Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2016. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier.
Das sagt der Autor des Artikels, Winfried B über sich:
Keine Angabe
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Hierher, ihr Jungen und ebenso ihr ehrwürdigen Alten,
und betrachtet wohlwollend dieses große Wunder!
Der edle Johannes, der von seinem väterlichen Land her zog
den Namen, gab uns dieses Werk.
Die Sterne, die Gott, der Vater, im Himmel befestigte
damit sie klare Zeichen für die armseligen Menschen seien,
zeichnete der durch die Hände Athenes gelehrte Mann,
gut und geschickt auf dieses Gedruckte.
Wer jetzt wünscht untergehende und ebenso auch aufgehende
Sterne kennenzulernen, der soll schnell hierher kommen.
Sogleich wird er die große Sonne und den leuchtenden Mond sehen.
Er wird sie getrennt und ohne Mühe vor Augen haben.
Von dort kommen Bären hervor oder doppelte Wagen,
nährend waren diese für den großen Gott Zeus.
Soweit die ersten Zeilen des Anfangsgedichtes der Uranometria von 1603. Danach folgt als kurze Inhaltsangabe die Aufzählung der 48 Sternbilder, teils mit Zitaten aus der Himmelsbeschreibung des Aratos (ca. 270 v. Chr.)
Orientierung am Himmel: Die Entstehung der Uranometria von 1603
Der Blick in den gestirnten Himmel ist seit Menschengedenken Ziel von Beobachtungen, Deutungen und – wie sich mit den Beobachtungen herausstellte – auch ein erstes Kalendarium.
Zur Frühgeschichte
Hier möchte ich mit der Antike beginnen, lassen wir also die Nebrascheibe, Ägypten, China, Indien, Mesopotamien, Persien etc. zurück.
Bei Homer um 800 v.Chr. erfahren wir von der griechischen Götterwelt, also von der Bevölkerung des Himmels und den Geschichten der z.T. noch heutigen Himmelsbilder. Diese Zeit hat mit der Entstehung der Uranometria mehr zu tun als die Anfänge der Astronomie im Alten Reich Ägyptens und zuvor.
Schon Hesiod widmet sich um ca. 700 v.Chr. dem Himmel, allerdings mehr erdverbunden: In seinem Lehrgedicht „Werke und Tage“ berichtet Hesiod über bäuerliche Arbeitsabfolgen und zeitliche Orientierungen; er gab z.B. echte Bauernregeln an: „Gehen die Plejaden im Osten auf, dann ist der Zeitpunkt der Ernte da. Gehen sie im Westen unter, so beginne mit der Aussaat“. Bildliche Nachrichten gibt es leider nicht, aber die Texte geben eine Menge an Himmelsbeobachtungen wieder. So auch Aratos in seiner berühmten „Phainomenae“, in welcher er sogar Nebensonnen beschreibt. Beide Werke gingen in die Uranometria mit ein.
Die Zeitenwende
Um die Zeitenwende kam die Astronomie so richtig in Fahrt: Hipparchos v. Nicäa veröffentlichte um 150 vor Christus den umfangreichsten Sternkatalog der Antike in 49 Sternbildern mit 1080 Sternen, die er bereits in 6 Größenklassen einteilte. Um 150 nach Chr. schuf Ptolemäus in seiner „Matematiké Syntaxis“, dem späteren Almagest, auch ein erstes Nachschlagewerk der Astronomie: Als Bibliothekar von Alexandria sammelte er das gesamte antike naturwissenschaftliche Wissen und führte es zusammen: Er übernahm z.B. auch von Hipparchos die Größenklassen der Sterne – also die visuellen Magnituden der sichtbaren Sterne – von 1 bis 6; Der Sternkatalog des Ptolemaeus hatte 1022 Sterne in 48 Sternbildern.
Die Römer hingegen verlegten sich mehr auf die Astrologie, benannten die griech. Sternbilder und „Wandelsterne“ (Planeten) – einst überliefert von den Babyloniern über die Syrer nach Ägypten und Griechenland – teilweise um in Gottheiten ihren Glaubens. Und diese griech.-röm. Namenmixtur haben wir größtenteils auch heute noch.
Stillstand der Astronomie
Über mehrere Jahrhunderte, vornehmlich mit dem Untergang des römischen Reiches und der Zeit der Völkerwanderung wurde es im Abendland / Europa still um die Astronomie, ja an sich still um die gesamte Wissenschaft – während sich über Byzanz die antiken Kenntnisse in Kleinasien bzw. dem Vorderen Orient erhalten haben, bewahrt und abgeschrieben wurden: Um 900 n. Chr. ließ der Kalif von Bagdad (der berühmte Harun al Raschid = FOTO) die gesamte „Mathematiké syntaxis“ des C. Ptolemäus aus dem Griechischen in die arabische Sprache übersetzen. Und weil es die gesamte antike Naturwissenschaft enthält, wurde es „Das Große Wissen“ oder „Das Große“ = „al Magisti“ genannt, woraus dann später „Der Almagest“ wurde…
Das 12. Jahrhundert
Von Bagdad nach Europa: Die Muslime überrannten Spanien, beherrschten fast den gesamten Mittelmeerraum. – Und brachten die alten Texte, die sie übersetzt hatten, mit nach Europa. Hier in Europa lange Zeit verloren, gab es nun erstmals den arabischen Almagest, der um 1170 in Toledo von Gerhard von Cremona (FOTO) aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt wurde. Mit Cremonas Übersetzung begann eine neue Ära der Astronomie und der Aufarbeitung des alten Wissens in Europa. Auch wenn Gerhards Übersetzungen teils mangelhaft waren, da er das mathematische und astronomische Vokabular der arabischen Sprache nicht kannte, so war der Bestand des alten Wissens doch vorhanden und konnte von anderen aufgearbeitet und korrigiert werden. Dies werden wir im Verlauf noch sehen.
– Ich habe das alles sehr knapp zusammengefasst und nur die wichtigsten Eckpunkte herausgestellt, um die Entwicklung der Sternbeobachtung in Bezug auf Johann Bayer zu skizzieren.
Was gab es bislang an Sternkarten und wie sahen sie aus?
Bis ins späte Mittelalter dienten die Sternbild-Darstellungen hauptsächlich der Astrologie, die Sterne darin hatten nur ausschmückende Funktion. Daher kannte man auch meist nur die Sternbilder der Ekliptik, die 12 Tierkreiszeichen. Folgende Arten der Sternbild-Karten unterscheiden wir geschichtlich und kunstgeschichtlich heute:
Sternbilddarstellungen ohne Sterne (z.B. Krebs u. Löwe nach Albumasar, 1488) Sternbilddarstellungen mit geometrisierter Anordnung der Sterne (n. Regiomontanus, – um 1514) Sternbilddarstellungen mit realistischer Darstellung der Sterne (n. Digges, 1573) Zählweise der Sterne! Sternbilddarstellungen real mit überdeckter Zeichnung der Sternbildfigur (Abd-ar-Rahman-as-Sufi: Das Buch der Sterne, Prag 1428) – (Cassiopeia, Serpentarius/Ophiuchus)
Im 16. Jhdt. gab es auch die ersten Versuche, in Büchern tatsächliche Sternbildkarten der bekannten 48 ptolemäischen Sternbilder herauszugeben, z.T. sogar nach den mehrfach umgerechneten ptolemäischen Koordinaten-Angaben. Hier einige Beispiele zum Vergleich:
Alessandro Piccolomini, Toskana, “De le stelle fisse” 1552: z.B. Karte de L’ „Orsa Maggiore“ (großer Bär) (Holzschnitt, ca. 14 x 17 cm, Sternbild in direkter Himmelsansicht!, ein Maßstab u. Nordrichtung)
Giov. P. Gallucci, “Theatrum mundi” Venedig 1588 : Sternbilder “Cassiopeia” und „ Virgo“ Holzschnitt, Sternbild in (tradit.) Globusansicht, am Rand umlaufend Koordinaten-Angaben,
Zaccharias Bornmann, Breslau 1596, Virgo, Cepheus u. Cassiopeia erscheint nur 7 Jahre vor der Uranometria, aber noch fast in der Tradition des as-Sufi… (2 Fotos) Mittig das Triangulum, das Dreieck, um 90 Grad gegenden Uhrzeigersinn versetzt. Das Jahr 1603 sollte ein Meilenstein in der Geschichte der astronomischen Kartenkunst werden.
Dieses Werk hat die gleiche Bedeutung für die Himmelskartographie wie die Gutenberg-Bibel für den Buchdruck. Für seine Zeit begründete es einen völlig neuen wissenschaftlichen, graphisch und künstlerischen Standard für Sternkarten.
Mit diesem Zitat führt George Lovi in die Uranometria 2000 ein….
Vielleicht sogar im Auftrag des Magistrats der Stadt Augsburg schuf der in Augsburg lebende Rechtsanwalt Johann Bayer sein als Uranometria bezeichnetes Sternkartenwerk: Im September 1603 widmete der Augsburger Jurist Johann Bayer seinen großartigen Sternatlas „Uranometria“ den Stadpflegern und dem Rat der Stadt Augsburg. Er erhielt dafür eine „reiche Verehrung von 150 Gulden“ (so vermerkt in den Rechnungsbüchern der Stadt). Zu damaliger Zeit und Augsburger Verhältnissen entsprach diese „Verehrung“ etwa dem dreifachen Jahresgehalt eines Lehrers. Es gab, wie wir gerade sahen, schon früher einige Versuche, Karten der Sternbilder zu zeichnen, aber die Uranometria 1603 war der erste zuverlässige Sternatlas. Bayer benutzte neben dem Almagest des Ptolemäus den Sternkatalog des berühmten dänischen Astronomen Tycho Brahe (1546–1601), den dieser durch jahrelange präzise Beobachtung des Himmels zusammengestellt hatte. Einige Exemplare von Brahes Katalog zirkulierten in handschriftlicher Form schon vor dem Druck im Jahre 1602. Bayer lag solch ein handschriftliches Exemplar vor. Um 1570 weilte Brahe für einige Jahre in Augsburg, um die Aufstellung eines riesigen Quadranten mit 5,45m Kantenlänge zu beaufsichtigen. Der für den Bürgermeister Paul Hainzel und dessen Bruder Johann Babtist 1569/70 von Brahe geschaffene Quadrant war das größte bewegliche Messinstrument dieser Art der damaligen Welt. Ulugh Begs Quadrant in Samarkant allerdings war stationär und hatte einen Durchmesser von 40 Metern. Leider wurde Brahes Quadrant bereits 4 Jahre später durch einen Sturm zerstört. Ein Beleg für die Verwendung von Brahes Sternkatalog für die Uranometria könnte eines der vier Augsburger Exemplare sein, von denen eines die Abschrift oder das Original von Tycho Brahes Sternenkatalog als Anhang an das gedruckte Kartenwerk enthält.
Doch Bayer muß auch selbst Beobachtungen durchgeführt haben: Sein Atlas enthält bedeutend mehr Sterne als der ptolemäische Sternkatalog (1022*); auch die Aufzeichnungen Tycho Brahes ( 1005*) enthalten weniger Sterne als der Bayersche Atlas (1725 *). Das Fernrohr war noch nicht erfunden, dies geschah erst 1608 durch den Holländer Lipperhey. Der Atlas enthält also nur Sterne, die mit bloßem Auge zu erkennen waren. Die Kupferstiche in Bayers Atlas führte der Augsburger Kupferstecher Alexander Mair sicherlich nach Vorstellungen und Angaben Bayers aus, Bayer hatte wohl recht konkrete Vorstellungen und Wünsche, was sich aus den Kommentaren Bayers in seinen lateinischen Texten zu den Sternbildern erschließt. Hier ein Beispiel aus der Corona Borealis: „..Hiermit hat der geneigte Leser die figürliche Beschreibung der Crone, wie dieselbige nach meinen Gedancken resituiret, oder durch meine sonderbare Sorg und Arbeit entworffen worden; einige nennen sie einen Myrthen-Cranz, andere von Lorbeeren; viele halten davor, sie werffe Strahlen von sich; ich stelle sie vor von Epheu mit Beeren; ich habe auch hinten ein Band daran gesetzt, wie dergleichen in der griechischen Münzen zu sehen … Ein solches Geschenk hat Baccus der Ariadne seinem Weib verehrt…“
Über Mair werde ich später noch kurz berichten. Der Stadtpfleger Markus Welser gab den Atlas in seinem Verlag „Ad insigne pinus“ heraus.
Der Atlas besteht aus 51 Karten und 48 Legenden: die klassisch-antiken / ptolemäischen 48 bei uns sichtbaren Sternbilder, eine Karte mit einigen von den Seefahrern im 16. Jahrhundert aufgezeichneten südlichen Sternbildern, vornehmlich vom niederländischen Navigator Piter Dirkszoon Keyser und zwei Übersichtskarten.
Keyser, ein Holländer, geboren in Emden, war Hauptnavigator der Ostindischen Companie und von dieser beauftragt worden, die Südhemisphäre zu erkunden und See- sowie Sternkarten zur Navigation anzufertigen. 248 Seeleute brachen mit vier Schiffen am 2. April 1595 auf, bei Ankunft in Madagaskar zur Proviant- und Wasseraufnahme waren bereits 71 Seeleute an Skorbut gestorben. Keyser fuhr nach Sumatra und blieb mehrere Monate auf See. Doch auch er starb an Skorbut, viele andere durch innere Streitereien und durch Seeräuber, vornehmlich durch Portugiesen, die die Anlandung auf Sumatra und die Wasseraufnahme verwehrten. Am 14 August 1597 kamen 71 Überlebende in Texel an. Darunter Frederik de Houtmann, der die Karten gerettet hatte. Alle Sternkarten, die nach Bayer erschienen, bedienten sich dieser Karten bis ins ausgehende 19. Jahrhundert. Zwar hatten diese Karten einen Rektaszensionsfehler, doch die Deklination der Sternörter war recht genau. – Ich möchte dies so ausführlich erwähnen, da der Name Keyser nahezu unbekannt geblieben ist, obwohl wir ihm damals fast die gesamte Kenntnis über den Südhimmel verdanken.
Zu jeder Zeichnung eines Sternbildes hat Bayer eine Tabelle seiner hellsten Sterne zusammengestellt, die er mit Buchstaben benannt hat, angefangen mit den griechischen Buchstaben, fortgeführt mit lateinischen Buchstaben, wenn das griechische Alphabet nicht ausreichte. Alpha Leonis ist z.B. der hellste Stern des Sternbilds „Löwe“. Diese Buchstaben sehen wir auch in den Zeichnungen. Auch heute noch wird diese Bezeichnung der Sterne verwendet.
Doch nicht nur das. Bayer beschrieb die Sternbilder und erklärte nicht nur die Namen der namentlich bekannten Sterne, sondern fügte diesen auch noch deren Namensgebung in anderen Völkern und Sprachen bei, so in Griechisch, Ägyptisch und Persisch. Ein wenig wollte er damit wohl auch seinen Wissensstand herausstellen.
Was ist nun das besondere an diesem Kartenwerk?
Die Sternbildkarten sind im echten Himmelsanblick gestochen und nicht, wie bislang üblich, in Globusdarstellung, – also der Sicht von außen auf das Firmament, der s.g. „Göttlichen Darstellung“. Bayer wiederholt zur Orientierung für die wissenschaftlichen Astronomiekollegen den ptolemäischen Sternenkatalog: Die Nummerierung der ersten Abteilung in den Sterntabellen stellt die alte Sternzählung dar, fängt mit Nr. 1 am Kopf an und endet mit der Nr. x am Fuß. Da er jedoch nach dem griechischen Alphabet die hellsten Sterne eines Bildes mit alpha, beta und so weiter bezeichnete, finden wir in der ersten Zeile seiner Sterntabellen also eine nicht durchgehende Nummerierung wieder, da Ptolemäus sie nicht nach der Helligkeit der Sterne sortierte. Zuvor orientierte man sich im Briefwechsel mit anderen Astronomen an den hellsten Sternen eines Sternbildes, die ja bereits Eigennamen trugen. Wollte man nun einen nicht benannten Stern aufsuchen, so wurde dieser per ausgestrecktem Arm in Form der Hand oder Daumen in Verbindung zu einem bekannten Stern gebracht. Also von Capella zwei handbreit nach Osten und dann zwei daumenbreit zum Zenit, nur so als Beispiel. – Ein mühseliges und zudem ungenaues Unterfangen, das zu Fehlbestimmungen führte. Diese Angaben gab es schon zu Zeiten des Ptolomäus. Andere bezeichneten in Briefen einen Stern z.B. folgendermaßen:
Beispiel Theta Geminorum: der am linken Ellenbogen des vorangehenden Zwillings (Copernicus) Der an der linken Hand des vorgegangenen Zwillings (Brahe).
Man kann sich vorstellen, daß dies nur Verwirrung stiftete. Daher schlug Bayer einen anderen, neuen Weg ein: Durch die durchgängige Bezeichnung der Sterne mit griechischen Buchstaben war eine Verwechslung nicht mehr möglich und die Wissenschaftler der gesamten Welt konnten etwas mit diesen Daten und Bezeichnungen anfangen, da Latein und Griechisch in der gesamten Welt damals die Wissenschaftssprachen waren. Diese Bayersche Klassifizierung ist bis zum heutigen Tage gültig und alle Sternkarten, die später erschienen, beriefen sich auf diese Klassifikation, die auch die Magnituden der entsprechenden Sterne enthielt. Hier hielt er sich an Ptolemäus, der bereits die antiken Größenklassen 1- 6 von Hesiod übernommen hatte. Hier gab es, – vor Erfindung des Fernrohres -, keine Notwendigkeit der Änderung.
Einmalig in Bayers Karten ist die Einzeichnung der Ekliptik. Die Tierkreiszeichen sind mit einer 2 x 8 Grad breiten Zone dargestellt, unterteilt je nach Kartenmaßstab in 1/10 oder 1/12. Unterteilung. Diese Darstellung findet man in keiner anderen Karte, auch in keiner modernen! Wichtig waren diese Einteilungen zur Bestimmung und ggf. Einzeichnung der Mond- und Planetenbahnen, da diese genau jener 8-Grad Teilung nach Nord und Süd folgen.
Zur Person Johannes Bayer
Über Bayer selbst ist leider sehr wenig bekannt. Er wurde 1572 in Rain am Lech geboren und besuchte zuerst die Lateinschule, danach das St. Salvator- Gymnasium in Augsburg. Wie kam er, der danach ein Jurastudium an der Universität in Ingolstadt absolvierte, zur Astronomie? Vielleicht hat er noch am Gymnasium von Brahes Tätigkeit in Augsburg und dem Bau des Quadranten gehört? Brahes Aufenthalt lag da ja erst ein paar Jahre zurück, auch wenn der Quadrant schon nach vier Jahren durch einen Sturm zerstört wurde. Zumindest durch die Freundschaft zu dem Augsburger Arzt Raimund Minderer muß er viel über Tycho Brahe gewußt haben. (dazu komme ich später genauer) – jedenfalls Basis und Grundvoraussetzung zum Studium war das Studium der 7 freien Künste, als da wären: Dialektik, Rhetorik, Grammatik als die „redenden Künste“ sowie Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie als die „rechnenden Künste“. Bemerkenswert übrigens im Vergleich zur heutigen Zeit: Dieses Grundstudium war damals „international“ vorgeschrieben, im gesamten Europa! Man wollte damit die Studierenden, die aus den verschiedensten Schichten und Schulen stammten, sozusagen auf einen geistigen Nenner bringen. Während dieses Grundstudiums und durch den Aufenthalt Tycho Brahes in Augsburg, muß Bayer sich wohl für die Astronomie interessiert haben.
Das Standardwerk der Astronomie war zu dieser Zeit das bereits 1230 von dem Pariser Professor Johannes de Sacrobosco neu herausgegebene Büchlein mit dem Titel: „Libellus de Sphaera“, also Büchlein von der Sphäre, anders gesagt, eine Kurzfassung des 1175 von Gerhard von Cremona in Toledo aus dem arabischen rückübersetzten Almagest – somit eines der ersten allgemein zugänglichen und verfügbaren Fach- oder Lehrbücher über astronomisches Wissen. Wir können davon ausgehen, dass dieses Buch auch Bayer bekannt war und er es sicherlich gelesen hatte.
Bayer war vielseitig interessiert. So unternahm er 1604 eine Reise nach Rom, wo er an Ausgrabungen der Via Nomentana teilnahm und Zeichnungen der Funde anfertigte. Sein Interesse für die Architektur, die Archäologie, Numismatik und der klassischen Mythologie muß jedoch bereits früher begründet sein. Zumindest lässt es sich daraus schließen, dass in seiner Uranometria regelmäßig Verweise auf römische und griechische Schriftsteller und ihre Versionen zur Mythologie im Einklang mit den entsprechenden Sternbildern zu finden sind. Auch Münzen beschrieb er in seiner Uranometria ausführlich, woran wir erkennen müssen, dass er diese beschriebenen Münzen kannte, eventuell sogar selbst besaß. Aus seinen Zitaten griechsich -mythologischer Texte können wir lesen, dass er dem altgriechischen mächtig war. Nach Aussage der im August des vergangenen Jahres leider verstorbenen Frau Inge Keil muß es noch einige, bislang noch nicht eingesehene Unterlagen von Bayer in Augsburg geben.
Nach Abschluss seiner Studien in Ingolstadt (Philosophie und Jura) ließ er sich in Augsburg als Jurist nieder. 1612 wurde er Ratskonsulent, juristischer Beamter der Stadt. Nachdem sein Atlas großen Erfolg hatte, beobachtete er weiter und bereitete eine erweiterte Neuauflage vor. Als Mitarbeiter gewann er dazu Julius Schiller, Ratskonsulent wie er und wohl schon aus Studienzeiten mit ihm bekannt, sowie den Augsburger Stadtarzt Raimund Minderer. Minderes Großvater war übrigens derjenige, der Tycho Brahe in seiner Augsburger Zeit beherbergte. – Sie hatten die Idee, die Sternbilder nicht mehr mit heidnischen, sondern mit christlichen Bildern zu versehen. So entstand der Christliche Sternhimmel: „Coelum Stellatum Christianum“, der 1627 in Augsburg erschien. Weder Bayer (+ 7. März 1625) noch Schiller (+ 1627) noch Minderer (+ 1621) haben sein Erscheinen erlebt. Die letzten Arbeiten wurden deshalb von Johann Bartsch, dem späteren Schwiegersohn Keplers ausgeführt, als er 1626–27 in Augsburg weilte. Obwohl dieser Atlas die damals besten Sternkarten zeigte, erfuhr er wegen der ungewohnten christlichen Sternbilder keine weite Verbreitung. Bayers Uranometria dagegen wurde wiederholt nachgedruckt und blieb bis ins 19. Jahrhundert der bedeutendste Sternatlas. Nicht umsonst trägt die unter Hobbyastronomen verbreitete moderne Sternkarte den Namen Uranometria 2000.
Johannes Bayer vermachte seine Bücher dem Dominikanerkloster bei St. Magdalena (heute römisches Museum), wo er auch begraben wurde. Bayer blieb unverheiratet. Das Grab ist verschwunden, aber einige seiner Bücher gelangten nach der Säkularisation in die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Seine Uranometria können wir dort in vier verschiedenen Ausgaben bewundern. Diejenige mit Goldschnitt und einer Bemerkung zum Dominikanerkloster sowie dem handschriftlichen Eintrag „September 1603“ lassen darauf schließen, dass dies sein persönliches Exemplar gewesen sein muß. Diesen Band zieren das Wappen der Stadt Augsburg (Pinienzapfen) sowie die Pinie als gesamten Baum, das „Logo“ des Verlegers Marcus Welser aus Augsburg.
In seinem Werk, der Uranometria, sehen wir Sterne bis zur 6. Größenklasse, also diejenigen, die mit dem bloßen Auge erreichbar sind. Galaxien, Sternhaufen und Nebel konnte man damals mit ganz wenigen Ausnahmen noch nicht sehen, da das Fernrohr noch nicht erfunden war. Dies geschah bekanntlich erst 1608 durch den Holländer Hans Lipperhey. Trotzdem: In der Christlichen Karte von 1627 sind zumindest M31, die Andromedagalaxie sowie M101 und M33 als ovale, verwaschene Fleckchen ohne Bezeichnung eingefügt. In der Uranometria ist (obwohl doch mit bloßem Auge als heller Fleck zu sehen) seltsamerweise nicht einmal der „Andromeda-Nebel“ eingezeichnet. Einige wenige Andeutungen finden wir jedoch auch in der Uranometria von 1603, da Bayer einige „Sterne“ als „nebulosa“ bezeichnete. Einige davon bezeichnen offene Stern-Haufen, andere sind offensichtlich nicht richtig erkannt worden, an den entsprechenden Stellen fanden wir nichts.
Interessant sind auch die lateinischen Beschreibungen zu den Sternbildern: Bayer beschreibt die Mythologie der Griechen und Römer, benennt jedoch auch die Namen der Sterne und Sternbilder aus anderen Kulturen wie z.B. Persien. Da Bayer weit gereist war und an vielen Dingen Interesse hatte, kommen in seinen Beschreibungen auch viele Münzfunde vor, die er bei Ausgrabungen in Rom entweder selbst gefunden, zumindest aber gesehen und gezeichnet hatte. So Abbildungen römischer Gottheiten und Kaiser, die in die Beschreibung der Sternbilder mit einflossen.
Der Kupferstecher Alexander Mair.
Auch über die Lebensverhältnisse dieses augsburgischen Künstlers ist wenig bekannt. Man hat ihn bisher unter die Maler gezählt, er selbst nennt sich auf seinen Kupferstichen aber nie Maler oder Pictor, sondern stets Chalcographus. Die Gemälde, welche man ihm hat zuschreiben wollen, weil auf ihnen ein dem Mair‘schen Monogramme ähnliches Zeichen vorkommt, werden jetzt seinem Zeitgenossen Anton Mozart zugeschrieben, der ebenfalls in Augsburg lebte und dort ein anerkannter und bekannter Maler war. Mair‘s Geburtsjahr dürfte 1559 sein. Sein Todesjahr ist unbekannt, es müsste aber um 1620 fallen, 1617 war er noch künstlerisch tätig. Paul von Stetten rühmt Mair auch als geschickten Schriftstecher und sagt, dass er die Schrift der silbernen Gedenkplatte, die in den Grund des neuerbauten Augsburger Rathauses gelegt wurde, gestochen habe. Auf jeden Fall war es Bayer, der Alexander Mair exakte Angaben machte und seine Vorstellungen und Wünsche, wie das Sternbild auszusehen hatte, an Mair weitergab. Das kann man aus den Bemerkungen schließen, die Bayer zu den einzelnen Sternbildern mitteilt, siehe die zuvor beschriebene Corona..
Soweit zur Geschichte der Uranometria.
Beschaffung der Unterlagen zum Druck der Uranometria
per aspera ad astra „Mit Hindernissen zu den Sternen“, so könnte man unsere Recherchen gut bezeichnen. Die ersten Versuche in Augsburg scheiterten an einer Fehlauskunft. Wir hatten wohl das falsche Institut angerufen und erfuhren, das Archiv sei wegen Pilzbefall oder ähnlichem nicht zugänglich und die Bücher gesichert und ebenso nicht zugänglich.
Also mussten wir uns andere Quellen suchen, nicht ganz einfach, existieren doch nur noch ein paar handvoll Bücher der originalen Uranometria weltweit. Das Kartenwerk selbst stammt aus der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Heidelberg. Es handelt sich hierbei um die dritte und letzte Auflage, gewonnen aus den Original-Druckplatten, gestochen vom eben erwähnten Alexander Mair. Diese Ausgabe ist einseitig bedruckt und erschien im Jahre 1648 in Ulm im Verlag von Johannes Görlin. Ab der zweiten Auflage wurden die Drucke wohl getrennt. Der beidseitige Druck auf dem recht dünnen, aquarellartigen, handgeschöpften Papier hatte seine Nachteile. – Die Textseiten schlugen beim Druck auf die Tafelseiten durch und machten diese zum Teil unansehlich. Daher entschloß man sich, beginnend mit der zweiten Auflage, Vorder- und Rückseite getrennt zu drucken und zu binden. Eine andere, oft genannte und glaubhafte Variante ist, daß vielen der gesamte Atlas zu teuer war und sich die Wissenschaft hauptsächlich des preiswerteren Tabellenwerkes bediente.
Die im Begleitband sowie im Kartenwerk wiedergegebenen Drucke der Text- und Tabellenseiten entnahmen wir der ersten Ausgabe von 1603. Es handelt sich hierbei um das Exemplar der Linda-Hall- Libary of Scientific Books in Texas, USA. Beide Exemplare sind gebunden und konnten nicht plano reproduziert werden, was zur Folge hat, daß der Falz bei manchen Tafeln zu sehen ist. Ein völliges Planlegen bei der Reproduktion hätte u.U. die sehr empfindlichen Blätter zerstört.
Zur Heidelberger Ausgabe von 1648 konnten weitere Einzelheiten erforscht werden. Dem Betrachter wird auffallen, daß das Titelblatt durchstrichene Buchstaben beinhaltet. – Liest man diese Buchstaben, so kommt man auf „Mueller“. Unten rechts finden wir noch einen weiteren Hinweis: PWJ Müller, 1817. Philipp Wilbrand Jakob Müller war Pfarrer in Odenbach bei Zweibrücken und wohl ab 1817 Besitzer dieser Karten. Er forschte neben seiner Tatigkeit als Gemeindepfarrer über den Ameisenkäfer, heute als Ameisenlöwe bekannter und veröffentlichte gemeinsam mit Gustav Kunze 1822 eine Monographie hierüber. Seine astronomische Tätigkeit ließ sich bis heute noch nicht dingbar machen, allerdings lassen die handschriftlichen Eintragungen auf den leeren Rückseiten der Tafeln den Schluß zu, daß er sich recht intensiv mit der Astronomie beschäftigt haben muß. So stammen auch die noch nicht begradigten Sternbildgrenzen der Tafeln wahrscheinlich aus seiner Hand sowie einige textliche Anmerkungen. Interessant dabei die Helligkeitsmessungen und Zeitverläufe des Sterns Algol, des „Teufelsstern“. – Ich erwähne dies nur deshalb, weil auch dieses „Heidelberger Expl.“ handschriftliche Eintragungen enthält und der Leser oder Betrachter sich fragt, woher diese wohl stammen mögen.
Solche Kartenwerke waren zur damaligen Zeit natürlich keine Sammlerstücke, sondern Arbeitsunterlagen, wie wir an diesem Beispiel sehen, noch bis ins 19. Jahrhundert hinein. Keine der von uns untersuchten Kartenwerke war im Originalzustand des Drucks, alle sind mit diversen Bemerkungen versehen. Retuschieren und damit verändern wollten wir diese Karten nicht, sie sollten im Druck so erscheinen, wie es ihr heutiger Zustand ist.
Die Uranometria war DER Sternatlas bis zum Jahre 1875, als Argelander mit der Bonner Durchmusterung einen neuen, noch genaueren Atlas, bestehend aus 36 Karten und 325.000 Sternen schuf. Erst zu diesem Zeitpunkt wanderten die wenigen noch originalen Karten der Uranometria endgültig in die Archive der Sternwarten und, so wie bei der von uns verwendeten Ausgabe, 1965 von der Heidelberger Sternwarte auf dem Königstuhl in die Abteilung „Handschriften und Alte Drucke“ der Universität Heidelberg.
Insgesamt dürften heute noch 40 – 50 Exemplare weltweit überlebt haben, einige davon zogen wir in Erwägung und entschieden uns für die vorliegende Version: Textdrucke von der Originalausgabe 1603, und Bildkartenwerk vom Heidelberger Expl. von 1648, gedruckt in Ulm von den originalen Kupferplatten von 1603, da sie von den von uns gesichteten qualitativ am hochwertigsten war.
Im Lauf der Jahre gab es insgesamt 5 – 6 Nachdrucke des Uranometria-Kartenwerks: 1624? ist sehr fraglich! / 1639 / 1648 / 1655 / 1661 und 1723, wobei zumindest die beiden letzteren nicht mehr von den Originalplatten gedruckt wurden, sondern stark nachbearbeitet wurden; – ich denke da an den schönen Spruch „mein lieber Freund und Kupferstecher“ – also abgekupfert, wie man heute noch sagt. Sechs Nachdrucke sind von den Textseiten bekannt, 1624 / 1640 / 1654 / 1697 / 1720 und 1723, wobei das immer Abschriften waren und neu gesetzt wurden, oft auch in sehr viel kleinerem Format. Die Karten-Ausgabe von 1624 ist derzeit noch umstritten, wurde sie zwar auf der Frankfurter Buchmesse angekündigt und angeblich vorgestellt, es wurde aber bis heute kein einziges Exemplar davon entdeckt.
Ein Nachsatz: Erst im Juni dieses Jahres erfuhren wir, dass sich in der Augsburger Stadtbibliothek vier Ausgaben der Uranometria von 1603 befinden. Wir konnten sie im Lesesaal einsehen und stellten erstaunt fest, daß es bereits in der ersten Veröffentlichung im Jahre 1603 zwei unterschiedliche Ausgaben gegeben hat: die Bayersche Eigenbesitz-Ausgabe mit Goldschnitt auf einem relativ festen Papier, (wir hatten uns aus drucktechnischen Qualitätsgründen zu einem ebensolchen entschlossen) das zu 95% identisch ist mit dem von uns verwendeten. Diese sicherlich teurere Ausgabe hat als Wasserzeichen das Signum/“Logo“ des Verlags „Ad insigne Pinus“ – den Pinienzapfen, der ja auch gleichzeitig das Augsburger Stadtwappen darstellt. Und eine zweite Ausgabe, die auf erheblich feinerem, dünnerem Papier gedruckt wurde, was viel schwieriger war… ! Zu vermuten ist, dass es wohl eine Ausgabe für die Honoratioren der Stadt und der wohlhabenderen Käufer gab und die etwas einfachere Variante auf dünnerem Papier für die Wissenschaft.
Wenn sie also unser Faksimile erwerben wollten, so können sie sich sicher sein, die Ausgabe für die Honoratioren und Wohlhabenderen zu erhalten, zu einem (für ein Faksimile) erschwinglichen Preis….
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit Gerchsheim, im Oktober 2011
Bilder
Interessante Geschichte. Ich denke, der Autor hätte aus dieser Geschichte einen guten Wettbewerbsartikel machen können.
Schade dass es sich um einen offenbar schon anderweitig veröffentlichten Text handelt, wofür dieser Wettbewerb nicht vorgesehen war (siehe Regeln).
Die Formatierung kann man nur als lieblos bezeichnen.
Der Autor ist offensichtlich der Herausgeber der Faksimile-Edition der Uranometria von 2010, Winfried Berberich, und der Artikel ist Recycling von Werbematerial für diese Ausgabe.
Trotzdem, ein interessantes Thema, das mich sofort dazu veranlasst hat, nach Online-Ausgaben zu suchen. Leider ist die Auflösung bei der vollständigen Ausgabe https://lhldigital.lindahall.org/cdm/ref/collection/astro_atlas/id/118 nicht besonders, aber man kann es lesen.
Beim Anfangsgedicht hat jemand besonders mit seiner Gelehrsamkeit angeben wollen: es ist im Original auf Griechisch und nicht, wie damals üblich, auf Latein (Seite 10). Auf Seite 12 erfahren wir, dass es der Pfarrer Caspar Grasberger aus Waidhofen war.
@Dampier
Nach den letzten Zeilen und der fehlenden Formatierung zu urteilen, könnte es sich auch um ein Redemanuskript handeln. Dann ist es möglicherweise noch nie schriftlich veröffentlicht worden …
@Gaius
Mag sein. Regeln hin oder her (mein Artikel ist auch wieder etwas zu lang ;)). Ich finde,der Autor (der sich offenbar auskennt und schreiben kann), hätte da einen guten Blogartikel draus machen können, indem er einfach die Geschichte der damaligen Faksimile-Herausgabe aus seiner Warte erzählt hätte.
Ein altes Manuskript 1:1 hier reinzuklatschen finde ich wie gesagt etwas lieblos, und auch schade angesichts des spannenden Themas.
„Die Formatierung kann man nur als lieblos bezeichnen.“ Die ist eher nicht vorhanden und macht das Lesen so schwer, dass ich nach kurzer Zeit nach unten gescrollt habe. Ellenlanger unformatierter Text bei einem eigentlich interessanten Thema. Und unten lese ich dann „Wenn sie also unser Faksimile erwerben wollten…“ und „Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit Gerchsheim, im Oktober 2011“
Hmm. AdBlockPlus hat da wohl versagt bei mir.