Auch wenn es dank unbuchbarer Züge und einer Zwangsübernachtung in Göttingen (Streik der Lokführer) zwei Tage länger gedauert hat, bin ich dann heute doch noch von meiner langen Klimareise zurück nach Hause gekommen. Und wie das immer so ist, wenn man aus dem Urlaub (obwohl es ja eigentlich größtenteils Arbeit und kein Urlaub war) kommt, hat man danach ein paar Kilos mehr als zuvor. Obwohl das ja eigentlich niemand so genau sagen kann, zumindest dann, wenn man das Wort „genau“ ganz genau nimmt. Denn was exakt „Ein Kilogramm“ ist, wird immer noch über ein Referenzobjekt in einem französischen Tresor definiert. Dort liegt im Internationalen Büro für Maße und Gewichte ein kleiner Metallzylinder, der aus 90 % Platin und 10 % Iridium besteht und der per Definition eine Masse von exakt einem Kilogramm hat. Mit dieser Definition sind die meisten Wissenschaftler unglücklich, denn so etwas Fundamentales wie die Einheit der Masse sollte nicht über ein schnödes Ding definiert werden. Was, wenn der Kilo-Prototyp irgendwann einmal kaputt geht? Oder verschwindet? In kleinem Maßstab passiert das ja schon: Langsam verflüchtigen sich einzelne Atome des Urkilogramms und der Maßstab wird immer leichter. Das ist natürlich kein Zustand und deswegen bemüht man sich, eine neue und bessere Definition zu finden (ich habe früher schon einmal ausführlich darüber geschrieben). Man arbeitet zum Beispiel an einer Silicium mit einer genau abgezählten Menge an Atomen – aber auch das ist technisch schwierig umzusetzen.
Eleganter wäre eine Lösung bei der Zusammenhänge zwischen fundamentalen Naturkonstanten benutzt werden. So hat man es auch bei anderen Definitionen gemacht und zum Beispiel die Einheit der Länge so definiert, dass die Lichtgeschwindigkeit als Konstante nun exakt 299792,458 Kilometer pro Sekunde beträgt. Man muss die Geschwindigkeit des Lichts nicht mehr messen; es gibt keine Messfehler mehr: Sie hat per Definition genau den Wert, den sie jetzt hat und dieser Wert bestimmt die Länge eines Meters. Genau so könnte man auch andere Konstanten nutzen, um die Masse eines Kilogramms exakt festzulegen so dass man auf irgendwelche archaischen Prototypen verzichten kann.
Wie das im Detail funktioniert, erklärt Professor Michael Merrifield von der Universität Nottingham in diesem Video:
Aber egal wie man nun definiert, was ein Kilogramm ist: Das ändert nichts daran, dass mir nach meiner Reise nun ein paar zu viel davon an den Rippen hängen. Ich werde also erst mal ne Runde joggen gehen 😉
Mich würde interessieren: Wird dieser Kilo-Prototyp manchmal herausgenommen um damit Waagen zu eichen oder um Kopien davon herzustellen? Oder bleibt der für immer verschlossen? Wenn man ihn herausnimmt besteht ja das Risiko ihn zu beschädigen. Ich verstehe gerade nicht was man damit eigentlich erreichen will^^
„Sie hat per Definition genau den Wert, den sie jetzt hat und dieser Wert bestimmt die Dauer einer Sekunde und die Länge eines Meters.“
Vielleicht hab ich dich falsch verstnaden, aber die Dauer einer Sekunde ist nicht über die Lichtgeschwindigkeit festgelegt sondern „Seit 1967 … als das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung ….“ .
lg Alex
@Alex: Klar, die Sekunde ist über die Cäsium-Perioden definiert. Aber die Lichtgeschwindigkeit wurde entsprechend dieser Definition festgelegt.
Ja die Aussage
„dieser Wert bestimmt die Dauer einer Sekunde und die Länge eines Meters“
Ist natürlich missverständlich. Ein Wert kann natürlich nicht zwei Variablen definieren. Wie schon richtig geschrieben wurde ist lediglich der Meter über die Lichtgeschwindigkeit definiert.
Was mich noch interessieren würde: Wäre es jetzt sinnvoll die Masse über Volumen zu definieren um wieder den Bezug zur Lichtgeschwindigkeit zu haben oder ist so eine Verkettung eher ungünstig?
Ich würde es so ausdrücken, dass die Sekunde über den Cäsium Übergang definiert wurde und dazu passend der Meter so definiert wurde, dass sich daraus die Lichtgeschwindigkeit auf dem bekannten Wert ergibt.
Ich finde den Satz, so wie er im Artikel steht auch etwas missverständlich. Ich finde, die Referenz auf die Sekunde sollte daraus entfernt werden. Die Lichtgeschwindigkeit als Naturkonstante definiert zusammen mit der Definition einer Sekunde die Länge eines Meters.
@Kallewirsch: „Ich finde den Satz, so wie er im Artikel steht auch etwas missverständlich. „
Hmm – ich wollte eigentlich nur ausdrücken, dass Längen- und Zeiteinheit über die Lichtgeschwindigkeitsdefinition zusammenhängen. Aber ich kanns auch anders formulieren.
Ob das ungünstig ist, kann ich nicht sagen.
Aber so wie ich das sehe, versucht man das Kilo über eine andere SI-Einheit zu definieren. Das Mol. (Ist eine in der Chemie gebräuchliche Einheit).
Ein Mol eines Stoffes ist jene Menge dieses Stoffes, welche genau *Avogadro Konstante einsetzen* Teilchen enthält.
Einigt man sich noch, was als „Teilchen“ benutzt werden soll, dann zählt man im Grunde genau diese Menge ab, legt die auf die Waage und hat so sein Urkilo.
Das Radiolab hatte sich diesem Thema neulich auch mal angenommen https://www.radiolab.org/story/kg/ Da haben sie auch noch eine andere Definition vorgestellt. Aber genau bekomme ich die jetzt ohne nachhören auch nicht mehr zusammen. Ging aber um Feldstärke eines Magneten.
@Hobbes Ist es nicht so, dass ein Kubikmeter irgendeines Materials keine feste Masse hat, bzw. eine bestimmte Masse ein schwankendes Volumen, je nach Druck und Temperatur? Das wäre doch ein Problem wenn man so ein kg definieren will. Andererseits scheint es so zu sein, dass das Avogadro-Projekt genau das vor hat (wenn wir das richtig verstanden haben).
@Florian Bei uns ist es üblicherweise so, dass wir nach dem Urlaub eher weniger Kilos drauf haben. Zumindest wenn wir so wie Ihr mit dem Fahrrad verreisen.
@Wir: “ Zumindest wenn wir so wie Ihr mit dem Fahrrad verreisen.“
Das Problem an der Sache ist, dass ich normalerweise mehr Sport mache, wenn ich nicht auf Fahrradurlaub bin. Da laufe ich täglich und radle am Heimtrainer. Bei so nem Fahrradurlaub radle ich zwar auch, aber in der Realität (und mit Gepäck) gondelt man dann ja meistens doch eher langsamer durch die Gegend und strengt sich weniger an. Und Zeit fürs tägliche Laufen bleibt auch nicht…
Hab mich in der Zwischenzeit etwas schlau gemacht und bin dabei auf etwas gestosssen, woran ich zunächst überhaupt nicht gedacht hätte, was aber völlig logisch ist, wenn man es erst mal weiß.
Eines der Probleme mit Volumina besteht darin, dass ein bestimmtes Volumen in Luft einen Auftrieb erfährt. Was letztendlich wieder Lufttemperatur und Luftdruck mit ins Boot holt. Im Prinzip könnte man das durch eine Messung im Vakuum wieder vermeiden, wobei sich natürlich wieder das Problem ergibt ein perfektes Vakuum zu erzeugen. Das ganze soll ja auch in einem gewissen Sinne praktikabel sein.
Alles in allem. Schon faszinierend, mit welchen Schwierigkeiten man bei der Erstellung von Basis-Normalen zu kämpfen hat.
Haben die Imperialen eigentlich auch so einen Metallklotz für Pfund und Unze?
@Catweazle: Ne, die haben sich einfach ans metrische System drangehängt und definieren ihre Einheiten über die entsprechende Menge an SI-Einheiten. Ein Pfund = 453,59237 g
Das ist doch alles viel zu kompliziert!
Ich stelle mich gerne als Normobjekt zur Verfügung, denn ich wiege IMMER 80kg. Ganz egal, wie viel Fast Food ich mir gönne.
Nebenbei bin ich auch seit ewigen Zeiten EXAKT 39 Jahre alt.
Das Leben kann so einfach sein! 😉
DerSimpel
P.S.: Mal einen Dank an Florian! Ich lese hier immer gerne und habe viele Inspirationen bekommen.
@DerSimpel: „Ich stelle mich gerne als Normobjekt zur Verfügung, denn ich wiege IMMER 80kg. „
Könnte allerdings dann ein wenig langweilig werden im Pariser Tresor…
nun, bei uns um die Ecke in Heilbronn sind die Längeneinheiten in der Kilianskirche integriert https://de.wikipedia.org/wiki/Kilianskirche_(Heilbronn)#Heilbronner_L.C3.A4ngenma.C3.9Fe – daher auch mein Tip für einen Mathe-Urlaub… denn HN ist bekannt für seinen Sohn R. Mayer https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Mayer und hat sogar eine Sternwarte! https://de.wikipedia.org/wiki/Robert-Mayer-Volks-_und_Schulsternwarte_Heilbronn die ich mit Sohn natürlich schon zu mitternächtlicher Stunde besucht habe! Empfehlenswert…
Beim Kilogramm scheint der Teufel im Detail zu stecken. Schon 2007 wurde die Hoffung geäußert, dass bis 2011 eine Neudefinition gelingen würde. Erst in diesem Herbst soll die Generalkonferenz für Maß und Gewicht die genaue Vorgehensweise definieren und bis es definitive Ergebnisse gibt kann es noch dauern.
Große Schwierigkeiten gibt es bei der Bestimmung der Gravitationskonstanten, die mit einem relativen Fehler von 0,0001 nur sehr ungenau bekannt ist.
Wie wäre es, ein Kilogramm als die Masse eines Kubus, bestehend aus Wasser im Dichtemaximum bei 3,98 Grad Celsius mit einer Kantenlänge von 0,1 Meter zu definieren?
Bewegung und FDH hilft ja immer, aber was ist mit Diäten? Ist da irgendwas von evidenzbasiert? Angeblich bringen weniger Kohlenhydrate ja doch mehr als Verzicht auf Fett…
@Moon: Übers Abnehmen habe ich hier geschrieben: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/02/10/wunderdiaeten-co-die-physik-des-abnehmens/ Ob Kohlenhydrate oder Fett ist im wesentlichen egal. Kommt nur auf die Energie an.
Damit wäre ja zumindest schon einmal der Druck raus genommen…
@Hoffmann
Das Problem ist, dass man eine Definition braucht, die man auch hinreichend genau messen kann. Zwar ist der Meter exakt definiert, aber damit hat man noch lange keinen Liter mit drei rechten Winkeln exakt vermessen, und die Temperatur ist auch schwierig, auf viele Stellen hinter dem Komma zu bestimmen.
Wenn man die Molmasse nähme, müsste man eine bestimmte Atom-/Molekülart in großer Reinheit erzeugen und einzeln zählen, im Prinzip Massenspektrometrie, aber mit makroskopischen Mengen Materie, mit der man eine gegebene Masse vergleichen kann.
Die Definition im Video über die Boltzmann-Konstante, Lichtfrequenz und die Lichtgeschwindigkeit ist ja auch interessant, aber wie man damit eine Menge von einem Kilogramm Materie eicht, das wird leider nicht erklärt.
> Das Problem an der Sache ist, dass ich normalerweise mehr Sport mache, wenn ich nicht auf Fahrradurlaub bin. Da laufe ich täglich und radle am Heimtrainer.
Täglich oder zumindest regelmäßig laufen ist schon einen gute Idee. Beim „Heimtrainer“ muß ich an die Perversen denken, die ich sonntags im Fitnessstudio des lokalen Sportvereins an den Geräten trainieren sehe während im Freien das schönste Wetter herrscht.
Die tägliche Routine bei Gelegenheit zu durchbrechen und was Neues zu unternehmen ist in jedem Fall lohnend, zum Beispiel so:
https://karlmistelberger.wordpress.com/1996/08/26/mt-shasta-avalanche-gulch/
oder so:
https://karlmistelberger.wordpress.com/2001/08/15/zugspitze-2001-wie-kommt-der-rettungsring-ins-bein/
Beschäftigung mit dem Energiesatz ist recht und schön, doch ist immer das Wie entscheidend. 🙂
@Karl Mistelberger: „Beim “Heimtrainer” muß ich an die Perversen denken, die ich sonntags im Fitnessstudio des lokalen Sportvereins an den Geräten trainieren sehe während im Freien das schönste Wetter herrscht.“
Kommt halt drauf an, was man will. Mit dem Rad durch die Gegend fahren, macht Spaß – ist aber vom Trainingseffekt nicht unbedingt immer optimal. Da steht man an Ampeln rum, muss auf den Verkehr achten, lässt sich oft mal rollen, usw. Am Heimtrainer kann ich konstant in der gewünschten Geschwindigkeit am Stück fahren und zwar egal, wie das Wetter draußen ist. Ich kann daneben außerdem fernsehen oder Bücher lesen und so das Training mit der Arbeit verbinden, was aus zeitlichen Gründen oft sehr praktisch ist.
…weiss nicht, obs schon mal verlinkt war, aber hier ein auch sehr schönes Video zum Kilo:
https://www.youtube.com/watch?v=ZMByI4s-D-Y
Da Kilogramm über das Volumen zu definieren scheitert daran, dass das Volumen eines Körpers temperaturabhängig ist
war nicht ursprünglich der Liter als Volumen eines kg Wassers definiert? und ml und cm^3 waren unterschiedlich?
das jetzt umzukehren erscheint mir nicht sinnvoll
Wasser im Dichtemaximum klingt gut, es müsste aber sichergestellt sein, dass dieses keinerlei Gase gelöst hat- destillieren alleine ist zu wenig
Das Ganze über die Loschmidtsche/Avogadrozahl zu definieren wäre zwar exakt, aber bitte wie zählt man 6×10^23 einzelne Atome ausreichend genau? War nicht mal irgendwas als Abscheidung von Ag bei einer Elektrolyse definiert? die abgeschiedene Menge ergibt dann die Masse?
1 mol Elektronen ist 1 Cb – aber auch das ist sicher ungenau
so einfach, wie man Wellen zählen kann ist das nicht
@A_Steroid wir haben am Stefansdom in Wien auch 2 Normlängen angebracht 🙂
@ Alderamin: bei der Molmasse könnte ich F vorschlagen, das hat nur ein stabiles Nuklid :-p (die anderen haben Halbwertszeiten von max Minuten) ist also sehr rein- deshalb verwendet man es ja auch bei der Urantrennung
@ Karl Mistelberger
Nicht zu vergessen, die „Sportler“, die die 2km zum Fitnessstudio bei schönstem Wetter mit dem Auto, statt mit dem Rad oder zu Fuß zurücklegen und zum Fitnesstudio im 3. Stock mit dem Fahrstuhl fahren um dort dann auf dem Hometrainer zu strampeln und den Stepmaster zu bearbeiten. 🙂
@FF
Wieder mal ein interessanter Bericht, normalen Menschen einen kleinen Einblick in die „trivialen Probleme“ wissenschaftlicher Arbeit gibt.
(Dazu tragen auch die kompetenten Kommentare von Alderamin und co. bei.)
Danke.