Am 25. Dezember 1642 wurde Isaac Newton geboren (zumindest nach dem damals in England noch benutzten julianischen Kalender). Man macht nicht viel falsch, wenn man Newton als größten Wissenschaftler aller Zeiten bezeichnet. Und es lohnt sich, sich mit seinem Leben und seiner Arbeit zu beschäftigen. Morgen wird es eine Sternengeschichten-Podcastfolge zu Newtons Leben geben. Heute möchte ich mich aber auf einen speziellen Aspekt seiner Arbeit konzentrieren (die spannende Geschichte seines Familienwappens habe ich ja schon letztes Jahr am 25. Dezember erzählt). Es geht um die newtonschen Flüssigkeiten und vor allem um die seltsamen nicht-newtonschen Flüssigkeiten.

Newton hat sich mit jeder Menge Sachen beschäftigt. Heute kennt man ihn vor allem für sein Gravitationsgesetz. Aber er hat auch die Mathematik revolutioniert; die Grundlagen der modernen Optik geschaffen und noch viel mehr. Er hat eine Temperaturskale geschaffen, probiert Blei in Gold zu verwandeln und den Weltuntergang vorhergesagt. Und er hat sich mit Flüssigkeiten beschäftigt. „Normale“ Flüssigkeiten bezeichnen wir deswegen heute noch als Newtonsches Fluid. Die Größe, auf die es dabei ankommt ist die sogenannte Viskosizität, die misst, wie zähflüssig etwas ist. Sie beschreibt die Reibung zwischen den Teilchen der Flüssigkeit und je nachdem wie die sich verhält, verhält sich auch die Flüssigkeit selbst ganz unterschiedlich.

Mit nicht-newtonschen Flüssigkeiten kann man Spaß haben UND eine große Sauerei anrichten! (Bild: Daniel Christensen, CC-BY 3.0)
Mit nicht-newtonschen Flüssigkeiten kann man Spaß haben UND eine große Sauerei anrichten! (Bild: Daniel Christensen, CC-BY 3.0)

Eine Flüssigkeit wie Wasser zeigt ein linear viskoses Fließverhalten. Das bedeutet, dass die Viskosität nicht von der Kraft abhängt, die auf die Flüssigkeit ausgeübt wird. Man kann Wasser noch so fest zusammenquetschen und es wird doch genau so weiterfließen wie zuvor. Aber nicht alle Flüssigkeiten verhalten sich so und diese anderen werden „nicht-newtonsche Flüssigkeiten“ genannt. Hier spielt die Kraft, die ausgeübt wird, eine Rolle und verändert das Fließverhalten. Ein sehr beliebtes Beispiel ist eine Mischung aus Maisstärke und Wasser. Das Zeug sieht auf den ersten Blick aus wie eine ganz normale Flüssigkeit. Man kann es umrühren, von einem Behälter in einen anderen gießen, die Hand hinein stecken, und so weiter. Aber sobald man eine Kraft ausübt; also die Teilchen der Flüssigkeit dazu zwingt, sich sehr schnell aneinander vorbei zu bewegen, dann „verhaken“ sie sich und die Flüssigkeit wird plötzlich fest. Auf diese Weise kann man zum Beispiel über den Brei aus Maisstärke laufen, ohne darin zu versinken. Die Kraft, die von den Füßen ausgeübt wird, reicht aus, um sie kurzfristig fest werden zu lassen.

Die Uni Göttingen hat das Phänomen in einem schönen Video erklärt und demontriert:

Dieses Verhalten wird ürbigens rheopexisch genannt (falls ihr noch beeindruckende Wörter für das Scrabble-Spiel braucht). Es kann aber auch das Gegenteil auftreten und dann hat man eine thixotropische Flüssigkeit.

Das beste Beispiel dafür ist wahrscheinlich Ketchup. Sitzt es in der Flasche, dann will es dort auch bleiben und selbst wenn man die Flasche auf den Kopf stellt, fließt das Ketchup dort nicht raus. Man muss eine Kraft aufwenden, um Ketchup flüssig zu machen. Dieses Verhalten steckt vermutlich auch hinter einigen vermeintlichen „Wundern“, bei denen das Blut eines lange verstorbenen Heiligen durch die Gegend getragen wird und sich dann auf „mysteriöse“ Weise wieder verflüssigt. In Wahrheit handelt es sich dabei aber nicht um echtes Blut, sondern eine thixotropische Flüssigkeit, zum Beispiel Eisen(III)chlorid-Hexahydrat und Calciumcarbonat in Wasser gelöst (ein Rezept, das auch schon im Mittelalter bekannt war). Wird sie bei den Wundervorführungen herumgetragen und dabei geschüttelt, wird sie wieder flüssig; ganz ohne göttlichen Eingriff sondern nur durch Physik.

Es ist passend, das Newton die Grundlage für die Erklärung so eines „Wunders“ gelegt hat. Er selbst stand ja am Scheideweg zwischen Wissenschaft und Religion und hat nicht nur die moderne Wissenschaft begründet, sondern mit gleichem Enthusiasmus Theologie betrieben. Seine Bibelstudien sind heute nur noch von biographischen Interesse. Seine Wissenschaft aber hat die komplette Welt verändert. Alles Gute zum Geburtstag, Isaac Newton!

7 Gedanken zu „Newtons Flüssigkeiten und angebliche Blutwunder“
  1. Thixotropie ist meines Wissens ein zeitabhängiges Verhalten, d.h., dass ich durch einbringen einer Kraft/Scherung die Wechselwirkungskräfte durcheinander bringe und so die Flüssigkeit dünner wird. Über die Zeit stellt sich das Gleichgewicht wieder ein und die Flüssigkeit wird wieder dicker. Die direkte Abhängigkeit der Viskosität von der Schergeschwindigkeit, bei hoher Scherrate niedrige und bei niedriger Scherrate hohe Viskosität nennt man Strukturviskosität. Diesen Begriff muss man von dem Begriff „Thixotropie“ klar trennen.

    Gruß,
    Stefan

  2. Unter „Rätsel der Geschichte“ beginnt heute um 16:30 Uhr auf n-tv eine Doku über Isaac Newton.

    Fängt also gleich an, da guck ich gleich mal. 🙂

  3. Dabei ist echtes Blut auch eine Nicht-newton’sche Flüssigkeit, thixotropisch, wenn ich mich recht entsinne. Damit kann es nämlich auch durch die kleinsten Blutgefäße gut durchströmen.

  4. @Zorro:

    Hab ich gesehen, fand ich jetzt nicht so berauschend. Besonders sauer stieß mir die Bemerkung auf, dass Newton Asperger gehabt haben soll. Wie will man so etwas, bei einem Menschen der vor mehreren 100 Jahren gelebt hat, sauber diagnostizieren?

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