ein Blitz stattfinden muss, weil das direkt aus den Eigenschaften des Sterns und den quantenmechanischen Eigenschaften der Materie folgen muss. Wir wissen auch, dass das nur Sterne können, die nicht zu viel Masse haben. Schwere Sterne haben ausreichend viel Masse, um die für eine Heliumfusion nötige Temperatur in ihrem Kern zu erreichen, ohne dass die Materie dort entarten muss. Da fängt also einfach die Heliumfusion an, ohne Helium-Blitz. Und bei Sternen, die zu wenig Masse haben, wird es nie heiß genug für eine Heliumfusion. Nur bei einer Masse, die circa zwischen der halben und der zweieinhalbfachen Sonnenmasse liegt, kriegt man einen Helium-Blitz. Was gleichzeitig auch bedeutet, dass unsere Sonne genau so ein blitzender Stern sein wird. Aber erst weit in der Zukunft; diese Phase erreicht sie erst in 5 bis 6 Milliarden Jahren.

Der Helium-Blitz ist aber nicht nur eine spannende Phase in der Entwicklung eines Sterns. Er ist auch recht praktisch. So ein Helium-Blitz passiert ja immer unter den gleichen Bedingungen, das liegt an all der Quantenmechanik von der wir vorhin gesprochen haben. Das heißt, die Sterne, die so einen Blitz durchlaufen, tun das alle auch zum mehr oder weniger selben Zeitpunkt ihrer Entwicklung und haben deswegen auch eine mehr oder weniger identische Helligkeit. Zumindest wenn man sie im Infrarotlicht betrachtet – aber jetzt sind wir eigentlich schon bei einem neuen Phänomen angelangt. Es nennt sich die „Spitze des Roten Riesenastes“ oder auf englisch „Tip of the Red Giant Branch“ und ist ein Thema für eine andere Folge der Sternengeschichten. Aber eben genau weil Sterne in ihrer Entwicklung zum Zeitpunkt des Helium-Blitzes circa gleich hell sind und weil nach dem Helium-Blitz mit der stabilen Heliumfusion eine grundlegend andere Phase in ihrer Entwicklung stattfindet, kann man das nutzen, um ihre Entfernung zu bestimmen. Man muss nur einen Haufen Sterne beobachten, die alle mehr oder weniger gleich weit von uns entfernt sind, also zum Beispiel Teil eines Kugelsternhaufens oder einer Galaxie. Wenn ich dann deren Temperatur und Leuchtkraft bestimme, kann ich daraus erkennen, in welcher Phase ihrer Entwicklung sie sich befinden und die identifizieren, die gerade mit der Heliumfusion begonnen haben. Und weil wir wissen, wie hell sie zum Zeitpunkt des kurz davor stattgefundenen Helium-Blitzes gewesen sind, können wir diese Helligkeit mit der vergleichen, die wir tatsächlich beobachten und die umso geringer sein wird, je weiter der Stern von uns entfernt ist. Anders gesagt: Dank des Helium-Blitzes wissen wir, wie hell der Stern sein sollte. Weil er aber in einer bestimmten Entfernung von uns ist, erscheint er uns weniger hell und aus dem Ausmaß dieser Abschwächung folgt direkt die Entfernung.

Das, was eigentlich unsichtbar im Kern eines Sterns stattfindet, erlaubt es uns also, herauszufinden, wie weit Galaxien von uns entfernt sind. Da soll noch mal jemand sagen, die Astronomie wäre keine kreative Wissenschaft!

Ein Gedanke zu „Sternengeschichten Folge 576: Der Helium-Blitz“
  1. Wieder ein sehr schöner, anschaulicher Artikel. Aber eine Sache möchte ich noch nachfragen:
    „Die entartete Materie im Heliumkern dehnt sich aber nicht aus, wenn sie heißer wird. Der Kern bleibt also dicht, und weil von außen immer weiter neues Helium aus der Wasserstofffusion nachgeliefert wird, steigt die Temperatur immer weiter an.“ Aber mir ist nicht klar, wie die Temperatur das machen kann, nämlich steigen. Kann man sich das so vorstellen, dass die zusätzlichen He-Kerne sozuagen neue, höher liegende Energieniveaus mitbringen, so dass die Gesamtenergie des He-Kerns steigt, und das nennt man dann „höhere Temperatur“, oder ist es ganz anders?

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