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Sternengeschichten Folge 393: Merkur, Planet und Götterbote

393 Folge hat es gedauert, bevor der Planet Merkur eine eigene Sternengeschichte bekommt. Was aber auch irgendwie passt, denn der kleinste Planet des Sonnensystems wird irgendwie immer ein wenig vernachlässigt. Die Venus hat eine prominente Rolle als Morgen- und Abendstern auf unserem Himmel. Der Mars ist der Star der Science Fiction und wir schicken regelmäßig Raumsonden und Rover zu ihm. Jupiter als größer Planet des Sonnensystems ist sowieso immer präsent, ebenso der Saturn mit seinen angeberischen Ringen. Ähnlich vernachlässigt wie Merkur sind nur noch Uranus und Neptun. Aber die wurden ja erst im 18. bzw. 19. Jahrhundert entdeckt und sind mit freiem Auge nicht sichtbar. Im Gegensatz zu Merkur, der zu den freiäugig sichtbaren Planeten gehört und den Menschen schon immer bekannt war. Und in der Vergangenheit hat Merkur auch eine deutlich prominentere Rolle gespielt als heute.

Dass da ein Himmelskörper ist, der kein Stern ist und sich so wie Venus, Mars, Jupiter und Saturn über den Himmel bewegt war den Menschen schon in Babylonien und Assyrien vor knapp 4000 Jahren klar. Merkur war daher auch immer schon einer der fünf Planeten (bzw. sieben Planeten, weil man Sonne und Mond damals ja auch dazu gezählt hat), die mit Göttern in Verbindung gebracht worden sind. Bei den Babylonieren war sein Name „Nabu“, Gott der Schreibkunst und Weisheit; bei den Ägyptern stand er für „Seth“, den Wüstengott. Die antiken Griechen hatten zwei Namen für ihn: „Apollo“ hieß er, wenn er in der Morgendämmerung zu sehen war und „Hermes“ bei Sichtbarkeit in der Abenddämmerung. Ihnen war aber trotzdem klar, dass es sich um ein und den selben Himmelskörper handelte. Hermes ist der Gott der Reisenden, der Kaufleute, der Diebe, der Magie, der Redekunst und noch ein paar anderer Zuständigkeiten. Er ist aber auch der Bote der Götter, dargestellt mit geflügelten Schuhen oder einem geflügelten Helm. In der römischen Mythologie entspricht dem Hermes der Gott „Mercurius“ und dieser Namen blieb dem Planeten bis heute. Aber nicht nur dem Planeten: Wir finden die sieben Planeten ja zum Beispiel auch in der Struktur unserer Wochentage. Sonntag ist logischerweise der Tag der Sonne, Montag der Tag des Mondes. Unser Dienstag ist der Mars-Tag, was man im Deutschen nicht mehr hört, aber zum Beispiel im französischen wo dieser Tag „mardi“ genannt wird oder „martes“ auf spanisch. Der „Dienstag“ auf deutsch kommt von der germanischen Version des Mars, dem Kriegsgott Tyr bzw. Tiu. Der „Mittwoch“ hat im deutschen nichts mehr mit Planeten zu tun, heißt aber auf französisch noch „mercredi“, auf italienisch „mercoledi“ und auf spanisch „miércoles“, was alles Versionen des lateinischen „dies Mercuri“ sind, also dem Tag des Merkur. Jupiter hat den Donnerstag abgekommen, Venus den Freitag und Samstag gehört dem Saturn, was man besondes im englischen „saturday“ noch gut erkennt.

Kauft euch was zum Anziehen! (Bild: Eustache Le Sueur, gemeinfrei)

Aber egal ob ihr das jetzt am mittwöchigen Merkurtag hört oder irgendwann anders: Hier soll es nicht nur um die alten Mythen gehen sondern um den realen Planeten. Und da ist der geflügelte Gottesbote tatsächlich ein guter Namensgeber. Klein und flink ist nämlich auch der echte Merkur. Mit einem Durchmesser von 4879 Kilometern ist er der Winzling unter den Planeten. Mars, der zweitkleinste Planet kommt schon auf einen Durchmesser von 6779 Kilometern, Venus schafft 12.100 Kilometer, die Erde 12.742 Kilometer. Merkur ist gerade mal ein wenig größer als der Mond der Erde mit seinen 3475 Kilometern. Und kleiner als der Saturnmond Titan und der Jupitermond Ganymed. Merkur ist aber nicht nur der kleinste Planet sondern auch der, der der Sonne am nächsten ist. Sein Abstand beträgt im Schnitt nur 58 Millionen Kilometer, das ist ungefähr ein Drittel der Distanz zwischen Erde und Sonne. Im sonnennächsten Punkt seiner Bahn ist er überhaupt nur noch 46 Millionen Kilometer von ihr entfernt. Für eine Runde um die Sonne braucht er nur 88 Tage. Eine Drehung um seine eigene Achse dauert dagegen erstaunliche 58 Tage. Ein Merkur-Tag dauert also zwei Drittel des Merkur Jahres. Das ganze wird aber noch seltsamer: Die Rotationsdauer von 58 Tagen ist die Zeit bezogen auf die Sterne. Wenn man also vom Merkur aus einen bestimmten Stern anvisiert und wartet, bis der Planet sich soweit gedreht hat dass genau dieser Stern wieder am gleichen Punkt des Himmels erscheint, dauert es 58 Tage. Das ist aber nicht die Zeit zwischen zwei Sonnenaufgängen, dafür muss man am Merkur 176 Tage lang warten.

Der Grund dafür ist ein ganz spezieller Zusammenhang zwischen der Bewegung des Merkurs um die Sonne herum und seiner Drehung um die eigene Achse. Die Zeit die er für zwei Runden um die Sonne braucht ist genau die Zeit, die auch drei Drehungen um seine Achse dauern. Er befindet sich also in einer sogenannten 3:2 Spin-Orbit-Resonanz. Der Grund dafür sind vermutlich die starken Gezeitenkräfte, die die Sonne auf ihren nächsten Planet ausübt. Aus diesem Grund haben sich ja auch die Umlaufzeit des Mondes um die Erde und die Drehung des Mondes um seine Achse so aufeinander abgestimmt, dass beides gleich lang dauert (was einer 1:1 Resonanz entspricht), wie ich in Folge 319 schon genauer erklärt habe.

Damit hören die Besonderheiten des Merkur aber noch nicht auf. Der Planet hat keine Jahreszeiten. Beziehungsweise nur seltsame Jahreszeiten. Auf der Erde haben wir ja deswegen Frühling, Sommer, Herbst und Winter, weil die Rotationsachse unseres Planeten nicht senkrecht, sondern geneigt auf die Ebene steht in der die Erde um die Sonne läuft. Deswegen kriegen wir im Laufe eines Jahres mal mehr und mal weniger Licht und Wärme von der Sonne ab. Merkurs Rotationsachse ist dagegen nicht geneigt; dort gibt es keine Jahreszeiten. Was aber nicht tragisch ist, denn Merkur hat sowieso kein Wetter oder Klima, weil er auch keine Atmosphäre hat in der sich so etwas abspielen könnte. Trotzdem ändert sich im Laufe eines Merkurjahrs die Menge an Sonnenlicht die er abkriegt. Das liegt daran, dass seine Umlaufbahn nicht annähernd kreisförmig ist wie bei der Erde. Die Bahn des Merkurs ist eine deutliche Ellipse, der sonnenfernste Punkt seiner Umlaufbahn ist 23 Millionen Kilometer weiter weg von der Sonne als der sonnennächste. Dadurch bekommt er im sonnennächsten Punkt auch mehr als doppelt so viel Sonnenenergie ab wie im sonnenfernsten Punkt.

Merkur hört aber noch lange nicht auf mit den Rekorden. Nimmt man die Gesteinsplaneten des inneren Sonnensystems, also Merkur, Venus, Erde und Mars, und schaut sich ihre mittlere Dichte in Abhängigkeit der Größe an, dann sieht man einen klaren Zusammenhang. Je größer der Planet, desto höher ist auch die mittlere Dichte. Nur der Merkur fällt komplett aus der Reihe. Seine mittlere Dichte ist hoch, mit knapp 5,5 Gramm pro Kubikzentimer genau so groß wie die der Erde und sogar größer als die der Venus. Ein Winzling wie Merkur sollte aber eher eine Dichte haben, die der des Mars oder des Erdmondes entspricht, also viel geringer ist. So eine hohe Dichte kann Merkur nur haben, wenn er einen gewaltig großen Metallkern hat. Auch im Inneren der Erde sitzt ein Kern aus Metall, mit einem Durchmesser von ungefähr 3500 Kilometern. Darüber liegt aber eine viel dickere Schicht aus Gestein. Der Merkur muss einen Eisenkern haben der circa so groß ist wie der der Erde, vielleicht sogar noch größer. Darüber ist aber nur ein sehr dünner Mantel aus Gestein, nur ein paar hundert Kilometer dick und nicht vergleichbar mit den tausenden Kilometern Gestein die über dem Erdkern liegen. Wie kommt ein kleiner Planet wie Merkur zu einem so fetten Eisenkern? Das wissen wir noch nicht – aber wir haben zumindest ein paar gute Ideen.

Merkur – unscheinbar, aber wichtig (Bild: NASA)

Es kann sein, dass Merkur nicht immer so klein war. Als die Planeten des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden sind, war Merkur vielleicht größer, so wie die Erde oder die Venus. Dann aber ist er mit einem anderen gerade in Entstehung begriffenen Planeten kollidiert. Dabei ist ein großer Teil seiner äußeren Schichten einfach verdampft und übrig blieb nur der Kern und ein bisschen Gestein oben drüber. Vielleicht war es aber auch ganz anders; vielleicht waren es auch kleinere Einschläge die immer wieder Material seiner äußeren Schichten verdampft haben die dann von der starken Strahlung der Sonne und dem Sonnenwind im All verblasen worden sind.

Es gibt noch viel, was wir über den Merkur nicht wissen. Wir haben noch nicht einmal seine komplette Oberfläche vollständig im Detail kartografiert. Den meisten Teil schon, aber eben nicht alles. Was unter anderem daran liegt, dass der Merkur bis jetzt nur selten Besuch von Raumsonden bekommen hat. 1974 und 1975 ist die NASA-Sonde Mariner 10 ein paar Mal am Merkur vorbei geflogen. Zwischen 2011 und 2015 wurde er von der Sonde MESSENGER umkreist. Und das war es auch schon, bis jetzt zumindest. 2018 hat sich die Raumsonde BepiColombo, ein Projekt von Europa und Japan, auf den Weg ins All gemacht. Eine Umlaufbahn um Merkur wird sie aber erst 2025 erreichen.

Und selbst dann wird die Sonde den Merkur nur umkreisen und nicht darauf landen. Merkur ist verdammt schwer zu erforschen; was mit seiner Nähe zur Sonne zu tun hat. Das macht es schwer, Raumsonden dorthin zu steuern. Warum das so ist und was man bei den bisherigen Besuchen am Merkur alles herausgefunden hat, werde ich mal in einer eigenen Folge der Sternengeschichten erzählen. Genau so wie all die anderen spannenden Geschichten über den kleinsten Planeten. Merkur sollte nicht vernachlässigt werden; seine Erforschung lohnt sich. Und bis wieder eine Sonde dort zu Besuch ist, könnt ihr euch den Merkur auch gerne selbst anschauen. Es ist ein wenig schwierig den kleinen Planeten ohne Hilfsmittel zu sehen. Weil er immer in der Nähe der Sonne ist, kann man ihn nur in der Abend- oder Morgendämmerung knapp über dem Horizont leuchten sehen. Aber wenn man weiß wo man suchen muss und freies Blickfeld hat, dann ist er eigentlich kaum zu übersehen. Also überseht ihn nicht! Das hat der Merkur definitiv nicht verdient.

6 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 393: Merkur, Planet und Götterbote“
  1. Das Argument mit der Dichte hängt aber etwas in der Luft, oder? Du hast da drei Datenpunkte, die eine „schöne“ Linie ergeben, und der vierte weicht ab. Was soll man aus so wenigen Daten an Aussagen treffen? Und wenn man die äußeren Planeten hinzu nimmt, haut es ja auch nicht hin. Saturn etwa würde in einem Ozean schwimmen, wenn man den Planeten nur in einen hinreichend großen werfen könnte.

    Wieso hat MESSENGER es eigentlich in den vier Jahren im Orbit nicht geschafft, die gesamte Oberfläche zu fotografieren? Dafür muss doch irgendwelche himmelsmechanische Gründe geben, nicht wahr?

  2. Beim Freitag gilt übrigens das Gleiche wie beim Dienstag mit Tyr:
    Als die Germanen von den Römern die 7-Tage-Woche übernamen, übersetzten sie Venus mit der germanischen Version Freya, womit der Venustag zu Freyasdag bzw. zum Freitag wurde.

  3. @Alderamin:

    https://spacenews.com/mercury-fully-mapped-by-nasas-messenger-craft/

    Soll heißen: Die gesamte Oberfläche wurde erfasst, nur einige Teile haben immer im Schatten gelegen? Das dürfte dann also grundsätzlich auch die Polregionen einschließen. Die Umlaufbahn hatte (laut Wikipedia) „eine spezielle Form, um Merkur jeweils im Sonnenlicht beobachten zu können und die Sonde nicht zu lange der von der Oberfläche reflektierten Sonnenhitze auszusetzen.“

  4. @Alderamin:

    Laut dem von dir verlinkten Artikel hat man aber zumindest mit anderen Instrumenten diese Krater untersucht. Optisch geht halt leider nichts, wenn natürlicherweise kein Licht dort hingelangt.

    Mein Verweis auf die Orbits und die Polregionen bezog sich natürlich darauf, dass man bei vielen Bahnen die Polregionen nicht gut erfasst bekommt, falls man nicht explizit polare Umlaufbahnen ansteuert. Dieser Fall dürfte bei MESSENGER mit seiner Bahngestaltung eher nicht vorgelegen haben.

    Mariner 10 war seinerzeit ja eine Vorbeiflugsonde, die allerdings mehrere Mal am Merkur vorbei gesteuert wurde. Das Dumme damals war leider nur, dass man mehr oder weniger immer dieselben Stellen ins Visier nehmen musste – die Himmelmechanik war da unerbittlich. Große Teile der Merkuroberfläche blieben daher unerfasst.

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