Eine der vielversprechendsten Methoden bei der Suche nach außerirdischem Leben (und ich spreche jetzt und im Rest des Artikels ganz explizit NICHT von intelligenten Aliens!) ist der Versuch, sogenannte „Biomarker“ in den Atmosphären der extrasolaren Planeten zu finden. Das sind bestimmte Gase (Sauerstoff, Methan, …) die hauptsächlich durch das Vorhanden sein von Lebewesen hervorgebracht werden. Es kann aber auch eine ganz bestimmte Energieverteilung des reflektierten Sonnenlichts sein. Die Pflanzen auf der Erde benutzen zum Beispiel den roten Teil des Lichts für ihre Photosynthese; den infraroten Teil aber nicht. Im von der Erde reflektierten Sonnenlicht findet man also Infrarotlicht, aber wenig rotes Licht und das ist ein mehr als deutlicher Hinweis auf die Aktivität der Pflanzen, die auf der Oberfläche des Planeten leben. Wenn es irgendwo anders auch Pflanzen gibt, die Photosynthese betreiben, dann könnten wir sie auf diese Art und Weise identifizieren. Aber wie stehen eigentlich die Chancen für extrasolare Photosynthese?

Und es soll jetzt hier nicht um die Frage gehen, ob Pflanzen auf anderen Planeten genau die gleiche Technik zur Photosynthese entwickelt haben oder vielleicht ganz anders funktionieren. An dieser Stelle wird traditionellerweise immer angedeutet, dass Leben ja auch auf „Siliziumbasis“ existieren kann und die Wissenschaftler doch naiv sind, wenn sie nur nach Leben suchen, das genau so funktioniert wie das auf der Erde. Nun ja, die Forscher sind nicht unbedingt naiv. Aber sie sind realistisch. Natürlich ist allen Leuten die auf diesem Gebiet forschen klar, dass Leben im Prinzip „irgendwie“ aussehen kann und nicht dem Leben auf der Erde ähneln muss. Aber wenn wir Leben suchen wollen, dann können wir nur nach etwas suchen, bei dem wir uns auch sicher sein können, dass wir es bemerken, wenn wir es gefunden haben. Und wir verstehen eben momentan nur das Leben, das wir auf der Erde kennen. Sollten die Astrobiologen irgendwann mal herausgefunden haben, wie sich „anderes“ Leben verhält und wie es sich bemerkbar macht, können wir auch danach suchen. Aber derzeit bleibt uns nichts anderes übrig als nach dem zu suchen, was wir erkennen können. Also zum Beispiel der Photosynthese der Pflanzen.

Ein Planet (VB10b) umkreist einen kleinen roten Zwerg (Künstlerische Darstellung: NASA/JPL-Caltech)
Ein Planet (VB10b) umkreist einen kleinen roten Zwerg (Künstlerische Darstellung: NASA/JPL-Caltech)

Damit das funktioniert braucht es natürlich Licht. Die meisten Sterne in unserer Milchstraße sind sogenannte rote Zwerge (auch „M-Zwerge“ genannt); also Sterne, die kleiner und kühler sind als die Sonne. Es spricht nichts dagegen, dass auch bei M-Zwergen Planeten existieren und man hat dort schon Planeten entdeckt. Es ist nur ein wenig kniffliger, dort einen lebensfreundlichen Planeten zu finden, denn dafür braucht es ja ausreichend Licht vom Stern. Es darf nicht zu kühl sein und damit das bei den kleinen roten Zwergen klappt, muss der Planet sehr dicht an den Stern rücken. So dicht, dass die Gezeitenkräfte zwischen Stern und Planet sehr stark werden und die Rotationsgeschwindigkeit des kleineren Himmelskörpers beeinflusst wird. Es passiert dann das, was auch bei Erde und Mond passiert ist, denn auch hier hat die Gezeitenkraft die Rotationsgeschwindigkeit des Mondes verringert, so dass er nun für einen Umlauf um die Erde genau so lange braucht wie für eine Drehung um seine eigene Achse. Das nennt man in der Astronomie eine „1:1 Spin-Orbit-Resonanz“ und führt dazu, dass wir von der Erde aus immer die selbe Seite des Mondes sehen.

Auch ein Planet der seinem roten Zwerg nahe genug ist, kann in so einer Spin-Orbit-Resonanz landen. Dann würde eine Seite des Planeten ständig vom Stern bestrahlt werden während die andere in ständiger Dunkelheit liegt. Auf der einen Seite wäre es immer hell und heiß, auf der anderen immer dunkel und eiskalt. Es ist unklar, ob sich auf so einem Planet Leben entwickeln könnte. Das hängt von der Atmosphäre ab und wie gut sie die Wärme über den Planeten verteilen kann. Mit Photosynthese wird es auf der immer dunklen Seite aber sicherlich nichts und ob es den Pflanzen auf der aufgeheizten hellen Seite besser geht ist zweifelhaft. Aber es gibt noch andere Möglichkeiten. Es muss ja keine 1:1 Spin-Orbit-Resonanz sein…

Merkur zum Beispiel befindet sich einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz mit der Sonne. Dass heißt, während 2 Umläufen um die Sonne dreht sich Merkur dreimal um seine eigene Achse. Ein Merkurjahr ist also immer 1,5 Merkurtage lang. Diese Animation zeigt, wie man sich das vorstellen kann:

Orbital_resonance_of_Mercury

So etwas passiert oft dann, wenn die Bahn des Planeten ein bisschen exzentrisch, also nicht exakt kreisförmig, ist und das trifft auf Merkur zu. Vielleicht aber auch auf extrasolare Planeten. Wie sieht es dann in diesem Fall mit der Photosynthese aus? Das haben Sarah Brown von der Universität Edinburgh und ihre Kollegen kürzlich untersucht („Photosynthetic Potential of Planets in 3:2 Spin Orbit Resonances“). Auf einem hypothetischen Exoplaneten mit einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz gibt es also lange Tage, aber auch lange Nächte. Will man wissen, wie viel Licht auf den Planeten fällt, muss man wissen, wie hoch der Stern im Laufe der langen Tage am Himmel steht und wie sich das verändert. Von der Erde kennen wir das ja und lernen es schon in der Grundschule: Die Sonne geht im Osten auf, erreicht Mittags ihren höchsten Punkt am Himmel im Süden und geht abends im Westen wieder unter. Bei den resonanten Planeten dauert so ein Auf- und Untergang natürlich länger – und manchmal kommt der Stern nach dem Untergang sogar kurz wieder zurück bzw. verschwindet nach dem Aufgang gleich wieder. Das zeigt dieses Diagramm:

Bild: Brown et al, 2014
Bild: Brown et al, 2014

Links sehen wir das, was wir auch von der Erde kennen. Die x-Achse zeigt die Zeit bzw. wie oft der Planet den Stern umrundet hat. Die Skala läuft von 0 bis 2; das Diagramm zeigt also 2 Runden um den Stern und damit 3 ganze Planetentage. Die y-Achse zeigt, wo vom Planeten aus der Stern am Himmel zu sehen ist. Die Skala läuft von -90 bis +90 Grad. Bei -90 Grad geht der Stern auf, bei 0 Grad steht er am höchsten am Himmel und bei +90 Grad geht er unter. Links im Bild sehen wir das erwartete Verhalten: Der Stern geht auf, steigt am Himmel immer höher, sinkt wieder und geht schließlich unter. Die verschiedenfarbige Linien zeigen die Situation auf verschiedenen Breitengraden an: Gelb ist der Äquator; danach folgen Breiten von 67.5, 45, 22.5 und 0 Grad (also der Pol). Seltsam wird es dann aber im rechten Bild. Da sehen wir im Prinzip genau das gleiche was auch links zu sehen ist. Nur ist die Bahn des Planeten hier jetzt exzentrisch und nicht mehr kreisförmig wie im linken Bild.

Diese Bahnexzentrizität (e=0,3) hat konkrete Auswirkungen. Der Planet ist nun nicht mehr immer gleich weit vom Stern entfernt, sondern mal näher und mal weiter weg. Je näher der Planet dem Stern aber kommt, desto schneller bewegt er sich auch (2. Keplersche Gesetz). Und nun kann es vorkommen, dass zur Zeit der größten Annäherung die Drehung des Planeten um den Stern herum den Effekt der Drehung des Planeten um seine Achse aufhebt bzw. sogar rückgängig macht. Wenn sich der Planet weit genug um seine Achse gedreht hat, ist der Stern also – wie zu erwarten – hinter dem Horizont verschwunden. Aber weil sich zur Zeit der größten Annäherung der Planet so schnell um den Stern herum dreht, „überholt“ diese Drehung quasi kurzfristig die Drehung des Planeten um seine Achse und der Stern taucht nochmal kurz über dem Horizont auf, bevor er endgültig verschwindet. Gleiches passiert umgekehrt beim Aufgang: Der Stern geht auf, geht kurz danach unter und dann nochmal auf. Das klingt komisch, findet aber beim Merkur tatsächlich statt. Würde man auf seiner Oberfläche stehen und die Sonne beobachten, dann würde man genau das sehen.

Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Menge an Licht, die für die Photosynthese zur Verfügung steht. Das zeigt dieses Diagramm aus der Arbeit von Brown und ihren Kollegen:

Bild: Brown et al, 2014
Bild: Brown et al, 2014

Links wieder der „Normalfall“ mit einem Planeten auf kreisförmiger Bahn. Man sieht eine Karte der Planetenoberfläche und die Farbe gibt an, wie hoch die Intensität des einfallenden Sonnenlichts ist. Am Äquator ist es rot, also warm und je näher man zu den Polen kommt, desto kälter (blauer) wird es. Also im Prinzip so wie auf der Erde. Nur ist bei diesem Problem der „Normalfall“ eigentlich nicht der Normalfall. Damit ein Planet überhaupt in die 3:2 Spin-Orbit-Resonanz kommt braucht es (auch komplexen himmelsmechanischen Gründen die ich jetzt nicht im Detail ausbreiten will) eine gewisse Exzentrizität der Bahn, denn ansonsten landet er in der lebensunfreundlichen 1:1 Spin-Orbit-Resonanz. Das linke Bild ist also eigentlich nur ein Vergleichsbild, aber kein „Normalfall“. Den sehen wir eher im rechten Diagramm, das eine Bahnexzentrizität von 0,2 zeigt, also eine leicht exzentrische Bahn, vergleichbar mit der von Merkur. Hier ist es immer noch um den Äquator herum am wärmsten – aber es gibt jetzt auch Gegenden auf dem Planeten, wo es immer dunkel ist. Und das macht die Sache relativ kompliziert.

In den hellen, warmen Gegenden solcher Planeten hätten die Pflanzen zwar genug Licht – aber die Nächte dauern trotzdem immer noch enorm lange (ein Jahr hat ja nur 1,5 Tage!) und ob die Pflanzen solche langen Phasen der Dunkelheit überstehen, ist zweifelhaft. Die Diagramme oben zeigen ja nur die über den kompletten Zyklus gemittelten Werte. Die Pflanzen aber müssen die realen dunklen und kalten Phasen überstehen, die zwischen den hellen und warmen Tagen folgen. Wieder hängt alles davon ab, wie gut die Atmosphäre der Planeten die Wärme verteilen kann. Von der Erde her kennen wir photosynthetische Organismen, die durchaus in Lage sind, längere Zeiten ohne Licht auszukommen. Das nennt man Mixotrophie und bedeutet, dass die Lebewesen einerseits Photosynthese betreiben, andererseits sich aber auch chemisch ernähren können, wenn es nötig ist. Es spricht also prinzipiell nichts dagegen, dass sich auf solchen Planeten ebenfalls mixotrophe Pflanzen entwickeln.

Pfiesteria shumwayae, ein Dinoflagellat kann sowohl per Photosynthese als auch einfach irgendwas anderes fressen (Bild: Public Domain)
Pfiesteria shumwayae, ein Dinoflagellat kann sowohl per Photosynthese als auch einfach irgendwas anderes fressen (Bild: Public Domain)

Besonders interessant sind die abschließenden Diskussionen in der Arbeit von Sarah Brown. Planeten in einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz rotieren vergleichsweise langsam und deswegen ist auch ihr Magnetfeld schwach. Außerdem sind sie ihren Sternen ja sehr nahe. Sie bekommen also sehr viel kosmische Strahlung ab, was Einfluss auf die Entwicklung des Lebens haben kann. M-Sterne sind auch oft sehr aktiv wenn es um Röntgen- und UV-Strahlung geht. Gibt es keine dicke Atmosphäre, dann dringt die auf die Planetenoberfläche vor und kann dort ebenfalls schädlich sein. Aber auch hier wissen wir wieder von der Erde, das bestimmte Pflanzen und Mikroorganismen sich gegen diese Arten von Strahlung schützen können. Es ist also möglich, dass sie auch auf fremden Welten vorhanden sind.

Vor allem, weil die Evolution auf solchen Planeten regelrecht vorangetrieben wird. Wie oben erklärt hängen die hellen und dunklen Bereiche auf der Planetenoberfläche ja mit der Exzentrizität der Bahn zusammen. Die sorgt dafür, dass der Stern zur Zeit der größten Annäherung mehrmals auf- oder untergeht. Dieser Zeitpunkt ist aber nicht immer gleich. Dafür sorgt die berühmte „Periheldrehung“, also der Effekt, den wir auch bei der Bahn von Merkur sehen können und der erst durch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erklärt werden könnte. Die ganze Bahn des Merkurs dreht sich während knapp einer Viertelmillion Jahre einmal um die Sonne herum und genau das wird auch mit den hypothetischen Planeten der roten-Zwerge passieren. Damit verschieben sich aber auch die Positionen der hellen und dunklen Bereiche, die nun im Laufe der Jahrhunderttausende über den Planeten wandern. Pflanzen, die in einer der helleren Regionen des Planeten leben könnten sich nach ein paar Jahrtausenden auf einmal in einem der immer dunklen Streifen wiederfinden. Das könnte die Entwicklung des Lebens stören – oder erst recht anheizen! Die Periheldrehung ist langsam genug, damit die Evolution Schritt halten könnte.

Wer weiß – vielleicht gibt es auf solchen Planeten migrierende Pflanzen, die im Laufe der Zeit langsam ihren Planeten umrunden, um immer in den optimalen Bereichen bleiben zu können… Vielleicht gibt es auf solchen Spin-Orbit-Planeten aber auch gar kein Leben. Noch wissen wir es nicht – aber in ein paar Jahrzehnten haben wir die Instrumente, um uns so etwas mal genauer ansehen zu können!

23 Gedanken zu „Photosynthese auf fremden Planeten“
  1. Tja, diese „migrierenden Pflanzen“ sind wieder einmal ein alter Hut und der Realität bei Perry Rhodan längst bekannt:
    Marschiere-Viel
    Und eigentlich ist es ziemlich kraß, was man alles so erfinden kann, wenn man Autor ist. Umso krasser, wenn es dann tatsächlich irgendwo auftaucht. Natürlich ist der Vergleich etwas hinkerös: Marschiereviels laufen einer langsamen, aber nichtresonanten „normalen“ planetaren Rotation hinterher – also einer deutlich schnelleren Terminatorwanderung als hier im Artikel angedeutet.

  2. Hallo Florian!

    Wirlich ein sehr schöner Beitrag, mir ist nur ein kleiner Fehler aufgefallen.

    Merkur zum Beispiel befindet sich einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz mit der Sonne. Dass heißt, während 2 Umläufen um die Sonne dreht sich Merkur zweimal um seine eigene Achse. Ein Merkurjahr ist also immer 1,5 Merkurtage lang. Diese Animation zeigt, wie man sich das vorstellen kann:

    Müsste es nicht heißen „dreimal um die eigene Achse“?

    LG Martin

  3. Wer sagt denn, dass eine Pflanze über die Dunkelperiode hinweg weiter aktiv bleiben muss? „Abends“ robuste Samen ausbilden, und wenn die Morgensonne kommt, austreiben, wachsen und weiter geht’s mit der Photosynthese.

    Machen auf der Erde eine Menge Pflanzen in Trockenregionen so, die übersetehen damit locker Dürreperioden, die länger als 1,5 Jahre sind. Sobald’s dann regnet, explodiert die Flora regelrecht.

  4. Wer in seinem Garten schon einmal wilde Brombeeren, Bambus oder Erdbeeren gehabt hat, weiss, was „migrierende Pflanzen“ sind. So schnell kann man die gar nicht ausreissen, als dass sie einem nicht doch noch „entkommen“ und an anderem Ort wieder auftauchen. 😉 Das braucht maximal Jahrzehnte, keine Jahrhunderttausende.

  5. Schöner Artikel!

    Mixotrophie bzw. mixotrophisch wird ohne h nach dem t geschrieben. Aber das nur nebenbei …

    Ein Planetenumlauf innerhalb der habitablen Zone eines M-Zwerges dauert ja nun nicht so lange, dass man eventuell entstandenen Pflanzen zumuten müsste, ortsveränderlich zu sein. Mit Wurzeln wäre das ohnehin schwierig … 🙂

    Denkbar wären aber Analoga zu den hiesigen Schleimpilzen, die sich phasenweise zu einem polykaryotischen Plasmodium zusammenfinden, welches dann tatsächlich über den Boden wandert, um Nahrung aufzunehmen.

    Andererseits sind unsere hiesigen Flechten so ausdauernd, dass sie längere Perioden von Kälte und Dunkelheit problemlos überstehen. Warum sollte so etwas anderswo nicht ebenfalls funktionieren können? Gerade Symbiosen wie diese sind da sehr robust.

  6. Upps, ich habe gerade gesehen, dass sich der „Wanderungszwang“ auf die Periheldrehung bezog …

    Ja, das lässt sich dann wohl schwer überdauern, aber in Anbetracht der großen Zeiträume verschieben sich einfach die Bewuchs-Areale entlang der Terminatorlinien, so dass daraus wohl eher kein selektiver Druck entsteht (genau kann man es aber nicht wissen, was es wieder spannend macht!).

  7. Hallo Florian,
    „ist der Versuch, sogenannte “Biomarker” in den Atmosphären der extrasolaren Planeten zu finden. „

    Weil es gerade passt (?). Ich habe noch nichts über eine mögliche (?) Messung der „optischen Aktivität“ gelesen/gefunden. Auf Planten mit „leben“ erwarte ich, dass die Evolution dazu führt, dass sich bei biologisch wichtigen Substanzen immer/häufig ein Enantiomer durchsetzen wird.

    Sollte es so sein: Würde man dies messen können? Sprich: Würde man von außen messen können, dass es bei uns z.B. vorwiegend „linksdrehende“ Aminosäuren gibt?

    Gruß
    Aveneer

    1. @Aveneer: „Weil es gerade passt (?). Ich habe noch nichts über eine mögliche (?) Messung der „optischen Aktivität“ gelesen/gefunden. „

      Ich verstehe leider nicht, was du damit meinst. Kannst du das noch ein wenig genauer erklären?

  8. @Aveneer

    stelle ich mir aus mehreren Gründen recht schwierig vor. Zunächst misst du die Chiralität ja durch die Drehung der Achse von polarisiertem Licht. Bräuchte man also eine Quelle für dieses Licht. Dieses muss dann durch die Probe durchgehen und v.a. du hast ja keine reine Lösung der optisch aktiven Moleküle. Freie Aminosäuren kommen zB in belebter Natur faktisch nicht vor. Die werden sofort umgesetzt. Klar, never say never, aber die Chancen sind klein.

  9. @ Kassenwart
    Gebe dir in allen Punkten recht.
    Aber soviel ich weis (mich erinnere), hat man schon in einer „Staubwolke“ eine bevorzugte Händigkeit von „irgendwas“ bestimmt? Ein Aldehy? Habe da was im Hinterkopf.

    Jedenfalls ist die Messung der Chiralität einer Substanz auch in der Astronomie nichts Ungewöhnliches (?).

    „Dieses muss dann durch die Probe durchgehen“
    „Die Sonne im Hintergrund“ Dann kommt der Planet und dann der Detektor auf der Erde. Würde mit etwas „Flüchtigem“ anfangen.

    @ Florian
    Nahezu alle Aminosäuren auf der Erde liegen in einer bestimmten Chiralität vor. Optisch aktive Substanzen drehen Licht in Abhängigkeit ihrer Chiralität. Ich weis zwar, dass man eigentlich hierfür (zur Messung) linear polarisiertes Licht benötigt, aber ggf. kann man ja was „drehen“. Muss ja nicht exakt sein. Man muss ja nicht gleich den Öchsle-Grad der fernen Ursuppe messen.  Astronomen haben ja manchmal unvorhersehbare Tricks auf Lager.
    Das die Natur häufig eine Händigkeit bevorzugt, liegt einfach an der großen Bedeutung der „biologischen Katalysatoren“ / Enzyme und ihre enantioselektive Wirkungsweise. Bei einem Racemat müssten häufig zwei Enzyme gebildet werden um auch beide Enantiomere umzusetzen.

    Gruß
    Aveneer

  10. Bezüglich Photosynthese-ähnlicher Biologie werfe ich mal als Venusatmosphärenphysik-Diplomarbeitsschreiber den „unknown UV Absorber“ der Venus ins Feld – Schwefel z.B. zeigte im Experiment nicht die beobachteten Eigenschaften. Das UV-Absorber-Problem bleibt trotz einiger prinzipiell vielversprechender Ansätze durch experimentelle Falsifikation* in Testkammern bis heute ungelöst. So verwundert es nicht, dass Astrobiologen einwerfen, dass es nicht nur auf der Erde massig Leben in den Wolken gibt (ein Teil der Kondensationskeime unserer Wolken wird durch Sporen, Pollen und Bakterien gestellt), sondern auch solches das sehr saure Bedingungen überleben würde – und auf der Venus gab es für grob geschätzt ~0,5 Mrd. Jahre Ozeane und freundlichere Bedingungen. Allerdings wird die Venus in den kühlen oberen Schichten zudem noch von UV Strahlung bombardiert – Energiequelle oder endgültiges Todesurteil für Leben?
    Wir sollten uns die Venus auf jeden Fall noch mal genauer anschauen, die von den Russen damals eingesetzten Nephelometer haben massig bakteriengroßen Feinstaub dort gemessen, ohne diesen chemisch analysieren zu können.
    (Obwohl ich selbst eher pessimistisch bin, aber faszinierend ist das Ganze doch 😉

    *So ganz sicher ist man sich allerdings nicht, ob man die Venus gut genug nachbaut – aber mysteriös ist das Problem bisher gewiss.

  11. @ Aveneer:

    Ich glaube nicht, dass man auf die Chiralität von Monomeren rückschließen kann. Zum einen, weil es gewisse technische Schwierigkeiten gibt, die von Kassenwart schon angesprochen wurden. Zum anderen, weil die Monomere ja in den Polymeren „verbaut“ worden sind. Die Polymere wiederum befinden sich in den Zellen, und diese bewirken keine Drehung des eintreffenden Lichts. Von daher lässt sich aus dem empfangenen Licht nicht ableiten, ob die Aminosäuren dort in der L- oder in der D-Form vorliegen.

    Richtig ist natürlich, dass eine Auslese in Richtung Homochiralität stattgefunden haben dürfte, aber welches Resultat dabei herausgekommen ist, bleibt uns einstweilen verborgen.

    Mit „Biomarker“ sind ja insbesondere Sauerstoff, Ozon und Methan gemeint, die in der Atmosphäre zusammen vorkommen müssen. Jedes Gas für sich genommen ist noch kein Indiz für Leben, weil z.B. Sauerstoff auch als dünne Atmosphäre auf eisbedeckten Himmelskörpern vorkommt, wo es infolge von Wasserspaltung durch UV-Strahlung entsteht (Beispiel: Jupitermond Europa).

    Erst das gemeinsame Vorkommen dieser Gase verweist auf ein chemisches Nichtgleichgewicht, das sich nur schwer mit anorganischen Prozessen erklären lässt. Darum sucht man bevorzugt nach solchen Hinweisen in Planetenatmosphären.

  12. Zur Frage, ob außerirdische Photosynthese genauso ablaufen muß wie die irdische würde ich BTW noch anmerken, daß es auch auf der Erde durchaus Unterschiede in der Photosynthese zwischen verschiedenen Organismen gibt, seien es einfach nur diverse Hilfsfarbstoffe, seien es etwas unterschiedlich aufgebaute Verwandte des Chlorophylls oder gar ganz anders funktionierende Moleküle wie Bakterienrhodopsine:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Photosynthetic_pigment

  13. Das Methan oder Sauerstoff auf leben hinweist hatte ich nie richtig nachvollziehen können. Erst durch deinen Hinweis, dass es auf die Mischung ankommt- wird es mir klar.

    Gut möglich, dass diese „Biomarker“ für erdähnliche Planeten auch die besseren Marke sind. Grundsätzlich wäre der Nachweis von vorwiegend links – oder rechts drehen Molekülen ein deutlicher Hinweis auf leben ohne sich auf erdähnliche biologische Vorgänge zu beschränken (z.B. leben auf Silizium basis).

    Kurz: Ein Nachweis von „70% linksdrehender Moleküle“ (egal welches) in der Atmosphäre eines Planet wäre für mich mindestens so ein deutlicher Hinweis auf leben wir die richtige Sauerstoff/Methan/CO2 Mischung.

    Gruß
    Aveneer

  14. @ Aveneer:

    Hierbei muss man wieder vorsichtig sein. Durch polarisierte Sternstrahlung zerfallen bevorzugt rechtsdrehende Aminosäuren, wie man z.B. an den Inhaltsstoffen des Murchison-Meteoriten erkennen kann.

    Der Unterschied ist z.T. ganz erheblich (bei Asparaginsäure z.B. ein Verhältnis von 1 zu 3,42 zwischen D-Variante und L-Variante!), so dass ein festgestelltes Ungleichgewicht in der Verteilung der Chiralität durchaus auch mit Hilfe abiogener Ursachen erklärbar ist.

    Insofern würde es sich um ein schwaches Indiz handeln, das der Untermauerung durch andere Biomarker bedarf.

  15. Man sollte auch bedenken dass bei solchen Planeten ein Jahr wesentlich kürzer ist (wenn ich richtig informiert bin geht’s da um Längen so um einen Monat herum). Wenn ein Tag also 2/3 eines Jahres ist dass sind das „nur noch“ 20 unserer Tage. Das ist doch gar nicht soo lang. Kann mir gut vorstellen dass Planeten mit ausreichender Atmosphäre/Wolken in dieser Zeit noch nicht so furchtbar kalt auf der Nachtseite würden. @Florian (oder andere Astronomen): Gibt es auch noch andere stabile Resonanzen für solche Planeten als 1:1 oder 3:2?

  16. Das ist (natürlich) alles etwas komplexer und ich finde der Artikel „Homochiralität“ auf Wiki zeigt dies zumindest auf.

    Möchte jetzt nicht ins Detail gehen, ob und unter welchen Bedingungen eine Amplifikation eines Enantiomers zu erwarten ist. Aber [ 😉 ] während im einen Fall die „Amplifikations-Kette“ abgebrochen wird, führt in biologischen Systemen die Homochiralität einer Substanz (gerne) auch zu einer Homochiralität einer anderen. Denn wenn man sich bei „A für L“ entschieden hat, dann kann es sein, dass man bei „B nun D“ nehmen muss. Z.B. Die autokatalytische Amplifikation der RNA hat ggf. zu einer Homochiralität der RNA-Bausteine geführt, die nun aber bereits die Homochiralität der L-Aminosäuren bedingte (ohne Beleg).

    Egal ob schwaches oder starkes Indiz. Wegwerfen muss man die Idee aber nicht.

  17. @ Aveneer:

    Die autokatalytische Amplifikation der RNA hat ggf. zu einer Homochiralität der RNA-Bausteine geführt, die nun aber bereits die Homochiralität der L-Aminosäuren bedingte (ohne Beleg).

    In biologischen Systemen werden bei Polymeren (bis auf einige wenige Ausnahmen) stets homochirale Monomere verwendet. Bei den Proteinen sind es L-Aminosäuren und bei den Nucleinsäuren entweder D-Ribose (bei RNA) und D-Desoxyribose (bei DNA) im Zuckeranteil des Nucleotids.

    Die Begründung ist in der Faltung des Makromoleküls zu sehen: Während Peptidketten bei Proteinen mit schöner Regelmäßigkeit Abschnitte mit Alpha-Helix sowie Beta-Faltblattstrukturen aufweisen, die sich dann im Ganzen zu einer dreidimensionalen kugelähnlichen Struktur sortieren, die sie als Enzym geeignet werden lässt, bildet DNA die allgemein bekannte Doppelhelix aus, die sich dann wiederum zu weiteren Helixstrukturen verdrillt (Superhelix), um schließlich in Gestalt von Chromosomen regulär angeordnete Strukturen zu bilden.

    So etwas klappt nur, wenn man sich bei der Polymersynthese quasi „darauf verlassen kann“, dass nur Monomere einer Sorte miteinander verknüpft werden. In der Tat machen es die sterischen Eigenschaften der gegenteiligen Variante unmöglich, regulär auf enzymatischem Weg (bei DNA-Replikation bzw. bei Transkription von DNA in RNA) bzw. im Verlauf der Translation am Ribosom (Proteinsynthese) zu Polymeren „verbaut“ zu werden. Von daher ist das Gesamtsystem durch Selektion bereits derart auf Homochiralität optimiert, dass die Spiegelbildvariante keine Chance hat, sich im System anzureichern und sich dort zu etablieren.

    Egal ob schwaches oder starkes Indiz. Wegwerfen muss man die Idee aber nicht.

    Nein, natürlich nicht! Es bedarf aber weiterer Indizien, um abzuklären, ob eine eventuell festgestellte Ungleichverteilung diverser Moleküle auf biogene oder abiogene Ursachen zurückzuführen ist. Bei alledem muss man jedoch bedenken, dass die Biomarker Methan + Ozon bzw. Sauerstoff einfacher zu detektieren sind als chirale Moleküle. Von daher wird man bis auf weiteres auf diese Biomarker zurückgreifen, bevor ausgereiftere Beobachtungsmöglichkeiten detailliertere Untersuchungen von Atmosphärenspektren ermöglichen.

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