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Sternengeschichten Folge 243: Die große und die kleine Magellansche Wolke

Wenn wir nachts zum Himmel schauen dann sehen wir dort – gutes Wetter vorausgesetzt – vor allem Sterne. Es kann auch der eine oder andere Planet darunter sein; vielleicht auch die Raumstation und ein paar Satelliten. Mit ein wenig Glück ist auch ein Komet zu sehen aber für alles andere braucht man eigentlich schon optische Instrumente wie Ferngläser und Teleskope. Das gilt für allem für die Galaxien.

Unsere Sonne bildet zusammen mit ein paar hundert Millionen anderer Sterne die Milchstraße. Die ist aber bei weitem nicht die einzige Galaxie im Universum; ganz im Gegenteil. Die anderen Galaxien sind aber so weit entfernt das sie mit freiem Auge nicht sichtbar sind. Eine Ausnahme bildet nur die Andromedagalaxie über die ich in Folge 208 ausführlich gesprochen habe. Wenn man aber nicht genau weiß wo sie am Himmel zu finden ist und keine wirklich guten Beobachtungsbedingungen hat ist sie ohne Hilfsmittel kaum zu entdecken. Aber es gibt noch die beiden Magellanschen Wolken die mit freiem Auge problemlos zu sehen sind.

Paranal-Sternwarte der ESO mit den beiden Magellanschen Wolken (ESO/J. Colosimo)
Paranal-Sternwarte der ESO mit den beiden Magellanschen Wolken (ESO/J. Colosimo)

Allerdings nicht von Europa aus. Die große Magellansche Wolke befindet sich an der Grenze der Sternbilder Schwertfisch und Tafelberg und die kleine Magellansche Wolke findet man im Sternbild Tukan. Sie sind also am südlichen Himmel der Erde zu finden und es hat daher etwas gedauert bis wir von ihrer Existenz erfahren haben. Mit „wir“ sind dabei aber natürlich nur die Menschen in Europa und dem Rest der Nordhalbkugel gemeint. Die beiden Objekte sind zwar nach dem portugiesischen Seefahrer Ferdinand Magellan benannt. Als ihren Entdecker kann man ihn aber keinesfalls bezeichnen.

Auch wenn wir Europäer ein wenig gebraucht haben um die südlichen Ozeane der Welt zu erforschen gab es dort natürlich immer schon jede Menge Leute die das getan haben was Leute eben so tun: Nämlich in den Himmel schauen und sich Gedanken machen. Die ältesten Berichte über die Magellanschen Wolken kommen aus dem südlichen Afrika. Die dort lebenden Stämme der Ju, Wasi und !Kung haben die wolkenartigen Gebilde als Himmelsregionen interpretiert wo weiches Gras wuchs, die Art von Gras die sie auch als Schlafstätten benutzten. Die Sotho haben die Wolken als Spuren von himmlischen Tieren interpretiert und die Tswana haben in ihrer Folklore sogar Wetterregeln aus den Wolken abgeleitet: Ist die kleine Magellansche Wolke deutlicher zu sehen als die große, dann sei mit einer Dürre zu rechnen.

Der australische Aborigines-Stamm der Adnyamathanha sahen die beiden Wolken als eine Art göttliche Gesetzshüter an, die ein Feuer entzündet und auf dessen Funken in den Himmel gereist seien um von dort über die Menschen zu wachen. Die seefahrenden Völker Polynesiens haben die Wolken zur Navigation benutzt; bei den Maori in Neuseeland wurden sie zur Vorhersage von Wind und Stürmen verwendet.

Die erste Erwähnung der Wolken im Westen stammt vom persischen Astronom Al Sufi der im Jahr 964 schrieb das sie von Persien aus nicht sichtbar seien, andere aber von ihrer Existenz berichtet hätten. Die ersten Europäer die von den Wolken erzählten waren die italienischen Entdecker und Historiker Pietro Martire d’Anghiera und Andrea Corsali im 15. Jahrhundert. Und dann erst kam der italienische Forscher Antonio Pigafetta der zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit Ferdinand Magellan die Welt umrundete, als einer der wenigen diese erste Weltumsegelung überlebte und von den beiden Wolken am Südhimmel berichtete. Es hat dann aber noch ein paar hundert Jahre gedauert bis sich die Bezeichnung „Magellansche Wolken“ durchgesetzt hatte.

Und mittlerweile wissen wir natürlich auch viel besser um was es sich bei diesen Objekten handelt. Es sind keine Götter oder Himmelswiesen. Sondern Zwerggalaxien. Die Große Magellansche Wolke ist circa 170.000 Lichtjahre entfernt und enthält knapp 15 Milliarden Sterne; die kleine Magellansche Wolke ist 200.000 Lichtjahre weit weg und besteht aus rund 5 Milliarden Sternen. Damit sind die beiden Zwerggalaxien uns deutlich näher als die 2,5 Millionen Lichtjahre entfernte Andromedagalaxie. Sie sind aber nicht unsere nächsten galaktischen Nachbarn: 2003 wurde die nur eine Milliarde Sterne enthaltende Canis Major Zwerggalaxie entdeckt die nur 25.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist.

Ein Teil der kleinen Magellanschen Wolke (Bild: NASA, ESA and A. Nota (STScI/ESA))
Ein Teil der kleinen Magellanschen Wolke (Bild: NASA, ESA and A. Nota (STScI/ESA))

Was Galaxien angeht ist die Bezeichnung „Zwerggalaxie“ für die beiden Magellanschen Wolken durchaus angemessen. Unsere Milchstraße misst von einem Ende zum anderen etwa 100.000 Lichtjahre, bei den Magellanschen Wolken sind es 14.000 beziehungsweise 7000 Lichtjahre. In beiden Galaxien findet man viel Staub und Gas; verhältnismäßig mehr als beispielsweise in unserer Milchstraße. Deswegen entstehen dort auch viele Sterne; ebenfalls mehr als bei uns.

1963 entdeckten Astronomen ein Brücke aus Wasserstoffwolken und vereinzelten Sterne die beide Wolken verbindet. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie sich gegenseitig mit ihrer Gravitationskraft beeinflussen und eine Gezeitenkraft aufeinander ausüben. Dadurch wird Gas aus den Galaxien gerissen und im Laufe der Zeit hat sich diese „Magellansche Brücke“ gebildet. Die darf aber nicht mit dem „Magellanschen Strom“ verwechselt werden; das ist eine Brücke die beide Wolken mit der Milchstraße verbindet. Sie besteht aus sogenannten „Hochgeschwindigkeitswolken“: Das sind Wolken aus Wasserstoff die sich, wie der Name schon andeutet, sehr schnell bewegen. Schneller als man es erwarten würde wenn sie Teil unserer Milchstraße wären beziehungsweise nur durch deren Gravitationskraft beeinflusst würden. Wo sie genau herkommen und warum sie so schnell sind weiß man noch nicht. Man geht aber davon aus dass auch sie durch die Gezeitenkraft zwischen Milchstraße und Magellanschen Wolken entstanden sind; es kann auch sein dass die Wolken Rest früherer Kollisionen zwischen den Magellanschen Wolken und der Milchstraße sind. So eine galaktische Kollision ist ja keine Kollision im eigentlich Sinn; dabei stößt nichts zusammen. Beide Objekte durchdringen sich, können dabei aber Gas und Sterne aus der jeweils anderen Galaxie heraus reißen. Das könnte bei den Magellanschen Wolken passiert sein – oder aber auch nicht.

Denn bisher dachte man immer, die Magellanschen Wolken wären Begleiter der Milchstraße; würden sie also umkreisen in etwa so wie das auch die Planeten bei der Sonne tun. 2006 ist es Astronomen aber gelungen die Geschwindigkeit mit der sich die Wolken bewegen sehr genau zu messen. Und es zeigte sich, dass die beiden Wolken eigentlich viel zu schnell sind. Die Kleine Magellansche Wolke bewegt sich mit 378 Kilometern pro Sekunde durch den Weltraum; die Große Wolke ist mit 302 Kilometer pro Sekunde unterwegs.

Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder sie sind trotzdem Begleiter der Milchstraße; dann aber müsste unsere Galaxie mehr Masse haben als wir bisher dachten. Nur dann würde sie es schaffen die beiden Magellanschen Wolken trotz deren hoher Geschwindigkeit in einer Umlaufbahn zu halten. Oder aber sie sind keine Begleiter sondern einfach nur kurz zu Besuch. Obwohl „kurz“ hier natürlich astronomisch zu verstehen ist: Sie würden die Umgebung unserer Milchstraße erst in ein paar Milliarden Jahren verlassen. Auch die Geschwindigkeit der beiden Magellanschen Wolken in Bezug aufeinander ist ziemlich hoch. Das deutet entweder darauf hin, dass sie nichts miteinander zu tun haben und sich nur zufällig in etwa der gleichen Region des Milchstraßenumgebung aufhalten. Es kann aber andererseits auch erklären warum die beiden Wolken, die sich so nahe sind, bis jetzt noch nicht miteinander verschmolzen sind. Wenn sie trotz dieser hohen Geschwindigkeiten gravitativ aneinander gebunden sind dann dauert es einfach noch, bis die Verschmelzung stattfindet.

Die Große Magellansche Wolke im Infrarotlicht - man sieht vor allem den Staub (Bild: ESA/NASA/JPL-Caltech/STScI)
Die Große Magellansche Wolke im Infrarotlicht – man sieht vor allem den Staub (Bild: ESA/NASA/JPL-Caltech/STScI)

Es gibt also noch jede Menge offenen Fragen was die beiden Nachbargalaxien angeht. Wir werden sie weiter beobachten – und hoffen das die Beobachtung auch in Zukunft so ergiebig sein wird wie in der Vergangenheit. Ende des 19. Jahrhunderts hat man dort eine spezielle Art von Sternen mit veränderlicher Helligkeit entdeckt mit denen es später gelang die Entfernung zu anderen Galaxien zu messen (wie ich in Folge 20 der Sternengeschichten erzählt habe). 1987 hat man dort die berühmte Supernova 1987A beobachtet, die letzte Supernova die in unserer unmittelbaren kosmischen Umgebung stattgefunden hat (und die auch das Thema von Folge 119 der Sternengeschichten war).

Die beiden kleinen Zwerggalaxien in unserer Nähe sind eine einmalige Möglichkeit fremde Sternsystem im Detail zu beobachten. Von den ersten südafrikanischen Stämme die vor ein paar zehntausend Jahre zum Himmel auf diese beiden Wolken geschaut haben bis zu den Astronominnen und Astronomen der Gegenwart die die Galaxien mit ihren Teleskopen studieren: Die Magellanschen Wolken werden uns auch in Zukunft beschäftigen.

18 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 243: Die große und die kleine Magellansche Wolke“
  1. Vielen Dank! Sag, wenn man mehr über die dunkle Materie wissen wollte, könnte man dann eigentlich quasi in der Draufsicht eine Art Gaia projekt für die magellansche Wolke machen und daraus sinnvolle Schlüsse ziehen? Oder reichen die Daten aus Gaia über unsere Milchstraße da vollkommen aus?

  2. @FF
    wurden die beiden Magellanschen Wolken im Bild der Paranal-Sternwarte nachbearbeitet oder ist das der tatsächlichen Augenanblick ?

  3. @Stephan
    Weil man sowohl sehr viele Sterne als auch die Umgebung sehr deutlich sieht, denke ich, dass jegliches Licht stärker dargestellt wird als es für das nackte Auge ist.

  4. @

    wurden die beiden Magellanschen Wolken im Bild der Paranal-Sternwarte nachbearbeitet oder ist das der tatsächlichen Augenanblick ?

    Den Begriff Augenanblick würde ich persönlich nicht verwenden, da er sehr speziell ist. Ändert sich der Augenanblick, wenn man die Belichtungszeit der Kamera ändert?
    Ich persönlich würde von Rohdaten (Primärdaten) sprechen. Diese Rohdaten werden, wir der Name schon andeutet, einer Weiterverarbeitung zugeführt.

  5. @Karl-Heinz:

    Ich glaube, @Stephan meint „Augenanblick“ wörtlich.

    Dh. er fragt sich, wie der Himmel mit freiem Auge aussehen würde, stünde man da auf der Hochebene in Chile. Dein Einwand mit der „Belichtungszeit der Kamera“ passt also hier nicht wirklich …

    Und, nein. Man würde nicht das gleiche Bild sehen, auch wenn der Anblick des Himmels da oben mit Sicherheit grandios ist.
    Aber man würde nicht soviele Sterne sehen und die Magellanschen Wolken wären nur kleine, milchige Flecken.

  6. @Stephan

    Astronomische Objekte sehen äußerst selten visuell so aus, wie auf Fotoaufnahmen, weil man lichtschwache Objekte lange belichtet und dann auch Farben sichtbar werden, die das bloße Auge nicht erkennen kann (die lichtempfindlichsten Sehzellen im menschlichen Auge können keine Farben sehen). Aber auch schon durch die schiere Belichtungszeit sieht ein Gasnebel oder eine Galaxie auf Fotos viel beeindruckender als mit bloßem Auge aus.

    Die Magellanschen Wolken habe ich zwar leider noch nicht mit eigenen Augen gesehen (jedoch viele andere Galaxien), aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die unauffälliger als auf dem Bild oben sind. Sie dürften unter dunklen Bedingungen wie kleine Ausschnitte des Milchstraßenbandes aussehen, ohne viel Struktur außer ihrer Umrisse, und nur schwach leuchtend. Und sicher kleiner als auf dem Foto oben, man wird nur die hellsten Zonen im Kern erkennen.

    Genau so ist das auch bei der großen Andromeda-Galaxie, die eigentlich 8 Vollmonddurchmesser hat, aber man sieht mit bloßem Auge nur einen winzigen, lichtschwachen Klecks im Zentrum der Galaxie, nicht mal halb so groß wie der Vollmond. Und auch nur, wenn’s richtig dunkel und klar ist. Ein Feldstecher hilft allerdings.

  7. Danke, Alderamin.
    Da sich beim Betrachten des Fotos meine Nackenhaare deutlich sichtbar aufgerichtet haben und ich (natürlich) weiß, daß am Himmel mit bloßem Auge eigentlich nichts sichtbar ist, wollte ich es genau wissen.
    Ich hatte bereits angefangen zu sparen, um zur Paranal-Sternwarte zu trampen, aber das kann ich mir wohl ersparen.
    Hier mal zum Staunen zwei Aufnahmen ähnlichen Formats (nicht von mir):
    https://www.lensart.ru/picture-pid-73c8a.htm
    https://www.lensart.ru/picture-pid-7352e.htm

  8. @Stephan:
    Wohlbemerkt, die von dir verlinkten Bilder sind heftige Kompositionen, bei denen weit entfernte Objekte in starker Vergrößerung mit Erdaufnahmen kombiniert wurden. Bei ESA-Bildern kommt Zusammensetzung nur da vor, wo der Sichtwinkel mit einem Bild nicht ausgereicht hat. Ansonsten verfremden die Aufnahme gegenüber dem Visuellen nur Belichtungszeit und Verzerrung durchs Objektiv, wie das erste Foto oben.

    Mal abgesehn von deiner Ironie — Paranal und die anderen wissenschaftlich genutzten Sternwarten werden kaum offen sein für Tourismus, und wenn, nur sehr eingeschränkt. Um mit in etwa Gleichgesinnten den Südhimmel zu betrachten gibt es bessere Möglichkeiten, nämlich Astro-Reisen nach zB. Namibia. Siehe auch astro-namibia.com und astronomische-reisen.de .

  9. ja, sehr sehr heftige Kompositionen und nur sehr schwer von Kitsch zu unterscheiden. ))

    Auch nach Namibia müßte ich trampen. Da bleiben mir nur die irrsinnigen NASA-Aufnahmen, um die Nackenhaare zum Aufrichten zu bringen.
    Mein Vater hatte einen dicken Brockhaus von ca. 1948, in dem ich als gerade Lesenkönnender begann zu stöbern. Ich erinnere mich noch genau an den ungeheuren Faustschlag, den ich mitten in’s Gesicht erhielt und den nachfolgenden nicht enden wollenden tiefen Glockenschlag in meinem Kopf, als ich zum erstenmal die Seite mit dem Pferdekopf-Nebel erblätterte…

  10. @Braunschweiger

    Es gibt, glaube ich, Führungen, jedenfalls auf Teneriffa, La Palma und auf Hawaii.

    Man muss aber gar nicht unbedingt bis auf die Südhalbkugel, um die Magellanschen Wolken zu sehen, 10°-15° nördlich des Äquators sollte reichen, wenn’s die richtige Jahreszeit ist (Winter). Also etwa Kapverden, Thailand oder ABC-Inseln. Alpha Centauri und das Kreuz des Südens habe ich von Curacao aus schon gesehen.

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