Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.

sb-wettbewerb

Dieser Beitrag wurde von Franz eingereicht.
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‚Just pull hard‘

Ein Satz dem man nicht gerade mit Stromversorgungen im All in Zusammenhang bringt, der aber quasi ein Highlight der bereits vor drei Jahren, genau gesagt am 6 – 10 Juni 2011, stattfindenden Space Power Konferenz war (https://www.esa.int/Our_Activities/Space_Engineering/9th_European_Space_Power_Conference_ESPC). Aber dazu später.

Die alle drei Jahre stattfindende Space Power Konferenz gibt einen Überblick über die derzeit verwendeten Stromversorgungskonzepte in Satelliten und stellt auch zukünftige Konzepte zur Diskussion. Dies beginnt bei der primären Stromversorgung wie Solarzellen und RTGs (https://en.wikipedia.org/wiki/Radioisotope_thermoelectric_generator), über Regelungstechniken (z.B: Power Point Tracker) und Batterien bis zu den Schutzschaltungen wie z.B. Strombegrenzer. In verschiedenen Vorträgen werden dieses Punkte vorgestellt und dann in der Runde diskutiert. Oftmalig wurden nebensächlich erscheinende Punkte intensiv diskutiert. Übrigens, man möge mir verzeihen, dass ich kaum Namen und Referenzen im Text habe. Der Grund ist schlicht der, dass ich die Unterlagen der Konferenz nicht mehr finden kann.

Im Rahmen meiner damaligen Aktivitäten war es eine sehr interessante Konferenz, da ich in diesem Bereiche arbeitete. Ein bemerkenswerter Punkt war jedoch die Tatsache, dass nicht nur die neuesten Technologien vorgestellt wurden, sondern dass man auch bei den Softskills eine Menge lernen konnte. Durch Beobachtung der Vortragenden und der Diskussion mit echten Profis, war es möglich die eigenen Fähigkeiten zu vergleichen und zu testen. Sehr interessant war die Art und Weise der Vorträge. Ein extrem negatives Beispiel war der Vortrag eines Batterieherstellers, der seinen Text nur vorlas. Sieht man so etwas live, dann erkennt man sofort, warum so ein Art des Vortrags extrem ungeeignet ist. Eine unfreiwillig komische Einlage lieferte auch ein Gast aus Japan, der auf die Bühne stürmte und stolz die Messungen seine Studie präsentierte und am Ende auf seine Schlussbemerkung: „Fragen?“ zur Antwort bekam: „Ehhm, worum ging es denn in ihrem Vortrag ?“ Nervig waren auch Vortragende die sich nicht an die vorgegebene Zeit hielten. In Summe überwogen aber die positiven Beispiele wo man in sehr interessanten und gut vorbereiteten Vorträgen über ein spezielles Gebiet informiert wurde.

Einige spezielle Punkte möchte ich dabei besonders erwähnen. Ein Vortrag der mich besonders beeindruckte berichtete über einen Fehlschlag. Ich hatte großen Respekt vor der Vortragenden, dass sie sich vor 100 Spezialisten hinstellte und über einen Fehlschlag berichtete. Der Vortrag war auch inhaltlich sehr interessant, denn er behandelte den Versuch Batterien auf Silizimbasis zu verwenden. Die erreichte Speicherdichte war um den Faktor drei höher als bei damals verwendeten Lithium Akkus. Leider dehnte sich das Material beim Aufladen mechanisch sehr stark aus und trotz aller Bemühungen war es nicht möglich die Sache in den Griff zu bekommen. Nichtsdestotrotz konnte die Vortragende das Publikum in den Bann ziehen und es kam zu einer angeregten Diskussion. Auf meine Frage:“ Frustriert sie der Misserfolg nicht“, bekam ich zur Antwort: „Welcher Misserfolg ? Wir haben wichtige Erkenntnisse gewonnen wie es nicht geht“. Geniale Einstellung.

Ein weiterer Vortrag behandelte Batterien die ohne Elektrolyt gebaut werden und somit absolut inaktiv sind und jahrelang gelagert werden können, was für den Spacebereich wichtig ist, da die Starts oft verschoben werden, bzw. lange Lagerzeiten auftreten können. Erst kurz vor der Benutzung wird das Elektrolyt in die Batterie gepresst und die Batterie ist aktiv. Zu einen kleinen Dämpfer im Enthusiasmus der Anwesenden kam es, als der Vortragende auf die Frage: „Woher kommt diese Technologie?“ antwortete, „aus dem Militärbereich, sie wird normalerweise für Raketen benutzt“. Die Temperatur im Raum sank merklich.

Ein anfangs skurril anmutender Vortrag kam von einem Ex-NASA Mitarbeiter der mit ein paar Kollegen quasi in der Pension eine kleine Firma gründete und dabei offiziell Technik der NASA benutze, die diese nicht mehr benötigte. In den Anfängen der Solarzellenforschung wurden oft Ballone eingesetzt an deren Oberseite Solarzellen befestigt waren und diese zu Messzwecken in große Höhen bis zu 40km gebracht wurden. Durch die ISS und Space Shuttles war diese Technik nicht mehr nötig und deshalb übernahm die „Pensionistengruppe“ dieses Projekt. Der Vortragende wirkte dabei wie jemand der von seiner Modelleisenbahn schwärmt. Auf Grund der Veränderungen bei der NASA (kein SpaceShuttle) und einer hohen Nachfrage von kommerzieller Seite, wurde aus der „Nachmittagsbeschäftigung“ eine Firma die sich vor Aufträgen kaum retten konnte. Dieser Vortrag war insofern interessant als er zeigte, wie aus einer Idee oder bereits abgelegten Technologie, ein bisschen Glück und persönlichem Einsatz ein florierendes Geschäft werden kann.

Ein weiterer sehr interessanter Vortrag kam von Mitarbeiterinnen vom Frauenhofer Institut die einen Überblick über den Stand in der Solarzellenforschung gaben. Nebenbei bemerkt fiel mir auf, dass die interessantesten Vorträge zu 50% von Frauen gehalten wurden, bei einem globalen Frauenanteil von vielleicht 10%. Das wirft in mir immer wieder die Frage auf, warum in vielen Ländern noch immer auf etwa 50% der möglichen Kreativität verzichtet wird, weil Frauen von Bildung ferngehalten werden. Ich vermute mal weil die Männer dort Angst vor starken Frauen haben. Aber zurück zum Thema. Was ich damals nicht wusste war die Tatsache, dass eine Solarzelle theoretisch das Licht zu 100% in Strom umwandeln kann. Bestimmte Materialien absorbieren aber immer nur einen kleinen Teil des Spektrums des Lichts, d.h. immer nur einen bestimmten Frequenzbereich, oder einfacher ausgedrückt einen bestimmten Farbbereich. Damit nun das gesamte Frequenzspektrum benutzt werden kann, müssen mehrere verschiedene Materialien benutzt werden. Der Trick dabei ist aber, dass diese übereinander gelegt werden müssen und oben liegende Materialien dabei durchlässig sein müssen für Frequenzen die von unterhalb liegenden Materialien absorbiert werden. Der Vortrag umriss dabei mögliche Beschichtungen und Aufdampftechniken die sehr innovativ waren, aber den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengen würden.

Nach einem anstrengenden Tag voller interessanter Vorträge und Diskussionen dachte ich dann über einen netten Ausklang nach, fand doch die Konferenz in Südfrankreich in St. Rafael statt. Aber ok, gehen wir noch auf das gemeinsame Abendessen. Dies entpuppte sich dann als wahre Fundgrube an interessanten Diskussionen, da die ganzen Spezialisten nicht mehr an irgendwelche offiziellen Gepflogenheiten gebunden waren, sondern frei sprechen konnten. Ein sehr interessanter Tischgast war ein Wissenschaftler aus England der mir die Funktionsweise eines Ionenantriebs nahebrachte. Bei dem Ionenantrieb denkt man zunächst an Science Fiction oder die berühmten Ionenstürme bei StarTrek, es gibt diese aber auch in der Realität. Im Grunde genommen funktionieren sie ganz einfach: Schwere Ionen (z.B: Xenon) werden mittels magnetischer Felder beschleunigt und dann ausgestoßen. Der Rückstoß treibt das Raumschiff an. Die erzeugten Schubkräfte sind dabei im Bereich von 250mN jedoch beständig und der Kraftstoffverbrauch ist minimal. Es wird aber ein erhebliche elektrische Leistung im Kilowattbereich benötigt, deshalb werden diese Antriebe nur in Sonnennähe benutzt. Ein gutes Beispiel ist die Sonde Bepi Colombo die zum Merkur fliegen wird und zum stetigen Bremsen gegen die Sonnengravitation Ionenantriebe benutzt. Die Ionenantriebe werden auch zur Lageregelung benutzt, da sie keine beweglichen Teile wie zum Beispiel Gyroskope haben.

Das interessanteste Tischgespräch fand aber zu Mittag statt, wo ich das Glück hatte neben einem Repräsentanten der Curiosity Mission zu sitzen, der zusätzlich noch sehr gesprächig war und von Enthusiasmus überquoll. Er erzählte den Plan, Curiosity an Seilen auf dem Mars abzusetzen um die Staubentwicklung in der Griff zu bekommen. Mittlerweile wissen wir, dass das Manöver funktioniert, aber damals war es noch nicht so sicher. Der NASA Mitarbeiter zeigte mir auch ein Video wie es funktionieren soll. Mir fiel dabei auf, dass bei der NASA im Gegensatz zur ESA scheinbar Humor erlaubt ist, denn als im Video der Lander den Rover abgesetzt hatte, flog er weg um dann etwa 20 Sekunden später im Hintergrund elegant an einen Felsen zu knallen. Am nächsten Tag kam dann der offizielle Vortrag, den ich schon kannte, aber die Fragen in der anschließenden Diskussion setzten dem Ganzen noch die Krone auf. Auf die Frage: ‚Wie hoch schätzen sie die Erfolgschance dieser Krantechnik ein‘ kam die lapidare Antwort: ‚Is this a trick question?, 100% of course‘. Oder wie der Rover mit Energie versorgt wird, da er ja sehr groß ist kam die Antwort: „We are the United States, we have nukes“. Schon beim Mittagessen hat mich die Einstellung dieses Managers gefallen nicht lange zu fackeln und zu diskutieren, sondern einfach die Sache durchzuziehen. Wenn ich da an die endlosen, oft politisch motivierten Diskussion in ESA Gremien denke, dann kam mir diese geradlinige Vorgehensweise direkt erfrischend vor. Einen Satz vom Mittagessen habe ich noch gut im Gedächtnis als wir kurz über den Neueinstieg in den Spacebereich sprachen. Der NASA Manager meinte, dass er einmal ein ernstes Wort mit den Universitätsprofessoren wechseln müsste, da die Abgänger zwar alle genau wussten wie man perfekt Gehaltsverhandlungen führt, aber keine Ahnung haben wie man einen Lötkolben hält.

Der interessanteste Vortrag der ganzen Konferenz war eine Übersicht über die Hubblemission. Eigentlich war es ein freier Nachmittag um mal den Kopf freizubekommen, aber es gab ein kleines Unterhaltungsprogramm für diejenigen die noch nicht genug hatten (wie mich). Bei diesen Vorträgen ging es nicht primär um die Technik sondern um Geschichten aus dem Spacebereich. Der Vortragende hatte einen reichen Fundus an Anekdoten, da er von Anfang an maßgeblich am Hubble mitarbeitete und auch das Talent hatte, die Geschichten genial zu präsentieren. Ein Highlight war der Austausch der Solarpanels am Hubbleteleskop. Nach der Landung des Space Shuttles muss dieser immer gereinigt werden, da die Treibstoffrückstände giftig sind. In der ‚Ankunftshalle‘ standen an die 50 Techniker und mussten vom Bodenpersonal fast mit Gewalt daran gehindert werden auf die Rollbahn zu stürmen, weil jeder die Panels als erster untersuchen wollte. Ich stellte mir die Reaktion der Crew des Space Shuttles vor, als 50 Menschen mit irrem Blick auf das Raumschiff zustürmten. Es folgten noch viele weitere Geschichten, sodass der Nachmittag wie im Flug verging. Die beste jedoch bezog sich auf den Satz in der Einleitung. Es ging um den Tausch der wide field camera des Hubble Teleskops. Der Astronaut der den Tausch durchführte meldete, dass sich die letzte Schraube nicht lösen lässt, worauf alle Techniker zusammengetrommelt wurden um eine Lösung zu finden. Nach einer langen Diskussion wurden alle möglichen Lösungsansätze dem Astronauten übermittelt. Keins funktioniere. In der folgenden Stille wagte dann ein heroischer Techniker zu sagen: „Er soll fest ziehen, das Ding hat 8 Schrauben, eine weniger …“. Nachdem die anfängliche Empörung der Teilnehmer abebbte, wurde der Astronaut instruiert: „Just pull hard“ und nach einer kurzen Rückfrage „please repeat“, zog er. Mit reichlich ausgeschmückten Sätzen erzählte der Vortragende dann, dass alle im Raum den ‚Knack‘ gehört hätten, obwohl dies unmöglich ist im Vakuum. Man sieht, auch im All hilft zu Reparaturzwecken mal kräftig draufzuklopfen.

Nachdem schon drei Seiten voll sind muss ich zum Ende kommen. Es gab noch viele interessante Tage und ich kann allen empfehlen, wenn ihr die Chance habt an solchen Konferenzen teilzunehmen dann macht mit und versucht in den Pausen mit den Spezialisten zu reden. Allein die Diskussion über die Ariane 5 während einer Busfahrt ….

Fazit: Meist reden diese Menschen sehr gerne über ihre Fachgebiete und man lernt eine Menge. Für interessierte Personen ist dies eine wahre Fundgrube. Der Trick ist hier, mit solchen Personen außerhalb der offiziellen Angelegenheiten in ungezwungener Atmosphäre zusammenzutreffen. Sonst wird es ein langweiliger Arbeitseinsatz.

7 Gedanken zu „Space Power“
  1. Sicher sind die inoffiziellen „Termine“ interessant und ergiebig. Aber man darf eben trotzdem nicht mit eben dieser Erwartung hingehen, sondern sie als das nehmen, was sie sind: Lückenfüller im offiziellen Programm. Sonst nämlich wird auch der Lückenfüller zum quasi-offiziellen Termin, was den Mehrwert zerstört.

  2. Ich schliesse mich dem Dampier an: Der Beitrag hätte ruhig noch länger ausfallen können. 🙂
    Die Einstellung der Dame, die über die misglückten Versuche mit den „Silizium-batterien“ berichtete, finde ich übrigens auch genial. Solche Berichte über misglückte Experimente, erfolglose Entwicklungen oder sonstige Forschungen, die nicht die Ergebnisse lieferten, die man erwartet hat, sollten Standard werden.

  3. Ich wiederum schließe mich Hans an:

    Schöner Artikel, sehr kurzweilig. Und ja: Berichte über Forschungsthemen, die nicht geklappt haben, aber trotzdem einen Mehrwert schaffen, sollte man in der Tat öfter bekommen.

  4. @Chris
    Das stimmt, wenn man mit der Erwartungshaltung möglichst viele ‚Lückenfüller‘ zu bekommen zu so einer Konferenz geht , dann wird es wahrscheinlich frustrierend.

    Meine Kernaussage sollte eher in die Richtung gehen: Wagt es auch mal die ‚Profis‘ anzusprechen.

  5. @ Franz:
    Gut zu lesender Beitrag.
    Hatte zwar mehr zum konkreten Thema gegenwärtige und zukünftige Energiesysteme erwartet, aber wie gesagt, war auch so interessant zu lesen.
    Nur ein off-topic-Punkt:

    Das wirft in mir immer wieder die Frage auf, warum in vielen Ländern noch immer auf etwa 50% der möglichen Kreativität verzichtet wird, weil Frauen von Bildung ferngehalten werden.

    Dies ist mittlerweile nicht mehr so.
    Über alle 30-jährigen Frauen der Welt gemittlet beträgt die Verweilzeit in Schulen 7 Jahre. 30-jährige Männer haben 8 Jahre in Schulen verbracht.
    Es gibt noch einzelne, bevölkerungsärmere Länder in denen Frauen/Mädchen tatsächlich von Bildung ferngehalten werden, aber die überwältigende Mehrheit des weiblichen Geschlechts geht heute annähernd genauso lange zur Schule wie die männlichen Altergenossen.
    D.h. nicht, dass sie nicht in anderen Gesellschaftsbereichen weiterhin diskriminiert werden. Im Bildungsbereich ist dies aber nicht mehr der Fall.

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