Juhu! Es gibt einen neuen Asteroiden! Bzw. ist der Asteroid selbst nicht neu; der ist ebenso 4,5 Milliarden Jahre alt wie all die anderen Asteroiden im Sonnensystem. Aber wir haben ihn gerade erst neu entdeckt. Was an sich auch kein Anlass für große Aufregung sein muss; immerhin haben wir schon fast eine Million Asteroiden gefunden. In dem Fall ist Aufregung aber definitiv angebracht: Denn es handelt sich um den ersten bekannten Asteroid der sich vollständig innerhalb der Bahn der Venus bewegt.
Asteroiden gibt es fast überall im Sonnensystem. Meistens denken wir bei den kosmischen Felsbrocken an den Asteroidengürtel der sich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter befindet. Aber Asteroiden gibt es auch weit draußen hinter der Bahn des Neptun; Asteroiden gibt es zwischen den Gasriesen des äußeren Sonnensystems und es gibt die erdnahen Asteroiden die sich – wenig überraschend – in der Nähe der Erdbahn rumtreiben.
Genau die schauen wir uns jetzt kurz ein wenig genauer an. Denn die erdnahen Asteroiden haben keine langfristig stabilen Umlaufbahnen. Sie stammen aus dem Asteroidengürtel hinter Mars von wo aus sie durch Zusammenstöße und von Jupiter ausgelöste Bahnstörungen in den Raum zwischen den inneren Planeten umgelenkt werden. Dort kommen sie immer wieder mal genau diesen inneren Planeten nahe. Die ständigen Begegnungen mit Mars, Erde und Venus führen dazu, dass die erdnahen Asteroiden sehr chaotische Bahnen haben. Man kann sich das wie eine Flipperkugel vorstellen, die immer wieder zwischen den Planeten hin und her geschubst wird und bei jeder nahen Begegnung erneut von der Gravitationskraft des Planeten einen „Schubs“ bekommt. Früher oder später endet das katastrophal: Der Asteroid kollidiert mit einem Planeten, mit der Sonne oder wird aus dem System geschleudert – länger als ein paar hunderttausend bis Millionen Jahre überlebt so ein erdnaher Asteroid normalerweise nicht.
Mit den erdnahen Asteroiden habe ich mich in meiner wissenschaftlichen Karriere sehr ausführlich beschäftigt; darüber habe ich auch meine Doktorarbeit geschrieben. Wenn man die Umlaufbahnen dieser Objekte am Computer simuliert, dann sieht man immer wieder auch Objekte, die innerhalb der Venusbahn landen. In der Realität des Sonnensystems war von solchen Asteroiden aber nichts zu sehen. Bis jetzt!
Wing-Huern Ip von der National Central University in Taiwan und jede Menge Kolleginnen und Kollegen haben kürzlich die Entdeckung von genau so einem Objekt bekannt gegeben („A kilometer-scale asteroid inside Venus’s orbit“. Die ersten Bilder des Asteroiden wurden im Januar 2020 gemacht, mit der Zwicky Transient Facility, einem Instrument der Palomar-Sternwarte in Kalifornien. Der Asteroid trägt die Bezeichung 2020 AV2 und seine Umlaufbahn liegt komplett innerhalb der Umlaufbahn der Venus.
Was an sich schon eine sehr coole Entdeckung ist. Noch interessanter ist aber die Größe des Asteroiden: Nach all dem was man bis jetzt weiß, liegt die bei circa ein bis zwei Kilometer. Was klein ist, wenn man das mit den dicken Brocken vergleicht die anderswo rumfliegen. Aber doch recht ordentlich für die bis dahin hypothetische Population der „Venus-Asteroiden“ (meines Wissens nach gibt es noch keine offizielle Bezeichnung für Asteroiden die innerhalb der Venusbahn umlaufen). Den Modellen nach sollte es circa 0,05 bis 0,86 solcher Asteroiden geben. Nicht 0,05 bis 0,86 Prozent. Sondern 0,05 bis 0,86 Stück; also – berücksichtigt man alle anderen Unsicherheiten – nicht viel mehr als eines. Und genau dieses eine Objekt scheint 2020 AV2 zu sein. Kleinere „Intra-Venus-Asteroiden“ (hmmm…) könnte es natürlich viel mehr geben. Und orientiert man sich an der Geschichte, dann war der erste Asteroid den man in einer Gegend entdeckt hat so gut wie immer nicht nur der größte sondern auch Vorbote einer ganzen Population. Ceres, der größte Asteroid des Hauptgürtels. Pluto, das größte Objekt im Kuipergürtel. Und jetzt 2020 AV2 (der sicher noch nen schöneren Namen bekommen wird), der uns vielleicht zeigt, dass sich da noch ein Schwung mehr Objekte innerhalb der Venusbahn befinden.
Die sind natürlich nicht so leicht zu finden. Sie sind nicht nur klein, sondern auch immer sehr nahe der Sonne und damit schwer zu beobachten. Aber jetzt wo wir wissen, dass sich die Suche lohnt, schauen wir vielleicht genauer. Wer weiß, wie viele sich dort noch rumtreiben. Oder ob es noch weiter innen noch mehr zu finden gibt. Und je mehr Asteroiden wir kennen, desto besser!
Das mit der Anzahl aus den Modellen kapier ich nicht? Wie kann man da eine konkrete Stückzahl rauskriegen? 0,05 bis 0,86 Stück. Das hängt doch sicher von der Gesamtzahl des ganzen Zeugs ab, was im Sonnensystem so rumfliegt. Also wenn mehr rumfliegt, kann auch mehr innerhalb der Venusbahn rumfliegen?
Außerdem wenn das wirklich Stück sind, sollten wir da ja nicht mehr viel finden. Ansonsten wär halt das Modell falsch.
I claim the terms venoids, venuoids, and the German equivalent Venuiden.
Wie wäre es mit „Luciferiden“?
Venöse
Innerhalb der Venus-Bahn, nennt man diese Asteroiden klarerweise intra-venös.
Die Gesamtheit dieser Objekte ist der „Cestum Veneris“ (Venusgürtel), wie in der Biologie eine Gruppe von Rippenquallen 🙂
@Reinhard Sacher:
Korrekt lateinisch dekliniert: Venus, Veneris. Aber natürlich ist die Venus DER Morgen- und Abendstern (Merkur ist zu klein, um wirklich gut gesehen werden zu können) und eben auch der Lichtbringer.
„Intra-Venus-Orbit-Objekte“ oder IVOO. Reicht doch. Und ist einfach auszusprechen.