Das öffentliche Leben in Österreich ist derzeit massiv eingeschränkt; wer nicht dringend außer Haus gehen muss soll das auch nicht tun; Versammlungen von mehr als fünf Menschen an einem Ort soll es nicht mehr geben; Geschäfte die nicht dringend nötige Dinge verkaufen bleiben geschlossen, und so weiter. Das ist alles ein wenig unangenehm (aber notwendig!!) und es bedeutet unter anderem auch, dass ich in nächster Zukunft nicht mehr öffentlich auftreten werde. Insbesondere wird es auch keine Shows der Science Busters mehr geben, was schade ist aber kein Grund, nicht trotzdem noch ein wenig über Wissenschaft zu reden. Das was es in unserer aktuellen Show „Global Warming Party“ zu sehen gibt verrate ich euch aber trotzdem nicht; das könnt ihr euch dann anschauen wenn alles wieder normal läuft. Aber ich dachte ich nutze die Gelegenheit um über die Wissenschaft der Orte zu sprechen, an die ich jetzt nicht reisen werde. Und der erste, der auf dem abgesagten Tour-Plan steht ist Wildon.

Wildoner Berg (Bild: Clemens Stockner, CC-BY-SA 3.0)

Wildon ist eine kleine Marktgemeinde im Süden der Steiermark mit fast 5.500 Einwohnern. Berühmte Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler hat der Ort nicht zu bieten; Forschungseinrichtungen ebenfalls nicht. Aber wenn man genau schaut, dann findet man dort genug Material für ein paar schöne Geschichten über die Wissenschaft. Wildon selbst ist quasi Gestein gewordene Naturwissenschaft. Denn die Gemeinde liegt direkt am „Buchkogel“ (auch „Wildoner Berg“) genannt. Der ist mit einer Höhe von 550 Metern zwar eher nur ein Hügel – aber aus geologischer Sicht sehr spannend. Denn das was sich da heute in der südsteirischen Landschaft ein wenig zögerlich erhebt lag früher knapp unter dem Meeresspiegel und besteht aus den Überresten von Lebewesen die vor knapp 15 Millionen Jahren gelebt haben.

Damals waren große Teile von Mitteleuropa von der Paratethys bedeckt. Die Alpen waren immer noch dabei sich aufzufalten und zu den hohen Bergen zu werden die sie heute sind. Das Mittelmeer war größer als es jetzt ist und reicht weit in den Norden hinauf. Große Teile dessen was heute Österreich ist war damals Teil dieser nördlichen Erweiterung des Proto-Mittelmeers; darunter auch die heutige Steiermark. In Wildon, genau dort wo die Science Busters heute nicht auftreten, gab es damals ein Riff. Es entstand aus den Skeletten von Rotalgen die sich im Laufe der Zeit in immer größeren Mengen angesammelt haben und eine bestimmte Art von Kalkstein bildeten, die man Leithakalk nennt.

Wildon und sein Berg aus Jahrmillionen alten toten Algen ist nicht extrem außergewöhnlich; man findet entsprechende geologische Strukturen auch an vielen anderen Orten der Erde. Aber es lohnt sich trotzdem, ab und zu mal auch mal die Landschaft selbst ein wenig genauer anzusehen. Das, was wir oft nur als ansprechenden Hintergrund für unsere diversen Aktivitäten wahrnehmen, hat viel mehr zu bieten als es scheint. Die Erde ist nicht statisch – das sollte man sich immer wieder bewusst machen. Wir leben auf einem Himmelskörper der aktiv ist. Er verändert sich geologisch; seine Oberfläche ist ständiger Variation unterworfen: Meer wird zu Land; Gebirge entstehen und verschwinden und da wo früher mal urzeitliche Tiere in einem verschwundenen Meer lebten, fallen heute Wissenschaftskabarettveranstaltungen aus.

Gibt es heute NICHT in Wildon zu sehen

Womit wir wieder bei der abgesagten Show wären: Die handelt vom Klimawandel in all seinen Aspekten. Es geht ein wenig um Astronomie und die Suche nach dem ominösen „Planet B“; es geht um die Verbindung zwischen Alkohol und CO2 und die Frage nach dem besten Ort für das größte Massenbesäufnis des Universums. Es geht um die angebliche Rettung der Welt durch Technologie und um biologische Methoden den Menschen an den Klimawandel anzupassen. Es werden Dinge angezündet; wir zeigen welche Kraft eine ordenliche Live-Atmosphäre haben kann und warum es keine „Klima-Skeptiker“ gibt aber dafür jede Menge Deppen. Dem zugrunde liegt aber genau das, was man unter anderem in Wildon sehen kann: Der Planet auf dem wir leben und auf dem Prozesse ablaufen, die wir mit unserer menschlichen Wahrnehmung gar nicht vernünftig einschätzen können. Wir sehen Berge, aber nicht ihr langsames Werden und Vergehen. Wir sehen Meere, aber nicht die tektonischen Prozesse die sie erschaffen und verschwinden lassen. Die subtilen Kreisläufe die das Leben auf der Erde bestimmen können wir selten direkt wahrnehmen und deswegen tun wir uns wahrscheinlich auch so schwer die Gefahr der Klimakrise ernst zu nehmen. Die Auswirkungen der durch uns Menschen verursachten Veränderungen in der Atmosphäre waren anfangs so unscheinbar wie die langsame Erosion der Gebirge. Aber so sicher wie die Existenz der Alpengipfel ist auch die Erwärmung der Erde. Und die Folgen werden uns schneller zu schaffen machen als den Rotalgen die ungewollt zu einem Berg in der steirischen Provinz wurden.

Morgen hatte der Tourplan eine kleine Pause vorgesehen; danach folgt NICHT die große Wien-Premiere unserer Show und wenn wir dort nicht auftreten werde ich euch erzählen, was für interessante Geschichten über Wissenschaft ich in der österreichischen Bundeshauptstadt gefunden haben.

6 Gedanken zu „Rotalgenberge und die langsame Welt der Geologie: Die Science Busters kommen nicht nach… Wildon!“
    1. @Leser: Ich bitte zu berücksichtigen dass ich 1) nicht auf alles eine Antwort weiß. Und 2) auch nicht 24/7 vorm Computer sitze und daher auch mal Fragen verpasse. Das Blog ist ein Hobby; damit verdiene ich nicht nennenswert Geld und gerade jetzt wo meine Haupteinnahmequelle (öffentliche Auftritte) brach liegt, muss ich mich umso mehr um andere Dinge kümmern um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

      Zur Frage: Rotalgen sind zwar rot, ihre Skelette aber trotzdem aus Kalk und weiß und nur das bleibt übrig für den Stein. Kalkstein an sich ist also hell/weißlich – wenn da noch von irgendwo anders irgendwelche Mineralien drin sind, kann er auch andere Farben haben, was aber mit den Algen nix zu tun hat.

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