Astronaut ist ein klassischer Traumberuf; etwas was schon kleine Kinder gerne werden wollen und etwas, was auch Erwachsene insgeheim gerne sein würde. Einer von wenigen Auserwählten, die unseren Planeten verlassen können. Ein Held sein, ein Prominenter, und Dinge tun, die sonst niemand tun kann. Ein Leben voller Abenteuer führen und mit Raumschiffen und Raketen durch den Kosmos fliegen: Wer würde das nicht gerne tun wollen?

Na ja, ich habe nie davon geträumt, Astronaut zu werden. Ich wollte zwar immer gerne das Universum verstehen und habe mit Begeisterung Astronomie und Physik gelernt um dieses Ziel zu erreichen. Und ich würde mich nicht wehren, wenn man mir anbieten würde, einen Ausflug ins Weltall zu machen. Aber die Arbeit als Astronaut hat nie zu meinen Wünschen gezählt. Was aber nicht heißt, dass ich diesen Wunsch nicht absolut verstehen und die Arbeit derjenigen bewundern und schätzen kann, die es geschafft haben, ihren Traum Realität werden zu lassen. Wie zum Beispiel der Kanadier Chris Hadfield. Er gehört wahrscheinlich zu den bekanntesten Astronauten der Gegenwart und hat kürzlich ein Buch über sein Leben geschrieben: „Anleitung zur Schwerelosigkeit: Was wir im All fürs Leben lernen können“* (im Original: „An Astronaut’s Guide to Life on Earth“*).

Anleitung zur Schwerelosigkeit von Chris Hadfield

Hadfield ist genau einer von denen, die von Anfang an den Traum von der Reise ins All gelebt habe. Als 1969 Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat, beschloss der zehnjährige Hadfield, irgendwann ebenfalls in den Weltraum zu fliegen. Ein ambitionierter Traum für einen Kanadier zu einer Zeit, in der nur Russen und Amerikaner in den Weltraum flogen und Kanada nicht einmal ein eigenes Weltraumprogramm hatte. Aber Hadfield richtete sein Leben trotzdem von Anfang an entsprechend aus. Er studierte Maschinenbau, lernte schon früh zu fliegen, ging zur kanadischen Luftwaffe und wurde später Testpilot – eine klassische Astronautenkarriere. Und dann begann Kanada tatsächlich Astronauten anzuwerben und 1992 setzte sich Hadfield gegen mehr als 5000 Mitbewerber durch.

1995 flog er das erste Mal ins All um mit dem Space-Shuttle an Andockmodul an die russische Raumstation Mir zu bauen damit USA und Russland in Zukunft im All kooperieren konnten. 2001 folgte die zweite Mission zur Internationalen Raumstation ISS und 2012/2013 schließlich die fünfmonatige dritte Mission bei der Hadfield nicht nur als erster Kanadier Kommandant der ISS wurde sondern auch weltberühmt durch seine Aktivitäten im Internet, seine YouTubeVideos und Twitter-Nachrichten die er live von der Raumstation publizierte.

Bild: NASA
Bild: NASA

Das Buch beschäftigt sich mit all dem – aber Hadfield macht darin auch mehr als deutlich, dass der Beruf des Astronauten viel mehr beinhaltet, als nur ins Weltall zu fliegen! Die Zeit, als Astronauten „wilde Kerle“ waren, Abenteurer und „Space Cowboys“ sind lange vorbei. Raumfahrt ist zwar immer noch eine gefährliche Angelegenheit die viel Hingabe und Mut erfordert. Aber gerade weil sie so gefährlich ist, müssen die Astronauten sich darauf entsprechend darauf vorbereiten und alles, was sie im All zu tun gedenken, lange im voraus planen und üben. Und üben. Und üben. Und dann nochmal üben.

Hadfield erklärt sehr anschaulich, wie „unglamourös“ das Leben eines Astronauten sein kann. Man muss ständig lernen: Wie jedes einzelne Modul im Raumschiff und der Raumstation funktioniert, wie die Instrumente zu bedienen sind; man muss russisch lernen oder in der allgemeinen Bürokratie der Raumfahrtorganisationen arbeiten. Hadfield war zum Beispiel zwischen seinen Einsätzen im All Verbindungsprecher (CAPCOM) zwischen Bodenstation und Shuttlebesatzung, Leiter der Robotikabteilung und Leiter der ISS-Operations am Johnson Space Center und Director of Operations der NASA am Kosmonautentrainingszentrum im russischen Sternenstädtchen. Würde man sich als Astronaut nur über seine Zeit im Weltall definieren, so Hadfield, dann kann es einem leicht passieren, dass man unzufrieden wird. Viele Astronauten verlassen die Erde gar nicht und die organisatorische Arbeit am Boden ist aus Hadfields Sicht genau so wichtig wie der Flug ins All.

Der Untertitel des Buchs – „Was wir im All fürs Leben lernen können“ – klingt ein wenig nach Lebenshilfe und Ratgeber. Aber diesen Aspekt vermeidet Hadfield zum Glück weitesgehend. Er nutzt die Ausbildung zum Astronauten nicht, um den Menschen zu erklären, wie sie ihr Leben leben sollen, sondern erklärt, wie er sein eigenes Leben dank des immer übergeordneten Ziels des Flugs ins All erfolgreich gelebt hat und weiter leben wird. Hadfield hat zum Beispiel gelernt, sich immer um „Kleinigkeiten“ zu kümmern, egal wie unwichtig sie erscheinen mögen. Denn die Kleinigkeiten sind es, die unter Umständen irgendwann wichtig werden und im Falle der Raumfahrt vielleicht sogar über Leben und Tod entscheiden können (ich erinnere an den Filzstift, der die Mondlandung gerettet hat).

Ich kann das Buch von Hadfield nur uneingeschränkt empfehlen. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, es jetzt schon zu lesen sondern wollte es mir für den Urlaub aufheben. Aber als ich gestern gerade kein anderes Buch griffbereit hatte, habe kurz mal reingelesen und es seitdem quasi nicht mehr aus der Hand gelegt. Hadfield gibt einen faszinierenden Einblick in das wahre Leben eines Astronauten und wenn das vielleicht auch nicht so glorreich ist, wie manche sich das vorstellen mögen, gelingt es Hadfield zu vermitteln, wie spannend die Realität ist. Wer tatsächlich vorhat, irgendwann einmal Astronaut zu werden, sollte dieses Buch lesen! Und wer wissen will, was ein Astronaut Tag für Tag treibt, sollte es ebenfalls lesen. Ach, lest es einfach alle! Es lohnt sich, glaubt mir.

Menschen wie Chris Hadfield, die nicht nur großes in ihrem Leben geleistet haben sondern auch noch in der Lage sind, diese Leistung so zu erklären, dass es nicht wie schnödes Eigenlob aussieht sondern vermittelt, warum es wichtig und vor allem faszinierend ist, dass diese Arbeit gemacht wird, gibt es nicht oft. Hadfield mag kein klassischer „Held“ wie Yuri Gagarin oder Neil Armstrong sein. Aber er ist ein äußerst cooler Mensch dessen Biografie eine der wenigen ist, von der alle hören sollten…

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8 Gedanken zu „„Anleitung zur Schwerelosigkeit“: Chris Hadfields Leben als Astronaut“
  1. Sehr schöner Buchtipp, gleich mal bestellt – Vielen Dank.

    Für alle die die englische Ausgabe kaufen wollen, die verlinkte ist die noch nicht erschienene Taschenbuchausgabe, das Hardcover gibts schon. Hatte mich kurz verwirrt 🙂

  2. „Astronaut ist ein klassischer Traumberuf; etwas was schon kleine Kinder gerne werden wollen und etwas, was auch Erwachsene insgeheim gerne sein würde“
    .
    Seltsam: ich wollte das nie und ich kenne auch niemand, der das gerne sein würde. Jedenfalls hat so einen Wunsch oder Traum mir gegenüber nie geäußert.
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    (Offenbar gibt’s das aber bei den Leuten, die Herr FF kennt, also bei seinen Kollegen, die ihren Wunsch ein wenig Realität haben werden lassen)

  3. @Klaus, #4:
    Wieso seltsam?
    Und das gibt’s auch bei Leuten, die der Herr Freistetter nicht kennt! Astronaut war mein erster Traumberuf in der Grundschule. Ist aber nicht im Entferntesten etwas draus geworden..

  4. Ich habe das Buch gestern abend zu Ende gelesen und bin auch begeistert! Mit einigen kurzen Unterbrechungen habe ich das Buch regelrecht verschlungen. Chris Hadfield schreibt über sein Leben und den Wunsch, Astronaut zu werden, sehr plastisch und verständlich. Ich wollte als Jugendlicher auch immer Astronaut werden, aber nach der Lektüre des Buches bin ich diesbezüglch doch ziemlich desillusioniert. Ich wäre sicherlich nicht bereit dazu gewesen, diese Strapazen und Mühen auf mich zu nehmen, um ins All zu kommen. Umso mehr bewundere ich den Autor, wie er seinen Kindheitstraum dann auch später umgesetzt hat.
    Das Buch ist absolut lesenswert und gibt wertvolle Tipps, die man auch auf der Erde für „normale“ Alltagsentscheidungen verwenden könnte.
    Als Raumfahrt- und SciFi-Fan kann ich dieses Buch nur weiterempfehlen. Beim Lesen fühlt man sich für kurze Zeit auch wie ein Astronaut.

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