Nächstes Jahr wird die Raumsonde „New Horizons“ an Pluto vorbeifliegen und wir werden das erste Mal detaillierte Bilder von der Oberfläche dieses Himmelskörpers zu sehen bekommen. Das wird ein spektakuläres Ereignis werden und eines, das vermutlich großes Interesse bei der Öffentlichkeit hervorrufen wird. Immerhin ist Pluto der einzige große Körper im Sonnensystem, von dem wir noch kein vernünftiges Bild haben, obwohl wir von seiner Existenz schon seit fast 100 Jahren wissen. Aber natürlich macht man eine schwierige und komplizierte Mission wie „New Horizons“ nicht nur, um schöne Bilder zu kriegen. Man will vor allem Wissenschaft treiben und schon jetzt machen sich die Forscher Gedanken, was sie von den Resultaten erwarten können. Ein wichtiges Thema wird die Altersbestimmung von Plutos Oberfläche sein – aber hier könnte man auf Probleme stoßen, wie drei Astronomen vom Southwest Research Institute in Colorado zeigen („On the Roles of Escape Erosion and the Relaxation of Craters on Pluto“).

Die derzeit besten Bilder von Pluto (Bild: NASA, ESA, und M. Buie (Southwest Research Institute))
Die derzeit besten Bilder von Pluto (Bild: NASA, ESA, und M. Buie (Southwest Research Institute))

Zu wissen, wie alt die Oberfläche eines Himmelskörpers ist, ist wichtig für ein umfassendes Verständnis der Prozesse, die dort ablaufen und in der Vergangenheit abgelaufen sind. Eine junge Oberfläche kann auf tektonische Aktivität hindeuten, auf Vulkanismus, auf einen unterirdischen Ozean, eine dichte Atmosphäre und andere Eigenschaften, die zu einer ständigen Erneuerung der Oberfläche führen. Ein alter, inaktiver Himmelskörper – wie zum Beispiel unser Mond – hat dagegen auch eine entsprechend alte Oberfläche. Natürlich ist es schwer, aus der Ferne das Alter von Oberflächenmaterial fremder Himmelskörper zu bestimmen. Ein wichtiges Hilfsmittel ist dabei die Untersuchung von Einschlagskratern (ich habe das hier ausführlich erklärt). Je nachdem wie viele Krater man findet und wie sie einander überlappen kann man daraus auf das Alter der Oberfläche schließen. Das möchte man natürlich auch bei Pluto versuchen. Wenn New Horizons endlich hochauflösende Bilder von diesem fernen Himmelskörper machen wird, wird man auch jede Menge Krater zu sehen bekommen und kann daraus Informationen über die Vergangenheit des Zwergplaneten ableiten.

Bei Pluto ist man aber auch aus anderen Gründen an einer Untersuchung der Krater interessiert. Denn irgendetwas muss diese Krater ja verursachen und bei Pluto sind das meistens Asteroiden aus dem Kuiper-Gürtel. Immerhin sitzt Pluto mitten drin in diesem Asteroidengürtel und ist rein astronomisch betrachtet nichts anderes als ein sehr großer Asteroid in diesem Gürtel. Da die Kuiper-Objekte alle weit entfernt sind, haben wir noch nicht allzu viele von ihnen entdeckt; zumindest dann, wenn man es mit der Anzahl der bekannten Asteroiden im näheren Hauptgürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter vergleicht. Die Wissenschaftler sind aber nicht nur an der Anzahl der Asteroiden interessiert, sondern auch an ihrer Größenverteilung: Wie viele Asteroiden einer bestimmten Größe existieren dort draußen? Diese Information würde weitreichende Rückschlüsse auf die Entstehung des Sonnensystems selbst zulassen und darauf, wie die ursprüngliche Materie aus der es entstanden ist, damals verteilt war.

Alle Asteroiden des Kuipergürtels entsprechend zu vermessen, ist viel zu aufwendig. Von der Erde aus können wir derzeit nur die größten Objekte finden, aber wesentlich zahlreicher sind natürlich die kleineren Asteroiden. Bei denen haben wir allerdings keine Chance auf Entdeckung. New Horizons wird uns aber Krater auf der Oberfläche von Pluto zeigen können, die nur einen Kilometer groß sind und die Asteroiden die solche Krater verursachen, haben einen Durchmesser von etwa 100 Metern. Aus einer Vermessung der Größe und Häufigkeit der Plutokrater erhoffen sich die Wissenschaftler also auch Informationen über die Häufigkeit kleiner Asteroiden im Kuipergürtel. Aber dabei muss man aufpassen, meinen Alan Stern vom Southwest Research Institute und seine Kollegen. Denn Pluto könnte uns ein verfälschtes Bild der Wirklichkeit zeigen…

Das liegt an Plutos Atmosphäre. Es mag vielleicht überraschend erscheinen, das ein kleiner Himmelskörper wie Pluto überhaupt eine Atmosphäre hat. Aber natürlich darf man dabei nicht an eine „Lufthülle“ wie auf der Erde denken. Plutos Atmosphäre ist enorm dünn und der Druck am Boden beträgt dort nur etwa 1 Pascal; ist also mehr als hunderttausend Mal schwächer als auf der Erde. Und dann ist Plutos Oberfläche nicht nur von Eis bedeckt. Pluto besteht zu einem Großteil aus Eis! Er besitzt einen Kern aus Fels, der von einem dicken Mantel aus Wassereis bedeckt ist über den sich eine dünnere Kruste aus gefrorenem Stickstoff legt. Und dieses gefrorene Eis kann teilweise ausgasen: Es entkommen also ständig Stickstoffmoleküle (und auch Kohlemonoxid) und bilden die Atmosphäre des Pluto. Da Pluto so klein ist, kann er diese Atmosphäre aber nicht dauerhaft halten und sie entweicht langsam ins All.

So könnte es auf Plutos Oberfläche aussehen. Genau werden wir es erst 2015 wissen (Bild: ESO/L. Calçada)
So könnte es auf Plutos Oberfläche aussehen. Genau werden wir es erst 2015 wissen (Bild: ESO/L. Calçada)

Wissenschaftler schätzen, dass Pluto so im Laufe seines Lebens schon eine Schicht aus Sticktstoffeis verloren hat, die einige Kilometer dick ist. Dadurch sind aber logischerweise auch viele Krater verschwunden, die Asteroiden in dieser Eisschicht geschlagen haben. Dazu kommen die speziellen Eigenschaften von Stickstoffeis, das bei weitem nicht so fest ist, wie zum Beispiel Felsgestein. Das Eis fließt und die Krater füllen sich dort im Laufe der Zeit von selbst wieder an. Sie werden kleiner und weniger tief und täuschen so einen kleineren Einschlag vor, als tatsächlich stattgefunden hat.

Alan Stern und seine Kollegen haben all diese Effekte in ihrer Arbeit berücksichtigt und gezeigt, dass die Verteilung der Krater auf Pluto kein gutes Maß zur Bestimmung der Größenverteilung der Kuiper-Asteroiden sein kann. Das verschwindende Eis und die sich langsam wieder auffüllenden Krater verzerren das Bild zu stark. Man würde nur dann gute Informationen daraus ableiten können, wenn das Stickstoffeis nicht mehr als eine wirklich sehr dünne Schicht über dem darunterliegenden Wassereismantel ist. Aber ob das so ist, weiß man noch nicht. Glücklicherweise zeigen die Astronomen das Problem nicht nur auf, sondern liefern auch gleich eine mögliche Lösung. Denn New Horizons wird nicht nur Pluto beobachten, sondern auch seinen Mond Charon.

Charon ist kleiner als Pluto und die Beobachtungen zeigen im Gegensatz zu Pluto keine Anzeichen für eine Atmosphäre. Seine Oberfläche besteht vermutlich auch hauptsächlich aus Wassereis und nicht aus Stickstoffeis wie bei Pluto. Es gibt dort also keine Erosion durch atmosphärisches Ausgasen und es ist auch nicht damit zu rechnen, dass fließendes Eis die Krater wieder auffüllt. Die Krater auf Charon geben also (hoffentlich) ein unverfälschtes Bild der im Laufe der Zeit stattgefundenen Einschläge wieder. Vergleicht man die Verteilung der Krater auf Charon mit der auf Pluto, kann man herausfinden, wie die Größenverteilung der Kuipergürtel-Asteroiden wirklich aussieht und aus dem Ausmaß der Unterschiede auch Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der oberen Schichten des Plutos ziehen.

Künstlerische Darstellung von New Horizons bei Pluto und Charon (Bild: Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute (JHUAPL/SwRI))
Künstlerische Darstellung von New Horizons bei Pluto und Charon (Bild: Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute (JHUAPL/SwRI))

Am 6. Dezember 2014 ist New Horizons aus ihrer Hibernationsphase aufgewacht. Im Juli 2015 wird sie in wenigen tausend Kilometern Entfernung an Pluto und Charon vorbeifliegen. Wir werden endlich Bilder bekommen; schöne Bilder! Aber eben nicht nur schöne Bilder, sondern auch Unmengen an wissenschaftlichen Informationen, die uns die Geschichte unseres Sonnensystems besser verstehen werden lassen!

20 Gedanken zu „Erosion und Einschlagskrater: Wie sieht die Oberfläche von Pluto aus?“
  1. Bei den Bildern von Rosetta wird immer die Auflösung in m/pixel angegeben. Ist bekannt in welcher Grössenordnung sich dieser Wert bei den Bildern von Pluto/Charon bewegen wird?

  2. Wie lange wird New Horizons eigentlich Zeit für die Fotos und sonstige Untersuchungen haben? (Ich meine in hoher Qualität, da die Dauer des Vorbeiflugs ja Definitionssache ist.)

  3. @tina
    New Horizons wird in 9.600 km Entfernung an Pluto vorbeifliegen. Wenn ich mal 40.000 km als willkürlich gewählte Maximalentfernung für Bilder hoher Auflösung (< 100 m/Pixel) nehme, dann beträgt die Flugstrecke innerhalb dieser Entfernung ca. 78.000 km (grob angenähert mit Satz des Pythagoras), was bei einer Relativgeschwindigkeit der Sonde zu Pluto von 13,78 km/s rund 94 Minuten Flugzeit ergibt.

  4. @Spritkopf

    Danke für die Berechnung! Ist ja erstaunlich wenig Zeit, wenn man bedenkt, wie lange die Sonde dafür unterwegs war…

    Hoffentlich klappt dann alles in diesen entscheidenden 94 Minuten.

  5. Ich versuche mir vorzustellen, wie das wohl als Besucher auf dem Pluto so ist… Läuft man da nicht die ganze Zeit durch ein Halbdunkel?
    Ich denke man sieht das auch auf der einen Illustration im Text ganz gut. (auch wenn diese Illustration sicherlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.) Die Sonne ist nur noch ein Punkt am Horizont.
    Reicht das Licht aus, um scharfe Bilder aus den Sonden heraus zu schießen oder ist die Belichtungszeit so lange, dass am Ende wieder nur Klötzchen übrig bleiben?

  6. @stefan

    als astronaut wäre es hell genug um alles gut zu erkennen. das menschliche auge/hirn hat hat auch eine enorme kontrastspanne.
    die sonne erhellt pluto ungefähr 300 mal stärker als bei uns der vollmond die erde erhellt.

    hab ein bissal gesucht, da sagt eine quelle, dass der vollmond ungefähr die umgebung so erhellt wie die sonne wenn sie 8° unterm horizont ist.

    entspricht auch ungefähr einer beleuchtung von 100 lux (da sagen unterschiedliche quellen:
    -wie sehr stark bedeckter tag,
    -oder flurbeleuchtung,
    -dämmerung mit sonne 3° unterm horizont)

    und ich denke die kameras sind so senisitiv, dass die da schon ordentliche bilder liefern.

  7. @tina

    Emily Lakdawalla hat auf ihrem Blog eine detaillierte Liste aller geplanten Navigationsaufnahmen mit Zeit, Entfernung, Objekt und Auflösung im km/px veröffentlicht. Außerdem ein Diagramm des Vorbeiflugs mit 10-Minuten-Zeitmarken. Die beste Auflösung wird am 14. Juli um 11:50 UT/13:50 MESZ 3,8 km/px betragen (Navigation und Wissenschaft werden anscheinend beide mit der gleichen Kamera, LORRI, gemacht).

    Siehe auch diesen älteren Artikel.

  8. @myself

    Die beste Auflösung wird am 14. Juli um 11:50 UT/13:50 MESZ 3,8 km/px betragen

    Korrektur, das hatte ich falsch gelesen: diese Auflösung wird das beste Bild haben, das 8,5 Stunden vor der nächsten Annäherung am frühen Morgen des 14. Juli noch zur Erde gesandt wird, bevor die Sonde sich nur noch Pluto und seinen Monden widmet. LORRI wird tatsächlich ca. 50 m Auflösung bei der nächsten Annäherung haben. Die ersten dieser Bilder kommen dann einen Tag später auf der Erde an.

  9. @Christian
    Der Vollmond erhellt die Nacht wie eine Kerze in 3m Entfernung. Hab ich mal gegoogelt nachdem mich einige fragten wieviel Watt meine PV Anlage bei Vollmond liefert.

    @all
    Das Projekt hatte sicher eine sehr interessante Planung. Wie synchronisiere ich stark entgegenstehende Requirements wie lange Belichtungszeit, hohe Geschwindigkeit, wenig Energie, viel Speicher, niedrige Datentransferate, optimale Aufnahmepositionen usw. Hier einen guten Kompromiss zu finden in einer unbekannten Umgebung ist ein Wahnsinn.

    Apropos Aufnahmeposition: Ich stelle mir gerade vor wie auf dem ersten Foto eine Alienraumstation im Hintergrund zu sehen ist, aber bis eine Kurzkorrektur ankommt, diese schon längst außer Sicht ist 🙂

  10. @Franz

    Ich habe gerade ein sehr interessantes Papier über die Kamera LORRI gefunden. Ein paar Eckdaten:

    -Ritchey-Chretien Optik (Ihr wisst ja jetzt alle, was das heißt 🙂 ) mit 208 mm Öffnung und 2630 mm Brennweite (f/12,6)
    – Field-flattener
    – Blickfeld des Sensors: 0,29° (17,4′)
    – back-illuminated, high quantum efficiency CCD (E2V Technologies 47-20), S/W, 350-850 nm
    – Auflösung des Sensors 4,94 µrad (=1″)
    – 1024×1028 Pixel mit 4 Dunkelzeilen
    – Belichtungszeit 50-200 ms, 100 ms nominal (dabei driftet Pluto maximal 2-7 µrad beim engsten Vorbeiflug, d.h. die Sonde muss nicht nachgeführt werden), 29,9 s maximal
    – Belichtungsautomatik
    – Beste Auflösungen: Pluto: 50 m/px, Charon: 130 m/px, Nix/Hydra: 200 m/px (die kleinsten erkennbaren Details müssen dann nach dem Shannonschen Abtasttheorem doppelt so groß sein)
    – SNR (Signal-to-Noise-Ratio) > 100 für Aufnahmen bei kleinem Phasenwinkel (nahezu „Vollpluto“); > 20 für Aufnahmen des Terminators (Phasenwinkel 110°)
    – SNR > 7 für eine 100 ms-Aufnahme eines 11,5 mag Sterns (aber hallo!)
    – Grenzgröße > 17 mag. bei SNR > 7 für eine Belichtungszeit von knapp 10 s im 4×4 binned Modus (beim Binning werden 4×4 Pixel zu einem addiert, was den Signal-Rausch-Abstand verbessert, aber die Auflösung auf 256×257 Pixel verringert)

    LORRI hat keine Farbfilter und wird nur S/W-Aufnahmen liefern. Farbbilder wird es aber vom Instrument RALPH geben, das 5,7° Blickfeld und einen 4-Farb-Sensor hat. Ralph schaut in die selbe Richtung wie LORRI, damit können die LORRI-Aufnahmen wohl nachgefärbt werden.

  11. @Alderamin
    Interessante Daten, danke fürs Zusammenfassen.
    Mich wundert die kurze Belichtungszeit. Der CCD muss sehr empfindlich sein. Andererseits spart man sich da die Nachführung die nach den langen Jahren im All vermutlich sowieso nur mehr schlecht funktioniert hätte.

    Die Kombination von hochauflösender S/W Kamera und kleiner Farbkamera erinnert an die alte Fernsehnorm PAL, wo das Farbsignal nur 1/5-1/10 der Auflösung von SW hatte und das reichte damals und auch heute, da das Auge eine ähnliche Kapazität hat (und Computer brauchen keine Farben im Normalfall).

    Oh nein, Binning, das erinnert mich an ein Projekt wo es an die 200 Requirements nur für Binning gab, weil die Kunden unbedingt alle möglichen (und unmöglichen) Kombinationen wollten.

    Ist das SNR in dB ?

  12. @Franz

    Hast Du denn beruflich mit optischen Sensoren zu tun?

    Das Binning wird nur zur Navigation und zum Aufspüren von KBOs benutzt, Pluto und seine Monde werden ohne Binning aufgenommen. Die SNR-Angaben sind linear, nicht dB (100 dB SNR wäre ja auch exorbitant).

  13. @ franz

    und tut sich was bei der PV anlage ? wird wohl abhängen wie fein gemessen wird, und obs technisch/physikalisch möglich ist.

    da gibts übrigens eine nette teletextseite auf http://www.ard-text.de (oder fernseher) 187++ (da wird für D, geschätzt was der tagesertrag, bei wind und sonne sein wird). Vor ein paar tagen muß in D ordentlich der wind gegangen sein, da wurden 35%! das durchschnittliche verbrauchten stroms erzeugt.

  14. @ alderamin
    Ritchey-Chretien Optik (Ihr wisst ja jetzt alle, was das heißt 🙂 )
    Angeber 😉

    Ja wird spannendes Jahr bzgl. Zwerg-Planetenmissionen

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