Nach den vielen Sachbüchern, die ich in letzter Zeit rezensiert habe, wird es langsam wieder mal Zeit für einen Roman. Ich habe gerade das Buch „Der Rote“ von Bernhard Kegel gelesen und möchte es euch unbedingt empfehlen. Es handelt von riesigen Tiefseetintenfischen! Das ist ja eigentlich schon ein ausreichender Grund, um das Buch zu lesen. Ich möchte euch aber doch noch ein bisschen mehr erzählen.

Das Buch beginnt relativ unspektakulär. Hermann Pauli, ein deutscher Biologe und Tintenfischexperte macht Urlaub in Neuseeland. Er nimmt an einer Bootstour teil um die Pottwale vor der Küste der Südinsel zu beobachten. Doch plötzlich beginnt das Wasser merkwürdig zu brodeln. Und eine große Welle rast auf das Boot zu! Pauli und die anderen Touristen auf dem Boot überleben das Ereignis, die Küste allerdings wird von der Welle schwer getroffen, verwüstet und Menschen sterben. Auch ein Team von Walforschern befindet sich zu dem Zeitpunkt auf dem Meer. Sie wollen die Klicklaute der Wale aufnehmen und werden ebenso von der Welle überrascht. Auch sie überleben, werden aber auf der Rückfahrt zur Küste von einem Riesenkalmar attackiert.

Der Riesenkalmar Mesonychoteuthis hamiltoni (Bild: Citron, CC-BY-SA 3.0) „Der Rote“ ist allerdings größer…

So weit, so gut. So ein Anfang ist in einschlägigen Hollywoodfilmen oder Katastrophenthrillern meistens der Auftakt für jede Menge Action. Normalerweise würde man nun mit Wissenschaftlern rechnen, die die Ursache für die Welle herausfinden wollen und dabei entdecken, dass die Welt kurz vor der Zerstörung steht. Und der riesige Tintenfisch entstammt vielleicht einem Experiment irrer Forscher und macht sich nun daran, die friedliche Küste zu terrorisieren. Es gibt Kämpfe von idealistischen Wissenschaftlern, dummen und sturen Politikern und noch dümmeren Militärs und Geheimdiensten. Es werden absurde Gerätschaften aufgeboten – in diesem Fall vielleicht ein Hightech-UBoot zur Erforschung der unbekannten Tiefseeregionen aus denen der Weltuntergang droht und zur Jagd auf die Monstertintenfische aus dem Meer. Es wird geschossen, gekämpft, gestorben und am Ende natürlich die Welt gerettet.

In „Der Rote“ von Bernhard Kegel passiert nichts davon. Das ist irgendwie ein seltsames Gefühl. Man hat schon so viele Katastrophenfilme und -bücher konsumiert und sich so an die eingefahrenen Schemata gewöhnt, dass man auf jeder Seite damit rechnet, das jetzt aber endlich der Geheimdienst auftaucht. Oder ein UFO aus der Tiefsee. Oder zumindest ein paar ordenbehängte Generäle, die Atombomben ins Meer schmeissen wollen. Aber nichts davon! Die Hauptpersonen in Kegels Buch sind Wissenschaftler und weil Kegel selbst Biologe war, ist seine Darstellung der Forscher realistisch und entspricht nicht den üblichen Hollywood-Klischees.

Es ist ein Buch über Wissenschaft. Es geht nicht um die Katastrophe im Meer (übrigens ein Hangrutsch in einem Tiefseecanyon vor der Küste), sondern deren Folgen. Pauli entdeckt tausende Kalmare, die nach dem Unglück an den Strand gespült worden sind. Verschiedenste Arten, darunter auch viele bisher unbekannte. Und er entdeckt den „Roten“. Ein gigantischer Kalmar, größer als alles, was man bisher kannte oder auch nur vermutet hat. Er ist nicht tot, sondern schwimmt an der Küste herum und taucht immer wieder Mal auf. Die einzige Person, die einem klassischen „Bösewicht“ ein wenig nahe kommt, ist ein Kryptozoologe, der den Kalmar unbedingt fangen und vermarkten will. Und die einzige klassische „Action“-Szene beschäftigt sich mit dem Versuch, das zu verhindern. Ansonsten ist das Buch aber ein Buch über Wissenschaftler und deren Arbeit. Ein Buch über Wissenschaftler, und ihr Leben. Über die Problematik der unzureichenden Daten, über mangelnde Fördergelder, über die Konkurrenz zwischen Forschern und die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit. Das mag vielleicht langweilig klingen, ist es aber defintiv nicht! Ich habe das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen. Es ist genau so spannend, wie ein klassischer Thriller, nur ist eben hier nicht das Ziel die Rettung der Welt oder der Tod eines Monsters. Sondern die Lösung eines faszinierenden wissenschaftlichen Rätsels.

Wer das Buch zu Ende gelesen hat, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Computer oder im Buchladen wieder finden, um nach mehr Informationen über die Tiefsee und ihre Bewohner zu suchen. Bernhard Kegel hat es geschafft, einen Roman zu schreiben, der nicht nur wissenschaftlich anspruchsvoll ist, sondern auch höchst orignell und äußerst spannend. Und es kommen Riesentintenfische darin vor! Mehr kann man sich von einem Buch doch kaum wünschen…

9 Gedanken zu „Riesentintenfische!!“
  1. Das klingt sehr interessant. Mag solche Bücher die nicht voller Action und Dramatik sind. Das Mysteriöse der Tiefsee ist sowieso sehr interessant, da wir ja wenig darüber wissen was da unten genau ist und sein kann. Das heisst jetzt wohl, Buch besorgen und lesen 🙂
    Danke Herr Freistetter für diese Buchvorstellung.

  2. Danke für den Tipp, klingt nach der passenden Lektüre für die Weihnachtsferien. Wie ich mal gehört habe, wissen wir ja über die Tiefsee weniger als über die Oberfläche des Mondes – genügend Stoff also für die Wissenschaft und weitere Bücher über Wissenschaft.

  3. Hört sich interessant an. Werd mal reinlesen, wenn ich mit Cryptonomicon durch bin, welches ich auch als Buch mit recht wenig Action (bisher jedenfalls) dafür mit viel Erklärung zu Verschlüsselungszeugs empfehlen kann:-)

    Gruß

  4. Verdammt… soo kurz vor Weihnachten wird mir das keiner kaufen, und meine Reserven sind schon für Geschenke fast komplett aufgebraucht.
    Werd ich mir trotzdem merken und kaufe, vielleicht 2013.

  5. Hört sich an, als wäre alles drin was mir Schätzings Schwarm gefehlt hat, minus der überflüssigen undlangatmigen Actionszenen. Danke für den Tipp.
    Kennt jemand die häufig wiederholte Doku zu den Kraken am Stromboli? Meine Lieblingsszene ist die, wo der von den Forschern gefangene Krake aus dem Behälter flieht und sich von Bord zurück ins Meer stürzt. Äußerst kluge Kerlchen. Natülich etwas kleiner als die Riesenkalmare.

  6. Bin ich eigentlich der einzige alte Sack, der noch Wenzels Pilz gelesen hat. Da tauschen mannshohe genmanipulierte Fliegenpilze auf. Kein literarisches highlight von Herrn Kegel, aber ungemein witzig. Vor allem, wenn man zur selben Zeit selber mit Fliegenpilzen arbeitet.
    Das Ölschieferskelett ist dann von der Handlung her etwas anspurchvoller.

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