Astronomen schauen normalerweise weit hinaus ins All. Manchmal lohnt es sich aber auch, zurück zur Erde zur blicken. Es lohnt sich ganz besonders, wenn man unseren Planeten besser verstehen will. Die Beobachtung der Erde durch Satelliten ist mittlerweile zu einem integralen Bestandteil der Forschung geworden und taucht auch in unserem Alltag an Orten auf, wo wir sie nicht vermuten würden.

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Sternengeschichten Folge 225: Erdbeobachtung

Die Astronomie beschäftigt sich mit dem Himmel. Mit den Planeten, Sternen und Galaxien die dort zu sehen sind. Wir blicken weit hinaus ins All und tief zurück in die Vergangenheit. Aber dabei darf man nicht vergessen, dass auch die Erde Teil des Universums ist. Es lohnt sich, nicht nur hinaus in den Kosmos zu schauen sondern auch einen Blick zurück auf die Erde zu werfen. Das ist die Aufgabe der Erdbeobachtung und sie wird immer wichtiger.

Die Erde zu beobachten ist an sich nicht schwierig. Immerhin leben wir ja hier und wir brauchen nur unsere Augen aufzumachen um sie zu sehen. Aber viele Dinge kann man erst dann richtig erkennen, wenn man einen Schritt zurück tritt. Um die Erde richtig zu sehen, müssen wir sie verlassen und sie vom Weltall aus betrachten. Oder zumindest von der Luft aus. Die ersten Versuche der Erdbeobachtung fanden in der Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Der französische Schriftsteller und Fotograf Gaspard-Félix Tournachon, besser bekannt unter seinem Pseudonym „Nadar“ war der erste, der Luftbildaufnahmen von einem Ballon aus machte; 1859 bei der Schlacht von Solferino. Später fuhr er mit einem Ballon von Paris nach Hannover, stürzte dabei in Deutschland ab, erlitt schwerer Verletzungen veröffentlichte aber trotzdem einen Schwung Bilder die er unterwegs von oben gemacht hatte.

Mit der Erdbeobachtung im modernen Sinn hatte das, was Nadar tat aber noch nicht viel zu tun. Die Arbeit des deutschen Ingenieurs Alfred Maul schon eher. Im Jahr 1900 begann er in Sachsen an einer „Fotorakete“ zu basteln, also einer Rakete die mit einer Kamera ausgestattet war. Die Raketentechnik steckte noch in den Anfängen, aber Maul schaffte es immerhin ab 1906 Bilder aus einer Höhe von ungefähr 800 Metern zu machen. Die schnelle Entwicklung der Flugzeugtechnik während des ersten Weltkriegs ließ die Menschen aber die Raketen vorerst vergessen. Aus Flugzeugen fotografierte es sich viel einfacher und erst ein paar Jahrzehnte später, nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ging es mit der Raumfahrt und der Beobachtung der Erde aus dem Weltraum weiter.

TIROS-Satellit (Bild: gemeinfrei)
TIROS-Satellit (Bild: gemeinfrei)

Sputnik war 1957 der erste Satellit in einer Umlaufbahn um die Erde. Nur zwei Jahre später schickte die USA den ersten Erdbeobachtungssatelliten ins All. Wo Sputnik nur flog und ab und zu piepste konnte der Keyhole-1-Satellit Fotos der Erde aus einer Höhe von 165 Kilometern machen und Details von bis zu 7,5 Metern auflösen. Und mit „Bildern“ sind da wirklich noch fotografische Aufnahmen auf Film gemeint. Es war zu kompliziert, die Daten der Aufnahmen per Funk zur Erde zu übertragen. Deswegen machte man ganz normale analoge Bilder und schoß die Filmrollen mit kleinen Raketen zurück zur Erde wo sie von Flugzeugen aus der Luft gefischt und am Boden entwickelt wurden. Die Keyhole-Satelliten dienten ausschließlich militärischen Zwecken; die USA wollten ihre Gegner im Kalten Krieg beobachten und Spionagesatelliten werden bis heute regelmäßig ins All geschossen. Sie müssen immer wieder neu gestartet werden, denn sie fliegen in so niedrigen Umlaufbahnen, dass sie sich immer noch durch die äußersten Bereiche der Erdatmosphäre bewegen. 100 bis 300 Kilometer über dem Erdboden ist zwar kaum noch etwas von unserer Lufthülle übrig, aber es reicht, um die Bewegung der Satelliten zu stören. Ohne Eingriff von außen würden sie der Erde immer näher kommen und abstürzen und um das zu verhindern muss man die Bahn regelmäßig korrigieren – was Treibstoff kostet und wenn der aufgebraucht ist, braucht man auch einen neuen Satelliten.

Abseits von zweifelhaften militärischen Projekten ist die Erdbeobachtung aber vor allem für unseren Alltag von großer Bedeutung. Wenn wir jeden Abend einen ziemlich genauen Wetterbericht für die nächsten Tage im Fernsehen sehen können, dann liegt das an der Existenz von Satelliten, die unseren Planeten vom All aus beobachten. Nur der Blick von außen zeigt uns die großräumigen Luftströmungen in der Atmosphäre die unser Wetter beeinflussen und macht eine genaue Vorhersage möglich. Der erste Wettersatellit war TIROS, der Television and InfraRed Observation Satellite der am 1. April 1960 von den USA ins All geschickt wurde. TIROS lieferte das erste Fernsehbild aus dem All und zeigte, dass es technisch möglich war, das Wetter aus dem Weltraum zu überwachen.

In den Jahrzehnten danach folgten viele weitere Erdbeobachtungssatelliten mit den unterschiedlichsten Aufgaben. Satelliten werden genutzt um genaue Karten der Erdoberfläche zu erstellen. Man kann Veränderungen beobachten und analysieren die durch Naturkatstrophen oder den Einfluss der Menschen entstehen. Wie schnell wachsen Städte? Wie schnell wird der Regenwald abgeholzt? Wie verbreiten sich Wüstengebiete? Wie entwickelt sich das Algenwachstum in den Ozeanen? Und so weiter. Wir lernen mit der Erdbeobachtung viel über den aktuellen Zustand der Erde – aber auch über die Zukunft. Die wichtigsten Daten zum Klimawandel stammen unter anderem aus dem Weltall, zum Beispiel von Satelliten wie CryoSat. Der wurde 2010 von der Europäischen Weltraumagentur ESA ins All gebracht und hat die Aufgabe, das Eis der Erde zu beobachten. Das “Synthetic Aperture Interferometric Radar Altimeter” (oder SIRAL) ist das wichtigste Instrument an Bord des Satelliten. Es handelt sich um ein Höhenmessgerät das mit Radarstrahlen arbeitet und exakt bestimmen kann, wie hoch sich der Satellit über der Erde befindet. Es kann Höhenunterschiede von ein bis drei Zentimetern aus dem All erkennen. Damit SIRAL lässt sich zwar nicht direkt bestimmen, wie dick eine Eisschicht ist. Aber man kann herausfinden, wie weit sie über den Meeresspiegel hinausragt. Und wenn man weiß, wie weit das Eis aus dem Wasser ragt, dann kann man daraus berechnen, wie weit es unter Wasser reicht. Aus dem Unterschied in der Dichte von Wasser und Eis lässt sich die untergetauchte Eismenge recht leicht berechnen.

Daten, die zwischen 2010 und 2013 gewonnen wurden zeigen zum Beispiel, dass das Eis der Arktis im Laufe der Zeit nicht nur weniger sondern das verbleibende Eis auch immer dünner wird. Seit 2014 schickt die Europäische Weltraumagentur die Sentinel-Satelliten ins All die die Erde unter so gut wie allen möglichen Gesichstpunkten beobachten sollen. Sentinel-1A und 1B wurden 2014 und 2016 gestartet und tasten die Erde mit Radarstrahlen extrem genau ab. Ungefähr drei Terabyte an Daten werden jeden Tag zur Erde geschickt und aus denen in nahezu Echtzeit höchst genaue Karten erstellt werden. Sie dienen der Schifffahrt um sichere Wege zwischen Eisschollen zu finden, Wissenschaftlern um Umweltverschmutzung – zum Beispiel austretendes Öl bei Schiffen oder Bohrplattformen – zu identifieren und ganz allgemein zur Grundlagenforschung und als Referenz für zukünftige Vergleiche.

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Sentinel-2A und 2B wurden 2015 und 2017 ins All geschickt und machen Bilder der Erde in verschiedenen Lichtwellenlängen. Sie können feststellen, wie viel Aerosole sich in der Luft befinden oder wie viel Wasserdampf – ein wichtiges Treibhausgas. Sie messen die Veränderung der Vegetation und können feststellen, wie die Landwirtschaft den Erdboden verändert und was wo in welcher Menge gepflanzt wird und geerntet wird.

Die Satelliten der Sentinel-3 Serie beobachten das Eis und die Ozeane, deren Temperatur sie auch messen können und weitere Sentinel-Satelliten widmen sich intensiv der Erforschung der Atmosphäre unseres Planeten.

Die Erdbeobachtung mit Satelliten vom All aus hat längst schon unseren Alltag durchdrungen. Nicht nur was den täglichen Wetterbericht angeht. Auch in der Landwirtschaft wird der Blick von oben immer wichtiger. Mit Beobachtungen aus dem All lassen sich Wachstumsprognosen erstellen; man kann genau erkennen, welche Sorten wo und wie schnell wachsen und das ist einerseits für die Bauern selbst wichtig, wenn sie wissen wollen, ob auf all ihren Feldern alles nach Plan läuft; andererseits auch für die übergeordneten Staaten, die wissen wollen, wie viel Nahrung eigentlich angebaut wird. Und selbst wenn es um so etwas wie die biologische Landwirtschaft geht, die auf den ersten Blick ja so gar nichts mit Hochtechnologie wie der Raumfahrt zu tun zu haben scheint, spielen die Satelliten eine Rolle. Denn irgendwer muss ja auch überprüfen, ob die Landwirte die Regeln einhalten, die für die jeweiligen Bio-Siegel gefordert werden. Man darf da zum Beispiel nur bestimmte Pflanzensorten verwenden; muss sie auf eine bestimmte Art anbauen und abernten. Das lässt sich von der Erde aus nur mühsam überprüfen; vom All aber viel leichter. Die Kameras der Satelliten sind in der Lage, Bilder in verschiedenen Wellenlängenbereichen aufzunehmen und je nachdem um welche Pflanzensorte es sich handelt, erscheinen die Felder dann leicht unterschiedlich. Es ist natürlich auch leicht möglich zu erkennen, wann ein Feld brach liegt, wann die ersten Pflanzen zu wachsen beginnen, wie schnell sie wachsen und wie viel Ertrag sie liefern werden. Das alles sind Parameter, um entscheiden zu können, ob es sich um konventionelle oder biologische Landwirtschaft handelt.

Wer beim nächsten Besuch im Supermarkt also vor dem Regal mit den Bioprodukten steht kann ruhig auch ein paar Gedanken dem Weltraum und der Raumfahrt widmen. Der Blick hinaus in den Kosmos ist wichtig und faszinierend. Der Blick zurück auf unsere Heimat ist aber um nichts weniger wichtig und mindestens ebenso beeindruckend!

5 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 225: Erdbeobachtung“
  1. Ich hörte mal, dass es erst besser liefe, gäbe es ein allumfassendes Erdbeobachtungssystem, das der UNO unterstellt ist.

    Dann kann man bei Erbeben sofort globale Hilfe koordinieren, Hungersnöte kommen sehe, alle Boote im Mittelmeer schwimmen und sogar, ob da ein Versammlungshaus neben der Moschee stand, bevor nun alles in Schutt liegt!

    Gute Zeiten fast in astronomischem Ausmaß also,
    aber aktuell, bei den vielen Fake – Politikern, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das reichte…

  2. Hallo Flo,

    U.a. bei NTV steht ein Artikel, dass sich mehrere astronomische Einrichtungen darauf vorbereiten, in April zwei schwarze Löcher zu fotografieren. Kannst Du mehr dazu sagen? Warum jetzt? Welche? Sehen wir die von ‚oben‘ oder von der Seite? Bist Du oder eine ‚Deiner‘ Arbeitsorte beteiligt?

    Danke!

  3. gäbe es ein allumfassendes Erdbeobachtungssystem, das der UNO unterstellt ist

    Die Sentinel-Satelliten sind ja genau so ein System, allerdings von der Europäischen Kommission und der ESA.

  4. @Mirko

    Vermutlich geht es um das „Event Horizon Telescope“, ein weltweites Radio-Interferometer-Array im Millimeterwellenbereich (also geht es nicht um ein optisches Bild, sondern ein Radiobild), mit dem die Schwarzen Löcher in der Milchstraße und der Galaxie M87 in der Jungfrau abgebildet werden sollen. Dazu werden verschiedene existierende Radioteleskope zusammengeschaltet und beobachten zeitgleich das jeweilige Zielobjekt. Die Messungen sollen in diesem Frühjahr durchgeführt werden, die Auswertung dauert dann noch ein paar Monate.

    Wer beteiligt ist, steht am Ende des ersten Links.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Event_Horizon_Telescope
    https://www.eventhorizontelescope.org/

  5. 3Gerrit; geht schon in die richtige Richtung und
    immerhin – >
    Weltbevölkerung knapp 7,5 Mrd. Einwohnerzahl EU 500 Millionen….fehlen also nur knapp ca. 7 Mrd in der Repräsentanz 😉

    Genauso, wie da noch ein bisl was fehlt, müssen halt noch mehr Systeme dazu…
    Geofon das globale Erbebendetektionssystem; das jahrelang schleppend aufgebaute Tsunamis Warnsystem aller Meere; alle Datenfeeds über Explosionen, Radioaktivitäts- und Ozonmessstellen und andere Luftparamter wie z.B. Co2, Lärm und Schall sowie Raketenflugüberwachung, Verkehrs- und Flug überwachung, ebenso alle Daten und Modellrechnungen der Münchner-Rück über Dürre, alles zu Stromversorgung und dessen Ausfällen, die Positionen der globalen Frachtschifffahrt und alle Schiffpositionierung, Asteroiden und und Sonnenstürm detektion, Windgeschwindigkeit, Sonneneneinstrahlung, Wolken, Regen, Flussdaten und Meeresströmungen sowie Freak Waves …dann kommen wir langsam in die Region, wo man Synergien hat und das sollte besser vor dem Vollausbau des Internet der Dinge passieren und da ist Social Media uvam, uvam, uvam noch gar nich drin ;-)….

    Aber solange man sich einen EU – Digitalkommissar leisten kann , der meint(e) alle Leute sollten lieber Zeitung lesen, statt Smartphone gucken und der CTO der Bundesregierung noch nie öffentlich in Erscheinung trat…

    https://de.wikipedia.org/wiki/Beauftragter_der_Bundesregierung_f%C3%BCr_Informationstechnik

    glaube ich fast, wir müssen auf die anderen 7 Milliarden Menschen hoffen!

    Nicht falsch verstehen …..EU und ESA ist toll,
    aber was nützt ein Rennwagen, wenn die Politiker wie einst Wilhelm der zweite lieber ans Pferd glauben statt ans Auto? Da ist nicht mal nur Herr Öttinger!

    Für Merkel ist Internet neu, Obama redete in seinem letzten Interview über Gefahren der Künstlichen Intelligenz – zu Recht! – das ist ungefähr der Unterschied!

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