Der Asteroid Itokawa gehört zu den wenigen Kleinkörpern im Sonnensystem die wir aus der Nähe gesehen haben. Im Jahr 2005 erreichte die japanische Raumsonde Hayabusa den Asteroid und machte aus einer Entfernung von 20 Kilometern Bilder mit einer Auflösung von einem Meter. Aber nicht nur das: Hayabusa setzte auch noch eine Landeeinheit auf dem Asteroiden ab, die Bodenproben nahm und wieder zurück flog. Die Raumsonde machte sich mitsamt der Proben auf den Rückflug zur Erde und landete am 13. Juni 2010 in Australien. Eine tolle Mission, die Ende des Jahres hoffentlich mit dem Start der Raumsonde Hayabusa 2 fortgesetzt wird. Aber vorerst gibt es noch genug über das Ziel der ersten Mission zu lernen. Itokawa hat sich als sehr seltsamer Asteroid herausgestellt und die neuesten Beobachtungen der Astronomen zeigen, dass er noch ein Stück seltsamer ist, als man dachte.

Itokawa sieht auch schon etwas seltsam aus:

Bild: JAXA
Bild: JAXA

Irgendwie seltsam zweigeteilt; seltsam „verbogen“; mit seltsamer glatter Oberfläche. Itokawa ist ein Paradebeispiel für einen „fliegenden Schutthaufen“. Denn viele Asteroiden sind keine festen Felsklumpen, wie man sich das normalerweise vorstellt, sondern eher lose Ansammlungen aus Staub, Geröll und Gesteinsbrocken. Die einzelnen Bestandteile halten hauptsächlich durch elektromagnetische Kräfte zwischen den einzelnen Molekülen zusammen – ich habe das früher schon mal in einem anderem Artikel sehr ausführlich erklärt. In diesem Artikel habe ich auch den YORP-Effekt erklärt. Dieser Effekt ist mit dem Jarkowski-Effekt verwandt und entsteht durch die unterschiedlich starke Aufwärmung des Asteroiden und die asymmetrische Abgabe dieser Wärme ins All. Die kann dazu führen, dass sich die Rotationsgeschwindigkeit des Asteroiden ändert. Und genau das hat man bei Itokawa gemessen.

Stephen Lowry von der Universität Kent in Großbritannien und seine Kollegen haben den Asteroid in den letzten Jahren von der Erde aus ganz genau beobachtet („The internal structure of asteroid (25143) Itokawa as revealed by detection of YORP spin-up“). Dabei konnten sie natürlich keine hochaufgelösten Bilder machen – dafür ist der Asteroid mit seinen 500 x 300 Metern zu klein und zu weit weg. Aber sie konnten die Helligkeit sehr genau messen und die ändert sich, während der Asteroid um seine Achse rotiert. Bei so unregelmäßig geformten Asteroiden wie Itokawa ist die Änderung der Helligkeit besonders stark, denn je nachdem welche Seite er uns zeigt kann er mehr oder wenig Licht reflektieren. Diese Diagramme zeigen ein paar dieser Messungen:

Bild: Lowry et al (2014)
Bild: Lowry et al (2014)

Die Datenpunkte zeigen zwei verschiedene Messkampagnen in den Jahren 2009 (links) und 2012 (rechts). Die durchgezogenen Linien sind theoretische Modelle, die die Rotation des Asteroiden und die damit einhergehende Helligkeitsänderung beschreiben. Unten sieht man, wie es aussehen sollte, wenn sich der Asteroid gleichmäßig um seine Achse dreht. Oben ist ein Modell zu sehen, bei dem der YORP-Effekt und eine Veränderung der Rotationsgeschwindigkeit berücksichtigt sind. Und ganz offensichtlich passt das Modell mit dem YORP-Effekt wesentlich besser zu den Daten. Die Rotationsgeschwindigkeit von Itokawa wird durch seine asymmetrische Wärmeabstrahlung also tatsächlich verändert.

Der Asteroid rotiert um 0,045 Sekunden pro Jahr schneller. Das ist nicht viel – aber mehr, als man erwartet hatte. Die ersten Beobachtungen von Hayabusa legten eigentlich nahe, dass der Asteroid immer langsamer werden sollte. Die neuen Daten zeigen aber klar, das er immer schneller wird. Lowry und seine Kollegen versuchten das zu erklären und fanden nur einen Weg, um das Verhalten zu erkären: Die Masse von Itokawa muss sehr unregelmäßig verteilt sein. Wäre der Asteroid komplett homogen zusammengesetzt, dann könnte der YORP-Effekt seine Rotation nicht so beschleunigen, wie es beobachtet wurde. Lowry und seine Kollegen konnten zeigen, dass die beiden „Teile“ des Asteroiden die durch den glatten Streifen an der Oberfläche getrennt sind, auch tatsächlich unterschiedliche Dichten haben.

Der kleinere Teil, der „Kopf“, hat eine Dichte von 2850 kg/m³. Der größere „Körper“ dagegen nur eine Dichte von 1750 kg/m³. Dazwischen befindet sich ein verdichteter „Hals“.

Bild: ESO/JAXA
Bild: ESO/JAXA

Wieso die beiden Hälften des Asteroiden so unterschiedlich sind, ist unklar. Man wusste zwar vorher schon, dass es sich um keinen festen Körper handelt sondern um einen losen Zusammenhang mehrerer Objekte. Aber wie es gerade zu der Kombination von Itokawa kommt, weiß man nicht. Lowry und seine Kollegen haben dazu mehrere Vorschläge gemacht. Es könnten einfach zufällig zwei komplett unterschiedliche Körper kollidiert sein und Itokawa gebildet haben. Es ist aber extrem unwahrscheinlich, dass sich zwei Asteroiden, die vorher nichts miteinander zu tun hatten, genau auf die richtige Art und Weise treffen, um aneinander hängen zu bleiben UND danach noch eine homogene Oberfläche ausbilden. Es könnte auch sein, dass Kopf und Körper vom gleichen Asteroid stammen, der bei einer Kollision auseinander gebrochen ist. Dann wäre es einfacher, dass sich die beiden Stücke zu einem neuen Asteroiden zusammensetzen. Aber es bleibt immer noch das Problem, dass sich danach irgendwie eine gleichmäßige Hülle aus Gesteinsstaub um die beiden Objekte bilden muss. Die letzte Möglichkeit basiert wieder auf dem YORP-Effekt. Der hat die Rotation eines ganz normalen Asteroiden immer weiter beschleunigt und dabei gelangte immer mehr Staub von seiner Oberfläche ins All. Dort hat sich daraus ein zweiter Asteroid, ein „Asteroidenmond“ gebildet. Danach sind die beiden Asteroiden wieder zusammengestoßen und haben am Ende Itokawa geformt. Das Modell könnte theoretisch genau die unterschiedlichen Dichten erklären, aber ob es wirklich das wahrscheinlichste ist, kann vorerst nicht geklärt werden.

Aber zumindest ist nun eindeutig klar gestellt, dass Itokawa tatsächlich aus zwei einzelnen Asteroiden entstanden ist. Und es ist klar, dass wir noch den einen oder anderen Satelliten ins All schicken müssen, wenn wir diese Himmelskörper tatsächlich verstehen wollen…

16 Gedanken zu „Itokawa: Der Asteroid mit den zwei Gesichtern“
  1. [wieder nur ein Orthographie-Klugscheißerkommentar:]

    dass wir noch den einen oder anderen Satelliten ins All schicken müssen

    Danke. Endlich mal wieder jemand, der nicht „den ein oder anderen…“ schreibt.
    Zu der Asteroidenfrage generell: gibt es immer noch [beliebig un/seriöse] Pläne, mal einen NEA einzufangen und in eine stabile Umlaufbahn um die Erde zu bringen, damit man ihn besser (und öfter) untersuchen kann? Gerade bei diesen „rubble piles“ stell ich mir ein gesteuertes Umlenken nämlich ziemlich schlecht möglich vor…

    1. @Bullet: „Zu der Asteroidenfrage generell: gibt es immer noch [beliebig un/seriöse] Pläne, mal einen NEA einzufangen und in eine stabile Umlaufbahn um die Erde zu bringen, damit man ihn besser (und öfter) untersuchen kann? Gerade bei diesen “rubble piles” stell ich mir ein gesteuertes Umlenken nämlich ziemlich schlecht möglich vor…“

      Die NASA hat diese Pläne noch nicht gecancelt, soweit ich weiß. Und da gehts ja nur um winzige Brocken; ein paar Meter groß. Das sind dann tatsächlich Brocken und keine Gesteinshaufen.

  2. Nach der ESO rotiert der Asteroid ja wohl wie eine Hantel, weitgehend senkrecht zur Hauptachse. Wenn sich nun die Rotationgeschwindigkeit erhöht, erhöhen sich die „Fliehkräfte“. Kann man ausrechnen, wann es Itokawa auseinanderreißt, obwohl die Anziehung wohl eher elektrostatisch denn gravitationell ist?

  3. Vielleicht ist das hier ja ein Vorläufer der Planetenentstehung. Jedenfalls stell man sich das doch immer so vor, dass sich mehrere kleine Körper zusammenklumpen.

    Bleibt natürlich immer noch die Frage offen, wie das passiert ist. Der Staub an der Verbindungstelle wurde vielleicht beim (leichten) Zusammenstoß mit geringer Geschwindigkeit gebildet und bildet jetzt den Kitt zwischen den zwei Stellen.

    Auf jeden Fall wäre das mal ein Asteroid, bei dem es sich lohnen würde, wenn man ihn entweder einfängt oder ihn besucht, wie es die NASA vorhat.

  4. @BerndB

    Besuchen vielleicht, aber einfangen? Das Gerät hat 36 Millionen Tonnen Masse. Der, den man demnächst einfangen will, hat dem Plan nach ca. 8 Meter Durchmesser und 500 Tonnen Masse – kleiner als der Tscheljabinsk-Meteoroid. Wir sind weit davon entfernt, einen ausgewachsenen Asteroiden einzufangen. Wir könnten ihn bestenfalls wenig zur Seite stupsen, wenn es hoch kommt.

  5. Hallo Florian,

    nur für das Protokoll. Täusche ich mich oder fehlt am Ende des zweiten Satzes etwas:

    Bilder mit einer Auflösung >von< einem Meter

    so long and thanks for all the fish

  6. @BerndB

    Nee, auch nich. Im Rahmen der Asteroidenabwehr hat man ja schon analysiert, was es für einen Aufwand macht, so einen Brocken zu bewegen. Wenn er direkt auf Kollisionskurs mit der Erde wäre, und man hätte ein paar Jahre Zeit, dann könnte man ihn durch heftige Einschläge von Projektilen (tonnenschwere Raketenstufen mit einigen 10 km/s Relativgeschwindigkeit) oder Verdampfen von Oberflächenmaterial durch über der Oberfläche gezündete Kernwaffen ein wenig ablenken, so dass er nach diesen mehreren Jahren die Erde knapp verfehlen würde (es gibt auch sanftere Methoden wie eine Seite weiß anstreichen [Verstärkung des Yarkovski-Effekts, nutzt letztlich Sonnenenergie], mit einer Rakete ziehen [Gravitationstraktor] oder mit Hilfe eine solar-gepowerten Lasers Material verdampfen usw., aber die Brachial-Methoden verdeutlichen besser, was man an Impuls aufbringen kann; die anderen Methoden sind in Summe auch nicht besser, sie dauern nur länger).

    Wenn es also gerade noch gelingt, so ein Objekt nach Jahren um ein paar tausend Kilometer vom Kurs abzubringen, dann zeigt das, wie beschränkt die Manövrierfähigkeit eines solchen Brockens ist.

    Der kleine 8-Meter-Felsen, den man einfangen will, hat immerhin schon die Masse der gesamten ISS. Und die ist so groß wie zwei Jumbos. Itokawa ist 500 m lang.

    Tatsächlich plant die NASA jedoch als dritte Exploration-Mission einen Flug zu einem entfernteren, größeren Asteroiden. Man will ja auch lernen, wie man auf einem Flug zum Mars ein paar Monate im Weltraum fern der Erde klar kommt. Das wird wohl wahrscheinlich nicht Itokawa sein, man wird ein Ziel auswählen, das zur Zeit des angesetzten Fluges Mitte der 2020er gerade gut zu erreichen ist.

  7. Ich habe eine Frage, die vielleicht nicht 100 % zum Artikel passt:

    Wenn sich ein Komet der Sonne nähert, bildet er ja meist eine Koma. Die Koma zieht der Komet hinter sich her und die Partikel bleiben zurück. Was bremst die Partikel? Warum bleiben sie nicht so schnell wie der Komet? Es gibt ja keinen Luftwiederstand. Bremst der Sonnenwind die Partikel?

  8. So „die Koma zieht der Komet hinter sich her“ kann man das nicht ausdrücken.

    Denn du stellst dir da was falsches drunter vor.
    Du stellst dir das so vor, wie du das gewohnt bist: du ziehst eine Spielzeugente hinter her und deshalb ist die immer hinter dir.

    Tatsächlich ist es so, dass der Komet die Gase einfach ausstösst. Wenn weit und breit nichts wäre, dann würden die sich kugelförmig rund um den Kometen ausbreiten (ok, so recht und schlecht).
    Was den Schweif tatsächlich verursacht, das ist der Sonnenwind, der as ausgestossene Material vom Kometen wegbläst,m so wie Wind auf einem Segelschiff eine Fahne zur Seite bläst.
    D.h. der Kometenschweif zeigt nicht in Flugrichtung immer noch hinten, sondern er zeigt immer von der Sonne weg.

  9. @robsn

    Um Kallewirschs Post noch zu ergänzen: Kometen haben meist zwei Schweife, einen Staubschweif, der rein mechanisch vom Sonnenwind weggeblasen wird, und einen Plasmaschweif aus Teilchen, die von UV-Licht in geladene Ionen und Elektronen zerlegt wurden. Da auch der Sonnenwind aus geladenen Teilchen besteht und bewegte Ladung Magnetfelder erzeugt, die wiederum auf andere bewegte Ladungen wirken, wird der Plasmaschweif durch die Magnetfelder des Sonnenwinds gelenkt. Der Staubschweif aus schwereren, trägeren Staubteilchen folgt deswegen eher der Bahn des Kometen oder eilt ihm voraus, während der Plasmaschweif immer streng den Feldlinien des Sonnenwinds radial von der Sonne weg folgt.

    Man kann sie meist auch farblich gut auseinander halten: der Staubschweif ist eher weiß-gelblich, der Plasmaschweif eher bläulich. Siehe z.B. hier.

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