Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video. Und den ganzen Podcast findet ihr auch bei Spotify.
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Sternengeschichten Folge 371: Die Lokale Gruppe
Was Namen angeht ist die Astronomie nicht immer so spektakulär wie es die zu benennenden Objekte erforden würden. Die Bezeichnung „Lokale Gruppe“ klingt ja eher bescheiden und nicht sonderlich aufregend. Das, worum es dabei geht ist aber weder bescheiden noch langweilig. Es geht um ein knapp 8 Millionen Lichtjahre großes astronomisches Phänomen in dem wir selbst mitten drin stecken!
Klären wir zuerst kurz die Ausgangslage. Wir Menschen leben auf der Erde, einem Planeten der zusammen mit 7 anderen Planeten und jeder Menge Kleinkram einen Stern, die Sonne, umkreist. Die Sonne ist aber natürlich nicht allein im Weltall sondern Teil der Milchstraße, einer Galaxie die aus 100 bis 200 Milliarden anderer Sterne besteht. Solche Galaxien gibt es im Universum jede Menge und auch sie sind nicht willkürlich im Kosmos verteilt. Einige von ihnen bilden Galaxienhaufen, also Ansammlungen von Galaxien die sich gegenseitig durch ihre Gravitationskraft beeinflussen.
Und der Haufen, zu dem auch unsere Milchstraße gehört, wird „Lokale Gruppe“ genannt. Der unoriginelle Name geht auf einen der kreativsten Forscher des 20. Jahrhunderts zurück. Edwin Hubble war es, der zusammen mit seinen Kollegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überhaupt erst herausfand, dass es im Universum mehr als nur eine Galaxie gibt. Er und seine Kollegen entdeckten außerdem, dass der Kosmos expandiert; sich also alle Galaxien voneinander weg bewegen. Diese Forschungsergebnisse fasste Hubble 1936 in einem Buch mit dem Titel „The Realm of the Nebulae“ zusammen, was so viel heißt wie „Das Reich der Nebel“ und mit „Nebel“ waren die Galaxien gemeint. Diese Bezeichnung war damals noch üblich weil viele Galaxien im Teleskop nur als nebelartige, verschwommene Objekte erscheinen und man bis zu Hubbles Entdeckung noch nicht wusste, ob es nicht vielleicht doch nur vergleichsweise kleine kosmische Wolken innerhalb der Milchstraße waren. Und auch heute verwenden wir ja noch oft Bezeichnungen wie „Andromedanebel“ wenn wir eigentlich die Andromedagalaxie meinen.
In diesem Buch jedenfalls wählte Hubble für Kapitel 6 die Überschrift „Die Lokale Gruppe“ und schrieb darin über die Nachbarschaft der Milchstraße: „Das galaktische System“, schrieb er, „ist ein Mitglied einer typischen, kleinen Gruppe von Nebeln (…). Die bekannten Mitglieder dieser ‚lokalen Gruppe‘ sind das galaktische System mit seinen beiden Begleitern, den Magellanschen Wolken, M31 mit M32 und NGC 205 als Begleiter; M33, NGC 6822 und IC 1613. Die drei Nebel NGC 6946, IC 10 und 342 sind vielleicht Mitglieder, aber sie sind so schlecht zu beobachten dass ihre Entfernung unbestimmt bleibt.“
Was sind das jetzt für Objekte, von denen Hubble da schreibt? Das „galaktische System“ ist unsere eigene Milchstraße und die beiden Magellanschen Wolken sind kleine Zwerggalaxien die zu den Begleitern der Milchstraße zählen, wie ich in Folge 243 der Sternengeschichten ausführlich erklärt habe. M31 ist die Bezeichnung unter der die Andromedagalaxie ebenfalls bekannt ist, M33 ist der sogenannte „Dreiecksnebel“ und NGC 6822 wird auch „Barnards Galaxie“ genannt.
Aber verlassen wir vielleicht am besten Hubbles Buch und gehen in die Gegenwart. Denn mittlerweile weiß man natürlich schon ein wenig besser über die lokale Gruppe Bescheid als damals. Zuerst muss man nochmal kurz darüber nachdenken, wie eine „Gruppe“ überhaupt definiert ist. Es reicht nicht, einfach nur zu schauen, ob irgendwelche Objekte am Himmel nahe beieinander stehen. Von der Erde aus sehen wir ja nur eine zweidimensionale Projektion eines eigentlich dreidimensionalen Universums. Objekte können von uns aus gesehen direkt nebeneinander am Himmel zu sehen, in Wahrheit aber enorm weit voneinander entfernt sein. Um zu wissen wie es wirklich aussieht, müssen wir nicht nur die Position sondern auch die Entfernung der einzelnen Objekte kennen. Und im Fall von Galaxienhaufen auch noch die Richtung in die und vor allem die Geschwindigkeit mit der sie sich bewegen. Von einer Gruppe spricht man nur dann, wenn die Galaxien alle durch ihre wechselseitige Gravitationskraft zusammengehalten werden.
Nehmen wir das Sonnensystem als Vergleich: Da haben wir in der Mitte die Sonne die mit ihrer Gravitationskraft die acht Planeten und Billionen von Asteroiden und Kometen an sich bindet. All diese Objekte umkreisen die Sonne dauerhaft und gehören daher definitiv zum Sonnensystem. Jetzt kann es im Sonnensystem aber auch Objekte geben wie den Asteroid ‚Oumuamua von dem ich in Folge 349 gesprochen habe. Der ist nicht im Sonnensystem entstanden sondern kommt von außerhalb, aus dem interstellaren Raum. Er ist nur zufällig in die Nähe der Sonne gekommen, hat sie einmal kurz umkreist und bewegt sich nun wieder aus dem Sonnensystem hinaus. Das erkennt man an seiner Geschwindigkeit: Er ist viel zu schnell um von der Gravitationskraft der Sonne dauerhaft festgehalten werden zu können. Obwohl er sich also für eine gewisse Zeit innerhalb des Sonnensystems befindet, gehört er doch nicht ZUM Sonnensystem.
Bei den Galaxienhaufen ist es so ähnlich. Hier gibt es zwar kein zentrales Objekt um das sich alle anderen Galaxien herum bewegen. Aber sie bewegen sich alle und würden sie sich zu schnell bewegen, dann würde der Haufen irgendwann auseinanderfliegen und die einzelnen Galaxien würden sich im Universum verteilen. Sind sie aber langsam genug, dann werden die Galaxien durch ihre jeweiligen Gravitationskräfte wie durch Gummiseile zusammengehalten und nur diejenigen auf die das zutrifft sind Teil des Haufens.
Die Lokale Gruppe nimmt nach allem was wir bis jetzt wissen einen Bereich ein, der sich im Umkreis von fünf bis acht Millionen Lichtjahre um die Milchstraße herum erstreckt. Unsere Milchstraße gehört auch zu den dominierenden Objekten der Gruppe. Sie und die Andromedagalaxie sind mit Abstand die größten Sternensysteme im Haufen; fast die gesamte Masse des Haufens ist in diesen beiden Galaxien versammelt. Sowohl die Milchstraße als auch die Andromedagalaxie haben ihre eigenen Untergruppen um sich geschart, also kleinere Galaxien die vorrangig von der Milchstraße bzw. von Andromeda gravitativ beeinflusst werden. So wie die schon erwähnten Magellanschen Wolken, die zu den Begleitern der Milchstraße gehören.
Fangen wir aber bei den beiden großen Mitgliedern der Lokalen Gruppe an. Über die Milchstraße hab ich in den Sternengeschichten schon oft erzählt. Sie besteht aus circa 200 Milliarden Sternen und hat einen Durchmesser von circa 150.000 bis 200.000 Lichtjahren. Die Sonne ist einer dieser Sterne, ungefähr 25.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt. Die Andromedagalaxie habe ich in Folge 208 der Sternengeschichten schon ausführlich vorgestellt. Sie ist ein bisschen größer als die Milchstraße und hat circa doppelt so viele Sterne. Vermutlich; ganz genau lässt sich das nicht messen und vor allem geht es ja nicht nur um die Anzahl der Sterne sondern auch um die dunkle Materie. Denn jede Galaxie ist eine große Wolke aus dunkler Materie eingebettet, deren Masse die der sichtbaren Materie deutlich übersteigt. Wie das mit der dunklen Materie genau funktioniert könnt ihr in Folge 25 nochmal genau anhören. Aber wir wissen schon seit langem, dass die sichtbare Materie – also die Sterne und der ganze Rest an Himmelsobjekten – nicht alles ist. Unter anderem wissen wir das deswegen, weil ansonsten Galaxienhaufen wie die Lokale Gruppe gar nicht existieren dürften. Ich habe vorhin ja gesagt, dass diese Haufen durch die Gravitationskraft der einzelnen Galaxien zusammengehalten werden. Und sie werden zusammengehalten, das beobachten wir ja. Wir beobachten aber auch, dass die sichtbare Masse nicht ausreicht, um die Haufen zusammenzuhalten. Es muss also noch zusätzlich Masse geben, die wir nicht sehen – die dunkle Materie. Es gibt noch andere Daten durch die wir sicher sein können, dass es die dunkle Materie gibt und dass sie große Wolken im Universum bildet und in deren Zentren sich die sichtbaren Galaxien befinden. Und es gibt Hinweise darauf, dass die Milchstraße mitsamt ihrer dunklen Materie massereicher ist als die Andromeda mit ihrer dunklen Materie.
Aber egal ob jetzt Andromeda oder Milchstraße das größte Objekt in der Lokalen Gruppe ist: Beide dominieren den Haufen. Derzeit sind sie noch circa 2,5 Millionen Lichtjahre voneinander entfernt, kommen sich aber näher und werden in ein paar Milliarden Jahren zu einer noch größeren Galaxie verschmelzen.
Neben den beiden großen Galaxien gibt es in der Lokalen Gruppe auch noch den von Hubble angesprochenen Dreiecksnebel M33. Das Ding hat nur einen Durchmesser von circa 60.000 Lichtjahren, ist also deutlich kleiner als die Milchstraße. Und eigentlich ist es auch kein „Ding“ sondern eine Spiralgalaxie die aus circa 5 Milliarden Sternen besteht und 3 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt ist. Derzeit sieht es so aus, als wäre der Dreiecksnebel eine Satellitengalaxie der Andromeda; es kann aber auch sein, dass er das Zentrum einer eigenen Untergruppe der Lokalen Gruppe ist. Die meisten Begleitgalaxien von Milchstraße und Andromeda sind aber Zwerggalaxien. So bezeichnet man, wenig überraschend, Galaxien die deutlich kleiner sind als „normale“ Galaxien wie die Milchstraße aber trotzdem noch größer als simple Sternhaufen. In so einer Zwerggalaxie findet man üblicherweise nur ein paar hunderttausend; höchstens ein paar Milliarden Sterne – dafür aber sehr oft einen deutlich größeren Anteil an dunkler Materie als in größeren Galaxien. Warum das so ist, ist noch nicht ganz klar, so vieles andere was Zwerggalaxien angeht. Wir kennen circa 28 Galaxien die als Begleiter Teil der Milchstraßen-Untergruppe sind; bei der Andromeda-Untergruppe sind es 37 Galaxien. Dann ist da noch die Zwerggalaxie NGC 3109 die zusammen mit drei anderen kleinen Galaxien eine eigene Untergruppe bildet. Und ein Schwung kleiner Galaxien die sich zwischen den ganzen Gruppen bewegen ohne zu einer der Gruppen zu gehören. Neben Andromeda und Milchstraße kommen wir also auf nicht einmal 100 bekannte Zwerggalaxien in der Lokalen Gruppe. Laut allem was wir über die Entstehung von Galaxien und die Dynamik von Galaxiengruppen wissen und auch nach dem was wir aus entsprechenden Computersimulationen kennen, sollten in der Lokalen Gruppe aber mindestens 300 und bis zu 500 Zwerggalaxien zu finden sein. Wo sich der ganze Rest versteckt, weiß derzeit niemand.
Es kann sein, dass es sich um „dunkle Galaxien“ handelt, also um Galaxien die fast nur aus dunkler Materie bestehen und in der so gut wie keine leuchtenden Sterne zu finden sind bzw so wenig, dass wir sie nicht entdecken. Kann aber auch sein, dass wir noch nicht vernünftig verstanden haben, wie Galaxien und Galaxienhaufen funktionieren. Oder die dunkle Materie. Es gibt noch sehr viel zu erforschen in unserer galaktischen Nachbarschaft.
Die übrigens auch nur Teil von größeren Strukturen ist. Die Lokale Gruppe ist zusammen mit anderen Galaxienhaufen Bestandteil eines „Superhaufens“, also einer Ansammlung von Galaxienhaufen. In unserem Fall gehören wir zum „Virgo-Superhaufen“, der selbst wieder Teil des Superhaufens Laniakea ist. Wir haben noch nicht einmal angefangen all das zu erforschen, was das Universum zu bieten hat!
Ich kaufe ein „wie“ 😉
Angefangen zu erforschen haben wir all das schon, nur verstanden haben wir all das noch nicht.
Ich vermute aber, dass wie in vielen anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen gilt auch hier der Grundsatz „Hat man den Anfang (besser) verstanden, versteht man den Fortlauf viel besser“
Hallo Florian,
erstmal danke für die wieder einmal tolle Sternengeschichte. Ich hab da mal ne Frage die zwar total off-topic aber dafür brandaktuell ist.
Man liest derzeit viel über das nahende Ende von Beteigeuze.
Bitte schreib uns mal deine Meinung dazu. Bin total gespannt
@Der Schuft: Dazu kommt morgen ein Artikel
Hallo, ich habe eine Frage zum Durchmesser der Milchstraße:
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Gibt es da verschiedene Ansichten wie das zu bemessen ist?
@Hirk: Das ist eine der Größen die überraschend schwer zu messen ist: https://www.astronomytrek.com/new-study-doubles-the-milky-ways-diameter/