SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 91: Braune Zwerge

In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich von den Zwergplaneten erzählt. Um Zwerge geht es auch heute – allerdings diesmal um ein ganz anderes Kaliber. Die Zwergplaneten waren kleine Planeten – oder große Asteroiden, je nachdem wie man es sehen will und in unserem Sonnensystem gibt es jede Menge davon. Die „braunen Zwerge“ dagegen sind nur klein, wenn man sie mit ausgewachsenen Sternen vergleicht! In Relation zu einem normalen Planeten sind sie riesig. So wie die Zwergplaneten die Verbindung zwischen Planeten und Asteroiden darstellen, sind braune Zwerge die Verbindung zwischen Planeten und Sternen.

Braune Zwerge sind FAST Sterne und FAST Planeten, aber nichts davon so richtig… Eigentlich sollte es ziemlich simpel sein, Sterne von Planeten abzugrenzen. Immerhin leuchten Sterne von selbst und Planeten tun das nicht. Das ist auch richtig – aber es gibt eben noch ein paar Stufen dazwischen.

Zwischen Stern und Planet liegt der braune Zwerg (Bild:  NASA/JPL-Caltech/UCB)
Zwischen Stern und Planet liegt der braune Zwerg (Bild: NASA/JPL-Caltech/UCB)

Unsere Sonne ist ganz eindeutig ein Stern. Und macht das, was typische Sterne eben so tun. Sie ist so massereich, dass in ihrem Inneren ein enormer Druck und enorme Temperaturen herrschen. Die ganzen gewaltigen Gasmassen – die Sonne ist immerhin 300.000 Mal schwerer als die Erde – drücken so stark auf das Zentrum, dass Temperaturen von mehr als 10 Millionen Grad herrschen. Die Atome des Wasserstoffs aus dem die Sonne hauptsächlich besteht, flitzen so schnell hin und her, dass sie bei einer Kollision nicht mehr aneinander abprallen, sondern miteinander verschmelzen und Helium bilden. Dabei wird Energie frei, die in Form von Strahlung nach außen dringt. Dabei kollidiert die Strahlung ständig mit den diversen Atomen und übt so einen nach außen gerichteten Druck aus. Dieser Druck wirkt den nach innen drückenden Gasmassen entgegen und hält den ganzen Stern im Gleichgewicht.

Ganz simpel gesagt ist das der Zustand, der einen Stern ausmacht: In seinem Inneren wird Wasserstoff zu Helium fusioniert und die frei werdenen Strahlung sorgt dafür, dass die ganze Angelegenheit weder kollabiert noch explodiert sondern alles im Gleichgewicht bleibt. OB Wasserstoff zu Helium fusionieren kann hängt von der Temperatur im Kern ab. Diese Temperatur hängt von der Masse ab, die von außen auf das Zentrum drückt. Und man kann relativ einfach berechnen, wie viel Masse dafür nötig ist: Ungefähr das 75fache der Masse von Jupiter was dem 0,07fachen der Masse unserer Sonne entspricht. Damit ist einerseits klar, dass es auch viel kleinere Sterne geben kann als unsere Sonne. Und es sollte andererseits auch klar sein, was ein Stern ist und was ein Planet. Alles mit mehr als 75 Jupitermassen ist ein Stern, alles darunter ist ein Planet.

Brauner Zwerg TWA 5B und ein Stern den er umkreist im Röntgenlicht (Bild: NASA/CXC/Chuo U./Y. Tsuboi et al.
Brauner Zwerg TWA 5B und ein Stern den er umkreist im Röntgenlicht (Bild: NASA/CXC/Chuo U./Y. Tsuboi et al.

Aber so einfach ist es nicht. Denn es kann ja nicht nur Wasserstoff zu Helium fusionieren. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Wasserstoff ist das simpelste aller Atome und besteht normalerweise nur aus einem positiv geladenen Proton als Atomkern, das von einem negativ geladenen Elektron umkreist wird. Aber es existieren auch Variationen davon, die sogenannten Isotope. Eines dieser Isotope des Wasserstoffs heißt Deuterium und hat einen Kern, der aus einem positiv geladenen Proton und einem negativ geladenen Neutron besteht. Auch Deuterium kann zu Helium fusionieren und das schon bei sehr viel niedrigeren Temperaturen. Dafür reichen schon die Temperaturen, die knapp 13 Jupitermassen an Gas in ihrem Zentrum erzeugen können. Dann findet die Fusion statt und Energie wird frei.

Warum also setzt man die Grenze für die Definition eines Sterns bei 75 Jupitermassen an und nicht bei 13 Jupitermassen? Das liegt daran, dass simpler Wasserstoff enorm häufig ist. Es ist das häufigste Element im ganzen Universum; knapp zwei Drittel aller Materie ist Wasserstoff und auch jeder Stern besteht zum überwiegenden Teil aus diesem Wasserstoff. Deuterium dagegen ist vergleichsweise selten, in einem typischen Stern findet man davon nur wenig. Ein Himmelskörper der mehr als 13 aber weniger als 75 Jupitermassen hat, kann also zwar das Deuterium fusionieren, aber nicht den normalen Wasserstoff. Aber weil viel weniger Deuterium vorhanden ist als Wasserstoff, kann er diese Fusion nur ein paar hundert Millionen Jahre lang aufrechterhalten und nicht viele Milliarden Jahre lang, wie ein echter Stern. Außerdem wird bei der Deuteriumfusion weniger Energie frei.

Ein Himmelskörper, der Deuterium fusioniert aber keinen Wasserstoff, leuchtet also viel schwächer und kürzer als es ein echter Stern tun kann. Diese Himmelskörper glimmen also nur ein bisschen vor sich hin, bevor ihr Feuer ausgeht und sie langsam immer kälter werden ohne neue Energie zu erzeugen. Sie sind also tatsächlich eine Art Mittelding zwischen Stern und Planet dar. Die Existenz solcher Objekte wurde 1963 vom Astronomen Shiv Kumar vorhergesagt. Ihren Namen haben sie aber erst 1975 bekommen: Da hat die Astronomin Jill Tarter die Bezeichnung „brauner Zwerg“ vorgeschlagen.

Größenvergleich einiger Sterne und brauner Zwerg (Bild: MPIA/V. Joergens, CC-BY 3.0)
Größenvergleich einiger Sterne und brauner Zwerg (Bild: MPIA/V. Joergens, CC-BY 3.0)

Dieser Name ist aber eigentlich irreführend. Zwerge sind diese Objekte nur im Vergleich mit anderen, echten Sternen. Und sie sind auch nicht braun; eigentlich leuchten sie eher schwach rötlich. Aber die Bezeichnung „roter Zwerg“ war schon für die Gruppe der kleinsten echten Sterne vergeben und mittlerweile hat sich das „Brauner Zwerg“ eingebürgert.

Ob es braune Zwerge aber auch tatsächlich geben kann, war lange Zeit nicht klar. Da sie selbst nur sehr schwach bzw. gar nicht leuchten, waren sie im Vergleich zu den hellen Sternen nicht so einfach zu entdecken. Die Leute, die braune Zwerge finden wollten, standen vor dem gleichen Problem, dass auch die Wissenschaftler hatten, die Planeten anderer Sterne suchten. Erst Ende der 1980er Jahre war die Technik soweit fortgeschritten, dass man ernsthaft daran denken konnte, sie zu finden. Der erste zweifelsfreie Nachweis gelang dann auch im gleichen Jahr, als man den ersten extrasolaren Planeten fand: 1995 wurde die Entdeckung eines kleinen Himmelskörpers bekannt gegeben, der sich im Sternhaufen der Pleijaden befand. Dieses Objekt mit dem Namen Teide 1 ist 55 mal schwerer als Jupiter und mit ziemlicher Sicherheit ein brauner Zwerg.

In den 1990er Jahren gab es ziemlich viele Diskussionen über braune Zwerge. Denn wie gerade erwähnt war das auch die Zeit, in der man die ersten Planeten entdeckte, die andere Sterne umkreisen. Damals war man aber rein technisch nur in der Lage, sehr große Planeten zu finden. Planeten, die meistens mindestens 10 Mal schwerer als Jupiter waren oder noch viel schwerer. Jedesmal wenn also ein neuer Kandidat entdeckt worden war, fing man an darüber zu diskutieren, ob das nun ein Planet oder ein brauner Zwerg war. Obwohl braune Zwerge mindestens genau so interessant sind wie Planeten, wollten alle unbedingt Planeten entdecken. Die konkurrierenden Teams versuchten daher ständig, den jeweils anderen Arbeitsgruppen die Entdeckung eines Planeten abzusprechen, weil das ja „nur“ ein brauner Zwerg war. Erschwerend kam hinzu, dass man damals auch die Massen der gefundenen Objekte noch nicht sehr genau bestimmen konnte und jede Menge Raum für Diskussionen und Spekulationen blieb.

Man fragte sich damals – und heute oft immer noch – ob man die Unterscheidung zwischen Planet und brauner Zwerg vielleicht nicht durch seine Eigenschaft der Fusion definieren sollte, sondern durch seine Entstehung. Sterne entstehen durch den Kollaps großer Gaswolken. Wenn die unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfallen und immer dichter werden, wird es irgendwann heiß genug damit Fusion einsetzen kann. Planeten dagegen wachsen auch kleinen Bausteinen immer weiter an. Staub ballt sich zu kleinen Gesteinsbrocken zusammen die wieder zu größeren Asteroiden anwachsen die schließlich Planeten bilden. Wenn braune Zwerge nun ebenfalls aus dem Kollaps von Gaswolken entstehen, sollte man sie als Sterne klassifizieren sagten die einen. Und wenn ein Planet durch sukzessives Wachstum mehr als 13 Jupitermassen ansammelt, dann sollte man ihn trotzdem als Planet bezeichnen und nicht als brauner Zwerg; genau so wie man ein Objekt Stern nennen sollte, wenn es durch den Kollaps einer Wolke entsteht und weniger als 13 Jupitermassen hat.

Aber da man keine Möglichkeit hatte, die Entstehung eines Himmelskörpers einwandfrei zu bestimmen, war das eine recht fruchtlose Diskussion. Am Ende waren die Instrumente sowieso gut genug geworden, dass man problemlos echte Planeten finden konnte und die ständigen Streitereien um die Klassifikation aufhörten. Die Planetensucher konnten sich ganz auf die Planetensuche konzentrieren. Aber natürlich ging auch die Suche nach den braunen Zwergen weiter, auch wenn sie mit deutlich weniger medialen Rummel begleitet wurde. Die Entdecker des ersten extrasolaren Planeten kennen heute die meisten astronomieinteressierten Menschen. Michel Mayor und Didier Queloz von der Universität fanden ihn ihm Jahr 1995. Aber wer weiß schon, wie die Entdecker des ersten braunen Zwergs heißen? Fürs Protokoll, es waren: Rafael Rebolo, Maria Rosa Zapatero Osorio, und Eduardo Martín vom astrophysikalischen Institut der kanarischen Inseln.

Braune Zwerge sind faszinierende Objekte. Sie können, so wie auch Planeten, einen echten Stern umkreisen, entweder alleine oder gemeinsam mit anderen Planeten. Sie können aber auch alleine ohne Stern durchs All ziehen. Es gibt Systeme, die aus zwei braunen Zwergen ohne Stern bestehen und es gibt braune Zwerge, die von Planeten umkreist werden. Unser Sonnensystem hat – zumindest war wir bis jetzt wissen – keinen eigenen braunen Zwerg. Wenn, dann muss sich so ein Objekt sehr weit entfernt befinden und seine Runden am alleräußersten Ende des Sonnensystems ziehen. Ansonsten hätten wir den gravitativen Einfluss schon längst entdeckt. Aber nach allem was wir bis jetzt wissen, sind braune Zwerg durchaus häufig. Warum auch nicht – es wäre ja seltsam, wenn immer nur große Sterne entstehen, und kleine Planeten und der ganze Bereich dazwischen leer bleiben würde.

Brauner Zwerg Gliese 229B. Das große Ding ist ein Stern; das kleine der braune Zwerg (Bild: T. Nakajima (Caltech), S. Durrance (JHU), S. Kulkarni (Caltech), D.Golimowski (JHU) und NASA)
Brauner Zwerg Gliese 229B. Das große Ding ist ein Stern; das kleine der braune Zwerg (Bild: T. Nakajima (Caltech), S. Durrance (JHU), S. Kulkarni (Caltech), D.Golimowski (JHU) und NASA)

Die Untersuchung brauner Zwerge kann uns viel darüber verraten, wie und unter welchen Bedingungen Sterne bzw. sternähnliche Himmelskörper wie braune Zwerge überhaupt entstehen. Sie befinden sich vermutlich überall in unserer Milchstraße, aber da sie nur schwach leuchten, sind sie schwer zu sehen und wir haben erst wenige gefunden. Die neuen Weltraumteleskope werden das aber ändern. GAIA zum Beispiel, dass ich in Folge 88 der Sternengeschichten vorgestellt habe, wird in den nächsten Jahren ein paar tausend neue braune Zwerge finden und wir werden viel von ihnen lernen.

Eines ist aber jetzt schon klar: Genau so wie die Grenze zwischen Asteroiden und Planeten fließend ist, ist es auch die Grenze zwischen Planeten und Sternen. Eine echte Grenze gibt es eigentlich nicht. Es gibt nur jede Menge sehr interessante Himmelskörper…

11 Gedanken zu „Sternengeschichten Folge 91: Braune Zwerge“
  1. Eine weitere interessante Folge. Eine Frage hätte ich allerdings. Bei ~3:45 erwähnst du bei Deuterium negativ geladene Neutronen. Gibts die wirklich oder war das ein Versprecher? Oder hast du aus Versehen Geheimwissen ausgeplaudert, das SIE™ uns immer vorenthalten? 🙂

    1. @Fnord: „negativ geladene Neutronen“

      Ne, die sollte es eigentlich nicht geben. Vermutlich hab ich neutrale Neutronen gemeint…

  2. […] Matthew Kenworthy und Eric Mamajek, zwei der Entdecker von damals haben sich die Sache nun kürzlich noch einmal genauer angesehen (“Modeling giant extrasolar ring systems in eclipse and the case of J1407b: sculpting by exomoons?”) und dabei ein wenig mehr herausgefunden. Die Methode, mit der man mittlerweile die meisten Planeten findet, basiert auf winzigen Helligkeitsänderungen des Lichts von Sternen. Wenn von uns gesehen ein anderer Himmelskörper an einem Stern vorüberzieht, dann wird ein bisschen Licht blockiert und der Stern leuchtet kurzfristig schwächer. Passiert das in periodischen Abständen, dann kann man davon ausgehen, dass der Stern von diesem Objekt umkreist wird und hat einen Planeten gefunden. Beziehungsweise man hat einen Planeten gefunden, wenn man auch die Masse bestimmen kann und die unter dem Limit liegt, das für Planeten üblich ist. Ist das Objekt ungefähr 13 Mal schwerer als der Jupiter, dann kann es in seinem Inneren Deuterium fusionieren und ein bisschen eigene Energie erzeugen. Es ist dann zwar kein Stern – dazu müsste es etwa 75 Mal schwerer als Jupiter sein um Wasserstoff fusionieren zu können – aber auch kein Planet mehr, sondern ein Brauner Zwerg. […]

  3. Wenn ich das richtig verstanden habe, sollte bei einem Objekt mit mehr als der 13fachen Jupitermasse Kernfusion einsetzen und ein Stern entstehen. Alles darunter bleibt eben ein massereicher Planet oder wird maximal ein brauner Zwerg. Aber jetzt las ich einerseits vom Exoplaneten HD 100546 b, sowie andererseits vom roten Zwerg 2MASS J0523−1403. Das Problem in meinem Kopf: dieser Exoplanet soll mit 900.000 km Durchmesser größer als der rote Zwerg sein (125.000 km). Korreliert in diesem Fall Größe nicht mit Masse oder wie kann ich mir das erklären?

  4. @Sumgum
    Wenn sich Sterne, braune Zwerge und sogar Gasriesen bilden, sind sie ganz am Anfang viel größer als später – sie haben viel Energie, die ursprünglich kinetische Energie der zusammenstürzenden Gaswolke war und durch immer weitere Zusammenstöße der Materie in Wärme umgewandelt wird. Dadurch ist das Objekt erstmal groß und heiß und schrumpft dann langsam – die Wärme wird abgestrahlt, und dadurch sinkt der Druck, und dadurch das Volumen.

    Bei einem Stern kommt dieses Schrumpfen dann zum Stillstand, wenn er durch Fusion so viel Energie produziert, wie er außen abstrahlt. In diesem Fall ist aber der Stern alt, also bereits geschrumpft, der Exoplanet (mit 20 Jupitermassen) aber noch sehr jung, hat also noch eine längere Schrumpfungsphase vor sich.

  5. @Sumgum

    Wenn ich das richtig verstanden habe, sollte bei einem Objekt mit mehr als der 13fachen Jupitermasse Kernfusion einsetzen und ein Stern entstehen. Alles darunter bleibt eben ein massereicher Planet oder wird maximal ein brauner Zwerg.

    13 Jupitermassen sind die Untergrenze für einen Braunen Zwerg, die bis zu 75 oder 80 Jupitermassen hinauf reichen, bevor es echte Sterne werden. D.h. alles unter 13 Jupitermassen sollte ein Planet sein, darüber fangen die Braunen Zwerge an (wobei es wohl auch auf dem Metallgehalt ankommt, bei welcher Masse genau Deuteriumfusion einsetzt).

    Korreliert in diesem Fall Größe nicht mit Masse oder wie kann ich mir das erklären?

    Die Erklärung von Ambivalent ist korrekt. Es ist im übrigen so, dass Braune Zwerge mit zunehmender Masse kleiner statt größer werden.

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