Wer an der Bushaltestelle „Nord/Gladen“ in Trofaiach steht, merkt nicht sofort dass er sich an einem ganz besonderen Ort befindet. Man kann dort mit dem Autobus nach Leoben fahren (oder dort aussteigen falls man von Leoben kommt). Man kann sich die Erzherzog-Johann-Strasse oder den Hafningerplatz anschauen. Aber eigentlich gibt es dort, am nördlichen Ende der kaum 11.300 Einwohner starken Kleinstadt in der Steiermark nicht viel zu sehen. Aber! Wer, an der Bushaltestelle wartend, einen Blick auf die Uhr wirft bekommt hier etwas zu sehen, was man nicht so oft zu sehen bekommt: Genau dort stimmt nämlich die von der Uhr angezeigte Mitteleuropäische Zeit (die Sommerzeit ignorieren wir jetzt mal) mit der astronomischen Sonnenzeit exakt überein!

Überraschend interessant: Trofaiach (Bild: Obersteirer, public domain)
Überraschend interessant: Trofaiach (Bild: Obersteirer, public domain)

Das liegt allerdings nicht an irgendeiner mythischen Qualität der obersteirischen Kleinstadtbushaltestelle. Sondern an der Tatsache, dass sie sich exakt auf dem 15. Längengrad östlich von Greenwich befindet. Diese Linie führt vom Nordpol der Erde zum Südpol und durchquert Österreich von Norden nach Süden fast an seiner breitesten Stelle. Trotzdem findet man unterwegs kaum größere Ansiedlungen. Aus Tschechien kommend und an der nördlichsten Gemeinde Österreichs (Rottal) vorbei führt sie durch den Waldviertler Wald und streift gerade noch die östlichen Ausläufer der Kleinstadt Gmünd. Weiter geht es mitten durch einen Bauernhof in Großschönau, ein paar andere niederösterreichische Landwirtschaftsbetriebe, ein Sägewerk in Zweres, über Wald, Feld, Wiese und die B38, die Sandkiste am Kinderspielplatz von Großgrundholz und… ja – ich glaube die Idee ist klar. Geographisch und kulturell kriegt der 15. Längengrad nicht viel zu sehen. Bei Isperdorf kreuzt er die Donau, schwindelt sich über einen Truppenübungsplatz und die A1 bevor er dann nach einer weiteren ereignislosen Reise die Bushaltestelle in Trofaiach erreicht. Weiter südlich gibt’s dann wirklich nichts mehr, außer Bergen und Wäldern und irgendwann verabschiedet sich der 15 Längengrad grußlos mitten im Nirgendwo über die Grenze nach Slovenien.

Wenn man also die Möglichkeit haben will, irgendwo in Österreich an einem geografisch passenden Platz über die Zeit nachzudenken an dem man auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt, dann bleibt nur Trofaiach! Und nachzudenken gibt’s einiges.

Zum Beispiel darüber, dass man seine Zeit nicht nur mit Arbeit verbringen sollte. Deswegen nutze ich auch den Juli um genau das nicht zu tun. Arbeiten nämlich; stattdessen mache ich Urlaub. Gearbeitet habe ich dafür schon vorher weswegen es in meiner Abwesenheit einen ganz Schwung Artikel zu den verschiedensten Themen zu lesen geben wird. Den Großteil wird eine Serie zum Klimawandel ausmachen, aber es gibt auch andere Themen.

15 Grad östlich von dieser Linie liegt unsere Zeit!
15 Grad östlich von dieser Linie liegt unsere Zeit!

Über die Geschichte mit der Zeit (in diesem Fall die normale Uhrzeit und nicht das fundamentale physikalische Phänomen „Zeit“) habe ich in der Vergangenheit schon oft geschrieben. Bei der Planung meiner Sommerurlaubsfahrradtour ist mir dieses Thema aber wieder eingefallen – denn die führt mich fast durch Trofaiach durch. Nicht ganz; ich starte in Lienz in Osttirol, radle dann an der Drau entlang durch Kärnten bevor ich bei Lavamünd Richtung Norden abbiege und dann über Judenburg nach Leoben (gleich neben Trofaiach!) und Mürzzuschlag über den Semmering und dann weiter durch Niederösterreich bis Wien fahre. Und das, so hab ich mir gedacht, wäre doch eine gute Gelegenheit um zum Auftakt der Reise nochmal auf meine bisherigen Artikeln zum Thema „Zeit“ hinzuweisen:

Ich habe sicher noch viel mehr über die Zeit geschrieben – aber nicht die Zeit alle Artikel zu durchsuchen 😉 Sind ja auch schon mehr als 5000 – ich habe offensichtlich ziemlich viel Zeit mit dem Blog verbracht…

Ein paar Dinge muss ich noch erledigen und am Mittwoch geht’s dann zuerst kurz nach München und am Donnerstag nach Tirol!

Falls ihr auch Urlaub macht, dann wünsche ich euch viel Spaß dabei. Und vielleicht kommt ihr ja auch in Trofaiach vorbei! Wenn ja, dann schickt mir ein Foto. Oder noch besser: Wer mir das coolste Foto von sich an der Bushaltestelle „Nord/Gladen“ in Trofaiach schickt (auf dem auch erkennbar sein muss das dieser Blogartikel die Motivation für dieses spezielle Sightseeing war), gewinnt ein signiertes Exemplar eines meiner Bücher!

12 Gedanken zu „Die außerordentliche Zeit in Trofaiach“
  1. He! Is ja gleich bei mir um die Ecke!
    Weißt du schon ungefähr wann du zwischen Judenburg und Leoben sein wirst?
    In Leoben ist die Gösser Brauerei…
    Bier?

  2. Gearbeitet habe ich dafür schon vorher weswegen es in meiner Abwesenheit einen ganz Schwung Artikel zu den verschiedensten Themen zu lesen geben wird.

    Es ist schon sagenhaft, in welchem Tempo Du gedruckten Text von hoher Qualität produzierst. Blog mit Sommer- und Adventsrätsel, Bücher, Spektrum-Formel-Kolumne, den einen oder anderen Zeitungsartikel. Dazu noch 2 Podcasts, Science Busters, Clips für’s ZDF… Hut ab und Danke dafür!

  3. „Geographisch und kulturell kriegt der 15. Längengrad nicht viel zu sehen.“

    Ähem – in Österreich vielleicht. In Deutschland kreuzt der 15. Längengrad die schöne und für die Gegend recht alte Stadt Görlitz.
    Viele Grüße in den Süden

    1. @RG: „Ähem – in Österreich vielleicht. In Deutschland kreuzt der 15. Längengrad die schöne und für die Gegend recht alte Stadt Görlitz.“

      Ähem – dort war ich und meinen Besuch mein 15. Meridian in Görlitz hab ich auch in der Liste der Artikel zur Zeit oben verlinkt.

  4. Diese Haltestelle war Ausgangspunkt einer Abenteuer meiner Kindheit/Jugend. Danke, dass sie auch außerhalb davon Bedeutung findet.

  5. Diese Bushaltestelle war auch mein Lieblingspunkt in meiner Jugendzeit ca. 10 Jahre alt. Wir hatten dazumal einen Buschauffeur mit dem Gelenkbus, welcher mich immer nach Leoben mitnahm ( ohne Bigliette ) und wieder zurückbrachte. Damals wollte ich Buschauffeur werden. Es war für mich eine der schönsten Zeiten in meiner Jugend. Entweder war ich vorne beim Chauffeur oder in der Mitte beim Gelenk. Kann mich noch gut erinnern dass er während seiner Ruhepause immer ein Butterbrot mit viel Knoblauch und Salz zu sich nahm. Die Reichensteinstrasse war auch für meine Schwester eine Sache für sich. Wenn Sie mit dem Bus nach Leoben fuhr, kam es ziemlich häufig vor, das der Bus vor der Reichensteinstrasse 36 stehenblieb, um meine verspätete Schwester aufzunehmen. Sie war ewig zu spät. Wie die gesamte Familie ( Vater, Mutter, Bruder und ich mit dem Zug ) Es war immer ein Spiel mit der letzten Minute.

  6. …. der 15te längengrad durch trofaiach is mir bekannt..
    net an der bushaltestelle in der nordsiedlung – soweit hob i no nie gschaut – aber beim billa in der west.
    der linkeste parkplatz vom eingangsbereich ( neben der lagerabfahrt ) wird vom 15ten genau mittig-senkrecht durchquert.
    ( quelle: google earth, bemaßung )

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