Der gestrige Tag wird vermutlich in die Geschichtsbücher eingehen – zumindest in diejenigen, die sich mit der Geschichte der Wissenschaft befassen. Gestern haben Forscher eine spektakuläre Entdeckung gemacht. Eine Entdeckung, die zwar nicht unerwartet gekommen ist, aber deswegen nicht weniger beeindruckend ist. Eine Entdeckung, die uns verrät, wie unser Universum entstanden ist und eine der seltsamsten kosmologischen Hypothesen der letzten Jahrzehnte bestätigt. Die Beobachtungsdaten der Wissenschaftler zeigen, dass unmittelbar nach dem Urknall die kosmologische Inflation stattgefunden hat. Und das hat weitreichende Auswirkungen auf unser Verständnis des gesamten Universums!

Ein neuer Blick auf das Universum

Ich habe gestern schon ausführlich über die wissenschafliche Hintergründe geschrieben und erklärt, was die Inflation ist, warum man diese These entwickelt hat, wie man sie beobachten könnte und wie man sie schließlich beobachtet hat. Ich werde das hier jetzt nicht alles noch mal wiederholen (wenn ihr den Artikel also noch nicht gelesen habt, dann holt das besser vorher nach), möchte aber ein bisschen konkreter auf die eigentliche Entdeckung und deren Bedeutung eingehen.

Die wissenschaftlichen Daten der dreijährigen Beobachtungskampagne am Südpolteleskop in der Antarktis wurden in der Facharbeit mit dem Titel „BICEP2 I: Detection Of B-mode Polarization at Degree Angular Scales„. Ich bin kein Kosmologe und behaupte nicht, dass ich jedes Detail in diesem Artikel verstehe. Aber ein paar interessante Sachen möchte ich doch aufgreifen.

Die besondere Entdeckung um die es hier geht ist ja die Beobachtung von primordialen B-Moden. Dabei geht es um die Polarisation der kosmischen Hintergrundstrahlung. Diese Strahlung beobachten wir schon seit den 1960er Jahren, haben aber bisher nur ihre unterschiedliche Intensität gemessen. Aus diesen Messungen stammen Bilder dieser Art, die vermutlich jeder schon Mal gesehen hat:

Messung der Variation der kosmischen Hintergrundstrahlung des Weltraumteleskops Planck Bild: ESA and the Planck Collaboration)
Messung der Variation der kosmischen Hintergrundstrahlung des Weltraumteleskops Planck Bild: ESA and the Planck Collaboration)

Man sieht eine Darstellung des gesamten Himmels und die Farben geben an, wie hoch die Intensität der Hintergrundstrahlung ist. Die Variationen entsprechen Dichteschwankungen in der Verteilung der Materie, knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall. Wir sehen also in eine Zeit vor 13,8 Milliarden Jahren zurück, als das Universum gerade Mal 0,00003 Prozent seines heutigen Alters erreicht hat. Und weiter können wir auch nicht direkt zurück sehen, denn zu diesem Zeitpunkt war das All das erste Mal kühl genug, damit sich Strahlung überhaupt ausbreiten konnte. Die kosmische Hintergrundstrahlung ist die älteste Strahlung im Universum und damit auch die älteste, die wir beobachten können.

Aber trotzdem ist es möglich, etwas über die Zeit davor zu erfahren! Dazu muss man nicht nur die Intensität des Lichts beobachten, sondern auch seine Polarisation. Also, simpel gesagt, nachsehen, wie die Lichtwellen ausgerichtet sind. Die Variationen in der Verteilung der Materie beeinflussen, wie das Licht sich ausbreitet und können auch seine Polarisation verändern. Das kann allerdings auf zwei grundlegend verschiedene Arten passieren. Beobachtet man die Ausrichtung der Polarisation in der Umgebung der Dichteschwankungen, dann kann man entweder ein spiegelsymmetrisches Muster bekommen oder ein wirbelförmiges Muster, das nicht spiegelsymmetrisch ist. Die beiden Fälle werden E-Moden und B-Moden genannt:

Bild: BICEP2
Bild: BICEP2

Verursacht werden die E- und B-Moden durch unterschiedliche Phänomene. E-Moden entstehen, wenn Licht an Atomen in einem Plasma gestreut wird und haben mit dem ganz frühen Universum nichts zu tun. Dafür aber die B-Moden und die hat man nun endlich beobachtet. Dieses Bild fasst die Ergebnisse der Beobachtung zusammen und wird vermutlich in Zukunft genau so ikonisch werden wie die Bilder der Intensitätsverteilung der Hintergrundstrahlung:

Bild: BICEP2
Bild: BICEP2

Man erkennt hier wunderbar, wie sich die Polarisation, angedeutet durch die Linien, wirbelförmig entwickelt (die Farben geben die Stärke des „Wirbels“ im bzw. gegen den Uhrzeigersinn an), genau so wie es bei den B-Moden zu erwarten ist. Hier sehen wir übrigens nur einen Ausschnitt des gesamten Himmels, denn das Instrument mit dem die Daten gewonnen wurden, war vergleichsweise klein. Das Teleskop, das am Südpol die Mikrowellen aus dem All aufgefangen hat, hat nur einen Durchmesser von 30 Zentimetern und eben nur einen Ausschnitt des Himmels beobachtet. Das aber jahrelang und darum konnte man auch so genaue Daten sammeln.

Die Inflation messen

Ein wenig technischer sind die Daten in diesem Diagramm aufgetragen:

Bild: BICEP2
Bild: BICEP2

Auf der x-Achse sieht man das sogenannte Multipol-Moment, das im wesentlichen beschreibt, auf welchen Größenskalen am Himmel man die Daten korreliert. Soll heißen, dass man zum Beispiel zwei 10 Grad umfassende Bereiche des Himmels betrachtet und nachsieht, wie stark sich die Intensität der polarisierten Strahlung unterscheidet. Dann wiederholt man das ganze für 5 Grad große Bereiche, und so weiter. Je größer das Multipol-Moment, desto kleiner der Bereich. Auf der y-Achse ist nun die Stärke des jeweiligen Signals aufgetragen und aus diesem Spektrum kann man einiges lernen. Die schwarzen und grauen Punkte sind Korrelationen verschiedener Messwerte die man mit verschiedenen Versionen (BICEP1, BICEP2, etc) der Messgeräte gewonnen hat. Die durchgehende rote Linie ist eine theoretische Vorhersage, dessen, was man sehen müsste, wenn die B-Moden alle erst später entstehen. Wenn sich die kosmische Hintergrundstrahlung auf ihrer langen Reise durchs All bis zu uns zum Beispiel an Galaxien und Galaxienhaufen vorbei bewegt, dann kann deren gravitative Wirkung die Polarisation ebenfalls verändern. Und wenn das der einzige Effekt ist, der B-Moden verursacht, dann sollten die Datenpunkte der durchgezogenen roten Linie folgen. Das tun sie aber nicht – sondern folgen der gestrichelten roten Linie. Und die beschreibt die primordialen B-Moden!

Diese Art der Polarisierung kann nur durch die kosmische Inflation verursacht werden. Als sich das Universum unmittelbar nach dem Urknall plötzlich viel schneller ausdehnte, wurden dabei Gravitationswellen erzeugt. Die extreme Expansion hat quasi den Raum selbst zum Wackeln gebracht und diese Gravitationswellen haben die Verteilung der Materie beeinflusst. Als sich das Licht ein paar hundertausend Jahre später dann endlich ausbreiten konnte, wurde ihm die Auswirkung dieser speziellen Verteilung in Form der Polarisierung aufgeprägt. Wir haben zwar die Gravitationswellen der Inflationsphase nicht direkt gemessen, aber wir haben ein direktes Bild dieser Wellen im frühen Universum gesehen.

Die Inflation ist eine wirklich seltsame Sache. Wenn man einfach nur sagt, dass sich das Universum früher mal ein bisschen schneller ausgedehnt hat als sonst, dann ist das zwar richtig, kommt aber einer Beschreibung dessen, was wirklich passiert ist, nicht wirklich nahe. Auch eine mathematisch exakte Beschreibung lässt die Vorstellungskraft ratlos zurück: Als die Inflationsphase begann, war das Universum gerade mal 10-35 Sekunden alt. Das sind 0,00000000000000000000000000000000001 Sekunden – was die Sache aber nicht unbedingt anschaulicher macht. Als die Inflationsphase zu Ende war, war das Universum 10-32 Sekunden alt. Die ganze Sache mit der Inflation hat gerade mal 0,00000000000000000000000000000001 Sekunden gedauert. Das klingt enorm kurz und das IST auch enorm kurz. Aber in dieser enorm kurzen Zeitspanne ist das Universum von einem unvorstellbar kleinen Zustand; kleiner als ein subatomares Elementarteilchen auf die Größe eines Fußballs angewachsen. Nun ist ein Fußball im Vergleich mit den heutigen Universum verdammt winzig. Aber im Vergleich zu dem noch viel kleineren Universum unmittelbar nach dem Urknall ist ein Fußball ein gigantisch großes Gebilde! Und der kurze Zeitraum den die Inflation gebraucht hat, ist enorm lange, wenn ihn mit der damaligen Lebensdauer des Universums vergleicht. Die Inflation dauerte tausende Male länger als das Universum zu diesem Zeitpunkt alt war. Aus Sicht des Universums war es also ein ziemlich langer Vorgang.

Modelle der Inflation

Aber egal wie man probiert es zu veranschaulichen: Es wird für uns Menschen immer unvorstellbar bleiben. Umso erstaunlicher ist es, das wir in der Lage sind, solche Dinge herauszufinden! Die Beobachtung der primordialen B-Moden erlaubt es uns, Aussagen über das zu machen, was 10-35 Sekunden nach dem Urknall passiert ist! Die Geschichte mit der Inflation ist schon den 1980er Jahren entwickelt worden um verschiedene Probleme des klassischen Urknallmodells zu lösen. Damals war es der Wissenschaftler Alan Guth, der auf die Idee mit der Inflation kam und wer möchte, dem kann ich sein Buch „Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts. Die Theorie des inflationären Universums“ empfehlen, in dem er genau erklärt, wie er darauf gekommen ist. Man wusste schon damals, dass man mit der Inflation viele Probleme lösen kann; wusste aber nicht, wie genau die Inflation abläuft.

Man kann die Expansion des Universums mit einem Ball vergleichen, der einen Hügel runter rollt. Wie schnell der Ball das tut und wie sich seine Geschwindigkeit verändert, hängt davon ab, wie steil der Hügel ist und welche Form der Abhang hat. So in etwa ist es auch bei der Inflation. Verschiedene theoretische Modelle erklären die Expansion des Alls auf verschiedene Art und Weise und bis jetzt hatte man keine Möglichkeit, das konkret zu überprüfen. Die bisherigen Beobachtungen standen zumindest nicht im Widerspruch zu der Inflationshypothese und wenn das auch vielversprechend ist, reicht es doch nicht als Beleg für deren Korrektheit aus. Mit den vorhandenen Daten konnte man nur gewisse Grenzen für die „Form des Hügels“ angeben aber nicht sagen, wie er wirklich aussieht. In meinem Artikel von gestern habe ich ein Bild mit solchen Grenzen gezeigt:

Bild: Planck Collaboration, 2013
Bild: Planck Collaboration, 2013

Dieses Diagramm zeigt zwei grundlegende Parameter, mit denen man eine bestimmte „Hügelform“ beschreiben kann. Auf der x-Achse ist der „scalar spectral tilt“ aufgetragen. Diese Zahl beschreibt, ob es im frühen Universum eine bestimmte bevorzugte Größenordnung gab, mit der sich die Korrelation der Strukturen beschreiben lässt und die y-Achse zeigt das „Skalar-Tensor-Verhältnis“, eine Zahl die beschreibt, wie stark der Einfluss der primordialen Gravitationswellen im Vergleich zu den anderen Dichteschwankungen war. Das ist eine ziemlich wichtige Zahl, denn sie hängt von der Temperatur des damaligen Universums ab und sagt uns etwas über die Energie, die damals im Kosmos gesteckt hat.

Die bunten Linien und Flächen geben an, wo man bisher die korrekten Werte vermutet hat und die wahrscheinlichsten Zahlen lagen irgendwo bei 0,96 für den spectral tilt und 0,06 für das Skalar-Tensor-Verhältnis. Die neuen Daten zeigen nun aber, dass das Skalar-Tensor-Verhältnis deutlich höher, bei 0,2 liegt. Das sieht nach einem Widerspruch zum dem aus, was im Bild zu sehen ist, und diesen Widerspruch sprechen die Forscher in ihrer Arbeit auch an:

„These high values of r are in apparent tension with previous indirect limits based on temperature measurements and we have discussed some possible resolutions including modifications of the initial scalar perturbation spectrum such as running. However we emphasize that we do not claim to know what the resolution is.“

Das, was in dem Bild oben gezeigt ist, ist nur eine Möglichkeit, die Daten zu interpretieren. Es gibt auch andere Modelle, wie zum Beispiel das „running“ des „spectral tilt“ (fragt mich nicht, was das im Detail zu bedeuten hat, aber es geht dabei wohl um die Möglichkeit, dass zu verschiedenen Zeiten verschiedene bevorzugte Größenskalen existiert haben) die sehr gut zu den neuen Daten passen, wie dieses Diagramm zeigt:

Bild: BICEP2
Bild: BICEP2

Die roten Flächen zeigen die alten Grenzen in neuer Interpretation mit „running“ und die blauen Flächen die neuen Daten. Und hier passen sie wunderbar zusammen.

Was bedeutet diese Entdeckung?

Die Bedeutung dieser Beobachtung der primordialen B-Moden ist noch gar nicht komplett abzuschätzen. Aber sie wird die zukünftige Forschung auf jeden Fall maßgeblich beeinflussen. Da ist zum Beispiel die Quantengravitation. So nennen Wissenschafler den Versuch, die Theorie der Gravitation mit der Theorie der Quantenmechanik in Einklang zu bringen, was bisher noch nicht gelungen ist aber irgendwann gelingen muss. Denn erst so eine Theorie der Quantengravitation wäre in der Lage, Phänomene wie schwarze Löcher oder den Urknall selbst mathematisch korrekt zu beschreiben. Wir haben aber bis jetzt noch so gut wie keine Ahnung, wie sich die Gravitation auf subatomaren Größenskalen verhält. Die Stringtheorie wäre in der Lage, die Quantengravitation zu beschreiben, ist aber selbst eigentlich immer noch nur eine Hypothese und keine Theorie, weil es noch keine Beobachtungsdaten gibt, anhand der man sie überprüfen könnte. Kein Teilchenbeschleuniger ist in der Lage, die enorm hohen Energien zu erzeugen, die dafür nötig wären.

Mit der Beobachtung der B-Moden sind wir aber in der Lage, das Universum zu einer Zeit zu betrachten, als es von einer Energie erfüllt war, die über alles hinaus geht, was in unseren Beschleunigern stattfindet. Die Beobachtungsdaten sagen uns, dass es hier um Energien in der Größenordnung von 2 × 1016 Gigaelektronenvolt geht bzw. fast eine Billion mal mehr, als im Teilchenbeschleuniger LHC möglich ist! Das ist verdammt viel, und wir können hier Dinge lernen, die wir sonst nirgendwo lernen können!

Zum Beispiel, dass die Quantengravitation tatsächlich existiert! Die primordialen B-Moden sind ein direkter Hinweis darauf, dass im frühen Universum vor der Inflation die Gravitation tatsächlich eine quantisierte Kraft war, denn nur wenn sich die Quantenfluktuationen auch auf die Gravitation auswirken, können die primordialen B-Moden entstehen.

Es handelt sich bei dieser Beobachtung aber auch um den ersten Nachweis der Hawking-Strahlung! Die kennt man ja normalerweise nur im Zusammenhang mit schwarzen Löchern. Hier hat Stephen Hawking den Einfluss der enormen Gravitation auf die Quanteneffekte berechnet und dabei entdeckt, dass von den schwarzen Löchern eine Strahlung ausgeht. Das trifft aber auch auf das junge Universum zu. Auch das war vergleichbar mit einem schwarzen Loch; war enorm klein und enorm dicht und gab Hawking-Strahlung ab, deren Auswirkung auf die Verteilung der Materie heute in Form der B-Moden zu beobachten ist.

Und schließlich ist diese Entdeckung auch noch ein starkes Indiz für die Existenz des Multiversums. So gut wie alle modernen kosmologischen oder physikalischen Theorien deuten darauf hin, dass unser Universum nicht das einzige ist sondern viele existieren. Ich habe das in einer früheren Blog-Serie ausführlich erklärt und dabei auch über die „ewige Inflation“ gesprochen. Die Idee dahinter ist, dass die Inflation kein einmaliges Ereignis ist, sondern immer wieder stattfindet. Die Quantenfluktuationen könnten nicht nur für eine kurz Inflationsphase sorgen, sondern für viele, die immer wieder auftreten und unterschiedlich lang dauern. Der Raum wäre dann vergleichbar mit einem Stück Schweizer Käse, in dem dank Inflation immer wieder Universen in die Existenz „ploppen“ und die Blasen im kosmologischen Käse bilden.

Einer der Pioniere bei der Entwicklung dieses inflationären Multiversums ist der Kosmologe Andrei Linde dessen theoretische Vorhersage über die Parameter der Inflation ziemlich gut mit den neuen Beobachtungen überein stimmen. Dementsprechend erfreut war er auch, als ihn ein Kollege ohne Vorwarnung mit den Ergebnissen überrascht hat:

Linde freut sich wahrscheinlich aus mehreren Gründen. Einer davon dürfte die nun realistische Hoffnung auf einen Nobelpreis sein. Zusammen mit Alan Guth gehört er nun zu den heißesten Kandidaten für die nächsten Jahre. Aber er wird sich natürlich auch und vor allem darüber gefreut haben, dass seine theoretische Vorhersage bestätigt wurde. Das ist für einen Theoretiker immer ein tolle Gefühl und um so mehr, wenn es sich um eine Vorhersage handelt, die so weit von allem entfernt war, wie die von Linde.

Man muss sich noch einmal klar machen, dass wir hier über Vorgänge sprechen, die vor 13,8 Milliarden Jahren stattgefunden haben! Über Dinge, die so kurz nach dem Urknall selbst passiert sind, dass es keine Möglichkeit gibt, diesen Zeitraum irgendwie anschaulich zu machen. Über Vorgänge, die in einem Universum stattgefunden haben, das kleiner war als ein Atom. Ein Universum, in dem nichts auch nur annähernd Vertrautes existiert hat, nur ein wildes Gewimmel von Energie, Quantenfelder und anderen seltsamen Sachen. Und trotzdem sind wir Menschen in der Lage, über dieses Universum nachzudenken, Theorien zu dessen Beschreibung zu entwickeln und diese Theorien dann auch noch mit Beobachtungen zu überprüfen!

Die Entdeckung der primordialen B-Moden war nur der erste Schritt. Jetzt müssen die Daten erst Mal in Ruhe von der wissenschaftlichen Gemeinschaft geprüft werden. Wir müssen warten, bis auch die anderen Experimente (die Daten der Planck-Mission) ihre Beobachtungen veröffentlicht haben und sehen, ob sie die Erkenntnisse bestätigen oder nicht. Und wir müssen, so wie immer, neue und bessere Instrumente bauen. Aber dann steht uns ein völlig neues Universum offen! Gestern haben wir den ersten Blick in diesen fremden Kosmos geworfen, der irgendwann zu unserem Zuhause werden sollte. Wer weiß, was wir noch alles entdecken werden, wenn wir erst richtig gelernt haben, dieses Universum zu beobachten!

85 Gedanken zu „Ein Blick zurück auf den Anfang der Zeit: Die kosmische Inflation, Quantengravitation und das Multiversum“
  1. Ich verfalle bei der Vorstellung eines inflationären Multiversums immer wieder ins Philosophieren und komm mir dann so extrem klein und unwichtig vor.
    Also bevor jemand anfängt, darüber nachzudenken, lieber schon mal Schokolade kaufen, die einen dann wieder ein bisschen aufbaut 😉

  2. Skrazor, ohne dich angreifen zu wollen, aber:

    und komm mir dann so extrem klein und unwichtig vor.

    Ich verstehe nicht, warum Menschen durchaus häufig den so verzweifelten Wunsch haben, „groß“ und „wichtig“ zu sein, daß sie offenbar darunter leiden, wenn sie merken, daß dies zwar ein schöner, aber auch ein ziemlich weit von der Realität entfernter Wunsch ist.

  3. Ich bin fasziniert, WAS mittlerweile alles möglich ist. Wenn man es noch schaffen würde, den ganzen Mist, der täglich auf unserer blauen Kugel geschieht, wegzuschaffen, dann dürfe es wahrlich eine wunderbare Zukunft geben. Aber… ja genau, dieses verdammte aber.

    Nichts desto trotz ist diese Entdeckung unglaublich faszinierend und wahrscheinlich kann man noch gar nicht ermessen, was dadurch noch alles herausgefunden werden wird.

    Allein schon der Gedanke an ein Multiversum…. WOW!

  4. ach so noch etwas: Florian, vielen dank, dass du dieses unglaublich komplexe Thema für uns Laien verständlich machst. Dafür gebührt dir auch ein WOW!

  5. @Bullet

    Ich verstehe nicht, warum Menschen durchaus häufig den so verzweifelten Wunsch haben, “groß” und “wichtig” zu sein,

    Das ist evolutionär recht einfach zu verstehen: wer groß und wichtig ist, also erfolgreich, hat erfolgreiche Gene und ist somit attraktiv. Da jeder instinktiv attraktiv sein will, kommt autoamtisch der Wunsch nach Größe und Wichtigkeit, bzw. ist es total bäh, unbedeutend (=erfolglos) zu sein.

    Warum ist ansonsten in der Politik die Macht so attraktiv? Am Geld alleine liegt’s nicht – es gibt reichere Menschen, als den Durchschnittspolitiker.

  6. @Florian Freistetter

    Verursacht werden die E- und B-Moden durch unterschiedliche Phänomene. E-Moden entstehen, wenn Licht an Atomen in einem Plasma gestreut wird und haben mit dem ganz frühen Universum nichts zu tun.

    Das habe ich anders verstanden.
    Sowohl die ersten E- als auch die ersten B-Moden entstanden durch Thomson-Streuung an den selben Teilchen.
    Wie das im Fall der B-Moden funktioniert, erklärt Alderamin hier ziemlich gut.
    E-Moden entstehen ganz ähnlich, die Ursache sind aber (neben einem kleinen Anteil, der ebenfalls durch Gravitationswellen entstand) die Teilchen-Bewegungen durch die Dichteströmungen der Materie.
    Die Unterschiede in der Dichte, die zu diesen Strömungen führten, wurden ja letztlich durch die Quantenfluktuationen im Inflaton-Feld erzeugt.

    Zusammengefasst:
    Die Quanten-Fluktuationen der Gravitation (des „Graviton“-Feldes) wurden während der Inflation zu den Gravitationswellen, die über den Umweg der Thomson-Streuung die „primordialen“ B-Moden im CMB erzeugten.
    Die Quanten-Fluktuationen des Inflaton-Feldes wurden während der Inflation zu Dichte-Fluktuationen der Materie, die über den Umweg über Materieflüsse zwischen dichten und weniger dichten Regionen durch Thomson-Streuung die „primordialen“ E-Moden im CMB erzeugten.

    Richtig?
    Das hat dann aber doch eine Menge mit dem ganz frühen Universum zu tun, oder?

    Es handelt sich bei dieser Beobachtung aber auch um den ersten Nachweis der Hawking-Strahlung!

    Könntest du das genauer erklären oder irgend etwas dazu verlinken? Das wäre super.

    1. @Niels: „Das hat dann aber doch eine Menge mit dem ganz frühen Universum zu tun, oder?“

      Naja, ALLES hat mit dem frühen Universum zu tun. Aber das, was die E-Moden erzeugt läuft lange nach der Inflation (wenn auch vor der Rekombination) ab. Das „primordial“ bezieht sich auf das was vor der Inflation bezieht. Und das sind eben die Gravitationswellen, die durch die Inflation ausgelöst werden und die sieht man nur in den B-Moden.

      „Könntest du das genauer erklären oder irgend etwas dazu verlinken? Das wäre super.“

      Hat Lawrence Krauss in nem Artikel im New Yorker erwähnt; ob das irgendwie ausführlicher erklärt wird, weiß ich nicht. Aber es geht im wesentlichen darum, dass das Universum VOR der Inflation nichts anderes war als ein verdammt schweres, verdammt kleines Objekt das so wie ein schwarzes Loch auch einen Ereignishorizont hatte. Und die Quantenfluktuationen am Ereignishorizont führen zu Hawking-Strahlung (das war ja das, was Hawking damals entdeckt hat). Die Hawking-Strahlung beeinflusst die Quantenfluktuationen und dann kommt die Inflation und pustet das ganze auf und das was vorher nur ein bisschen Hawking-Strahlung war, ist jetzt eine Gravitationswelle die das ganze Universum wackeln lässt…

  7. Jetzt mache ich mal den Beckmesser:
    Inflation ist ja schön und gut – aber ist man da mittlerweile ein wenig weiter, was ihren Mechanismus angeht? Zumindest sollte man doch erklären können, auf welche Weise sie gestartet wurde und warum und wie sie im „richtigen“ Moment wieder aufhörte.
    Sonst ist es doch nur ein anthropischen Haaren herbeigezogener Begriff für „wir haben keine Ahnung, was es ist, aber es ist so konstruiert, daß es die richtigen Ergebnisse liefert“.

    1. @astroklaus: „Sonst ist es doch nur ein anthropischen Haaren herbeigezogener Begriff für “wir haben keine Ahnung, was es ist, aber es ist so konstruiert, daß es die richtigen Ergebnisse liefert”.“

      Ähm nein. Es ist handelt sich um eine Theorie, die ganz konkrete Vorhersagen über die Beobachtung der Natur macht und genau diese Beobachtungen wurden nun gemacht und bestätigen die Theorie. Ob man jetzt weiß, WARUM die Inflation gestartet wurde oder nicht, hat damit nichts zu tun. Man weiß jetzt DASS die Inflation stattgefunden hat; weiß wie lang sie gedauert hat, wie sie abgelaufen ist, welche Energien beteiligt waren, usw. Und man wird noch viel mehr wissen, wenn man weiter beobachtet. Und irgendwann zweifellos auch noch den genauen Mechanismus bestimmen.

  8. EInfach nur abgefahren!! Zum einen, dass wir das rausfinden und beobachten können, zum anderen die Schlussfolgerungen daraus. KRASS!! Ich glaube, jemand hat grad einen Eimer Faszination über mir ausgekippt…

  9. @Florian Freistetter

    Aber das, was die E-Moden erzeugt läuft lange nach der Inflation (wenn auch vor der Rekombination) ab. Das “primordial” bezieht sich auf das was vor der Inflation bezieht.

    Die B-Moden entstanden doch ebenfalls lange nach der Inflation.
    Es entstanden und entstehen aber eben auch danach noch andauernd neue B-Moden, nämlich durch Gravitationslinseneffekte, die die Polarisation von E-Moden „drehen“. Die ersten B-Moden heißen meiner Ansicht nach also aus dem selben Grund „primordial“, aus dem man auch von der „primordialen“ Nukleosynthese spricht.
    Na ja, ist aber eigentlich nicht so wichtig. 😉

    E-Moden entstehen, wenn Licht an Atomen in einem Plasma gestreut wird

    Die B-Moden, um die es hier geht, ebenfalls.
    Darauf wollte ich nur hinweisen, war nicht böse gemeint.

    1. @Niels: „Es entstanden und entstehen aber eben auch danach noch andauernd neue B-Moden, nämlich durch Gravitationslinseneffekte, die die Polarisation von E-Moden “drehen”. „

      Ja, das hab ich in meinem Artikel von gestern ja auch ausführlich erklärt. Aber das sind dann viel kleinräumigere B-Moden – den Unterschied sieht man in dem Diagramm mit den beiden roten Linien oben im Artikel.

      „Die B-Moden, um die es hier geht, ebenfalls. Darauf wollte ich nur hinweisen, war nicht böse gemeint.“

      Schon klar. Aber das, was das Plasma beeinflusst ist unterschiedlich und es hat deutlich unterschiedliche Spuren hinterlassen. Und die primordialen B-Moden wurden eben unmittelbar durch die Inflation initiiert, die anderen B-Moden und E-Moden nicht.

  10. Wohin sollte ein junges Universum in Fußballgröße denn Hawking-Strahlung abgeben? Außerhalb dieses Universums gibt es doch nichts. Und wie messen wir die Fußballgröße, wenn es keinen externen Maßstab gibt?

    1. @regenundsonne: „Und wie messen wir die Fußballgröße, wenn es keinen externen Maßstab gibt?“

      Naja, ein Meter ist ein Meter – egal wie groß das Universum ist…

  11. beeindruckend

    Man sollte an dieser Stelle möglicherweise über die Bedeutung des Wortes Universum nachdenken. Betrachten wir an dieser Stelle ein Multiversum, oder doch ein Universum in dem ein Big Bang so ungewöhnlich ist wie ein Stern im bisher bekannten?

    Ist das Universum nicht als umfassende Definition zu sehen, die alles beinhaltet und eben nicht „nur“ ein als singuläres, isoliertes BB Ereignis?

    Außerdem… obwohl die Beobachtungen primodialen Gravitationswellen entsprechen, so scheint doch die vorhergesagte Signalstärke bei Steigendem Multiplex ganz deutlich erheblich übertroffen zu werden. Ich frage an dieser Stelle nicht „warum?“, denn diese offensichtliche Frage werden sich in diesem Moment eine ganze Menge Leute stellen.

  12. @Florian
    Hat das Uruniversum schon alle Energie und Masse beinhaltet? Wenn ja, dann muss das ja unvorstellbar dicht gewesen sein. Wie kam es dann, dass das Universum nicht sofort in ein schwarzs Loch zusammen gefallen ist?

  13. Nach Lektüre dieses Artikels kann ich heute zumindest ansatzweise verstehen, wie beeindruckend diese Entdeckung tatsächlich ist. Vor allem dass man dabei Daten analysiert hat, die kein in absehbarer Zukunft realisierbarer Teilchenbeschleuniger liefern könnte, indem man „einfach“ zurück in die Zeit blickt, als das Universum noch winzig war, ist an sich schon eine immer wieder erstaunliche Leistung.
    Menschen sind halt vielleicht doch nicht nur eine Bande gut trainierter Affen. 😉

    Danke für den super Artikel, Florian. Wenn das mal wo für den besten Wissenschaftsblogeintrag des Jahres vorgeschlagen wird, sehe ich harte Zeiten für die Konkurrenz heranbrechen. 🙂

  14. Eine Frage zu dem Universum in Fußballgröße. Wikipedia schreibt zur Inflationstheorie dass es nach der Inflation mindestens 10^28cm gehabt haben müsste. Das wäre etwas größer als ein Fußball. Stimmt der Artikel bei Wikipedia nicht oder unterscheiden sich die unterschiedlichen Modelle nur so extrem?

    1. @Patrick: „Eine Frage zu dem Universum in Fußballgröße.“

      Ich hab das aus einem Artikel bei Bad Astronomy übernommen. Aber ja, es kann gut sein, dass es da unterschiedliche Modelle gibt. Ich werde nochmal nachsehen, ob ich da konkrete Informationen finden kann.

  15. #25 stone1

    Menschen sind halt vielleicht doch nicht nur eine Bande gut trainierter Affen. 😉

    Das seh ich ja grundsätzlich so, dass die Menschen zwar einige anatomische Ähnlichlkeiten mit den Affen aufweisen, aber ansonsten keine sind. Das möchte ich hier jetzt aber auch nicht weiter vertiefen, denn die Diskussion hab ich hier vor rund einem Jahr geführt, und das reicht mir.

  16. Ehm… ihr wisst doch hoffentlich was passiert, wenn es einer schaft, das Universum zu verstehen? 🙂

    Im Ernst, die Entdeckung, die hier gemacht wurde ist wirklich ziemlich cool. Und danke Florian für die verständliche Erklärung für Laien.

  17. Müssen die primordialen B-Moden wirklich ausschließlich durch eine Inflation verursacht sein? Habe gelesen, dass es auch eine Theorie gibt, die sogenannte Phasenübergänge des gesamten frühen Universums beschreibt. Solche Phasenübergänge – oder kosmische Defekte genannt – sollen auch diese primordialen B-Moden verursachen. Ja, sie passen besser zu dem überraschend hohen Wert des E- zu B-Moden-Verhätlnisses…

  18. Was ich zum Thema Gravitationswellen aber als Laie überhaupt nicht verstehe: benötigen Wellen nicht ein Medium, um sich auszubreiten? (Selbst bei Licht im Universum ist das doch die Raumzeit, auf der das Licht entlangläuft und durch Masse eben abgelenkt werden kann. )Welches Medium stand denn bei der Inflation zur Verfügung, das nicht selbst die Ursache der Gravitationswellen war?

  19. @Florian (#15) No offence! War nur ein wenig „zum Zänken“ geschrieben.
    Bislang war ja die Inflation tatsächlich ungefähr so eingeführt wie dunnemals das Neutrino: man weiß, was man braucht, um die Beobachtungen zu erklären und damit kann man die „erwünschten“ Eigenschaftengut festlegen. Damals hat es ebenfalls über 20 Jahre gebraucht, bis man es auch nachweisen konnte…
    Was mich persönlich besonders anspricht: ich habe Diplom und Diss mit Polarisation bestritten (erst optisch, dann bei 10 GHz) und da die Physik dazu nicht so ganz einfach ist, galten wir immer als seltsame Exoten. Von den Magnetfeldern, die wir beobachtet haben, hieß es, daß sie nur dann von anderen beachtet wurden, wenn alle guten Ideen widerlegt waren. Galaktische Magnetfelder sind immer noch nicht wirklich verstanden, aber nun feiert immerhin die Polarisation Triumphe!

  20. @Patrick

    10^28 cm sind 10^26 m sind 10^23 km sind 10^13 Lichtjahre, das ist größer als das beobachtbare Universum heute (ca. 10^11 Lichtjahre). Das bezieht sich dann wohl auf das Universum insgesamt, nicht auf das beobachtbare.

    Der Fußball scheint mir aber auch etwas klein geraten, ich habe irgendwas von 27 Lichtjahren in Erinnerung. Mal schauen, ob ich was finde.

  21. @myself

    Öh, 10^23 km sind nur 10^10 Lichtjahre (1 LJ = 9,46E+12 km), was aber immer noch zu groß wäre, als dass es sich auf das beobachtbare Universum beziehen könnte, das bei der kosmischen Hintergrundstrahlung noch einen Skalenfaktor von 1/1000 hatte.

  22. Ich freue mich vor allem und gerade für Andrei Linde. Ich weiß aus einigen biographischen Beschreibungen, dass er mal unter schwereren Depressionen litt, als man ihn seinerzeit in Russland festgehalten hat. Ihm war eine Zeitlang versagt sich mit anderen Wissenschaftlern im Westen auszutauschen und seine arbeiten vor zu stellen. Er hatte das Gefühl, dass man ihm von den wichtigsten Arbeiten und voranschreiten der Wissenschaften in dem Gebiet isoliert hatte.

  23. @Patrick

    Ok, ich hab‘ im Guth nachgeschaut und dort ein Bild gefunden, das ich auch im Web fand:

    https://www.astro.umass.edu/~myun/teaching/a100_old/images/inflation.jpg

    Demnach wuchs das beobachtbare Universum von der Sekunde 10^-37 bis zur Sekunde 10^-35 von (steht im Text) 10^-52 m auf (laut Graphik) 1 m.

    Im Text unter der Graphik steht allerdings, dass diese Zahlen hochgradig unsicher seien und nur das Prinzip der Inflation klar machen sollen. Sie würden von den Details der noch unbekannten großen vereinheitlichenden Theorie der Grundkräfte abhängen. Da wir die immer noch nicht kennen, ist die Antwort wohl, keiner weiß nichts genaues. Deswegen schwirren wohl alle möglichen Zahlen herum.

    Für das gesamte Universum schmeißt Guth einen Faktor 10^23 in den Raum, den er folgendermaßen schätzt: wenn die Inflation bei 10^-37 s angefangen hat, dann war der Lichtradius des Universums zu dieser Zeit 1E-37 s * 3E+8 m/s = 3E-29 m, also wird das gesamte Universum zur Zeit 10^-37 s bereits so groß gewesen sein. Wenn das beobachtbare Universum damals nur 1E-52 m groß war, was einen Faktor 3E-23 bedeutet, dann hat sich dieses Verhältnis durch die Inflation nicht geändert und besteht bis heute. Da die Zahlen so unsicher sind, spart er sich den Faktor 3 und gibt die Größenordnung mit 10^23 an.

  24. @Alderamin
    So wie ich das verstanden hab kommt je nach verwendetem Modell ein anderer Durchmesser in Frage wobei man die 10^23cm bisher für am wahrscheinlichsten gehalten hat, wenn annimmt dass das Universum vorher nur einen Durchmesser der Planck-Länge hatte.
    Die jetzige Entdeckung hat aber wohl ziemlich viele der Modelle widerlegt. Dadurch müsste sich ja auch der mögliche Radius weiter eingrenzen lassen, dazu hab ich aber noch nichts gefunden

  25. Offenbar hatte es Guth noch lange Zeit nach Aufstellung seiner Theorie durchaus für wahrscheinlich gehalten, dass seine Theorie niemals wird bewiesen werden können, weil es von der Zeit selbst keine Lichtinformationen gibt. Ich finde es mal wieder erstaunlich, wie die „Community“ funktioniert. Und sich gesagt hat, dass es zur Zeit der Inflation dann eben Gravitationswellen gegeben haben müsste, die sich noch später in Form von B-Moden im ersten Licht aufgeprägt haben.

    Und es ist interessant, dass es diese Gravitationswellen immer noch gibt. Aber mittlerweile so langwellig geworden sind, dass man sie nicht mehr direkt nachweisen kann (ich glaube, die haben eine Wellenlänge von mehreren Millionen Lichtjahren?!).

    Es gibt wohl außer den Gravitationswellen noch eine weitere Eigenschaft aus der Inflationszeit: magnetische Monopole. Aber deren Teilchen sind mittlerweile auch zu ausgedünnt.

  26. Und nicht vergessen die Hawking-Strahlung zu Beginn der Inflation, die ist ja damit auch indirekt bestätigt.
    Ich hab schon mindestens 5 auf der Liste für den NP, 3 dürfen aber nur.

  27. @Thorsten:

    „Was ich zum Thema Gravitationswellen aber als Laie überhaupt nicht verstehe: benötigen Wellen nicht ein Medium, um sich auszubreiten?“

    Ultrakurze Antwort: Nein.

    Nicht ganz so kurze Antwort:

    Elektromagnetische Wellen (also Licht zB) brauchen zur Ausbreitung kein Medium. Das sind Elektrische Felder, die sich ändern (und wir erinnern uns an Physik aus der achten Klasse) und die durch diese Änderung wiederum ein magnetisches Feld erzeugen, dass durch seine Änderung ein elektrisches Feld erzeugt usw.
    Bisl sehr vereinfacht gesagt, aber halbwegs richtig. Siehe Maxwellsche Gleichungen oder einfacher „Schwingkreis“ (in der Wikipedia zB).

    Das Licht „läuft also nicht auf der Raumzeit entlang“.

    Bei Gravitationswellen hat es allerdings tatsächlich ein Medium. Und das ist der Raum selbst.
    Massen krümmen den Raum. Bewegte Massen sorgen für Raumkrümmungen, die sich im Raum selbst als „Medium“ dann fortsetzen.

  28. Diese 2 Sätze ergeben nur dann sinn, wenn zum Schluss alt statt halt steht .
    „Als die Inflationsphase begann, war das Universum gerade mal 10-35 Sekunden halt“
    “ Als die Inflationsphase zu Ende war, war das Universum 10-32 Sekunden halt.“

  29. Das Universum, noch klein, jung, in Fußballgröße…
    Höchst seltsam, sich das Universum so „von aussen gesehen“ vorzustellen, wo es doch so eine Aussengrenze garnicht gibt, vom alles sehenden, unbeteiligten Beobachter ganz zu schweigen.

  30. Vielleicht interessiert den einen oder anderen diese Veranstaltung, die morgen in Hannover stattfindet:
    https://www.volkswagenstiftung.de/nc/veranstaltungen/veranstdet/article/in-space-no-one-can-hear-you-scream-wie-klingt-der-urknall.html
    „Heute lauschen Wissenschaftler auf der Suche nach den Gravitationswellen in die Tiefen des Kosmos und erwarten innerhalb der nächsten Jahre erste „Hörproben“. Über dieses neue Fenster zum Universum, unsere Wahrnehmung des Weltalls und den Versuch, einige der großen Rätsel unseres Kosmos zu lösen, berichten die Physiker Prof. Dr. Karsten Danzmann und Jun.-Prof. Dr. Michèle Heurs, beide Leibniz Universität Hannover und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, sowie Dr. Sascha Skorupka von der Leibniz Universität Hannover.“

    In der Hannoverschen Zeitung ist auch ein Artikel zur Forschung am Max-Plack-Institut für Gravitationswellen erschienen, der morgen auch ohne Bezahlung lesbar sein dürfte:
    https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Physiker-aus-Hannover-wollen-Schwerkraftwellen-entschluesseln

  31. Also ich muss sagen, ich bin schwer beeindruckt von diesen Kosmos-Hackern, die immer noch einen Weg finden hinter die Geheimnisse des Universums zu kommen. Ein paar vermutlich sehr laienhafte Fragen hätte ich aber doch:
    Nehmen wir mal an, das Universum war mal „fussballgross“ und alle Enegrgie und Materie und Raum und Zeit befand sich darin, dann muss der Raum zu diesem Zeitpunkt ja aber sowas von gekrümmt und gestaucht gewesen sein, dass er mit Sicherheit noch und nöcher quasi ausschließlich aus schwarzen Löchern bestanden haben muss, da sich in jedem Quadratmilimeter mehr Materie befunden haben muss, als auch nur im Ansatz vorstellbar ist und insbesondere viel mehr als jedes noch so „dicke“ schwarze Loch, oder? D.h. doch, dass das junge Universum quasi nur aus schwarzen löchern Bestand, die im Laufe der Zeit zerstrahlten. Und wenn ich im Physikunterricht richtig aufgepasst habe vergeht in der Nähe großer Mengen Materie die Zeit langsamer, als weiter weg. Muss, nach heutigen Massstäben die Zeit damals nicht irre langsam vergangen sein? Und heißt das nicht, dass, wenn wir uns mal hypothetisch in diesen Moment versetzen, nach den damaligen Masstäben, also ganz kurz nach dem Urknall, der Beginn des Universums irre lange zurück gelegen haben muss, weil die Zeit so „langsam“ verging? Was ich also nicht verstehe, es wird immer von 13,8 Milliarden Jahren gesprochen, dabei hätte ich doch erwartet, dass ein statischer Zeitbegriff keinen Sinn mehr macht, wenn man sich gedanklich nur nahe genug an den „Anfang“ des Universums zurückdenkt, denn da müssen die relativistische. Effekte schier unglaublich gewesen sein?! Insofern kann ich die Frage weiter oben verstehen, ob denn der Begriff „Meter“ überhaupt Sinn mach, schließlich ist das doch immer eine Frage des Betrachters…, so ganz im Sinne der Längenkontraktion und Zeitdillatation, nein? Aber vermutlich hab ich einfach nur was an der Relativitätstheorie nicht verstanden…

  32. @Noonscoomo

    dass er mit Sicherheit noch und nöcher quasi ausschließlich aus schwarzen Löchern bestanden haben muss, da sich in jedem Quadratmilimeter mehr Materie befunden haben muss, als auch nur im Ansatz vorstellbar ist und insbesondere viel mehr als jedes noch so “dicke” schwarze Loch, oder?

    Nein: https://www.physicsforums.com/showthread.php?t=506992

    Muss, nach heutigen Massstäben die Zeit damals nicht irre langsam vergangen sein?

    Da das Weltall homogen war, verging sie jedenfalls überall im Universum gleich langsam, es gab keine Vergleichsbasis. Mag sein, dass sie so gesehen im Vergleich zu heute langsamer verging, aber mangels externem Referenzsystem hätte man das an nichts festmachen können, denke ich, insofern wäre es nicht aufgefallen (und fällt uns auch heute im Rückblick nicht auf – wir sehen nur die Zeitdilatation aufgrund des kosmischen Expansion).

    Vielleicht weiß Niels mehr?

  33. @Alderamin
    Danke für den Link, was da steht leuchtet mir ein, scheint mir aber nicht ganz auf mein Verständnisproblem zu passen. Ich sag ja nicht, dass das Universum ein schwarzes Loch ist. Was ich meine ist zweierlei. Ein schwarzes Loch zeichnet sich meiner Kenntnis nach dadurch aus, dass sich mindestens so viel Masse so dicht in so kleinem Raum befindet, dass die Gravitation den Raum um das Objekt so weit beugt, dass er in sich geschlossen ist. Und wenn ich das weiter korrekt verstanden habe, dann gibt es für (fast) jede Masse eine Dichte bei der dieser Zustand eintritt. Natürlich hat das nach unten eine Grenze (Planck Grösse). Ich meine jetzt, dass also im sehr frühen Universum jede Menge solcher Zustände eingestellt haben müssten, da sich ja _sehr, sehr, sehr_ viel Masse auf sehr wenig Raum verteilte.
    Das zweite ist mein Knoten im Hirn mit der Zeit. Wenn ich das Bezugssystem nehmen von heute, also sagen wir mal die Sekunde, dann müsste doch, verglichen mit heute, eine solche Sekunde in diesem frühen Universum irre lange gewesen sein, nein? Was mich interessiert ist also die Frage, wie man denn so mir nichts dir nichts unseren heutigen Zeitbegriff auf das frühe Universum anwenden will. Anders ausgedrückt, ein fiktiver Beobachter, der sich 10 Sekunden (nach unserem Massstab) nach dem Beginn des Universums Gedanken über den Beginn des Universums machte würde doch vermutlich behauptet haben, dass das Beginn des Universums unglaublich lange zurück liegt, da für ihn die Zeit ja viel langsamer vergeht. D.h. nach unserem Masstab wäre das Universum halt 13,8 Milliarden Jahre alt, nach damaligem Masstab hätte aber schon eine (heutige) Sekunde nach dem Urknall das Universum, also die ganzen Atome und alles bereits wohlmöglich viele Milliarden „Jahre“ (aus ihrer eigenen Sicht) Zeit gehabt sich zu entwickeln. Anders ausgedrückt, je weiter sich das Universum ausdehnt um so schneller vergeht die Zeit. Nehmen wir der Einfachheit halber an, doppelte Grösse, doppelt so schnell vergeht die Zeit (nach heutigem Massstab, dann würde in weiteren 13,8 Milliarden (heutigen) Jahren das Universum (nach dem dann gültigen Zeitmasstab) eben doch nur wieder 13,8 Milliarden Jahre alt und die in der Zukunft werden sagen, damals, also zu unserer Zeit, sei das Universum nur 6,9 Milliarden Jahre alt gewesen.
    Ich weiss nicht ob ich den Punkt deutlich gemacht bekomme, aber irgendwie scheint mir das wirklich dringend ein Masstabproblem zu sein. Sowohl für die Grösse als auch für die Zeit und deshalb stäubt sich was in mir ganz doll, diesen Zeit und diesen Raumbegriff für das frühe Universum gelten zu lassen.

  34. @noonscoomo

    Ad 1: Aber den Raum um sich herum krümmen geht ja nur bei einem Dichtegradienten bzw. bei einer Znetralmasse. In einem homogenen Gas in jeder Richtung wirkt ja von allen Seiten die gleiche Zugkraft, die den Raum sozusagen glatt zieht, es gibt kein Schwerezentrum. Der Raum ist komplett gleichförmig. Deswegen kann es keine lokalen Schwarzen Löcher geben, und auch kein insgesamtes.

    Ad 2: Kann ich nicht wirklich beantworten, wie gesagt, vielleicht weiß Kommentator Niels was, der kennt sich da sehr gut aus.

  35. @Noonscoomo @Alderamin

    Muss, nach heutigen Massstäben die Zeit damals nicht irre langsam vergangen sein?

    Nein, die Zeit „verging“ immer gleich. Das ist gerade der Witz bei sogenannten Friedmann-Universen. Wenn man von (räumlicher) Homogenität und Isotropie (also dem sogenannten kosmologischen Prinzip) ausgeht, muss zwingend die FLRW(Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik die Raumzeit beschreiben, die zu einem solche Universum gehört. Solche Raumzeiten nennt man dann üblicherweise Friedmann-Universen. Heutzutage gehen praktisch alle Kosmologen davon aus, dass wir in einem derartigen Universum leben.

    Solche Friedmann-Raumzeiten haben die ganz besondere Eigenschaft, dass Raum und Zeit “separierbar” sind.
    Nur deswegen können wir eine kosmische Zeit definieren (also von einem globalen Alter des Universums sprechen).
    (Übrigens können wir auch nur deswegen sinnvoll über die räumliche Form des Universums zu diskutieren. Da geht es nämlich darum, welche dreidimensionale Mannigfaltigkeit dem räumlichen Anteil der speziellen vierdimensionalen Raumzeit eines Friedmann-Universums entspricht. Das setzt ja voraus, dass man beides trennen kann.
    Ohne Homogenität läge auch kein Raum konstanter Krümmung vor. Man könnte also auch nicht in die Kategorien flach, hyperbolisch oder sphärisch einzusortieren.)

    Nochmal mathematischer:
    (Keine Angst, das wird gar nicht so schlimm, wir schauen uns immer nur die Terme bezüglich der Zeit-Koordinaten an.)

    Das Linienelement der Minkowski-Raumzeit der speziellen Relativitätstheorie sieht bekanntlich so aus:
    ds^2 = c^2 *dt^2 – dx^2 -dy^2 -dz^2
    Die Raum-Koordinaten (dx, dy, dz) und die Zeit (dt) vermischen nicht.

    Bei einer Friedmann-Raumzeit, die das Gesamtuniversum beschreibt, sieht das Linienelement Im Prinzip sehr ähnlich aus:
    ds^2 = c^2 *dt^2 + [a(t)]^2 * [- dx^2 -dy^2 -dz^2]
    Für die Zeit-Koordinate sieht das genau wie bei der Minkowski-Raumzeit aus. Entsprechend verhält sich bei reinen Zeitmessungen alles genau wie bei der speziellen Relativitätstheorie.
    Üblicherweise benutzt man zwar Polarkoordinaten, an der Zeitkomponente verändert sich dadurch aber nichts.
    (a(t) ist hier der berühmte Skalenfaktor, der beschreibt, dass und wie sich im Laufe der Zeit die Abstände durch die Expansion des Universums verändern. Expansion ist also keine Annahme, die man zu Beginn hineinstecken muss. Sie folgt vielmehr einfach aus den Grundgleichungen der ART, wenn man Homogenität und Isotropie annimmt.)

    Zum Vergleich mal einige andere bekannte Raumzeiten.
    Bei der Schwarzschild-Raumzeit eines schwarzen Loches sieht das Linienelement ganz anders aus, nämlich so:
    https://upload.wikimedia.org/math/b/7/e/b7ea5762683b21bb8571138760ec4bf5.png
    (Das sind jetzt Kugelkoordinaten)
    Hier taucht im dt-Term auch noch die Koordinate r auf. Für Beobachter mit unterschiedlichem Abstand r zur Singularität vergeht die Zeit also ganz unterschiedlich. Es gibt kein globales Alter, das man überall messen könnte.
    Bei der Kerr-Raumzeit eines rotierenden schwarzen Loches ist das wieder so, zusätzlich gibt es aber auch noch einen neuen Summanden mit dt*dΦ.
    Da wird die Sache also noch verrückter, Zeitangaben ohne zusätzliche Angabe der anderen Koordinaten, auf sich die Zeitangabe bezieht, sind sinnlos.
    Hier kann man also nicht mehr zwischen Raum und Zeit trennen.

    .

    Jetzt muss man nur noch verstehen, für welche Beobachter das Ganze eigentlich gilt und wie das die Zeitmessungen beeinflusst.
    Für die Minkowski-Raumzeit der speziellen Relativitätstheorie dürfte die Sache bekannt sein, oder?
    Für die Friedmann-Raumzeit ist das etwas schwerer zu verstehen. Hier geht es um die mitbewegten Beobachter (comoving observers). Das sind genau die Beobachter, die das Universum einschließlich der kosmischen Hintergrundstrahlung als isotrop wahrnehmen. (Ein Mensch auf der Erde ist in guter Näherung ein solcher mitbewegter Beobachter.)
    Wenn wir vom Alter des Universums sprechen, reden wir von der Zeit, die ein solcher mitbewegter Beobachter gemessen hätte. Eine Sekunde ist dabei immer eine Sekunde, da gibt es verzerrenden Einflüsse.

    Wenn das jetzt unverständlich war, einfach noch mal nachfragen. 😉
    Es fällt mir immer ein bisschen schwer, die Mathematik und die Fachbegriffe in etwas Allgemeinverständliches zu übersetzen, das klappt nicht immer wie gewünscht.

    Nochmal als Antwort auf die Fragen:

    Das zweite ist mein Knoten im Hirn mit der Zeit. Wenn ich das Bezugssystem nehmen von heute, also sagen wir mal die Sekunde, dann müsste doch, verglichen mit heute, eine solche Sekunde in diesem frühen Universum irre lange gewesen sein, nein?

    Nein, eine Sekunde ist eine Sekunde.

    nach damaligem Masstab hätte aber schon eine (heutige) Sekunde nach dem Urknall das Universum, also die ganzen Atome und alles bereits wohlmöglich viele Milliarden “Jahre” (aus ihrer eigenen Sicht) Zeit gehabt sich zu entwickeln

    Nein, in eine Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.
    Das gilt sowohl für eine heutige Sekunde als auch für die zweite Sekunde nach dem Urknall. Vorgänge in Atomen oder sonstige quantenmechanische Ereignisse konnten auch „aus ihrer eigenen Sicht“ aus einer Sekunde immer nur die selbe Anzahl von Zustandsveränderungen herausholen, ganz egal wann diese Sekunde verging.

    Was mich interessiert ist also die Frage, wie man denn so mir nichts dir nichts unseren heutigen Zeitbegriff auf das frühe Universum anwenden will.

    Aus den Formeln ergibt sich, dass man das problemlos machen kann bzw. sogar so machen muss.

    Anders ausgedrückt, ein fiktiver Beobachter, der sich 10 Sekunden (nach unserem Massstab) nach dem Beginn des Universums Gedanken über den Beginn des Universums machte würde doch vermutlich behauptet haben, dass das Beginn des Universums unglaublich lange zurück liegt, da für ihn die Zeit ja viel langsamer vergeht.

    Nein, die Maßstäbe sind exakt identisch. 10 Sekunden sind 10 Sekunden. Die Zeit vergeht gleich.

    Anders ausgedrückt, je weiter sich das Universum ausdehnt um so schneller vergeht die Zeit. Nehmen wir der Einfachheit halber an, doppelte Grösse, doppelt so schnell vergeht die Zeit […]

    Nein, die Expansion hat mit dem Vergehen der Zeit überhaupt nichts zu tun. Der Skalenfaktor wirkt nur auf die räumlichen Koordinaten, nicht auf die zeitliche Koordinate.

  36. @Niels
    Wow, cool. Hab ich verstanden und das löst den Knoten. Diese Frage trage ich schon recht lange mit mir rum, vielen Dank, dass du sie beantworten konntest und dann auch noch so ausführlich. 🙂

  37. Nachtrag:

    Wenn wir vom Alter des Universums sprechen, reden wir von der Zeit, die ein solcher mitbewegter Beobachter gemessen hätte. Eine Sekunde ist dabei immer eine Sekunde, da gibt es verzerrenden Einflüsse.

    Gemeint ist natürlich:
    da gibt es keine verzerrenden Einflüsse.
    Übrigens messen die mit der Expansion mitbewegten Beobachter grundsätzlich das größte Universumsalter, für alle anderen Beobachter ist das Universum jünger.

  38. @noonscoomo

    Ein schwarzes Loch zeichnet sich meiner Kenntnis nach dadurch aus, dass sich mindestens so viel Masse so dicht in so kleinem Raum befindet, dass die Gravitation den Raum um das Objekt so weit beugt, dass er in sich geschlossen ist. Und wenn ich das weiter korrekt verstanden habe, dann gibt es für (fast) jede Masse eine Dichte bei der dieser Zustand eintritt. Natürlich hat das nach unten eine Grenze (Planck Grösse). Ich meine jetzt, dass also im sehr frühen Universum jede Menge solcher Zustände eingestellt haben müssten, da sich ja _sehr, sehr, sehr_ viel Masse auf sehr wenig Raum verteilte.

    Die Antwort lautet hier einfach: Expansion.
    Würde man den Inhalt das frühen Universum einfach irgendwo in unser heutiges Universum kippen, entstünden dort tatsächlich schwarze Löcher.
    Das frühe Universum expandierte aber, sogar ganz gewaltig. Die Materie wirkte zwar tatsächlich über ihre Gravitationskraft abbremsend, in unserem Universum war aber einfach nicht genug Materie vorhanden, um die Expansion ganz zu stoppen. Die Abstände zwischen den Objekten wuchsen also trotzdem immer weiter, dieses Anwachsen wurde durch die gravitative Anziehung der Materie nur ein bisschen abgebremst.
    (Mittlerweile macht sich in unserem Universum sogar die sogenannte dunkle Energie bemerkbar, die Expansion wird also seit einiger Zeit nicht nur nicht mehr abgebremst, sondern tatsächlich sogar beschleunigt.)

    Wie sich die Abstände zwischen den Objekten entwickelten, beschreibt ja genau der Skalenfaktor a(t).
    Hier ist dieser Skalenfaktor für verschiedene Werte der Materiedichte Ωm aufgetragen:
    https://en.wikipedia.org/wiki/File:Friedmann_universes.svg

    Unser Universum ist das mit Ωm=0.3 und dunkler Energiedichte ΩΛ=0.7. Die dunkle Energie spielt für die Beantwortung deiner Frage aber erst einmal keine Rolle.
    Man erkannt man bei allen Linien dieses Diagrammes, wie die Expansion zu Anfang durch die Materie gebremst wurde.
    Für Friedmann-Universen mit genügend großer Materiedichte wirkt sich die Abbremsung durch diese Materie dann so aus, dass diese Universum wieder zusammenstürzen und schließlich mit dem sogenannten „Big Crunch“ enden.
    Die Linie mit Ωm=6 beschreibt ein solches Universum.

    (Zum Diagramm:
    Der Urknall war unterschiedliche lange Zeit vor “Now”, d.h. die jeweiligen Universen sind zum Zeitpunkt “Now” unterschiedlich alt. Zeit vor dem Urknall gibt es nicht. Beispielsweise beschriebt die Kurve mit Ωm=1 ein Universum mit einem Alter von 9 Mrd. Jahren zum Zeitpunkt “Now”.
    Diese Darstellung kommt daher, dass der Ersteller der Grafik wollte, dass die “average distance between galaxies” beim Zeitpunkt “Now” gerade für alle Universen exakt gleich ist.)

  39. Tausend Dank für die ausführliche Erklärung, ich gab inzwischen auch noch viel dazu gelesen und langsam lichtet sich der Nebel. Trotzdem schwer beeindruckend, dass das alles mal so kompakt gewesen ist am Anfang, irgendwie bedeutet das ja auch, das alles was es heute gibt im inneren aus quasi fast nix besteht. Hab ich das richtig verstanden, dass eine These ist, dass das Universum aus einer Quantenfluktuation entstanden ist und dass das daher kommt, weil unterhalb der Planck Größen der Energieerhaltungssatz beliebig verletzt werden darf? Schon ein wenig metaphysisch. Aber falls das wirklich stimmt ist das doch gewiss mehr als einmal passiert…

  40. @Noonscoomo

    Hab ich das richtig verstanden, dass eine These ist, dass das Universum aus einer Quantenfluktuation entstanden ist und dass das daher kommt, weil unterhalb der Planck Größen der Energieerhaltungssatz beliebig verletzt werden darf?

    Genau das steht z.B. bei Lawrence Krauss, weshalb er sagt:
    „Nothing in instable“.
    So gesehen ist es unmöglich, dass beliebig lange nichts existiert, und das ist die Antwort auf die Frage, warum nicht Nichts ist.

    Aber falls das wirklich stimmt ist das doch gewiss mehr als einmal passiert…

    Die neuen Ergebnisse zur Inflation passen zu einem Multiversum mit ewiger Inflation, in welchem unendlich viele Universen mit möglicherweise verschiedenen physkalischen Gesetzen entstanden und immer weiter entstehen, und in einigen sehr seltenen Fällen kommen dabei Universen heraus, in denen Leben und Intelligenz entstehen kann, und in einem solchen müssen wir uns zwangsläufig befinden, sonst könnten wir nicht darüber nachdenken. Und das wäre dann eine mögliche Antwort auf die Frage, warum es uns gibt und warum wir denken können.

    Damit wären die größten Fragen der Menschheit beantwortet. So wichtig ist die Entdeckung der B-Moden in der Hintergrundstrahlung (wen interessiert schon der Nachweis von Gravitationswellen?).

  41. @Alderamin
    ich hab mal die Amazon Kritiken an Kraussens Buch angeschaut. Danach ist mein Eindruck, dass er die physikalischen Theorien ganz gut erklären kann, aber was die philosophischen Konsequenzen angeht viel zu dicke Backen macht. Würden Sie diese Einschätzung teilen?

  42. Und endlich hat man auch zum ersten mal Gravitonen gemessen, auch sehr aufregend 🙂 Damit müsste doch dann auch die Hawking-Strahlung gemessen worden sein oder??

  43. @Ralph

    Sagen wir’s mal so: er argumentiert am des Buchs auch gegen den Theismus, und da mag er manchen auf die Füße treten, die sich dann kritisch äußern. Ansonsten kann ich mich nicht an sehr viel Philosophie erinnern.

    Ich fand das Buch jedenfalls lesenswert, eher noch ein bisschen zu kurz.

  44. @Alderamin
    Boah, das ist alles schon ziemlich abgefahren, ich staune immer noch und lese, was ich in die Finger kriege. Was ich bisher aber nicht im Ansatz durchdrungen habe, was mag wohl vor der Inflation dazu geführt haben, dass es überhaupt erst so weit gekommen ist? Schließlich wurde hier der Energieerhaltungssatz kolossal verletzt und das hätte doch innerhalb der Planck Zeit wieder in Ordnung gebracht werden müssen, oder gilt das nicht, wenn der Raum selbst eben nicht größer als die Planck Länge ist?
    Widersprüchliches lese ich auch über die Frage, wie denn nun wirklich die Homogenität zustande gekommen ist. Einmal heißt es, das Universum sei vor der Inflation klein genug gewesen, dass sich alles durchmischen konnte, ein anderes mal heißt es z.B. in einem Artikel von Paul Steinhardt im Spektrum, die Homogenität sei _durch_ die Inflation zustande gekommen. Kann mir da jemand weiterhelfen mit meinem Weltbild?

  45. @Noonscoomo

    Was ich bisher aber nicht im Ansatz durchdrungen habe, was mag wohl vor der Inflation dazu geführt haben, dass es überhaupt erst so weit gekommen ist? Schließlich wurde hier der Energieerhaltungssatz kolossal verletzt und das hätte doch innerhalb der Planck Zeit wieder in Ordnung gebracht werden müssen, oder gilt das nicht, wenn der Raum selbst eben nicht größer als die Planck Länge ist?

    Ich kenne mich da ja auch nicht wirklich aus (Martin Bäker oder Niels können da eher was zu sagen), aber wenn ich das richtig verstanden haben, kann der Energieerhaltungssatz ja aufgrund der Energie-Zeit-Unschärfe kurzfristig immer wieder verletzt werden, und wenn man unendlich viel Zeit hat, dann entsteht wohl irgendwann zufällig mal eine so große Verletzung, dass ein falsches Vakuum entsteht (mit hoher Vakuumenergie), das eben nicht gleich wieder verschwindet, und dann geht die Inflation los. Man kann auch anders sagen, das Vakuum ist auf ein höheres Niveau des Inflaton-Feldes getunnelt.

    Vielleicht gab es aber auch gar keinen Beginn, sondern die Inflation ist schon ewig im Gange? Wer weiß das schon?

    Einmal heißt es, das Universum sei vor der Inflation klein genug gewesen, dass sich alles durchmischen konnte, ein anderes mal heißt es z.B. in einem Artikel von Paul Steinhardt im Spektrum, die Homogenität sei _durch_ die Inflation zustande gekommen. Kann mir da jemand weiterhelfen mit meinem Weltbild?

    Die Inflation kann dafür gesorgt haben, dass eine vorher bereits vorhandene Homogenität so weit vergrößert wurde, dass sie in nach der Inflation aufgrund ihrer Entfernung nicht mehr zum thermischen Ausgleich befähigten Regionen weiter bestehen konnte. Kleine Inhomogenitäten, die auf Quantenfluktuationen zurück gehen sollen, blieben aber auch erhalten; sie bilden die Keime, aus denen später Galaxienhaufen gebildet wurden, und man findet sie als millionstel-Grad-Schwankungen in der Hintergrundstrahlung.

    1. @Alderamin
      Das mit der Homogenität hatte ich auch so verstanden, aber Steinhardt sagt etwas anderes und der ist ja nun auch nicht irgendwer:
      (aus: Spektrum der Wissenschaft, 8.2011, Kosmische Inflation auf dem Prüfstand)
      „Selbst wenn zu Beginn beliebige Unordnung
      im Universum herrschte – mit höchst un-
      gleichförmiger Energieverteilung und ausge-
      sprochen runzliger Geometrie –, würde ein
      spektakulärer Wachstumsschub die Energie
      gleichmäßig verteilen und alle Raumverzer-
      rungen schlagartig ausbügeln. “
      Da versteh ich doch gleich mal gar nicht, warum.
      Und das ist ja nun etwas grundlegend anderes als dass bereits vorhandene Homogenität vergrössert wurde und die Homogenität ihre Ursache in der geringen Raumausdehnung mit der damit verbundenen Möglichkeit der Wechselwirkung hat.

  46. @noonscoomo

    Bei dieser Aussage geht’s nicht um die Homogenität, sondern die Flachheit. Das Flachheitsproblem der Kosmologie besagt: wenn der Raum anfangs nicht exakt (mit mindestens 10 Nullen oder so nach dem Komma) die kritische Dichte von 1 hatte (was äquivalent dazu ist, dass der Raum keine positive oder negative Krümmung hatte), dann hätte sich diese Krümmung durch wechselseitige Gravitation rasch verstärkt: Ein positiv gekrümmter, zu dichter Raum wäre kontrahiert und die Dichte hätte weiter zugenommen. Ein negativ gekrümmter Raum wäre überproportional expandiert und die die Dichte hätte weiter abgenommen. Nur bei einem fast exakt flachen Raum wäre es möglich, dass dieser auch heute noch im Rahmen der Messgenauigkeit flach ist (denn das ist, was wir feststellen).

    Das ist in etwa so schwierig wie einen Bleistift eine lange Zeit auf der Spitze zu balancieren.

    Die Inflation hat nun einen kleinen Raumbereich mit den wüstesten quantenmechanischen (oder „quantengravitativen“) Verzerrungen so groß aufgeblasen, dass diese gewissermaßen flachgezogen wurden (ich vermute, auf diese Weise kann man auch eine untere Schranke abschätzen, um wieviel die Inflation den Raum vergrößert haben muss, damit eine Flachheit entstanden ist, die bis heute Bestand hat).

    Wenn die Beschreibung bei Lawrence Krauss richtig ist, dann hat sich der inflationär expandierende Raum genau so viel Vakuumenergie von der Gravitation geborgt, dass die potentielle Energie (wird als negative Energie gerechnet) der wechselseitigen Massenanziehung der Vakuum-Raumelemente (Vakuumenergie entspricht mit E=mc² ja auch einer Masse: das Vakuum „wiegt“ etwas) betragsmäßig genau so groß ist wie die Vakuumenergie selbst, und das ist genau und nur dann der Fall, wenn der Raum exakt flach ist. Er kann dann unendlich wachsen und die Energiebilanz ist immer 0. Wenn das so stimmt, ist das inflationär gewachsene falsche Vakuum also automatisch immer genau kritisch dicht, d.h. flach.

    Irgendwann tunnelte in unserem Universum das Inflaton-Feld dann auf den jetztigen Vakuumenergie-Zustand, und die ganze übrige Vakuumenergie aus dem Feld wurde als Strahlung und Teilchen frei. Damit hat sich ihre Masse nicht verändert, ihre potenzielle Energie auch nicht, also besteht weiterhin die kritische Dichte.

    So ungefähr hab‘ ich das in Krauss‘ Buch „A Universe from Nothing“ verstanden. Es gibt auch eine Schule, die von derlei Energiebetrachtungen nichts hält, aber ich finde dieses Modell halbwegs anschaulich und eine gute Begründung dafür, warum aus so wenig Ursprungsenergie ein so riesiges Weltall entstehen konnte.

    Vielleicht liest Du das Buch auch einmal selbst, mittlerweile ist es ja auch auf Deutsch und sogar als eBook erhältlich. (Nein, ich kriege keine Tantiemen dafür, dass ich das Buch immer wieder empfehle, ich find’s einfach gut.)

  47. @Florian: Kannst du mal einen post über die Inflationstheorie von Linde machen? Angeblich ist sie ziemlich einfach, mit einem potential $latex (1/2)m² \Phi ²$ , und ein bisschen classischer Mechanik ist es bestimmt nicht schwer.

  48. @fritz

    Gegenbeweis wogegen genau?

    In den Papieren ist die Rede davon, dass die Ergebnisse dem Standard-Inflationsmodell widersprechen würden (die neuen Messungen zeigen wohl auch stärkere B-Moden, als erwartet), as heißt aber nicht, dass sie der Inflation insgesamt widersprechen (oder gar der Urknall-Theorie; die neuen Messungen haben gerade erstmals bestätigt, dass die Inflation statt gefunden haben muss). Dass die niedrigen Multipolmomente der Hintergrundstrahlung nicht so gut zur Vorhersage passen, ist schon länger bekannt (die höheren passen umso besser). Es gibt noch weiter Beobachtungen, die noch erklärt werden müssen, z.B. passt die vom Satelliten Planck aus der kosmischen Hintergrundstrahlung ermittelte Hubble-Expansionsrate nicht ganz zu dem Wert, den man mit anderen Methoden gemessen hat.

    Das ist aber ein normaler Vorgang, die Modelle müssen noch verfeinert werden und zwischen verschiedenen Varianten muss die richtige gefunden werden, die die Ergebnisse am besten erklären kann.

    So hat Forschung schon immer funktioniert. Hinter solchen Ungereimtheiten steckt oft interessante Physik, deswegen freut es die Forscher, wenn sie daran zu knabbern haben. Wenn wir schon alles wüssten und erklären könnten, bräuchten wir ja keine Wissenschaft mehr.

  49. Zitat:
    dass im frühen Universum vor der Inflation die Gravitation tatsächlich eine quantisierte Kraft war, denn nur wenn sich die Quantenfluktuationen auch auf die Gravitation auswirken, können die primordialen B-Moden entstehen.

    Das klingt für mich so als würde man davon ausgehen, dass Quantenfelder vorher da waren und aus dieser die Gravitationskraft entsprungen sei.

    Deshalb anders gefragt:
    Kann es auch umgekehrt sein, sprich dass die Gravitation sich auf Quantenfluktuationen ausübt.

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