Auf die eine oder andere Art ist jeder Mensch neugierig. Kinder sind neugierigere als Erwachsene. Wissenschaftler vermutlich neugieriger als Leute mit anderen Berufen. Und so weiter. Aber neugierig sind wir alle. Und diese Neugier hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Ohne Neugier würden wir immer noch in dunklen Höhlen sitzen. Aber weil wir anscheinend ein fundamentales Interesse haben, die Welt zu erforschen und zu verstehen, sind wir heute dort gelandet, wo wir sind. All das, was wir als die „Errungenschaften unser Zivilisation“ bezeichnen, all das, was unseren Alltag ausmacht, all das, was wir im positiven wie im negativen auf dieser Welt erreicht haben, haben wir schlussendlich erreicht, weil wir neugierig waren.

Aber manchmal bekommt man fast das Gefühl, dass diese Neugier, die uns während der unserer ganzen Geschichte begleitet hat, einen immer schlechteren Ruf bekommt. Wann immer Menschen irgendwo etwas herausfinden wollen, kommen mittlerweile auch fast immer andere Menschen an, die die Frage stellen: „Wozu wollt ihr das wissen? Gibt es nicht viel wichtigere Sachen auf dieser Welt?“

Die Schiffe von James Cook erforschen den Pazifik (Bild: Public Domain)
Die Schiffe von James Cook erforschen den Pazifik (Bild: Public Domain)

Aber genau so funktioniert Neugier eben nicht! Wer neugierig ist, will Dinge wissen, weil man sie wissen will und nicht weil sie „wichtig“ sind. Und am Ende ist sowieso jedes Wissen wichtig. Je mehr wir wissen, desto besser können die Entscheidungen werden, die wir treffen. Und je bessere Entscheidungen wir treffen, desto besser wird auch die Welt werden, die aus diesen Entscheidungen entsteht. Natürlich mag es für die professionellen Miesmacher einfacher sein, auf jedes wissenschaftliche Vorhaben mit dem Vorwurf „Aber in Afrika verhungern die Kinder!“ zu reagieren. Aber ersten werden die Kinder davon auch nicht satt und zweitens funktionieren wir Menschen sowieso nicht auf diese Art und Weise. Wir könnten von heute auf morgen jegliche Bemühungen in der Raumfahrt (ein besonders beliebtes Ziel für diese Art von Kritik) einstellen und trotzdem würde dadurch kein einziger Cent mehr für irgendwelche armen Menschen in Afrika oder anderswo ausgegeben. Wir würden uns dadurch nur die Möglichkeit nehmen, neue Dinge zu lernen. Dinge, die früher oder später das Potential haben, die Welt zu verändern.

Unsere Neugier ist es, die uns zu Menschen macht. Und so lange wir Menschen sind, werden wir weiterhin neugierig sein. Ich weiß nicht, zu was wir werden, wenn wir irgendwann aufhören sollten, unserer Neugier zu folgen. Aber ich hoffe, ich muss das nicht mehr erleben. In einer Welt ohne neugierige Menschen möchte ich nicht leben.

„Neugier“ beziehungsweise „Curiosity“ ist auch der Name des großen Marsrovers, der seit einiger Zeit auf unserem Nachbarplaneten aktiv damit beschäftigt ist, unseren Drang nach Wissen auszuleben. Curiosity wird fundamentale Fragen beantworten können; vielleicht sogar diejenige nach Leben außerhalb der Erde, die wir uns schon seit Jahrtausenden stellen. Curiosity wird aber auch das tun, was wir Menschen schon immer getan haben: Fremde Welten erforschen. Unsere eigene Welt haben wir ja zumindest oberflächlich schon weitestgehend entdeckt. Es gibt keine weißen Flecken auf den Landkarten mehr; keine Ziele für mutige Forscher. Aber wir vergessen oft, dass auch der Mars eine eigene Welt ist. Das ist nicht einfach nur „ein Planet“. Der Mars ist ein Himmelskörper, so vielfältig und komplex wie die Erde auf dem es auch so viel zu entdecken gibt, wie es früher hier zu entdecken gab. Nur können wir dorthin nicht mit großen Segelschiffen oder Karawanen aufbrechen. Wir brauchen Raketen und – zumindest derzeit noch – Roboter.

Aber, und das sagt Neil deGrasse Tyson in sehr eindrucksvollen Curiosity-PR-Video sehr schön:

„We did not just send a robot to Mars. We sent the most essential, the most valuable, the most human piece of our selves: We sent our curiosity!“

Wir haben eben nicht nur einen Roboter zum Mars geschickt (obwohl das schon beeindruckend genug ist). Sondern den menschlichsten Teil unseres Selbst – unsere Neugier.

Hört nicht auf, neugierig zu sein! Und lasst euch niemals einreden, der Wunsch nach Wissen wäre schlecht!

25 Gedanken zu „Neugier: Der wertvollste Teil von uns selbst“
  1. Nicht immer so einfach, wenn einem als Kind, wann immer man eine Frage gestellt hat, gesagt wurde: „Sei nicht so neugierig!“. Ich geh auf die 50 zu. Heute ist das hoffentlich anders!

  2. Ja, echt schlimm wenn die Eltern mit ‚Sei nicht so neugierig‘ antworten. Ich bin echt froh diesen Satz von meinen nie gehört zu haben. Im Gegenteil.

    Es ist auch der Zeitgeist. Alles muss ’sinnvoll‘ sein, jede Investition muss einen Return haben, alles muss möglichst viel Geld abwerfen usw. Da geht’s dann gar nicht mehr um die Sache an sich, sondern nur mehr ob sie profitabel ist.

    Wenn man dann in so einem Umfeld arbeitet wird Neugier eher als schädlich bezeichnet, da sie ja vom eigentlichen Ziel ablenkt.

    Und wo sitzt das Komitee das definiert was ‚wichtig‘ ist ?

  3. Hinter Menschen, die nicht wollen, daß andere neugierig sind, stehen meist handfeste, persönliche und machtpolitische Interessen. Darum sollte man jeden fragen, der sich über Neugierde beklagt, welche Gründe er dafür hat. Auf solche Antworten bin ich jedenfalls sehr neugierig. Sie lassen meist tief blicken.

  4. Na dann werfe ich auch mal ein paar Zitate und einen meiner Lieblingstexte zu dem Thema in die Runde.

    „Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts.“
    Johann Wolfgang von Goethe

    „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“
    Albert Einstein

    „Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will.“
    Galileo Galilei

    Richard Feynman: “I think it is much more interesting to live not knowing than to have answers that might be wrong. If we will only allow that we remain unsure, we will leave opportunities for alternatives. We will not become enthusiastic for the fact, the knowledge, the absolute truth of the day, but remain always uncertain … In order to make progress, one must leave the door to the unknown ajar.”

  5. Wundervoller, kurzer, alles auf den Punkt bringender Artikel.
    Ein passendes Zitat Nietzsches:
    „Ich bin zu neugierig, zu fragwürdig, zu übermütig, um mir eine faustgrobe Antwort gefallen zu lassen.“

    Bisher habe ich noch nie darüber nachgedacht, aber es stimmt. Neugier ist das, was uns menschlich macht. Das kann man gut denjenigen entgegenhalten, die schon alles zu wissen meinen.

  6. Natürlich gibt es noch „weiße Flecken“ auf unserer Erdoberfläche, sehr große sogar! Natürlich bieten diese enorm aufregende Ziele für mutige Forscher!

    Die Tiefsee ist das größte und am wenigsten erforschte Ökosystem der Erde. Forschung zu dem, was dort geschieht, was dort wie und wovon lebt und welche Auswirkungen das System Tiefsee auf das Ökosystem Erde hat, ist ungemein spannend und steckt noch in den Kinderschuhen..Angesichts der ungeheuren Vielfalt an (autotrophen) Tiefsee-Mikroben wird wohl auch das Buch der biologischen Evolution einige neue Kapitel bekommen.

    Neugierig geworden? Über das mikrobielle Leben der Tiefsee kann nachgelesen werden unter: https://scienceblog.at/das-mikrobielle-leben-der-tiefsee#.

    1. @inge schuster: „Die Tiefsee ist das größte und am wenigsten erforschte Ökosystem der Erde“

      Schon klar – darum sprach ich ja auch von weißen Flecken auf den „Landkarten“. Das es unter der Oberfläche noch viel zu entdecken gibt, will ich nicht in Abrede stellen. Da gibts noch viel zu tun und viel zu entdecken das ebenso spannend ist wie die Entdeckungen im Weltraum.

  7. Tiefsee, Weltraum … das vermutlich noch unverstandenste Gebiet befindet sich direkt zwischen unseren Ohren 🙂

    Wie produziert das Gehirn Bewusstsein ?
    Stichwort: Qualia

  8. @Epikur63: Ich hätte da so eine Idee wie sich das Bewusstsein bildet. Das kann ich aber nicht in diesem Kommentarfeld kurz umreißen. Muss wohl mal das Ganze in einem eigenen Blog verabeiten. Nüchtern betrachtet bräuchte es kein Bewusstsein und keine Qualia, wir könnten auch so als philosophische Zombies existieren. Also woher kommt das Bewusstsein, wenn man doch auch ohne es auskommen könnte? Normalerweise leistet sich die Natur keinen Luxus. Insofern würde ich (anders als Florian) mein Bewusstsein als meinen wertvollsten Teil bezeichnen.

  9. @inge schuster #7:

    leider verändern wir auch diesen Lebensraum mit grosser Wahrscheinlichkeit im Moment massiv. Ein Grossteil der in diesen Regionen lebenden Organismen ist von „Leichen“ und anderen Schwebstoffen aus den Oberflächenregionen abhängig. Die Überfischung der Ozeane wird sich vermutlich auch hier leider deutlich bemerkbar machen.

  10. Die, die mit hungernden Kindern in Afrika „argumentieren“, haben meistens auf die Frage, was sie selbst denn dagegen unternehmen, keine befriedigende Antwort.

  11. @ sepiola
    🙂 …. und einige sehen die Schattenbilder (Platonsches Höhlendings) andere sind so neugierig und trauen sich in die Realität 🙂 und staunen über das was -ist- … während andere noch in ihren Höhlen den Schatten folgen.

  12. @ulf_der_freak:

    Die Sache mit den „hungernden Kindern in Afrika“ wurde schon vor längerer Zeit im „Fazit“ Blog der FAZ aus Ökonomensicht schön zusammengefasst.
    Bei diesem Unsinn beisst sich nämlich jeder Entwicklungsökonom sofort die Plomben raus …:

    Argumente für die Tonne

    Fazit:
    Hier dein Essen brav auf zu essen, nützt dort in der Regel gar nichts … das gilt analog auch für andere Wirtschaftssektoren wie F&E etc.

    Die Dinge sind eben wie immer ein wenig komplizierter.

  13. Aber was das eigentliche Thema des Artikels angeht:

    Die Neugier als solche scheint uns die Evolution schon „in die Wiege gelegt zu haben“ – diese Eigenschaft findet man nämlich offensichtlich bei fast allen Tieren.
    Es scheint also irgendwie von Vorteil neugierig zu sein.

    Vor einiger Zeit bin ich zB mal auf diesen hübschen Artikel über Keas gestossen:

    https://www.profil.at/articles/0834/560/216750/die-evolution-verstandes-ueberraschende-gemeinsamkeit-mensch-tier

  14. @PDP10

    Fazit:
    Hier dein Essen brav auf zu essen, nützt dort in der Regel gar nichts …

    Natürlich nicht, aber meint der Spruch nicht eigentlich, man solle sein Essen wertschätzen?

    Ist aber ohnehin blödsinning, mit welchem Argument auch immer, den Kindern irgend etwas hineinzwingen zu wollen, das sie nicht essen mögen. So produziert man fettleibige Kinder oder Essstörungen.

  15. @Alderamin:

    „Natürlich nicht, aber meint der Spruch nicht eigentlich, man solle sein Essen wertschätzen?“

    Klar.
    Das wird in dem verlinkten Artikel auch entsprechend differenziert.

    Dieser Spruch von „den Kindern in Afrika“ repräsentiert für mich aber ein grundlegendes Missverständnis darüber, wie die Welt funktioniert, das aber gerne als Totschlagargument von Leuten genommen wird, die entweder von den ökonomischen Zusammenhängen so gar nichts verstehen oder selbige sogar wissentlich verschleiern möchten.

    Florian hat ja mal hier einen sehr guten Artikel über den Bau einer Sternwarte in Äthiopien geschrieben.

    Um sowas ging es mir im Kern mit dem Verweis auf die ökonomische Unsinnigkeit des Arguments …

  16. Der Forschung verdanken wir Kunstdünger, Pestizide, Funghizide – wohl nicht direkt der Weltraumforschung, und bei aller Kritik an schlechter Dosierung oder Mitteln die gefährlicher waren als gedacht und am Einsatz mit zu wenig Schulung, wenn der Bauer meint viel hilft viel und sich selbst vergiftet – ohne diese Hilfsmittel würden wir wohl keine 7Mrd. fast ernähren können.

    Die Raumfahrt hat vielleicht die Informatik mit angeschoben und diese nützt den Menschen weltweit – auch nicht immer und nicht allen, aber netto gesehen schon.

    Hunger ist heute auch ein selteneres Phänomen als vor 20 oder 40 Jahren, soweit ich weiß – ähnlich viele Betroffene absolut bei doppelt so großer Weltbevölkerung.

    Neugier ist auch nicht der wertvollste Teil von uns, aber ein zentraler. Und manchmal sitzt unter dem Stein den man umdreht ein Skorpion. 😉

    Wenn die Gesellschaft es mal hinbekäme den Kindern die Neugier nicht so systematisch auszutreiben. Trotz aller Übung passiert es mir heute noch, dass jmd. eine Frage stellt, die sich in mir auch gemeldet hat, die ich aber schnell und reflexartig unterdrückt habe. Teils ist es wohl einfach Mangel an Zeit der Umwelt auf kindliche Fragen einzugehen, aber es gibt so viele scheinbar harmlose Tabus die wir von klein auf einüben – was verdient eigentlich die Tante, wieso hat der Onkel so einen großen Pickel am Hals, was zahlen wir an Miete, und, und, und.

    Und dann sind die Leute neugierig was Prinz William in England treibt.

  17. In meiner Heimatgegend gibt es den unsäglichen Spruch „Neugierige Leut‘ sterb’n schnell.“ Ob er als Warnung oder als Drohung gemeint ist, wird dabei nicht immer ganz klar.

    Ich behaupte hingegen uninteressierte Leute leben erst gar nicht richtig. Oder wie es der Evolutionsbiologe Prof. Richard Dawkins auf Twitter schön formuliert hat:
    „Why bother (to clone mammoths)? Why bother? Why bother to go on living? Why not just stop breathing if you are that incurious?“

  18. Endlich mal ein Ort, an dem man dazu stehen darf, einfach nur neugierig zu sein – wie schön!
    Im Zusammenhang mit der aufwändigen Höhlenrettung an Pfingsten im Untersberg mussten wir Höhlenforscher zigmal auf die Frage antworten, warum wir denn solche „gefährlichen“ Orte aufsuchen (und ob denn die Kosten einer solchen Rettung nicht unanständig wären – aber das ist ein anderes Thema).

    Klar gibt es Forschungsergebnisse aus Höhlen; die verschiedensten Wissenschaftssparten profitieren davon – aber der ERSTE Grund, der einen in die Tiefe schickt, ist immer nur die Neugier!

  19. @Ulli
    Warst dabei? Wenn ja, dann Gratulation für die Arbeit ausm östlichen Flachland.

    Und ja, Neugier ist genug Anlass sich in Gefahr zu bringen. Ohne Neugier sässen wir heute noch auf den Bäumen (um diesen idiotischen Satz auch noch anzubringen ;.) ).

  20. @Liebenswürdiges Scheusal (darf ich den Nick das nächste Mal abkürzen? ;-))

    Nein; bei der Rettung war ich nicht dabei – das waren Jüngere – aber eine ganze Reihe meiner Höhlen- und Vereinskameraden.
    Danke für die Gratulation (die haben sie absolut verdient) – ich werde sie weiterleiten!

    Hier https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2013/04/13/uber-den-mangel-an-neugier/ bin ich auf das geniale Zitat von Stephen Fry (dessen Bücher wirklich großartig sind!) gestoßen, das ich hier gerne noch mal liegenlasse:

    “The only reason people do not know much is because they do not care to know. They are incurious. Incuriosity is the oddest and most foolish failing there is.”

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