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Sternengeschichten Folge 575: Omega Centauri

Betrachtet man das Sternbild des Zentauren, dann sieht man an seinem Rücken einen sehr schwach leuchtenden nebligen Fleck. Und wenn man diesen Fleck wirklich betrachten will, dann sollte man auch wissen, dass das Sternbild von Mitteleuropa aus so gut wie gar nicht sichtbar ist; am besten ist es also, man befindet sich auf der Südhalbkugel. Idealerweise hat man auch eine Sternkarte mit dabei, damit man in den vielen Sternen die Figur des mythologischen Wesens, halb Mensch, halb Pferd erkennen kann und weiß, wo der Rücken ist. Und ein Fernglas schadet auch nicht, denn der schwach leuchtende neblige Fleck leuchtet wirklich nur sehr schwach, wenn man ohne Hilfsmittel hinsieht. Aber wenn dann alles klappt, kann man sich darüber freuen, den Kugelsternhaufen Omega Centauri gesehen zu haben!

Ich habe ihn schon in den Folgen 444 und 516 kurz erwähnt, aber weil es ein wirklich spannendes Himmelsobjekt ist, lohnt es sich, auch einmal länger darüber zu reden und genau das werde ich jetzt tun. Das Sternbild des Zentauren kannte man schon in der Antike und der griechische Astronom Ptolemäus hat in seinem Werk „Almagest“ schon vor fast 2000 Jahren darauf hingewiesen, dass da über der Schulter des Wesens ein leuchtender Punkt ist. Im 17. Jahrhundert bekam das Objekt dann vom deutschen Astronom Johann Bayer die Bezeichnung „Omega Centauri“, was eigentlich eine Bezeichnung für einen Stern ist. Aber Bayer hatte für seine Arbeit auch noch kein Teleskop zur Verfügung – der englische Astronom Edmond Halley ein paar Jahrzehnte später aber schon. Und er stellte korrekt fest, dass es sich bei Omega Centauri nicht um einen Stern handelt, als er das Objekt im Jahr 1677 bei seinen Beobachtungen von der Südhalbkugel aus beobachtet hat.

Im 18. Jahrhundert wurde es dann als „Nebel“ in den entsprechenden astronomischen Listen geführt und erst 1826 wurde Omega Centauri als das bezeichnet, was er wirklich ist: Nämlich ein Kugelsternhaufen. Der schottische Astronom James Dunlop schrieb in seiner Arbeit „Ein Katalog von Nebeln und Haufen in der südlichen Hemisphäre“, dass es sich dabei um eine „wunderschöne Kugel aus Sternen“ handelt, die zur Mitte hin immer dichter werden.

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie ein Kugelsternhaufen aussieht. Der Name ist definitiv nicht falsch gewählt: Es ist eine kugelförmige Ansammlung von Sternen. In der Mitte stehen sie sehr dicht beeinander, zum Rand hin werden es immer weniger. Alle Sterne eines Haufens sind durch ihre wechselseitigen Gravitationskräfte aneinander gebunden und man findet diese Objekte meistens in den äußersten Bereichen einer Galaxie. Sie und die Sterne aus denen sie bestehen sind typischerweise sehr alt und ebenso typischerweise findet man in so einem Haufen ein paar hunderttausend Sterne.

Omega Centauri (Bild: NASA, ESA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)
Acknowlegement: A. Cool (San Francisco State Univ.) and J. Anderson (STScI)
)

Omega Centauri ist aber alles andere als typisch. Dieser Haufen hat einen Durchmesser von 150 Lichtjahren und besteht aus gut 10 Millionen Sternen. Damit ist er der größte Kugelsternhaufen in unserer Milchstraße und auch der hellste, den wir am Nachthimmel sehen können und das, obwohl er gut 16.000 Lichtjahre von uns entfernt ist. 10 Millionen Sterne in einer Kugel von 150 Lichtjahren Durchmesser: Das ist schon einiges. In der Zentralregion von Omega Centauri stehen die Sterne wirklich dicht an dicht. Der durchschnittliche Abstand zwischen zwei Sternen dort liegt bei circa einem Zehntel Lichtjahr. Der Abstand der Sonne von ihrem nächsten Nachbarstern beträgt 4 Lichtjahre.

Wir wissen noch nicht genau, wie Kugelsternhaufen entstehen. Aber wir gehen davon aus, dass die Sterne dort alle mehr oder weniger zur gleichen Zeit aus der selben riesigen kosmischen Gaswolke entstanden sind. Das passt auch zu den Beobachtungen, die zeigen, dass die Sterne in den meisten Kugelsternhaufen alle mehr oder weniger gleich alt sind. Und wieder zeigt sich, dass Omega Centauri alles andere als typisch ist. Hier gibt es Sterne diverser Generationen und das sagt uns, dass Omega Centauri vielleicht gar kein Kugelsternhaufen ist, sondern nur so aussieht als wäre er einer.

Wir wissen ja auch, dass die Milchstraße in der Vergangenheit immer wieder kleinere Galaxien verschluckt hat. In der Umgebung großer Galaxien gibt es jede Menge kleinere Zwerggalaxien. Wenn die sich zu nahe kommen, kann die größere Galaxie die kleineren Sternensysteme mit ihrer Gravitationskraft regelrecht auseinander reißen. Ich habe in Folge 177 ausführlich über diese Prozesse gesprochen – aber am Ende so eines Vorgangs verteilen sich die Sterne der Zwerggalaxie in der Milchstraße und es bleiben kaum Spuren zurück. Wir können aber mit etwas Glück noch „Sternströme“ beobachten, also quasi lange Ketten aus Sternen, die sich um und durch die Milchstraße winden und die die letzten Überbleibsel sich auflösenden Zwerggalaxien sind. Wenn so eine Zwerggalaxie aber einen sehr dicht mit Sternen besiedelten Zentralbereich hat, kann der die Auflösung vielleicht überleben. Eben weil die Sterne dort so dicht an dicht stehen, halten sie sich durch ihre Gravitationskraft quasi gegenseitig fest. Die weiter außen liegenden Sterne der Zwerggalaxie werden im Laufe der Zeit abgelöst und verteilen sich, aber der Zentralbereich bleibt übrig und sieht dann aus wie – ja, eine große Kugel aus Sternen. Genau so also, wie Omega Centauri. Und weil es eben kein Kugelsternhaufen ist, sondern die zentrale Region einer ehemaligen Galaxie, findet man in Omega Centauri nicht nur mehr Sterne als erwartet sondern auch Sterne mit unterschiedlichem Alter.

Im Jahr 2019 wurde dann tatsächlich auch ein Sternstrom entdeckt, der sich ganz in der Nähe von Omega Centauri befindet. Die Sterne, die diesen Strom bilden haben ein ähnliches Alter wie die in Omega Centauri und Computersimulationen der Bewegung der Sterne haben gezeigt, dass dieser Strom tatsächlich seinen Ursprung in Omega Centauri hat. Der Sternstrom hat den Namen „Fimbulthul“ bekommen, nach einem Fluss aus der nordischen Mythologie und mit dieser Entdeckung ist ziemlich klar, dass Omega Centauri wirklich der letzte überlebende Rest einer ehemaligen Galaxie ist.

Und wenn das so ist: Sollte man dort nicht noch etwas anderes finden? In den Zentren der großen Galaxien befindet sich ja ein supermassereiches schwarzes Loch. Steckt in Omega Centauri also auch eines drin? Na ja – das ist schwer zu sagen. Wir wissen, dass supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren der GROSSEN Galaxien sind, also in Galaxien wie der Milchstraße oder der Andromedagalaxie. Bei Zwerggalaxien ist das nicht so klar. Wenn, dann sind es auf jeden Fall schwarze Löcher, die deutlich weniger Masse haben. Nicht ein paar Millionen oder Milliarden mal so viel Masse wie die Sonne, sondern vielleicht nur ein paar zehntausend mal so viel.

Im Jahr 2008 hat man sich die Bewegung der Sterne im innersten Bereich von Omega Centauri ganz genau angesehen. Wie schnell sich Sterne in so einem Haufen bewegen hängt ja unter anderem von der Gesamtmasse des Haufens ab. Die Beobachtungen haben aber gezeigt, dass sich die Sterne in Omega Centauri schneller bewegen als sie es sollten, wenn da wirklich nur die Menge an Sternen drin ist, die wir sehen können und sonst nichts. Um die Bewegung der Sterne zu erklären fehlen noch circa 40.000 Sonnenmassen, die sich im Zentrum des Haufens befinden müssen. Oder anders gesagt: Im Zentrum von Omega Centauri befindet sich ein schwarzes Loch mit der 40.000fachen Masse der Sonne.

Solche Objekte nennt man „intermediäre schwarze Löcher“ oder „mittelgroße schwarze Löcher“ um sie von den stellaren schwarzen Löcher zu unterscheiden, die beim Tod eines großen Sterns entstehen und von den supermassereichen schwarzen Löcher in den Zentren der großen Galaxien abzugrenzen. Wir haben bis jetzt noch nicht so viele von diesen mittleren schwarzen Löchern entdeckt, was schade ist. Denn wir wissen ja immer noch nicht genau, wie die supermassereichen schwarzen Löcher entstehen. Aber wenn wir wüssten, dass es in großen Kugelsternhaufen häufiger solche mittleren schwarzen Löcher gibt, wäre das eine spannende Information. Denn es ist klar, dass die supermassereichen schwarzen Löcher nicht direkt entstehen können. Nach allem was wir wissen ist es nicht möglich, dass da irgendwas ist, was in sich zusammenfällt und am Ende ein schwarzes Loch mit der millionen- oder milliardenfachen Sonnenmasse bildet. Andererseits dauert es auch wirklich lange, bis ausreichend viele kleine schwarze Löcher miteinander kollidieren, um so ein supergroßes Ding zu formen. Wenn es aber eine große Anzahl mittlerer schwarzer Löcher gibt, könnten die vielleicht der Ausgangspunkt für die Entstehung der supermassereichen schwarzen Löcher sein.

Das mittelgroße Loch von Omega Centauri würde jedenfalls gut ins Bild passen; es hätte genau die Masse, die man für eine Zwerggalaxie erwartet. Allerdings haben spätere Arbeiten gezeigt, dass Omega Centauri vielleicht doch kein schwarzes Loch hat. Das liegt daran, dass man nicht exakt bestimmen kann, wo sich das Zentrum des Haufens tatsächlich befindet. Und je nachdem ändern sich auch die Berechnungen der Sternbewegungen um das Zentrum herum. Vielleicht passt mit der Bewegung also eh alles und es braucht kein schwarzes Loch im Zentrum. Oder es gibt doch eines, aber mit weniger Masse als gedacht.

Klar ist auf jeden Fall: Omega Centauri ist ein äußerst spannendes Objekt, egal ob da jetzt ein schwarzes Loch drin ist oder nicht. Es ist der letzte Rest einer fremden Galaxie, der sich mitten in unserer eigenen Milchstraße befindet – da lohnt es sich, genauer hinzusehen.

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