SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.

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Sternengeschichten Folge 432: Wiedergeborene Blaue Nachzügler

Ein Stern entsteht irgendwann aus einer großen Wolke voll Gas und Staub. Dann tut er ein paar Millionen oder Milliarden Jahre lang das, was Sterne so tun. In seinem Inneren fusionieren Atome miteinander und er leuchtet mit der dabei entstehenden Energie. Und wenn der Brennstoff irgendwann mal alle ist, ist das Leben des Sterns zu Ende. Kein Stern lebt ewig. Aber manche Sterne leben länger, als sie es eigentlich tun dürften. Es geht heute allerdings nicht um „Zombie“-Sterne, obwohl es so etwas ähnliches in der Astronomie tatsächlich gibt (aber das ist ein Thema für eine andere Folge der Sternengeschichten). Es geht um Sterne, die man „Blaue Nachzügler“, oder, etwas üblicher mit dem englischen Fachbegriff „Blue Stragglers“ nennt.

Um die Geschichte dieser ganz besonderen Sterne zu verstehen, muss ich noch einmal kurz das wiederholen, was ich vor sehr langer Zeit schon einmal ausführlich erklärt habe; nämlich in Folge 6 der Sternengeschichten, als es um das Hertzsprung-Russell-Diagramm ging. Dieses in der Astronomie enorm wichtige Diagramm besagt – sehr kurz erklärt – dass Sterne nicht beliebige Kombinationen von Helligkeit und Temperatur haben können. Bestimmt man diese Werte für eine Gruppe von beliebigen Sternen und zeichnet sie in einem Diagramm ein, auf dem an der einen Achse die Helligkeit aufgetragen wird und auf der anderen die Temperatur, dann findet man die Sterne da nicht einfach irgendwo verteilt. Sondern alle entlang einer Linie, die sich von links oben nach rechts unten erstreckt. Also von den heißen, hellen Sternen hin zu den kühlen und dunklen.

Der Grund dafür ist die Art und Weise, wie ein Stern funktioniert. Je mehr Masse ein Stern hat, desto größer sind Druck und Temperatur in seinem Inneren. Desto schneller kann dort auch die Kernfusion ablaufen und desto größer ist seine Leuchtkraft. Ein massereicher Stern hat gar keine andere Wahl, als heiß und hell zu sein; ebenso kann ein kleiner Zwergstern nicht anders, als kühl und schwach zu leuchten. Das gilt allerdings nur solange, wie im Inneren des Sterns die normalen Kernfusionsprozesse ablaufen. Neigt sich das Leben eines Sterns dem Ende zu, dann ändert sich das Bild. Unsere Sonne zum Beispiel ist derzeit ein ganz normaler Hauptreihenstern, also ein Stern, der genau auf dieser speziellen Linie im Hertzsprung-Russell-Diagramm liegt.

Das Hertzsprung-Russell-Diagramm! Wichtig!!

Sie hat sich dort exakt an dem Punkt eingeordnet, den die physikalischen Vorgänge für einen Stern ihrer Masse vorgesehen haben. Und an diesem Punkt im Diagramm bleibt die Sonne auch. Das wird sich erst in circa 5 bis 6 Milliarden Jahren ändern. Dann wird die Sonne beginnen sich langsam aufzublähen, sie wird immer größer werden bis sie ein sogenannter Roter Riese geworden ist. Sie ist dann sehr groß und leuchtet sehr hell. Aber sie ist auch sehr kühl, eben weil sie sich so stark aufgebläht hat und ihre Dichte gesunken ist. Die Sonne wird dann kein Hauptreihenstern mehr sein, sondern landet im Hertzsprung-Russell-Diagramm auf dem sogenannten „Roten-Riesen-Ast“, in der oberen rechten Ecke, über der Hauptreihe. Da die Kernfusion im Inneren der Sonne aber immer weiter zum Erliegen kommt, wird auch dieses Stadium irgendwann enden und aus dem roten Riesen wird ein Weißer Zwerg. Das ist der kleine, aber heiße Rest, der innere Kern der Sonne in dem dann keine Fusion mehr stattfindet. Aus der oberen rechten Ecke wandert die Sonne im Diagramm also in die linke untere Ecke, wo die heißen, aber schwach leuchtenden Objekte zu finden sind.

Das hat alles noch nichts mit den Blauen Nachzüglern zu tun, ist aber trotzdem wichtig. Der Weg der Sonne durch das Hertzsprung-Russell-Diagramm ist typisch; das machen alle Sterne so. Sie reihen sich nach der Geburt auf ihrem Platz entlang der Hauptreihe ein und verlassen sie, wenn die Kernfusion in ihrem Inneren zum Erliegen kommt. Interessant wird es nun, wenn wir uns nicht einfach irgendwelche Sterngruppen anschauen, sondern die Sterne eines Sternhaufens. Das sind, wie der Name ja mehr als deutlich sagt, Sterne, die sich unter ihrer gemeinsamen Gravitationskraft zu einem Haufen angeordnet haben. Nicht wie ein Haufen Orangen im Supermarkt natürlich. Aber die Sterne eines Haufens befinden sich im Allgemeinen deutlich näher beieinander, als es Sterne tun, die nicht Teil eines Haufens sind, so wie unsere Sonne.

Außerdem sind die Sterne eines Haufens alle Geschwister. Sie sind alle gemeinsam aus der gleichen großen kosmischen Wolke entstanden. Nicht alle exakt zum gleichen Zeitpunkt, aber nach astronomischen Zeitskalen gerechnet nicht lange hintereinander. Nimmt man nun NUR die Sterne eines Sternhaufens und zeichnet nur für sie ein Hertzsprung-Russell-Diagramm, dann sieht das zu Beginn noch völlig normal aus. Jeder Stern hat nach der Geburt eine unterschiedliche Masse, je nachdem was der Zufall der Sternentstehung da gerade zustande gebracht hat. Die massereichen Sterne liegen links oben im Diagramm, die leichteren rechts unten; wir kriegen eine ganz normale Hauptreihe. Wenn wir aber ein paar 100 Millionen Jahre warten, hat sich das Bild geändert. Denn je mehr Masse ein Stern hat, desto kürzer ist sein Leben. Ein Stern der heißer brennt, ist auch schneller mit der Kernfusion durch; sein Brennstoff ist früher aufgebraucht. Das heißt, die ersten Sterne die die Hauptreihe eines Sternhaufens verlassen, sind auch die massereichsten. Wir werden nun also eine verkürzte Hauptreihe sehen; die heißen und hellen Sterne oben links fehlen, weil sie schon in Richtung roter Riesenast abgebogen sind. Warten wir noch ein wenig länger, wird die Hauptreihe noch kürzer sein. Und so weiter.

Das ist nicht nur interessant, sondern auch ein wichtiges Werkzeug. Denn aus diesem „Abknickpunkt“ der Hauptreihe kann man wunderbar das Alter eines Sternhaufens bestimmen. Je älter er ist, desto mehr seiner Sterne haben die Hauptreihe schon verlassen. 1953 hat der amerikanische Astronom Allan Sandage genau so eine Altersbestimmung im Kugelsternhaufen M3 durchgeführt. Und dabei ist ihm etwas seltsames aufgefallen. Die Hauptreihe war verkürzt und daraus ließ sich ein Alter von circa 11 Milliarden Jahren ableiten. Aber Sandage hat eine Gruppe von Sternen gefunden, die hinter dem Abknickpunkt lagen. Heiße, blau leuchtende Sterne mit einer Masse, die zu groß war als dass sie noch existieren dürften. Alle anderen Sterne des Haufens mit ähnlicher Masse waren längst in Richtung roter Riesenast gewandert. Nur diese komischen blauen Sterne leuchteten immer noch heiß und hell. Sie waren immer noch auf der Hauptreihe, obwohl sie die aufgrund ihrer Masse und ihres Alters eigentlich schon längst verlassen hätten sollen.
Das sind die „Blauen Nachzügler“ und es war lange unklar, wie sie es geschafft haben, ihr Leben zu verlängern.

Der Sternhaufen M3 (Bild: ESA/Hubble & NASA, G. Piotto et al.)

Die blauen Nachzügler findet man nicht überall. Sie existieren vor allem dort, wo viele Sterne mit vergleichsweise wenig Abstand auf einem Haufen sind. Also in Sternhaufen oder auch in den Zentralbereichen einer Galaxie. Das ist kein Zufall! Nur deswegen kann es sie überhaupt geben. Denn ein einzelner Stern kann nichts gegen die Physik ausrichten. Wenn der Brennstoff für die Kernfusion aufgebraucht ist, muss er die Hauptreihe verlassen. Da gibt es keine Alternative. Aber wenn der Stern es irgendwie schafft, an neues Material zu kommen um weiter Kernfusion zu betreiben, dann hat er eine Chance. Und es muss ausreichend viel Material sein!

Eine Möglichkeit das zu erreichen, haben Sterne, die Teil von Doppel- oder Mehrfachsternsystemen sind. Sind zwei Sterne eines Systems einander sehr nahe und haben sie unterschiedliche Massen, dann wird zuerst einmal natürlich auch hier der massereichere Stern sein Leben zuerst beenden. Er wird sich aufblähen und immer größer werden. Irgendwann wird er dabei vielleicht so groß und kommt dem anderen Stern so nahe, dass ein Materialtransfer stattfindet. Das heißt, der kleinere Stern, der sich noch auf der Hauptreihe befindet, zieht Material vom großen, sterbenden Stern an. Jetzt hat er eine einmalige Chance, seinen angestammten Platz auf der Hauptreihe zu verlassen, ohne gleich zum roten Riesenast wandern zu müssen. Das neue Material macht ihn schwerer, er leuchtet heißer und heller und rückt ein Stück die Hauptreihe hinauf, dorthin, wo die blauen Nachzügler sich befinden.

Man hat aber auch blaue Nachzügler gefunden, die definitiv nie Teil eines Doppelsternsystems waren. Sie müssen einen anderen Weg gefunden haben, ihr Leben zu verlängern. Der war aber etwas brutaler. Sie sind sind entstanden, als zwei kleinere Sterne miteinander kollidiert und verschmolzen sind. Der neue Stern hat eine größere Masse, leuchtet hell und kann ein neues Leben hoch oben auf der Hauptreihe bei den blauen Nachzüglern beginnen, dort wo in dem Sternhaufen eigentlich gar keine Sterne mehr sein sollten. Das erklärt auch, wieso man diese Sterne nur in Sternhaufen oä findet. Nur dort sind die Abstände so gering, dass überhaupt eine realistische Chance auf eine Kollision besteht. Und dort können durch die nahen Begegnungen zwischen Sternen auch Doppelsternsysteme „schrumpfen“, so dass ein Massetransfer wahrscheinlicher wird.

2006 haben Forscherinnen und Forscher untersucht, welcher Mechanismus dominiert. Sie haben sich vier Kugelsternhaufen angesehen und festgestellt, das beide Arten der Entstehung von blauen Nachzüglern ungefähr gleich wichtig sind, mit einem kleinen Überhang an blauen Nachzüglern die durch Kollisionen entstehen. Unsere Sonne wird so eine Verjüngskur allerdings nicht bekommen. Weder sind wir Teil eines Doppelsternsystems, noch besteht die Chance auf eine Kolliosn mit einem anderen Stern, da wir uns nicht in einem Sternhaufen befinden. Für sie ist in ein paar Milliarden Jahren Schluss; sie wird zum roten Riesenast wandern, genau so wie es die Physik vorgesehen hat.

10 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 432: Wiedergeborene Blaue Nachzügler“
  1. „Weil ein einzelner Stern kann nichts gegen die Physik ausrichten.“ Was für ein schlechtes Deutsch.
    Warum nicht das nette Wörtchen „denn“ benutzen?

  2. Zu: “Weil ein einzelner Stern kann nichts gegen die Physik ausrichten.”
    -> Gebt mir einen festen Punkt im Universum und ich hebe die Erde aus den Angeln – Ein bisher geltender Ausspruch!

  3. In dieser Darstellung schafft dann die Gravitation im Hintergrund einen Ausgleich. Also positiver Druck kann anziehende Gravitation bewirken, was bedeutet, dass negativer Druck abstoßende Gravitation hervorruft. Sie ist für das Teilchen bzw. den Beobachter das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft im Jetzt. Die Gravitation ist richtungsabhängig, sowie zeigt sie sich in Guthaben und Schulden. Materie, die sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit entfernt leiht sich die dafür erforderliche Energie vom Gravitationsfeld. So wird zum Beispiel ein Gummiband geringfügig schwerer indem es gedehnt wird. Da Energie aufwendet werden muss um es zu dehnen geht diese Energie in das Band und vergrößert dessen Masse. Ein Gummiband hat negativen Druck weil man Arbeit aufwenden muss um es zu dehnen. Bei Substanzen mit positiver Energie, wie beispielsweise Luft, verhält es sich umgekehrt. Da muss man Arbeit aufwenden um sie zusammenzudrücken. Die Masse von etwas kann man erhöhen indem man Energie hinzufügt um dann einen Ausgleich mit dem Bildbereich anzustreben, welcher irgendwie irgendwann auch stattfindet. Also ein sehr fragwürdiges Geschäft! Sind alle bereit hat es die Gravitation geschafft! Wenn nicht –> neues Spiel im See, denn wir haben ein Problem und das heißt Sonnengleichnis. Dieses Problem findet immer einen Ausweg, weil wir es nicht sehen möchten. Denn wo beispielsweise ungewollte Liebe hinfällt ist sie fehl am Platze. Der Mittelpunkt der Gleichung dieser Probleme ist unbekannt.

  4. Wenn wir schon bei Sprachkrittelei sind – die ‚große Wolken‘ im ersten Satz – ist die wienerisch, oder ein Transkriptionsfehler?

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