Wenn ich sage, dass ich euch unbedingt von einer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Titel „A sharper view of Pal 5’s tails: Discovery of stream perturbations with a novel non-parametric technique“ erzählen will, dann reißt euch das wahrscheinlich nicht sofort vom Hocker. Und der Titel klingt auch tatsächlich ein wenig trocken und technisch. Aber diese Arbeit ist ein wunderbares Beispiel für die enorme Kreativität die in der astronomischen Forschung zu finden ist.

Der Himmel ist cool - aber auch weit weg... (Bild: ESO/Y. Beletsky)
Der Himmel ist cool – aber auch weit weg… (Bild: ESO/Y. Beletsky)

Kreativität, die unbedingt notwendig ist! Die Forschungsobjekte der Astronomen sind weit entfernt und den Wissenschaftlern direkt nicht zugänglich. Die Astronomie hat da einen massiven Nachteil gegenüber den anderen Naturwissenschaften. Uns Astronomen bleibt nur das Licht; nur ein paar Photonen aus dem fernen All die wir mit unseren Teleskopen registrieren können und daraus müssen wir all das ableiten, was wir herausfinden wollen. Ohne Kreativität kommt man hier nicht weiter – und das gilt umso mehr, wenn es um die Erforschung dunkler Materie geht.

Über dieses Phänomen habe ich schon sehr ausführlich berichtet: Dunkle Materie ist Materie, die sich von der normalen Materie massiv unterscheidet. Sie wechselwirkt so gut wie gar nicht mit elektromagnetischer Strahlung. Wir haben hier also nicht mal mehr Photonen, die wir untersuchen können! Aber zum Glück gibt es noch die Gravitation: Dunkle Materie hat eine Masse und übt dadurch eine Gravitationskraft auf ihre Umgebung aus. So macht sie sich bemerkbar und so kann man sie auch erforschen.

Der Großteil der Materie im Universum ist dunkle Materie. Die „normale“ Materie aus der zum Beispiel die hell leuchtenden Sterne einer Galaxie bestehen, stellen nur einen kleinen Teil dessen dar, was wirklich vorhanden ist. Überall im Kosmos befinden sich riesige Wolken aus dunkler Materie die mit ihrer Gravitationskraft die normale Materie in ihre Zentren gezogen haben. Dort haben sich daraus Sterne und Galaxien gebildet. Auch unsere Milchstraße ist in so eine Wolke aus dunkler Materie eingebettet. Die kosmologischen Theorien mit denen die Entstehung des Universums und der Galaxien beschrieben werden sagen aber auch die Existenz kleinerer dunkler Materiewolken vorher. Dort haben sich keine Sterne gebildet; sie sind fast komplett dunkel und man nennt sie daher auch oft „dunkle Galaxien“.

Sie mögen zwar nicht leuchten, aber Masse haben sie! Eine dunkle Galaxie kann ein paar hunderttausend bis zu einer Million mal schwerer als unsere Sonne sein. Wie viele es von ihnen in unserer Umgebung gibt, wissen wir nicht – aber es wäre gut, das zu wissen! Denn wir wissen ja auch noch nicht genau, aus was die dunkle Materie eigentlich besteht. Man unterscheidet drei grundlegende Modelle: Kalte dunkle Materie, warme dunkle Materie und heiße dunkle Materie. Diese Bezeichnung hat nur bedingt etwas mit der klassischen Temperatur zu tun – auch Wärme ist ja nichts anderes als elektromagnetische Strahlung; also Licht und dunkle Materie wechselwirkt nicht mit Licht…

Computersimulation zur Verteilung dunkler Galaxien mit verschiedenen Modellen dunkler Materie. Links: kalt; rechts: warm (aus Boehm et al, 2014)
Computersimulation zur Verteilung dunkler Galaxien mit verschiedenen Modellen dunkler Materie. Links: kalt; rechts: warm (aus Boehm et al, 2014)

Heiße dunkle Materie würde aus Teilchen bestehen, die sich sehr schnell bewegen – zum Beispiel Neutrinos. Von denen gibt es aber nicht genug und auch weil sie sich so schnell bewegen, bilden sie schwer größere Strukturen und wir wissen heute, dass heiße dunkle Materie als alleinige Erklärung nicht funktionieren kann. Kalte dunkle Materie besteht aus schwereren Teilchen die sich langsamer bewegen und dieses Modell ist momentan der Favorit der meisten Forscher. Die warme dunkle Materie liegt – wenig überraschend – dazwischen. Je nachdem ob die dunkle Materie nur kalt oder warm ist, müssten sich mehr oder weniger dunkle Galaxien in der Umgebung der Milchstraße gebildet haben. Nur: Wie soll man das überprüfen, wenn man die Dinger nicht sehen kann!

Genau da kommt jetzt die Arbeit mit dem komplizierten Titel ins Spiel, von der ich zu Beginn geschrieben habe. Denis Erkal von der Universität Cambridge und seine Kollegen haben sich genau das überlegt und sind bei den Sternströmen gelandet. Über Sternströme habe ich hier schon mal ausführlich berichtet: Wie der Name schon sagt handelt es sich um langgezogene Ansammlungen von Sternen. Sie entstehen, wenn zum Beispiel kleine Zwerggalaxien einer großen Galaxie wie unserer Milchstraße zu nahe kommen und durch deren Gezeitenkräfte auseinander gerissen werden. Wir kennen einige solcher Ströme die sich kreuz und quer durch die Milchstraße ziehen und die Überbleibsel verschiedenster Mini-Galaxien darstellen, die unsere Galaxis in der Vergangenheit gefressen hat.

Ein solcher Sternstrom ist Palomar 5; ursprünglich ein Kugelsternhaufen der durch die Gravitationskraft der Milchstraße zu einem langgestreckten Sternstrom verformt worden ist. Erkal und seine Kollegen haben sich genau diesen Sternstrom angesehen und sehr detaillierte Beobachtungen gemacht. Sie haben vor allem bestimmt, wie sich die Dichte der Sterne in unterschiedlichen Bereichen des Sternstroms verändert.

Ihre Idee: Wenn es die dunklen Galaxien gibt, dann kann man sie zwar nicht sehen, aber die von ihnen ausgeübte Gravitationskraft muss das beeinflussen, was man sehen kann. Zum Beispiel die Sternströme und dort die Dichte der Sterne. Je nachdem wie oft ein Sternstrom einer dunklen Galaxie begegnet muss er mehr oder weniger Bereiche mit verringerter Sterndichte aufweisen. Die Interaktion mit den dunklen Galaxien macht den Sternstrom quasi „klumpig“ und aus der Größe und Anzahl der Klumpen kann man auf die Masse und Anzahl der dunklen Galaxien schließen.

Genau solche Klumpen haben Erkal & Co bei Palomar 5 gefunden. Sie deuten auf zwei vergangene Begegnungen mit dunklen Galaxien hin: Eine mit einer Masse von einer Million Sonnenmassen; einer mit einer Masse von 100 Millionen Sonnenmassen. Die Ergebnisse sind allerdings (noch) nicht eindeutig; die Klumpen in Palomar 5 könnte man auch ohne dunkle Galaxien erklären; zum Beispiel durch die Wechselwirkung des Sternstroms mit großen interstellaren Gaswolken.

Künstlerische Darstellung des Verlaufs einiger bekannter Sternströme (Bild: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC/Caltech))
Künstlerische Darstellung des Verlaufs einiger bekannter Sternströme (Bild: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC/Caltech))

Aber es ist ein erster Schritt! Es ist eine weitere Möglichkeit, wie die Astronomen das Unsichtbare sichtbar machen können; eine weitere kreative Methoden um mehr Informationen aus den paar Photonen zu kitzeln die unsere irdischen Teleskope erreichen. Eine umfassende Analyse der galaktischen Sternströme liefert vielleicht in Zukunft eine bessere Statistik über die Anzahl dunkler Galaxien in unserer Umgebung und macht es möglich zu unterscheiden, ob die warme oder die kalte dunkle Materie ein besseres Modell der Realität darstellt. Und bis dahin fallen uns sicher noch ein paar neue kreative Methoden ein, um das Universum zu verstehen!

(via astrobites)

61 Gedanken zu „Sternströme und die Suche nach dunkler Materie“
  1. Schöner Artikel, aber bei diesem Satz hier
    „auch Wärme ist ja nichts anderes als elektromagnetische Strahlung; “
    weiß ich nicht wirklich, was du sagen willst. In den meisten Fällen ist Wärme ja ungeordnete Teilchenbewegung; dass warme Objekte dann auch Licht abstrahlen (wenn sie denn mit Licht wechselwirken können) heißt ja nicht, dass Wärme em-Strahlung ist.

    1. @MartinB: „In den meisten Fällen ist Wärme ja ungeordnete Teilchenbewegung; dass warme Objekte dann auch Licht abstrahlen (wenn sie denn mit Licht wechselwirken können) heißt ja nicht, dass Wärme em-Strahlung ist.“

      Ich wollte nur klarstellen, dass man den Unterschied zwischen kalter und warmer DM nicht mit dem Thermometer bestimmen kann 😉

  2. @MartinB

    Er will damit sagen, dass Dunkle Materie nicht „warm“ heißt, weil sie (elektromagnetische) Wärmestrahlung abstrahlt – in der Astronomie manifestiert sich die Temperatur eines Objekts ja im Normalfall durch die Strahlung, die wir von ihm empfangen (wobei man entweder direkt die Temperaturstrahlung (Mikrowellen – Röntgen, je nach Quelle) empfängt, oder z.B. aus der Linienbreite von Spektrallinien auf die Temperatur schließt).

    Bei der kalten/warmen/heißen Dunklen Materie bezieht sich der Begriff nur auf die Teilchengeschwindigkeit. Mangels elektromagnetischer Wechselwirkung mit normaler Mateire kann heiße Dunkle Materie ein kaltes baryonisches Gas nicht direkt erwärmen – nur indirekt über den gravitativen Kollaps und die damit einher gehende Kompression, und gerade das kann kalte Dunkle Materie viel besser als heiße.

  3. Ich denke Dunkle Materie ist genau so ein Hirngespinst wie seinerzeit der Äther. Irgendwann wird ein neuer Maxwell oder Einstein daher kommen und uns die Augen öffnen.

  4. @Madouc

    Witzig, wo Du gerade vom Äther redest – gerade gestern hörte ich einen Vortrag vom Physik-Nobelpreisträger Frank Wilczek, wo er erläutert, dass der (übrigens laut Vortrag von Maxwell erfundene!) Äther durchaus real sei – er habe nur nicht die Eigenschaften, die man ihm zuschrieb. Das Vakuum sei dennoch ein Stoff mit Eigenschaften wie Masse, Krümmung, Druck usw.

    Er zog sogar die Analogie, dass wir in einem Supraleiter lebten. In einen Supraleiter dringen keine Magnetfelder ein, da sie von den von ihnen induzierten Strömen neutralisiert werden. Aufgrund dieser Tatsache hätten Photonen in einem Supraleiter eine Ruhemasse. Unser Teilchenzoo des Standardmodells solle aus theoretischen Erwägungen eigentlich keine Masse haben, aber in einer Analogie zum Photon im Supraleiter hätten die Teilchen im Higgs-Feld Massen. Das Vakuum als Supraleiter – hatte ich so noch nie gehört.

    Also, von wegen „Hirngespinst“…

  5. @Vortex

    1. H.P.Dürr ist schon seit 3 Jahren tot
    2. Hat er nie einen Nobelpreis bekommen
    3. Wird er gerne von christlichen Sekten missbraucht, weil er es versäumte Theologie und Physik klar zu trennen.

  6. HP Dürr ist einerder wenigen Anhänger der Bohmschen Mechanik und hat ein gleichnamiges Buch heraus gegeben. Der Reiz der Theorie ist, dass sie durchaus zu erklären versucht, „was wirklich“ passiert und sie wirft der üblichen Quantenmechanik vor, alles hinter Wahrscheinlichkeiten zu verstecken. Ist das nun zutreffend? Kann ich nicht sagen. Ich war für die Mathematik dann doch eine Nummer zu klein.

  7. „Prof. Hans Peter Dürr, Träger des großen Bundesverdienstkreuzes und des alternativen Nobelpreises…“

    ah, daher der „nobelpreisträger“; den unterschied kennste doch wohl hoffentlich, @vortex? was aber letztendlich egal ist, nobelpreisträger sind auch nur menschen und geben teils wunderliche dinge von sich, die nicht ihr fachgebiet betreffen, vielleicht sollte man zum galileo-gambit mal langsam auch das „nobelpreis-gambit“ als ausdruck in der diskussion etablieren 😉

    https://rationalwiki.org/wiki/Nobel_disease
    https://rationalwiki.org/wiki/Argument_from_authority

  8. Eine Laienfrage: Könnte dunkle Materie von einem schwarzen Loch „angesaugt“ werden; sich dadurch irgendwie bemerkbar machen?

    1. @Skeptiker: Erstmal sind schwarze Löcher keine Staubsauger: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/01/12/schwarze-locher-sind-keine-staubsauger/ Und DM wird von der Gravitationskraft genau so beeinflusst wie ganz normale Materie – aus Sicht eines schwarzen Lochs macht es keinen Unterschied was das für Materie ist. „Bemerkbar“ wird sie dadurch aber nicht. Es gibt aber genug andere Methoden, wie man sie bemerken kann: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2013/06/26/dunkle-welten-alles-uber-dunkle-materie-die-komplette-serie/

  9. Der „Staubsauger“ war ja nicht wörtlich gemeint. Eher die Frage, ob DM überhaupt im schwarzen Loch „verschwinden“ kann (analog normaler Materie – und damit einen Teil dessen Masse ausmachen könnte).

  10. @SkeptikSkeptiker

    Schwarze Löcher sind sehr kleine Ziele, die schwer zu treffen sind. Materie kann im wesentlichen deshalb da rein fallen, weil sie sich zuerst in einer Scheibe sammelt, dann durch Reibung erhitzt und abbremst (ein Großteil wird jedoch von den im Plasma entstehenden Magnetfeldern weggeblasen) und dann allmählich in das Schwarze Loch hinein spiralt. Die Strahlung der heißen Plasmascheibe macht den Vorgang sichtbar.

    Dunkle Materie kann mangels Elektromagnetismus weder eine Scheibe bilden, noch durch Reibung Energie abgeben undf sich abbremsen, noch Magnetfelder erzeugen, noch strahlen. Sie muss das winzige (ein paar Kilometer Durchmesser; supermassive höchstens ein paar Millionen) Schwarze Loch schon frontal treffen. Und dann würde niemand was davon mitbekommen. Zusammen mit der Tatsache, dass die Dunkle Materie nur eine geringe Dichte hat (irgendwas in der Größenordnung von drei Protonenmassen pro Kubik(zenti?)meter habe ich im Kopf), fällt davon ganz selten mal was in ein Schwarzes Loch hinein.

    Aber ja, in kleiner Menge passiert das sicherlich. Nur eben im Verborgenen.

  11. „Wäre es nicht besser investiert in z.B. astrogeologische Erdbebenforschung?“

    herzallerliebst; der meister der erdbeben“vorhersage“ mal wieder. sache mal, @markus, willste dich nich mal mit „ichBinDerMessias“ „Dr.“ MT Ke$he zusammensetzn? der hat ja nich nur einmal den untergang der usa in nem supidupimegabeben der stärke 20(!) vorherjesacht. könntest mit doinem fachwissn da richdi wat reissn.

  12. ohgraus, falscher thread. peinlich. wenn du die möglichkeit hast @FF, vorherigen kommentar gerne vernichtn. ansonsten mea culpa (oder eigentlich sowieso).

    (oder als reminder meiner schusseligkeit stehnlassn, whatever, sorry)

  13. @Florian
    „Ich wollte nur klarstellen, dass man den Unterschied zwischen kalter und warmer DM nicht mit dem Thermometer bestimmen kann“
    Aber das liegt doch eher daran, dass es keine Wechselwirkung mit normaler Materie gibt (ein normales Thermometer nimmt ja Wärme nicht durch Strahlung auf). Das wiederum hängt natürlich an der elektromagnetischen Wechselwirkung – im wesentlichen aber an der Coulomb-Wechselwirkung.
    Insofern verstehe ich, was du meinst, habe aber Sorge, dass jemand den Satz gründlich missverstehen kann.

  14. @Madouc / #3

    Der bessere Vergleich ist wahrscheinlich Phlogiston (https://de.wikipedia.org/wiki/Phlogiston)

    In der frühen Neuzeit konnte sich die Wissenschaft Gewichtsänderungen bei vielen Stoffumwandlungsprozessen nicht erklären. Denn eigentlich sollten die Endprodukte in der Summe genausoviel wiegen, wie die Ausgangsmaterialien. Also wurde postuliert, daß alle Materialien eine gewisse Menge des Stoffes „Phlogiston“ enthielten, der bei bestimmten Prozessen entweicht (z.B. bei Verbrennung) bzw hinzugefügt wird. Dieser Stoff war mit den verfügbaren Mitteln nicht nachweisbar, war aber eine in sich logische Erklärung für die experimentellen Beobachtungen – die verworfen wurde sobald man die tatsächlichen Ursachen erkannt hatte

  15. @Norbert, Madouc

    Bei der Dunklen Materie ist man allerdings schon so weit, dass man sie großräumig sehr genau verorten kann, indem man misst, wie sie um und zwischen Galaxien das Licht ablenkt. Sie verteilt sich anders als die sichtbare Materie, etwa in kugelförmigen Halos um scheibenförmige Galaxien oder in Filamenten zwischen Galaxienhaufen.

    https://arstechnica.com/science/2012/07/dark-matter-is-the-thread-connecting-galaxy-clusters/
    https://www.naturalhistorymag.com/features/011330/dark-matter

    Man kann ausschließen, dass sie aus gewöhnlicher Materie besteht, denn das Verhältnis von Wasserstoff zu Helium und Lithium im ursprünglichen Gas sagt etwas darüber aus, wie dicht das Universum während der kurzen Fusionsphase war, als Helium und Lithium entstanden, und setzen enge Grenzen für die Dichte der Protonen und die frühe Expansionsgeschwindigkeit des Universums, aus der man berechnen kann, wie viel Masse insgesamt im Spiel war und wieviel davon baryonisch. Da kommt man auf einen Wert, der sehr gut zum heutigen Verhältnis von Dunkler zu baryonischer Materie passt. Das sieht nicht nach Zufall aus.

    Dass man die Teilchen der Dunklen Materie noch nicht gefunden hat, heißt nicht viel, nur dass sie offenbar selten mit gewöhnlicher Materie wechselwirken – diese Wechselwirkung benötigen wir zur Beobachtung.

    Ein aktueller Kandidat sind z.B. Axionen, die der oben von mir verlinkte Frank Wilczek postuliert hat (einen guten Artikel dazu gibt’s in der englischen Wikip‌edia). Sie lösen das Problem der eigentlich erwarteten, aber nicht beobachten CP-Verletzung der Quantenchromodynamik, und könnten in der frühen Phase des Universums in großer Menge entstanden sein. Ihr Nachweis wäre z.B. darüber möglich, dass sie sich in starken Magnetfeldern in Photonen umwandeln könnten (bzw. auch Photonen in Axionen, die dann z.B. durch Wände dringen könnten).

  16. hmm … was mir bei der ganzen dunklen Materie im dunklen bleibt … wenn sie nie mit unserer Materie interagiert, wenn sie keinerlei Strahlung oder ähnliches kennt … was hindert dunkle Materie eigentlich daran, dass sie zusammenfällt auf ein großes schwarzes Loch aus dunkler Materie? gibt ja keinen Strahlungsdruck, der sie auseinander hält … nur einen Eigenimpuls, der sie in Bewegung hält, aber der ständig gegen die Gravitation der Materie ringsum (dunkel oder nicht) angehen muss.

  17. Ich habe mal von der Theorie des NASA-Wissenschaftlers Alexander Kashlinsky gelesen, wonach es sich bei der dunklen Materie nicht um irgendwelche exotischen Elementarteilchen sondern ganz „stinknormal“ um eine große Anzahl primordialer schwarzer Löcher handelt.

    Wird diese Theorie unter den Experten überhaupt ernsthaft in Betracht gezogen? Oder ist das eine unsinnige Minderheitenansicht?

  18. @Siskin:

    Die Dunkle Materie kann fast sicher nicht klumpen, und daher kann sie sich wohl auch nicht zu dermaßen großen Massekonzentrationen zusammenballen, dass ein Schwarzes Loch entstehen könnte. Sie fällt also quasi immer an sich vorbei.

    Abgesehen davon ist es nicht gesagt, dass sie niemals mit normaler Materie wechselwirkt. Die mit ähnlichen Eigenschaften versehenen Neutrinos wechselwirken auch so gut wie nie mit baryonischer Materie, manchmal aber eben doch. Anders hätte man sie ja auch nie nachweisen können.

  19. @Siskin

    was hindert dunkle Materie eigentlich daran, dass sie zusammenfällt auf ein großes schwarzes Loch aus dunkler Materie?

    Dass sie nicht aneinander pappen bleibt. Und dass Gravitation nicht nur anzieht, sondern auch beschleunigt. Wenn DM-Teilchen sich gegenseitig anziehen und aufeinander zu fallen, werden sie schneller und schneller. Wenn sie nicht direkt kollidieren (und sie werden sehr winzig sein, ohne von elektrischen Feldern umgeben zu sein, wie normale Materieteilchen), dann fallen sie einfach aneinander vorbei und entfernen sich wieder voneinander. Eine Wolke Dunkler Materie kann sich nur so weit zusammenziehen, dass die schnellsten Teilchen bis zum Rand hin wieder abgebremst werden und zurück fallen. So kann die DM sich nicht hinreichend verdichten.

    @Heljerer

    Wird wohl ernst genommen, soweit ich das sehe. Gerade nach dem LIGO-Nachweis von Gravitationswellen aus Schwarzen Löchern von ca. 30 Sonnenmassen. Dagegen spricht, dass z.B. die MACHO-Suche nach Mikro-Gravitationslinsen-Events nicht die benötigte Zahl von Ereignissen produziert hat, die man für die Dunkle Materie erwartet hätte.

    https://www.space.com/33122-dark-matter-black-hole-connection.html
    https://www.sciencemag.org/news/2017/02/dark-matter-made-black-holes

    Nochmal @Siskin:

    Selbst wenn die DM Schwarze Löcher von 30 Sonnenmassen wären, dann wären sie hinreichend klein und dünn gesät im Raum, dass sie nur äußerst selten kollidieren würden, und deshalb gilt das oben beschriebene auch in diesem Fall, nur auf größerer Skala. Die Schwarzen Löcher würden nicht (bzw. sehr selten) zu noch(viel) größeren Schwarzen Löchern verschmelzen.

  20. @CaptainE:

    „Sie fällt also quasi immer an sich vorbei“

    jezz weiss ich endlich, *wie* arthur dent den boden verfehlt um zu fliegen; paralelluniversum, in dem die sichtbare materie -im gegensatz zu unserem- aus DM besteht…

  21. @DasKleineTeilchen:

    Dazu braucht es keine Dunkle Materie. Douglas Adams Beschreibung des Fliegens passt wie die Faiust aufs Auge auf die Art und Weise, wie Erde, Mond(e), Planeten, Satelliten auf ihren Bahnen fallen und immer weiter fallen und doch nie auf den größeren Himmelskörper aufschlagen, der sie in ihre Bahn zwingt. Sie fallen einfach immer vorbei.

    Noch ein Beispiel zum Vorbeifallen, dass hoffentlich nicht gar so schlecht ist: Einen Himmelskörper zu treffen, ist so einfach nicht. Es geht aber, siehe etwa den ESA-Lander Schiaparelli. Betrachten wir nun das Manövrieren an den Lagrangepunkten. Nach meinem Verständnis würde ein Flugkörper, der einen Lagrangepunkt möglichst exakt ansteuert, definitiv eine Beschleunigung erfahren, die auch ein real existierender Himmelskörper an dieser Stelle ausüben würde. Nur ist da eben nichts und die anziehenenden/den Raum krümmenden Himmelskörper sind sehr weit entfernt. Der Flugkörper könnte also den Lagrangepunkt treffen oder zumindest sehr nahe passieren, aber dann einfach weiterfliegen (und dann abgebremst werden).

    So ähnlich stelle ich mir das für DM-Teilchen vor. Sie spüren die Anziehung und werden in Richtung auf Massen (baryonisch oder nicht-baryonisch) beschleunigt, aber wenn sie sie treffen, erfolgt in der Regel keine Interaktion und sie fliegen einfach auf ihrer Bahn weiter. Unserer Erfahrungswelt entspricht das natürlich nicht, hängen wir doch sehr an der Illusion von „festen Oberflächen“.

  22. Was passiert, wenn ein lebensfreundliches erdähnlichen Planeten – Sonnensystem in einer DM „Wolke“ ist? Wegen vieler Masse der DM, müsste die Schwerkraft merkbar nachlassen, weil die Wolke ja gravitativ in jede Richtung entgegen zieht (auch wenn die DM nicht geklumpt ist)? – oder? Würde sich das z.B. auf Licht (oder anderes elektromagnetisches Spektrum) auswirken?
    Sind Gravitationslinsen mit Galaxien nicht ein falscher Denkansatz? Es müssten eher so sein: Gravitationslinse entsteht durch eine DM Wolke an einer Stelle an der auch noch ein bisschen sichtbare Materie eine Galaxie bildet?
    Gibt’s auch DM ohne sichtbare Materie dazu? Wenn ja kann man beim Schauen nicht merken, dass eine DM – Gravitationslinse einem den Blick verbiegt – oder?

  23. @Captain E.ich stell mir Gravitationswirkung von DM wie die Wirkung von Licht auf der einen Seite (nämlich unserer) hinter einem Polarisationsfiler vor. Es kommt nur wenig(er) durch von der anderen Seite. In „meinem Bild“ aber statt von der anderen Seite der Scheibe von anderen Dimensionen.

    Dar Raum dahinter ist ein wenig wie Lummerland unter Wasser – in Wirklichkeit unter Wasser auch viel größer! Damit weiter…

    1. Wer sagt eigentlich, dass es nur eine Art von DM gibt? Der Effekt könnte von allen möglichen Sachen (hinter der Polarisationsscheibe kommen)

    2. Wirkt die Gravitation eigentlich nur in Richtung DM-> uns oder hat auch unsere Welt Einfluss auf die DM? Polarisationsfilter gehen in beide Richtungen aber dann springen wir gedanklich halt zu semipermeablen Wände bei Osmose – das kostet ja nichts:-)

    und viele viele andere Fragen mehr;-)

  24. @EchtSuperDasPodcast:

    Vergiss aber nicht, dass deine DM-Wolke eine arg dünne Angelegenheit ist. Da klumpt nichts zusammen und die resultierende Dichte dürfte niedriger als das bestmögliche Laborvakuum hier auf der Erde. Daher macht sich die DM ja gerade erst auf riesigen Skalen bemerkbar.
    Im Prinzip zieht die normale Materie die Dunkle natürlich an, aber es gibt nun einmal viel mehr Dunkle als Leuchtende Materie. Falls eine größere Ansammlung die Dunkle Materie zu sich zieht, fällt sie am Ende dann aber doch wieder nur hindurch oder daran vorbei.

    Es hat übrigens niemand behauptet, es gäbe nur eine Sorte von Dunkler Materie. Im Gegenteil muss es sogar mehr geben, da die bereits nachweisbaren Neutrinos in mindestens drei Sorten (Tau-, Myon-, Elektron-) daherkommen und zur Heißen Dunklen Materie zählen. Von der Kalten Dunklen Materie muss es viel mehr geben und es muss auch etwas anderes sein.

  25. @EchtSuperDasPodcast

    Was passiert, wenn ein lebensfreundliches erdähnlichen Planeten – Sonnensystem in einer DM “Wolke” ist?

    Unser Sonnensystem ist in einer DM-Wolke: derjenigen, die die Milchstraße umschließt. Stärker verdichtet sich die DM gar nicht.

    Die Menge an DM, die sich innerhalb einer Kugel mit dem Radius der Bahn von Neptun befindet, entspricht etwa der Masse eines 60 km-Asteroiden. Das ist quasi nichts. Erst durch die riesigen Entfernungen zwischen den Sternen kommt nennenswert was zusammen, so um die 4 Sonnenmassen im Radius von 4 Lichtjahren, das ist 4-mal mehr als gewöhnliche Materie in diesem Volumen (alles aus dem Kopf, ohne Gewähr, aber die Größenordnung stimmt auf jeden Fall).

    Sind Gravitationslinsen mit Galaxien nicht ein falscher Denkansatz? Es müssten eher so sein: Gravitationslinse entsteht durch eine DM Wolke an einer Stelle an der auch noch ein bisschen sichtbare Materie eine Galaxie bildet?
    Gibt’s auch DM ohne sichtbare Materie dazu? Wenn ja kann man beim Schauen nicht merken, dass eine DM – Gravitationslinse einem den Blick verbiegt – oder?

    Ich hatte oben einen Artikel verlinkt, der davon handelt, dass ein Filament aufgespürt wurde in einer Gegend, wo keine Galaxie und fast kein Gas vorhanden ist. Die Materie folgt der Bewegung der Dunklen Materie. Ansonsten verteilt sich die DM, wie gesagt, um Spiralgalaxien anders als die baryonische Materie (nämlich kugelförmig, statt in einer Scheibe). UInd dann gibt es den Bullet-Cluster, einen Galaxienhaufen, in dem zwei riesige Gaswolken im Zwischenraum zwischen den Galaxien kollidiert sind und sich gegenseitig abgebremst haben, aber die DM ist (wie auch die Galaxien selbst) durch sich selbst hindurch weiter geflogen (die meiste Materie liegt da wohl in Form des Gases vor). Es gibt noch eine handvoll ähnlicher Galaxienhaufen.

    .ich stell mir Gravitationswirkung von DM wie die Wirkung von Licht auf der einen Seite (nämlich unserer) hinter einem Polarisationsfiler vor. Es kommt nur wenig(er) durch von der anderen Seite.

    Warum soll weniger durch kommen? Die Dunkle Materie ist kein Staub, der Licht schluckt, sondern sie sendet nur kein eigenes Licht aus (sie ist eher „perfekt transparente“ denn dunkle Materie). Tatsächlich wird durch die Gravitationslinsenwirkung das Licht dahinter liegender Galaxien gebündelt und verstärkt. Die fernsten Galaxien, die wir kennen, sehen wir durch Gravitationslinsen verstärkt, das sind naürliche Teleskope.

    1. Wer sagt eigentlich, dass es nur eine Art von DM gibt?

    Niemand. Aber man wäre froh, wenn man auch nur einen Kandidaten eindeutig feststellen könnte.

    2. Wirkt die Gravitation eigentlich nur in Richtung DM-> uns oder hat auch unsere Welt Einfluss auf die DM?

    Natürlich ziehen „wir“ (Baryonen!) gravitativ auch die DM an, aber sie ist eindeutig in der Überzahl (bzw. -menge). Ist wie früher in der CDU-FDP-Koalition. Der große Partner gibt die Richtung (der Bewegung) vor, der kleine schafft nur ein bisschen Klientelpolitik (Planeten und Sterne und Leben und so).

  26. @Alderamin / #23

    Bei der Dunklen Materie ist man allerdings schon so weit, dass man sie großräumig sehr genau verorten kann, indem man misst, wie sie um und zwischen Galaxien das Licht ablenkt.

    Das war beim Phlogiston doch nicht groß anders: Man konnte für jedes Material den Phlogistongehalt ermitteln, man konnte seine Wechselwirkungen mit normaler Materie beschreiben, und man konnte experimentel verifizierbare Vorhersagen treffen. Selbst Antoine de Lavoisier (1743-94), der um 1780 die Phlogistontheorie wiederlegte, war Anfangs ein Vertreter genau dieser Theorie.

    Phlogiston war für über ein Jahrhundert die beste Erklärung der Chemie für ihre Beobachtungen – bis Lavoisier auf chemische Reaktionen stieß, die sich anders verhielten als vorhergesagt. Die Dunkle Materie ist heute die beste Erklärung der Astronomie für ihre Beobachtungen, und es spricht viel dafür, daß sie korrekt ist. Noch ist aber nicht ausgeschlossen, daß eines Tages ein neuer Lavoisier daherkommt, und mit einer besseren Erklärung die Dunkle Materie in das selbe Kuriositätenkabinett verbannt, in dem schon das Phlogiston liegt.

  27. Phlogiston war für über ein Jahrhundert die beste Erklärung der Chemie für ihre Beobachtungen – bis Lavoisier auf chemische Reaktionen stieß, die sich anders verhielten als vorhergesagt.

    Naja, wenn ich jetzt (so ausm Kopp) was sagen müßte, dann würd ich sagen, daß „anders“ in diesem Fall eigentlich nur „genau andersrum“ war: nicht Phlogiston verließ, sondern Sauerstoff betrat die Meßbühne. Zahlenwerte blieben ja gleich, weil vorher widerspruchsfrei gemessen. Neu war „lediglich“ die Idee, daß die Luft oder einer ihrer Bestandteile Reaktionspartner sein könne.

  28. @alderamin:
    > Die Menge an DM, die sich innerhalb einer Kugel mit dem Radius der Bahn von Neptun befindet, entspricht etwa der Masse eines 60 km-Asteroiden.

    Ich habe versucht, das mit LibreOffice Calc umzurechnen in Fußballfelder. Ging nicht so richtig.

    Könntest Du das umrechnen in den Radius der Kugel, die 1 kg dunkle Materie enthält? Ich nehme mal an, das ist wesentlich weniger als bei Luft oder dem besten Vakuum (das wir selbst hier auf der Erde erzeugen können).
    Aus dem Bauch heraus würde ich schätzen, dass es mindestens von der Sonne bis zu ihrer Oberfläche geht.

  29. @Alderamin:

    Dass sie nicht aneinander pappen bleibt. Und dass Gravitation nicht nur anzieht, sondern auch beschleunigt. Wenn DM-Teilchen sich gegenseitig anziehen und aufeinander zu fallen, werden sie schneller und schneller. Wenn sie nicht direkt kollidieren (und sie werden sehr winzig sein, ohne von elektrischen Feldern umgeben zu sein, wie normale Materieteilchen), dann fallen sie einfach aneinander vorbei und entfernen sich wieder voneinander. Eine Wolke Dunkler Materie kann sich nur so weit zusammenziehen, dass die schnellsten Teilchen bis zum Rand hin wieder abgebremst werden und zurück fallen. So kann die DM sich nicht hinreichend verdichten.

    Was ich da nicht verstehe, ist, dass DM zur Strukturbildung des Universums nach dem Urknall „gebraucht“ wird und das nur funktioniert, wenn die DM hinreichend stark „verklumpt“. Zitat aus w: Structure formation:

    […] this led to a crossover called matter-radiation equality at ~ 50,000 years after the Big Bang. After this all dark matter ripples could grow freely, forming seeds into which the baryons could later fall.

    Die kleinen Dichte-Schwankungen, die es nach dem Urknall (und nach Inflation) in der DM gab, haben sich also so weit verstärkt — bzw. die Dunkle Materie klumpte so stark zusammen — dass diese dann als Potentialtöpfe („seeds“) zur Strukturbildung von Galaxien(-cluster) dienen konnte.

    Solch ein Zusammenklumpen brauch duch irgendeine Form der Dissipation, oder nicht? Und die Bildung von Galaxien und -cluster setzte doch recht fix nach dem Urknall ein, d.h. in der Größenordnung von ein paar Millionen Jahren.

  30. @Yeti

    Ausgerechnet hatte ich das mal hier und die Dichte der DM war eine Protonenmasse pro drei Kubikzentimeter (nicht umgekehrt). Wir erhalten das Volumen von 1 kg DM also, indem wir ausrechnen, wieviele Protonenmassen 1 kg hat und die Zahl mal drei Kubikzentimeter nehmen.

    Eine Protonenmasse sind 1,67e-27 kg, also sind 1 kg 6e+26 Protonen. Mal 3 Kubikzentimeter macht 1,8e+27 Kubikzentimeter = 1,8e+21 Kubikmeter = 1,8e+12 Kubikkilometer. Macht dann ein Würfel von 12164 km Kantenlänge oder eine Kugel mit Radius 7546 km. Ein wenig mehr als der Erdradius. Kann man sich gut merken. Aber detulich weniger als Deine Schätzung – die Sonne hat 110 Erdradien.

    Wie willst Du jetzt vom Volumen auf Flächen (Fußballfelder) kommen?

  31. @alderamin #37
    Deinen Vergleich am Ende mit den Parteien könnte man mal weiterspinnen: bekanntlich war die FDP ja „Juniorpartner“, aber sie hat auch durch einfachen Koalitionswechsel die gesamte Regierung umgeworfen. Vielleicht sollten wir Baryonis mal etwas ähnliches versuchen – eventuell wird die DM dann so wild, daß sie sich endlich mal zeigt…
    😉

    (Nur ganz am Rande, die Erklärungen sind sehr gut!)

  32. Naja, wenn ich jetzt (so ausm Kopp) was sagen müßte, dann würd ich sagen, daß “anders” in diesem Fall eigentlich nur “genau andersrum” war: nicht Phlogiston verließ, sondern Sauerstoff betrat die Meßbühne.

    Wen es genauer interessiert, der sollte sich diesen Artikel zu Gemüte führen: https://home.uni-leipzig.de/helium/Querdenker/2008/Phlogiston.pdf (5 Seiten Text)

    Die Phlogistontheorie hat Verbrennung/Oxidation und Reduktion als zusammenhängende Prozesse erkannt, und die Verbrennung mit Abgabe bzw die Reduktion mit Aufnahme des Stoffes Phlogiston erklärt. Sie konnte also all jene Fälle erklären, in denen bei der Verbrennung Reaktionsprodukte in die Umgebung entweichen, und bei der Reduktion Teile der Atmosphäre gebunden werden. Sie scheiterte aber sobald das Verbrennungsprodukt ein festes Oxid war, da sie die Gewichtszunahme nicht erklären konnte. Dazu war erst die Oxidationstheorie imstande, und die konnte erst mit Entdeckung des Sauerstoffs entwickelt werden.

  33. @Jo-Jo

    Solch ein Zusammenklumpen brauch duch irgendeine Form der Dissipation, oder nicht? Und die Bildung von Galaxien und -cluster setzte doch recht fix nach dem Urknall ein, d.h. in der Größenordnung von ein paar Millionen Jahren.

    Guter Punkt. Nach viel googeln muss ich gestehen, dass ich den Ausführungen zur Strukturbildung im Universum nicht folgen kann. Die Ausbreitung des Partikelhorizonts scheint jedenfalls eine Rolle zu spielen.

    Innerhalb der DM-Halos führt dann später die gravitative Wechselwirkung mit baryonischer Materie (die abkühlen kann) dazu, dass die DM abgekühlt wird. Aber anfangs war die baryonische Materie heißer als die DM und wurde von letzterer erst zur Kontraktion gebracht.

  34. @alderamin:
    > Wie willst Du jetzt vom Volumen auf Flächen (Fußballfelder) kommen?

    Gar nicht. Die Fußballfelder waren, wie sagt man?, metaphorisch gemeint, heutzutage muss ja fast alles in Fußfallfelder oder Saarland umgerechnet werden.
    Woran ich aber tatsächlich gescheitert bin, war die Rechnerei. Für „im Kopf“ war ich zu betüddelt und mit dem Taschenrechner (LibreOffice) waren die Zahlen so viele Größenordnungen voneinander entfernt (10^-20 irgendwas zu 10^+20 irgendwas), dass irgendwo als Zwischenergebnis Null rauskam. Da habe ich Dich gefragt.

    Und zu meiner Schätzung: Ich bin überrascht, ich hätte eher auf mehr getippt, habe das aber wieder weg editiert. Und was sind schon zwei Größenordnungen?
    🙂

  35. @Alderamin: Du sagst wir können Dunke Materie messen, verorten und beobachten. Dem stimme ich nicht zu, alles was wir beobachten und messen sind Gravitationseffekte.

    Ich denke, wir haben die Gravitation noch nicht vollständig verstanden, da ist noch mehr als das was Newton und Einstein (et al) entdeckt haben.

    Und es ist ganz sicher nicht irgend eine ominöse unsichtbare Materie.

  36. @myself

    Guter Punkt. Nach viel googeln muss ich gestehen, dass ich den Ausführungen zur Strukturbildung im Universum nicht folgen kann.

    Ich denke, ich habe heute ein bisschen besser verstanden, warum DM sich zu Halos zusammenzieht, und zwar mit Hilfe dieses Vortrags: https://cosmology.lbl.gov/talks/Dalal_11.pdf

    Wenn ein ruhendes DM-Teilchen von der Masse einer DM-Konzentration angezogen wird, dann wird es beschleunigt. Das ist wie bei einem Pendel, das man loslässt. Es erreicht irgendwann in der Mitte die höchste Geschwindigkeit und wird von da an gebremst, während es aus der DM-Ansammlung wieder heraus fällt. Auf der gegenüberliegenden Seite erreicht es den gleichen Abstand vom Zentrum wie zu Beginn und es hat sich nichts verdichtet.

    Wenn aber viele DM-Teilchen, also die ganze Ansammlung, aufeinander zu fallen, dann erhöht sich das Potenzial, das Schwerefeld, das auf die Teilchen wirkt.

    Beim Pendel entspräche dies einer Erhöhung der Gravitationsbeschleunigung. Die potenzielle Energie des Pendels am höchsten Punkt ist m*g*h, m= schwingende Masse, g=Schwerebeschleunigung der Erde, h= Höhe des Pendels (über dem tiefsten Punkt). Was passiert, wenn sich während des Schwingens des Pendels g erhöhte? Die potenzielle Energie muss erhalten bleiben. g wird größer. m ist konstant. Also kann nur h kleiner werden, um die potenzielle Energie am höchsten Punkt zu erhalten: das Pendel schwingt weniger weit nach oben!

    Folglich würde auch die Bahn eines DM-Teilchens in einem sich verdichtenden DM-Haufen kleiner werden. Die Energie des Teilchens bleibt gleich, die Teilchen werden insgesamt schneller, aber sie rücken dichter zusammen. Das nennt sich adiabatische Kontraktion (eben weil keine Energie zugeführt wird oder verloren geht). Die Geschwindigkeiten „virialisieren“ sich dabei, es richtet sich ein stabiler Radius ein, in dem die Teilchen durch die Gegend flitzen, ohne den Radius zu verlassen.

    Auf diese Weise bilden sich aus einer anfangs nur leicht unregelmäßig dicht verteilten Dunklen Materie die DM-Halos aus, die dann auch sichtbare Materie anziehen.

    Noch @madouc:

    Du sagst wir können Dunke Materie messen, verorten und beobachten. Dem stimme ich nicht zu, alles was wir beobachten und messen sind Gravitationseffekte.

    Genau. Und alles was wir z.B. von den Sternen messen, ist ihr Licht. Damit können wir sie verorten und beobachten. Bei der DM verorten wir sie über ihre Schwerkraftwirkung, mit ihr ist eindeutig eine Masse verbunden, weil Masse Schwerkraft verursacht.

    Ich denke, wir haben die Gravitation noch nicht vollständig verstanden, da ist noch mehr als das was Newton und Einstein (et al) entdeckt haben.

    Wir haben noch keine Quantengravitation, aber die brauchen wir für die DM auch gar nicht. Das Thema „alternative Gravitation“ ist jedenfalls durch. Man hat z.B. Zwerggalaxien gefunden, die erheblich mehr Dunkle Materie als sichtbare enthalten (normal ist ein Verhältnis von 5-10 zu 1, bei diesen wurde mehr als 1000 zu 1 gemessen). Solche Galaxien haben nicht viel Gas abbekommen, aus denen Sterne wachsen konnten (und die wenigen Sterne, die sie enthalten sind uralt), jedoch viel DM. So etwas lässt sich mit einem modifizierten Gravitationsgesetz nicht modellieren, denn wenig Sterne müssten auch wenig Schwerkraft verursachen (und Gas ist ja keines da).

  37. „Bei der DM verorten wir sie über ihre Schwerkraftwirkung, mit ihr ist eindeutig eine Masse verbunden, weil Masse Schwerkraft verursacht.“

    Das ist so nicht ganz korrekt. Das was wir als Schwerkraftwirkung beobachten ist eine Krümmung des Raums, und Massen folgen dieser Krümmung.

    Wir wissen auch, dass Massen für Raumkrümmungen verantwortlich sind, das nennen wir Gravitation.

    Der Schluss, dass eine Masse vorhanden sein muss nur weil wir eine Schwerkraftwirkung beobachten ist nicht zwingend.

    Fest steht nur, dass eine Raumkrümmung vorhanden sein muss deren Ursache wir nicht kennen.

    Die Idee vom homogenen Universum bröckelt doch immer mehr, wir messen unterschiedlichste Hubble-Konstanten, wir stellen „beschleunigte“ Expansionen fest, wir beobachten „Repeller“ Effekte an großen Voids, wir wissen, dass die Zeit in der Nähe von Massen langsamer vergeht als in Abwesenheit von Massen, folglich auch die Expansion in Massearmen Voids schneller verlaufen muss als in Massereichen Gebieten.

    Und dann kommt noch die Quantenmechanik daher und wir erkennen, dass wir gar nichts mehr intuitiv erkennen können. Dunkle Materie ist „intuitiv“, man denkt ‚da muss doch was sein‘. Ich denke wir werden schon bald feststellen, dass sie und ihre Schwester die „Dunkle Energie“ Hirngespinste romantisch-poetischer Naturwissenschaftler waren.

    In meinen Augen hängen nur so viele an DM und DE fest, weil sie ihr Gesicht waren wollen und niemand zugeben kann, dass all die Fördergelder für eine fixe Idee in den Wind geblasen wurden. Leider behindert diese Attitüde eine bessere Herangehensweise. Manchmal kommt es mir vor als verhielten sich die Physiker aktuell wie die Polizei die nur einem Verdächtigen hinterherjagt, völlig alternativlos.

    Ich möchte meine Ansichten mit ein paar Links zu div. Arbeiten untermalen:

    arxiv.org/pdf/1607.03127.pdf

    arxiv.org/pdf/1701.01840.pdf

    arxiv.org/pdf/1610.01543.pdf

    arxiv.org/pdf/1608.08350.pdf

    arxiv.org/pdf/1607.08050.pdf

    arxiv.org/pdf/1609.05917.pdf

    arxiv.org/pdf/1605.05971v2.pdf

    arxiv.org/pdf/1602.02155v1.pdf

    http://www.ras.org.uk/news-and-press/2968-expla…-without-dark-energy

    http://www.ras.org.uk/images/stories/press/Cosmology/slx012.pdf

  38. @Madouc:

    Du willst Raumkrümmungen beschrieben, die ohne das Vorhandensein von Massen auftauchen? Ich weiß ja nicht so recht. Das kommt mir noch um einiges nebulöser vor als die Vorstellung, der Raum würde gekrümmt wegen des Vorhandenseins von nicht-baryonischer Materie.

    Und bitte nicht vergessen: Einen kleinen Teil nicht-baryonischer Materie (heiße dunkle Materie!) kennen wir bereits und nutzen unser Wissen dazu, mehr über das Universum zu lernen.

  39. @Madouc

    Fest steht nur, dass eine Raumkrümmung vorhanden sein muss deren Ursache wir nicht kennen.

    Außer Masse/Energie können noch Impulsströme (von bewegter Masse/Energie), Druck- und Scherspannungen mögliche Quellen von Raumkrümmung sein, mehr gibt die ART nicht her. Ein Druck des Vakuums (der aus einer Energie des Vakuums > 0 automatisch folgt) könnte beispielsweise die Dunkle Energie erklären.

    Da DM (bzw. ihr messbareer Effekt) lokal begrenzt auftritt und sie sich offenbar bewegt hat (Simulationen der Galaxienentwicklung funktionieren wunderbar, aber auch nur dann, wenn man annimmt, dass sich DM zuvor verdichtet hat und die sichtbare Materie dann dorthin gezogen hat), ist dann natürlich die Frage, was lokal da welche Art von Impulsstrom oder Spannung verursacht haben soll. Und genau dann wird es exotisch.

    Eine Alternative zur DE soll beispielsweise eine nicht konstante Lichtgeschwindigkeit über kosmologische Zeiten sein. Das Problem ist, dass keine Theorie das hergibt (in der RT und schon bei Maxwell ist die Lichtgeschwindigkeit mehr, als irgendeine Geschwindigkeit, die das Licht zufällig hat, sondern eine fundamentale Eigenschaft der Raumzeit) und zum anderen kann man die Lichtgeschwindigkeit im frühen Universum indirekt über die Feinstrukturkonstante messen, und da zeigt sich, dass sie sich seit der Entstehung der kosmischen Hintergrundstrahlung nicht messbar geändert hat.

    Das Problem der alternativen Erklärungen ist, dass sie sich nicht belegen lassen und nicht alle Beobachtungen erklären können. Deswegen sind sie alle schlechter als DM und DE (als beschleunigte Expansion mit unbekannter Ursache).

    In meinen Augen hängen nur so viele an DM und DE fest, weil sie ihr Gesicht waren wollen und niemand zugeben kann, dass all die Fördergelder für eine fixe Idee in den Wind geblasen wurden.

    Böswillige, haltlose Unterstellung.

    Die Theorie der DM (und auch der DE) ist eine sehr einfache Erweiterung der bekannten Physik, zu der es keine exotischen Annahmen braucht. In den letzten 50 Jahren wurden einige neue (Elementar)Teilchen entdeckt, die vorher postuliert worden waren, die Quarks, die W- und Z-Bosonen als Vermittler der Kernkräfte, die Neutrinos und das Higgs-Teilchen. Damit ist zwar das Standardmodell der Quantenphysik komplett, aber gewisse Dinge lassen sich damit nicht erklären, z.B. die Asymmetrie von Materie und Antimaterie. Außerdem gelang bisher keine Vereinheitlichung aller 4 Grundkräfte. Man weiß also, dass das Standardmodell nicht komplett ist. Demnach sind auch noch neue Teilchenarten zu erwarten. Wenn diese einfach aufzuspüren wären, hätte man sie längst gefunden.

    Die DM als unbekannte, massive Teilchen erklärt alle Beobachtungen (Rotationskurven, Zusammenhalt von Galaxienhaufen, Gravitationslinsen, Entstehung von Galaxien, Expansionsgeschwindigkeit des Universums, Erzeugung des Verhältnisses von Wasserstoff zu Deuterium, Helium und Lithium). Keine alternative Theorie leistet dies (bestenfalls primordiale Schwarze Löcher als DM-„Teilchen“, die sich ansonsten recht ähnlich wie DM-Elementarteilchen verhalten würden, nur wären sie viel massiver und damit dünner gesät, weswegen wir sie nicht finden). Deswegen wird an der Idee, dass es sich um eine noch unbekannte Teilchenart handelt, weiter festgehalten, auch wenn der Nachweis der konkreten Teilchen noch aussteht. Die Möglichkeit, dass es Teilchen gibt, die ausschließlich über Gravitation wechselwirken, besteht ja beispielsweise, und dann hätte man praktisch keine Chance, solche Teilchen in Detektoren nachzuweisen; nur in Beschleunigern als verloren gegangene Masse. Und auch Beschleuniger sind beschränkt darin, nur Teilchen bis zu einer Massenobergrenze erzeugen zu können. Man hält an der Idee fest, weil sie plausibel ist, eine Widerlegung nicht gelungen ist, und die Möglichkeit besteht, die entsprechenden Teilchen bisher übersehen zu haben.

    Und DE ist einfach der Name für eine Beobachtung. Da weiß ohnehin noch niemand, was genau dahinter steckt. Man kann die Beobachtung nicht einfach wegreden.

    Ich möchte meine Ansichten mit ein paar Links zu div. Arbeiten untermalen:

    Die zitierten Arbeiten stützen alle durch ihre Untersuchungen die DM (bzw. DE). Die sagen nicht nur, die DM/DE sind richtig, sondern belegen das auch durch eigene Untersuchungen. Warum dies jetzt gegen die DM (und DE) sprechen soll, kann ich nicht nachvollziehen. Dass fast alle Forscher diese Ideen gut finden, ist weder ein Argument gegen die Ideen, noch gegen die Forscher, sondern zeigt im Gegenteil, dass genannte Alternativen nicht ernst zu nehmen sind.

  40. Hallo Alderamin,

    zunächst einmal möchte ich mich entschuldigen, ich habe unbedacht Hörensagen nachgeplappert und wie du zurecht fest gestellt hast dabei unsachgemäß und ohne Beweise einfach mal alle Physiker pauschal beleidigt. Das wurde mir erst durch deinen Einwand bewusst, danke dafür. Verzeih bitte.

    Nun aber zurück zum Thema, was ist denn mit Arbeiten wie dieser hier von Professor David Wiltshire

    arxiv.org/pdf/gr-qc/0702082.pdf

    Deutsche Kurzfassung: www2.phys.canterbury.ac.nz/%7Edlw24/universe/Olbers_N.pdf

  41. @Madouc

    Zunächst einmal geht’s in Deinen Links um die Dunkle Energie (DE), nicht die Dunkle Materie, die zwar einen ähnlichen Namen hat, aber etwas ganz anderes beschreibt.

    Wiltshires Arbeit ist 10 Jahre alt, und er hat sich bisher nicht damit durchsetzen können. Er hat sogar eine Wette dazu verloren: ein indischer Kosmologe, der die Theorie der Dunklen Energie als kosmologische Konstante vertritt, hatte 2006 gewettet, dass in den nächsten 10 Jahren niemand widerlegen könne, dass die DE von einer kosmologischen Konstante ununterscheidbar sei. Nur Wiltshire schlug ein und beglich jüngst seine Wettschulden.

    Ich bin nicht kompetent genug, Wiltshires Argument mathematisch nachvollziehen zu können; offenbar könnte es funktionieren unter der Annahme, dass wir in einer besonderen Region des Raums leben, soweit ich die Referenzen nachvollziehen konnte, die ich im Netz dazu fand. Allerdings wundert mich dann ein wenig, warum der beobachtete Effekt genau so groß ist, dass er das Weltall flach erscheinen lässt.

    Man kann die Geometrie des Raums bestimmen, indem man einen bekannten Standardabstand in der kosmischen Hintergrundstrahlung ausmisst. Erscheint der Abstand in einem bestimmten Sichtwinkel, ist das Universum geometrisch flach. Erscheint er größer oder kleiner, ist das Universum positiv oder negativ gekrümmt (siehe etwa https://futurism.com/what-is-the-shape-of-space/).

    Die Messung von Strukturen der Hintergrundstrahlung, deren Größe man über die Rotverschiebung (Alter) der Quelle der Strahlung und die Größe der Lichtgeschwindigkeit (die eine Grenze setzt, wie weit sich eine Struktur in der Hintergrundstrahlung ausweiten konnte) erschließen kann, ergab, dass das Universum im Rahmen der Messgenauigkeit (1-Prozentbereich) geometrisch flach ist.

    Das Problem ist, dass eine kleine Abweichung in die eine oder andere Richtung sich exponentiell selbst vergrößern würde: ein offenes Universum mit negativer Krümmung ist „unterkritisch dicht“ und würde rasch noch weniger dicht werden. Ein geschlossenes Universum mit positiver Krümmung ist „überkritisch dicht“ und würde die Expansion abbremsen, noch überkritisch dichter werden und kollabieren. Damit das Universum über die bisherigen knapp 14 Milliarden Lichtjahre noch immer im 1-Prozentbereich flach erscheint, erfordert es eine anfängliche Flachheit im Bereich von 1 zu 10^62.

    Das ist der Grund, warum man die Inflationstheorie bemüht, um die anfängliche Flachheit zu erklären: das Universum wurde durch eine rasche, anfängliche Inflationsphase um einen riesigen Betrag aufgeblasen, so dass anfängliche Abweichungen von der geometrischen Flachheit so stark vergrößert wurden, dass wir sie heute nicht mehr messen können (so, wie man auf einer großen Kugel deren Krümmung nicht so leicht feststellen kann). Damit ist es aber nicht genug:

    Die Flachheit bedingt auch eine gewisse Materiedichte, um sie zu erhalten. Man wusste schon länger, dass das Universum ziemlich flach erscheint, aber man fand nicht genug Materie dafür. Selbst mit der Dunklen Materie, die immerhin 5-mal häufiger als normale Materie vorkommen soll, fehlten 2/3 der Masse, um das All auf der kritischen Dichte zu halten. Nachdem man die Dunkle Energie quantifiziert hatte, die man einer Vakuumenergie mit einer gewissen Masse zuschreiben konnte, fand man genau den gesuchten Betrag (Energie hat ja auch eine Masse, und aus der Energie folgt über Einsteins ART und den Energie-Impulstensor automatisch der negative Druck mit der abstoßenden Gravitation, der die Dunkle Energie erklären würde; das Problem ist nur, dass man aus der Quantenphysik (Higgs-Feld) den Energiebetrag des Vakuums nicht herleiten kann, sondern ein völlig unsinniges Ergebnis erhält, das 120 Größenordnungen zu hoch liegt – da fehlt offenbar ein wichtiger Teil der Physik, aber zumindest liefert das Higgs-Feld die Notwendigkeit einer Vakuumenergie).

    Das Bild ist also rund – das Universum ist flach, und aus der gefundenen beschleunigten Expansion folgt genau der Vakuumenergiebetrag, der die kritische Dichte für die Flachheit des Universums liefert, die man ebenfalls beobachtet. Wenn nun die Dunkle Energie wegfiele und wie bei Wiltshire nur ein Scheineffekt wäre, dann hätte man keine Vakuumenergie und die Frage, warum das Weltall flach erscheint, wäre wieder offen, und warum zudem ein Scheineffekt genau die hierfür notwendige Masse vorspiegelt. Das wäre ein seltsamer Zufall. Deswegen scheint mir der Ansatz von Wiltshire nicht sehr plausibel zu sein.

  42. @Madouc

    Ein ausführlicher Post zu Deinen Links hängt für Dich oben in der Moderation. Da geht es um die Dunkle Energie.

    Zur Dunklen Materie gab’s gerade gestern einen Artikel in Physics Today. Dass es sich, wie lange vermutet, um schwach wechselwirkende Teilchen handelt (die wie Neutrinos verhältnismäßig leicht nachzuweisen gewesen wären), davon verabschiedet man sich allmählich. Aber es gibt noch viele, schwieriger nachzuweisende Kandidaten. Die Suche geht weiter, mit breiterem Fokus.

  43. @Alderamin

    Vielen lieben Dank für deine sehr ausführliche Ausfürung.

    Der Artikel im ‚Physiks Today‘ drückt eigentlich genau die Attitüde aus die zu vermitteln ich seit meinem ersten Kommtar versuche.

    Ich denke wir haben einfach Gravitation und/oder die SRT noch nicht ganz verstanden, und sollten unsere Bemühungen in diese Richtung verstärken, da gibt es genug offene Fragen die vielleicht auch das DM/DE Problem lösen.

    Fragen wie die folgenden:

    – Was treibt die Expansion an? Warum?
    – Wieso messen wir verschiedenste Hubble-„Konstanten“
    – Woher kommt Raum eigentlich?
    – Was genau ist Raum?
    – Was genau ist eigentlich Masse?
    – Durch welchen Mechanismus genau krümmen Massen den Raum?
    – Warum dehnt sich der Raum überhaupt aus?
    – An welchen Stellen genau im Universum expandiert der Raum, und wo nicht?
    – Sind Massen ein Hemmfaktor für die Ausdehnung?
    – Ist die Raumkrümmung die wir als Gravitation wahrnehmen in Wahrheit nur gehemmte Ausdehnung?
    – Oder ist es mehr wie eine Funktion, und die Nullstelle ist wenn Ausdehnung und Krümmung sich aufheben?
    – Warum sonst bleiben gravitativ gebundene Systeme wie Galaxien, Sonnensysteme oder Lebewesen zusammen ohne die Ausdehnung zu bemerken?

    Es bleibt spannend 🙂

  44. @Madouc:

    Da sind ein paar berechtigte Fragen in deiner Liste. Ich fürchte nur, dass „erklären“ nicht zum Fähigkeitskanon der Physik gehört. Modelle aufstellen, Berechnungen durchführen, Ideen widerlegen, das kann die Physik – erklären und beweisen nicht.

    Die letzten drei deiner Fragen hören sich aber ganz stark nach Privat-„Physik“ an.

    Mach dir aber mal eines klar: Die vier Grundkräfte sind stärker als das, was das Universum auseinandertreibt. Die Expansion reißt keine gravitativ gebundenen Strukturen auseinander, und schon gar nicht die Moleküle, aus denen du bestehst, geschweige denn die Atomkerne oder die Nukleonen.

  45. – Warum sonst bleiben gravitativ gebundene Systeme wie Galaxien, Sonnensysteme oder Lebewesen zusammen ohne die Ausdehnung zu bemerken?

    Das ist relativ einfach zu erklären. In den Strecken in denen Galaxien/Sonnensystemen/Lebewesen relevant sind macht sich die Expansion des Universums nicht bemerkbar weil sie viel zu schwach ist. Die anderen Kräfte domminieren in diesen Größenordnungen.
    Irgendwann hatte ich das Spaßeshalber mal ausgerechnet. Ich glaube die Expansion des Universums ist auf den Menschen(2m) gerechnet ungefähr in der Größenordnung von einem Atomdurchmesser pro Jahr. Ganz grob gerechnet. Da sind alle anderen Kräfte um ein vielfaches größer.

  46. @Madouc

    Der Artikel im ‘Physiks Today’ drückt eigentlich genau die Attitüde aus die zu vermitteln ich seit meinem ersten Kommtar versuche.

    Man sucht aber immer noch nach DM-Teilchen. WIMPs hatten den Vorteil, dass sie sich über die schwache Wechselwirkung nachweisen hätten lassen, und das sie prima zur Supersymmetrie gepasst hätten. Axionen, sterile Neutrinos und anderes exotisches Zeugs ist schwerer nachweisbar. Man sucht halt den verlorenen Schlüssel erst mal da, wohin die Straßenlaterne scheint.

    – Was treibt die Expansion an? Warum?

    Wie Captain E. sagt, Fragen nach dem Warum kann die Physik nicht klären, sie kann nur beschreiben, wie etwas passiert. Wir wissen nicht, was die Expansion antreibt, nur, dass die ART entweder eine Expansion oder Schrumpfung des Universums verlangt, und dass eine geeignet große Vakuumenergie die Expansion auch beschleunigen kann. Woher diese Energie genau kommt, quantenmechanisch, kann niemand vorrechnen. Warum die Naturkonstanten die Werte haben, die sie haben: vermutlich Zufall. Einer von vielen möglichen Zuständen des Higgs-Felds. Vielleicht gibt es zahlreiche Universen mit allen möglichen Werten der Vakuumenergie und anderer Größen, in denen dann aber keine Galaxien, Sterne und intelligente Bewohner entstehen können, die sich solche Fragen stellen könnten. Deswegen stellen gerade wir sie uns gerade hier.

    – Wieso messen wir verschiedenste Hubble-“Konstanten”

    Der Hubble-Parameter entwickelt sich schon aufgrund der abnehmenden Materie-Dichte, außerdem durch die Dunkle Energie, das kann man jedoch herausrechnen. Dann gibt es noch zwei sich innerhalb der Fehlertoleranzen widersprechende Werte: die aus den Supernovae (und mit anderen Methoden) gemessenen 72+/-2 km/s/Mpc im näher gelegenen Weltall und 68+/-0,5 km/s/Mpc von Planck in der Hintergrundstrahlung gemessen. Dafür hat man noch keine Erklärung. Allerdings hat es schon öfters Situationen gegeben, wo das aus der Hubble-Expansion ermittelte Weltalter nicht zu anderen Beobachtungen passte, und dann hat man Fehler bei der Entfernungsbestimmung gefunden und später die Dunkle Energie. Die Abweichung stellt also nicht grundsätzlich den ganzen Urknall in Frage.

    – Woher kommt Raum eigentlich?
    – Was genau ist Raum?

    Eine Mannigfaltigkeit? Vielleicht gibt es für die Raumzeit auch eine Unschärferelation. So wie die eingeschlossene Energie in einem kleinen Volumen für kurze Zeiten nicht exakt 0 sein kann, sondern fluktuiert, so könnte auch das Nichts zu kleinen Raumzeitvolumina fluktuieren, von denen eines wegen seines zufällig sehr hohen Energiegehalts irgendwann inflationär expandierte. Das ist die Geschichte, die der Astrophysiker Lawrence Krauss erzählt. Bisher ist das nur eine Spekulation, aber so könnte man es sich zumindest vorstellen. Was fehlt, ist eine Theorie der Quantengravitation, die dies dann auch verlangt.

    – Was genau ist eigentlich Masse?

    Die Wechselwirkung von bestimmten Elementarteilchen mit dem überall vorhandenen Higgs-Feld, dessen Anregungszustand, das Higgs-Teilchen, vor ein paar Jahren nachgewiesen wurde. Das trifft zumindest auf die Ruhmasse der Elementarteilchen zu. Zusammengesetzte Teilchen enthalten auch Masse aus der Bindungsenergie ihrer Bestandteile, die über E=mc² entsteht.

    – Durch welchen Mechanismus genau krümmen Massen den Raum?

    Kann niemand beantworten. Es ist einfach eine Eigenschaft der Masse, dies zu tun. Träge und schwere Masse sind identisch.

    – Warum dehnt sich der Raum überhaupt aus?

    Zum Einen, weil er nicht viele andere Optionen hat, er kann ansonsten nur kollabieren (die Masse zieht ihn dabei mit sich, weil sie ihn eben krümmt). Zum Zweiten, weil der Mechanismus des Urknalls (die Inflation?) ihn angestoßen hat. Zum Dritten, weil es eine kosmologische Konstante gibt, die ihn weiter aufquellen lässt.

    – An welchen Stellen genau im Universum expandiert der Raum, und wo nicht?

    Im beobachtbaren Universum expandiert er auf den größten Skalen überall. Allerdings nehmen gebundene Massen nicht an der Expansion teil. Was jenseits des beobachtbaren Universums vor sich geht, wissen wir nicht.

    – Sind Massen ein Hemmfaktor für die Ausdehnung?

    Ja. Massen verändern die Raumkrümmung. Wenn das Weltall genug Masse enthielte, würde dies die Expansion anhalten und die Expansion in einen Kollaps umkehren.

    – Ist die Raumkrümmung die wir als Gravitation wahrnehmen in Wahrheit nur gehemmte Ausdehnung?

    Umgekehrt. Die ART beschreibt, wie die Gravitation entsteht (schau mal bei Martin Bäker rein). Sie beschreibt eben auch, wie der Raum expandiert, mit oder ohne kosmologische Konstante. Mit einer solchen, die wir anscheinend haben, gibt die Expansion sogar Gas. Trotzdem ziehen sich Galaxien an, wie der Great Attraktor die Milchtstraße – wegen der Expansion vergrößert sich seine Entfernung von uns trotzdem.

    – Oder ist es mehr wie eine Funktion, und die Nullstelle ist wenn Ausdehnung und Krümmung sich aufheben?

    Bin nicht sicher, ob ich hier folgen kann.

    – Warum sonst bleiben gravitativ gebundene Systeme wie Galaxien, Sonnensysteme oder Lebewesen zusammen ohne die Ausdehnung zu bemerken?

    Bei Gravitationswellen passiert ähnliches wie bei der Expansion, die Geometrie des Raums ändert sich (nur hier periodisch). In zahlreichen Darstellungen zur Zeit der ersten Entdeckung von Gravitationswellen durch LIGO sah man, wie die Erde von den Gravitationswellen in einer Richtung zusammengedrückt und wieder auseinandergezogen wurde, und sich dadurch die Weglänge zwischen den Spiegeln in einem der LIGO-Arme gegenüber dem anderen änderte. Das ist grundverkehrt. Tatsächlich behielt die Erde ihre Form im wesentlichen bei, aber der Raum zwischen den Spiegeln änderte seine Länge. Die Kräfte zwischen den Atomen verhindern also (bzw. behindern), dass ein Festkörper (oder eine Flüssigkeit) an Verformungen des Raums oder der Expansion des Universums teilnehmen.

    Wie ist mit gravitativ gebundenen Objekten? Dazu verweise ich auf einen anderen Artikel von Martin Bäker.

    Das sind mögliche Anworten. Wenn auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

  47. Danke für die Antworten, du kannst dir vielleicht denken, dass ich längst schon „Stammleser“ bei Martin Bäker bin 🙂

    Manche Fragen bleiben wohl bis auf weiteres unbeantwortet, damit muss ich dann wohl leben.

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