Immer wenn ich hier im Blog über neue Beobachtungen der Umgebung von schwarzen Löcher schreibe, von aktiven Galaxien oder Bilder von Supernovaexplosionen zeige, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auf den Daten eines Röntgenteleskops basieren. Gleiches gilt für viele andere Entdeckungen; besonders dann, wenn es um hochenergetische Prozesse im Universum geht. Röntgenstrahlung kennen wir hier auf der Erde meistens nur vom Arzt; im Kosmos entsteht sie aber auch ganz von selbst. Eben zum Beispiel in der Umgebung schwarzer Löcher, wo Material zuerst auf enorm hohe Geschwindigkeiten beschleunigt wird, bevor es ins Loch fällt. Dabei gibt es Röntgenstrahlung ab, die es uns erlaubt zu beobachten, was dort passiert. Momentan sind es vor allem zwei Teleskope, die das Universum für uns mit ihren Röntgenaugen beobachten: Das Chandra X-ray Observatory der NASA und das XMM-Newton-Teleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA. Beide befinden sich im Weltraum, denn nur dort kann man die Röntgenstrahlung aus dem All ungestört beobachten. Bis zur Erdoberfläche dringt sie nämlich nicht durch, da sie von der Atmosphäre unseres Planeten blockiert wird. Beide Teleskope sind auch schon ein wenig alt: Chandra wurde im Juli 1999 ins All geflogen; XMM-Newton im Dezember 1999. Es wird also langsam Zeit für etwas Neues und das ist das Advanced Telescope for High Energy Astrophysics oder ATHENA.
ATHENA ist ein Projekt der ESA und soll XMM-Newton ersetzen, dass langsam am Ende seiner Lebenszeit angekommen ist. Aber es muss noch ein wenig durchhalten, denn so schnell geht es mit dem Weltraummissionen leider nicht. ATHENA wurde vor zwei Tagen als zweite „große“ Mission des Cosmic Vision-Programms der ESA ausgewählt. Damit gesellt es sich zur Raumsonde JUICE, dem JUpiter ICy moon Explorer, einer Mission die schon 2012 zur Realisierung ausgewählt wurde und 2022 zu den großen Jupitermonden aufbrechen soll. 2032 soll sie dann eine Umlaufbahn um den großen Mond Ganymed einnehmen. Dann ist hoffentlich auch schon ATHENA im All; momentan sieht der Plan einen Start im Jahr 2028 vor. Das dritte große Projekt des Cosmic-Vision-Programms soll sich mit der Gravitations im Universum beschäftigen und 2034 starten – noch wurde aber noch keine konkrete Mission ausgewählt.
Bei den „mittleren“ Projekten von „Cosmic Vision“ hat man aber immerhin schon drei Missionen auf dem Plan stehen: Zuerst kommt der „Solar Orbiter“, der, wie der Name schon sagt, ab 2017 die Sonne aus der Nähe untersuchen soll. „Euclid“ folgt 2020 und wird dunkle Materie und dunkle Energie erforschen und ab 2024 wird dann wieder endlich auch mal ein neues Teleskop zur Suche nach extrasolaren Planeten ins All fliegen: PLATO.
Und auch das erste der schon festgelegten „kleinen“ Cosmic-Vision-Projekte hat die Exoplaneten zum Ziel: CHEOPS wird ab 2017 ebenfalls nach Exoplaneten suchen (allerdings mit einer anderen Technik als PLATO).
Mehr zum Cosmic-Vision-Programm könnt ihr hier nachlesen. Ich finde es ja generell gut, wenn Menschen Visionen haben (zumindest dann, wenn es sich um die vernünftige Art handelt und nicht die, bei denen man mit brennenden Büschen spricht oder so…) und noch besser ist es, wenn sie so vergleichsweise konkret sind wie die der ESA. Aber das war auch Constellation-Programm der NASA und das hat leider auch nicht verhindert, dass es aus finanziellen Gründen eingespart worden ist.
Bleibt also zu hoffen, dass die Europäische Weltraumagentur ihre langfristigen Ziele auch alle erreichen kann und sie nicht den kurzfristigen Entscheidungen der Politik zum Opfer fallen. Denn dort hat man die Sache mit den Visionen anscheinend schon lange verlernt…
Das «PR-Bild der ESA» ist nicht (nur) kitschig, es ist vor allem ein veritables Photoshop-Desaster.
stimme dem schlusswort zu, aber es ist ja nicht die „böse politik“ an sich die forschungsprojekte wegrationalisiert sondern die verdummte politikwählende masse, die dafür kein interesse aufbringt.
„nichts kaufen“ kann man sich beispielsweise auch davon, fußballweltmeister zu sein. Dennoch ist die begeisterung der bevölkerung für ein turnier am anderen Ende der welt riesig (schließe mich da auch ein).
Wenn man es schaffen könnte, dass die menschen astronomische oder generell wissenschaftliche durchbrüche ebenso mit Straßenfesten zu zieren, dann besteht für politiker auch kein Grund mehr, Projekte einzustampfen.
Wie lässt sich das anstellen ?
@Tobalt, eventuell durch eine Fußballweltmeisterschaft auf dem Mars, vielleicht wären wir dann auch Herrn Blatter los? Ich gehöre selbst zur Mittelschicht, auch was Bildung und soziales anbelangt, aber weshalb schaue ich gerne die WM? Die Kindheit prägt, auch diese Interessen, deshalb sind Projekte wie Jugend Forscht so wichtig, die Experimenta und ähnliches sollten wesentlich mehr unterstütz werden, nur durch Fußball mit 10 Jahren wird das nicht besser! Mein Interesse für die Astronomie weckte die ISS und deren Aufbau…
@ Tobalt:
Indem man die Wissenschaft nationalisiert, personalisiert und als Wettkampf betrachtet: „Deutschland unter der Leitung von Prof. XY führt in der Exoplanetenentdeckung gegen Brasilien mit 15:12.“
Geht natürlich nicht da Wissenschaft international ist und nicht nach 90 Minuten mehr oder weniger kurzweiligen Unterhaltung ein Sieger feststeht.
Fußball ist Wettkampf zwischen Nationen („Achtung: Surrender“, 1996). Er stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe und hilft in der Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen. Er verleiht Stolz und Vertrauen in die eigene Gruppe („Wir sind wieder wer“, 1954). Da so also das Überleben der eigenen Gruppe gefördert wird haben viele Menschen eine „Ader“ für diese Art des Wettkampfs und lassen sich begeistern.
Man denke nur an die Raumfahrtbegeisterung der 60er Jahre in den USA: Dort wurden die Astronauten nach ihren Missionen mit rauschenden Paraden gefeiert. Zum einen weil sie ihr Leben riskierten und zum anderen weil man im Wettrennen mit der Sowjetunion war. Nachdem man diesen Wettkampf gewonnen hatte interessierte sich niemand mehr für Raumfahrt. Andererseits gab es in den 60ern auch erfolgreiche Raumsonden. Aber niemand hielt eine Parade für die ersten erfolgreichen Mond- Venus- oder Marssonden ab. Das waren eben nur leblose Maschinen.
Bei der Wissenschaft ist das daher schwierig: Sie bringt die Menschheit als ganzes voran, ist also nicht identitätsstiftend. Außerdem fehlt meist die menschliche Dimension: Warum ist Stephen Hawking wohl so viel berühmter als sein Zeitgenosse Steven Weinberg? Gut, sicher liegt es auch am schriftstellerischen Talent.
Ich kann mich an neuen Erkenntnissen begeistern und an Bildern von Himmelskörpern die nie ein Mensch zuvor während all der Jahrtausende seit wir zum Himmel schauen gesehen hat. Also eine Art Stolz auf die eigene Spezies. Das scheint aber genetisch keine besonderen Vorteile zu bieten um in der breiten Masse selektiert zu werden.
Das soll jetzt nur meine Meinung verdeutlichen warum es ein Wettkampfsport wie Fußball viel leichter hat Straßenfeste hervorzubringen als abstrakter Erkenntnisgewinn. Außerdem: Fußballgucken kann jeder, Erkenntnisgewinn muss man immer mehr oder weniger erklären.
Dass man mit guter Wissenschaftskommunikation und Wettbewerben wie Jugend forscht MEHR Menschen für Wissenschaft interessieren kann ist ganz sicher möglich. Aber ich glaube für nächtliche Hupkonzerte wird es nicht reichen. 😉
Athena und Juice. Das sind die großen ESA- Visionen? Wie realistisch. Wie fantasielos und enttäuschend. Da kann ich nur noch auf die Chinesen und die Privaten hoffen. .. Es gab Zeiten da war die NASA innerhalb von 10 Jahren auf dem Mond. Und hatte bei Null angefangen.
@thomas ahrendt: „Athena und Juice. Das sind die großen ESA- Visionen? Wie realistisch.“
Visionen dürfen durchaus auch umsetzbar sein. Und das Cosmic-Vision-Programm ist damit ja auch nicht zu Ende. Ziel ist es, diese Fragen zu beantworten:
Und das ist durchaus nicht wenig visionär…
Es ist nicht die einzige Aufgabe der ESA, Menschen auf einen anderen Planeten zu bringen (wie du es anscheinend annimmst). Man kann auch auf andere Art große Visionen umsetzen. (Und wenns dir um den Flug zum Mars geht, dann schau dir lieber das Aurora-Programm anstatt Cosmic Vision)
@thomas ahrendt
Die NASA hatte damals bei Apollo ca. 250.000 Mitarbeitende und eine, im Vergleich zu heute, riesige finanzielle Unterstützung der Regierung.
Davon ganz abgesehen haben die Weltraumagenturen ja immer noch Visionen. Z.B. einen bemannte Marsmission in den 2030er Jahren.
Also, Kopf hoch und hoffen….. 😉