Die Wissenschaft ist für viele Menschen ein Traumberuf. Zu Recht, denn es ist toll, in der Forschung zu arbeiten und dabei Dinge herauszufinden, die vorher noch niemand herausgefunden hat. Es ist daher kein Wunder, dass gerade die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler extrem engagiert und motiviert sind. Diese Hingabe an die Arbeit kann aber auch zum Problem werden – denn man läuft Gefahr, sich ausnutzen zu lassen und dabei völlig aufgerieben zu werden.

ScienceBlogs.com Kollege Ethan Siegel beschreibt in seinem Blog einen Brief, den die Professoren eines astronomischen Instituts in den USA an ihre Diplomanden und Doktoranden geschrieben habe. Das Ausbildungsprogramm des Instituts wurde evaluiert und die Professoren geben hilfreiche Tipps für die wissenschaftliche Arbeit und Ausbildung. Ob das aber tatsächlich „hilfreich“ ist, ist zweifelhaft. Da steht zum Beispiel:

„We have received some questions about how many hours a graduate student is expected to work. There is no easy answer, as what matters is your productivity, particularly in the form of good scientific papers. However, if you informally canvass the faculty (those people for whose jobs you came here to train), most will tell you that they worked 80-100 hours/week in graduate school. No one told us to work those hours, but we enjoyed what we were doing enough to want to do so. We were almost always at the office, including at night and on weekends. Nowadays, with the internet, it is fine to work from home sometimes, but you still miss out on learning from and forming collaborations with other graduate students when everyone does not work in the same place at the same time.“

Da wird gefragt, wie lange man als Student/Doktorand denn eigentlich arbeiten soll. Die Antwort: Wir haben damals 80 bis 100 Stunden in der Woche gearbeitet, also solltet ihr das auch tun!

Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung. Bei einer 80 bis 100 Stunden Woche verbringt man 12 bis 14 Stunden pro Tag mit Arbeit. Auch am Wochenende, aber da soll man ja laute Empfehlung der Fakultät ja sowieso auch arbeiten. Das ist absurd. Ok, auch als ich noch in der Wissenschaft gearbeitet habe, gab es wahrscheinlich Tage, an denen ich so lange gearbeitet habe. Überstunden muss man immer mal machen. Gerade in der Wissenschaft, wo man den Tagesablauf nicht so exakt planen kann. Manche Experimente oder Beobachtungen müssen lange am Stück beaufsichtigt werden. Manchmal muss man einen Vortrag vorbereiten, einen Antrag schreiben oder sonst etwas Dringendes erledigen das man nicht auf den nächsten Tag verschieben kann. Aber darum geht es nicht. Überstunden sind normal und weil die Wissenschaft der Traumberuf ist, macht man sie ja auch gerne. Das Problem ist ein anderes. Normalerweise sind Überstunden die Ausnahme. In der Wissenschaft werden sie immer mehr zu Regel, besonders wenn man noch jung ist. Und vor allem wird erwartet, dass man nicht nur zu den normalen Arbeitszeiten im Büro oder Labor ist, sondern auch Nachts und am Wochenende. Bei aller Hingabe zum Beruf möchte man aber vielleicht doch mal ein bisschen Privatleben haben. Wenn man dann zum Beispiel „nur“ 60 Stunden pro Woche arbeitet, dann macht das nicht nur einen schlechten Eindruck bei den Vorgesetzten. Man gerät auch automatisch ins Hintertreffen, weil sich leider immer junge und enthusiastische Leute finden, die sich gerne auf diese Art ausnutzen lassen und Tag und Nacht auf der Uni sind.

Im Brief wird das auch ganz explizit so gesagt:

„The people who will get the best jobs are the type of people who always get the best jobs, those with a truly exceptional level of dedication to science, who seize ownership of their research and careers, and who fix problems instead of blaming others for them. If you find yourself thinking about astronomy and wanting to work on your research most of your waking hours, then academic research may in fact be the best career choice for you.“

Es sind also die Leute am besten qualifiziert, Wissenschaftler zu werden, die bereit sind, am längsten dafür zu arbeiten. Implizit wird da behauptet, dass man kein guter Wissenschaftler sein kann, wenn man nicht bereit ist „most of your waking hours“ mit Forschungsarbeit zu verbringen. Das ist natürlich Unsinn. Die Qualität wissenschaftlicher Arbeit hat nichts mit der Quantität zu tun. Allerdings entwickeln sich die Strukturen immer mehr in diese Richtung. Wer sich um eine Stelle an einer Universität bewirbt oder Geld für einen Forschungsprojekt beantragt, der wird dabei meistens fast ausschließlich anhand der veröffentlichen Fachartikel beurteilt. Das ist ja auch in Ordnung, denn die sind immerhin das sichtbare Resultat der wissenschaftlichen Arbeit. Aber auch hier spielt die Quantität eine Rolle. Wer mehr Publikationen hat, der hat auch bessere Chancen auf den Job. Wer Zeit für andere Dinge aufwendet – zum Beispiel für die ausführliche Vorbereitung von Lehrveranstaltungen, für Öffentlichkeitsarbeit oder vielleicht sogar für ein Privatleben – kann weniger publizieren als all die Kollegen, die Nächte und Wochenende im Büro verbringen.

Aber arbeiten kann man eigentlich nie genug. Das zeigt auch dieser Abschnitt im Brief:

„If we are to maintain the typically high levels of funding that our graduate program receives, it would be helpful to have more grads on fellowships. Obtaining a fellowship is also helpful to your career, as having one adds to the sparkle of your CV. For new funding opportunities, please check out: [link to other department at Unnamed Academy]
Some of these funds are available only though [other dept] (so you are not eligible), but others are general. We realize that we need one of these pages on our website. Any volunteers to work to compile it and to make sure that Staff Member P lists it on our webpages?“

Genau. Wer von euch Doktoranden, die ihr schon auf unsere Empfehlung hin 80 bis 100 Stunden die Woche arbeitet, meldet sich freiwillig, um noch ein bisschen mehr zu arbeiten?

Zusätzlich zur bisherigen freiwilligen Arbeit natürlich. Denn auch wenn in der Wissenschaft jede Menge Überstanden gemacht werden, werden sie natürlich nicht bezahlt. Als typischer Doktorand hat man eine halbe Stelle. Das bedeutet, dass man für die Arbeit von 20 Stunden pro Woche bezahlt wird. Alles was darüber hinaus geht, macht man „freiwillig“. Und natürlich freudig. Weil es ja der Traumberuf ist…

Bis er irgendwann aufhört es zu sein. Denn so spannend und aufregend die Wissenschaft auch ist, irgendwann möchte man vielleicht doch auch mal ein bisschen Privatleben haben. Vielleicht sogar eine Familie gründen und dann auch Zeit mit der Familie verbringen und nicht jeden Tag 14 Stunden an der Uni sitzen und arbeiten. Und irgendwann geht es vielleicht auch einfach nicht mehr.

Dabei wäre es gar nicht nötig, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf diese Art zu verheizen. Man kann durchaus vernünftige Arbeit leisten, Spaß daran haben und dazu noch Freizeit. Aber es ist schwer, sich dem Druck und der Erwartungshaltung entgegen zu stellen, die an den Instituten herrscht. Auch dem Druck, den man sich selbst macht. Gerade in Deutschland gibt es kaum Stellen für junge Wissenschaftler. Der Konkurrenzkampf ist hart und es gewinnt am Ende der, der am meisten zu opfern bereit ist.

Ich kann nicht überprüfen, ob der Brief (der noch viele andere Abschnitte enthält, über die man sich ärgern kann!) echt ist. Aber ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln. All das, was hier beschrieben wird, habe ich in der einen oder anderen Form auch selbst erlebt. Ich habe an Instituten gearbeitet, an denen es vollkommen normal war, auch am Samstag und Sonntag hinterm Schreibtisch zu sitzen und wo man abends das Büro verließ, um sich schnell etwas zu Essen zu besorgen aber keinesfalls, um schon nach Hause zu gehen. Ich habe mit Professoren geredet, die darauf hingewiesen haben, dass man doch bitte mehr Forschungsarbeit erledigen und nicht so viel Zeit für die Öffentlichkeitsarbeit aufwenden sollte. Und selbstverständlich werden überall an den Instituten jede Menge „freiwillige“ Arbeiten von den Studenten erledigt. Das fängt bei der Organisation von Seminaren und Vorlesungen an, geht über die Programmierung von Internetseiten und endet bei der „Zwangsverpflichtung“ von Doktoranden als Betreuer für Praktika, selbst wenn die zum Beispiel über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert werden und deswegen eigentlich gar nicht in der Lehre eingesetzt werden dürfen. Das alles habe ich selbst erlebt und es wird noch jede Menge andere Beispiele geben.

Ich habe jetzt leider keine spontane Lösung für diesen Komplex an Problemen. Wissenschaft ist eine enorm faszinierende Sache. Und es ist absolut verständlich, wenn junge Menschen enthusiastisch sind und auch ihre Freizeit gerne mit der Forschungsarbeit verbringen. Aber es ist nicht in Ordnung, diese Einstellung zum dauerhaften Standard für alle zu erheben. Man muss sein Privatleben nicht aufgeben, um ein guter Wissenschaftler zu sein. Und man sollte sein Privatleben auch nicht aufgeben müssen, um eine Karriere in der Wissenschaft machen zu können.

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51 Gedanken zu „Junge Wissenschaftler brauchen doch eh kein Privatleben…“
  1. Das ist hier aber nicht Thema.

    Auch mir fällt aber auf, daß (in meinem Falle: in der sog. „freien Wirtschaft“) immer häufiger erwartet wird, daß Freizeit, ähm, „freiwillig“, reduziert wird. Der lapidare Hinweis, das werde ja alles bezehlt, ist leider eher kontraproduktiv. Meine Freizeit ist durch kein Geld der Welt aufzuwiegen. Diejenigen unter euch, die Kinder haben, dürfen ja gerne mal eine Abschätzung raushauen, wieviel ihnen eine Stunde mit ihren Kindern wert ist (d.h. wie viel Geld jemand rüberrücken müßte, um den Verlust an Familienzeit wettzumachen). Mit Hinblick natürlich darauf, daß es nicht einmalig eine Stunde ist, sondern daß dieser Jemand quasi per Zahlung das Recht erwirbt, euch jederzeit aus der Familiensituation herauszuholen.

  2. Spontan fällt mir da Feynman ein, der während der Arbeit am Manhatten Project noch Zeit für seine (kranke) Frau hatte. Sicherlich nicht viel, aber genug, um sich ein paar seiner für ihn so typischen Spielchen auszudenken.
    Und ir-gend-wie habe ich den Eindruck, dass er nicht gerade zu den „schlechten“ Wissenschaftlern gezählt wird…

    Man kann doch seinen Beruf *und* sich selbst lieben.
    Und gesund kann so ein Dauerstress sowieso nicht sein.

  3. Ein sehr interessanter Artikel, danke fürs Augenöffnen. Ich wollte schon fast meiner Tochter raten sich in Richtung Wissenschaften zu orientieren. Hätte gedacht das liegt ihr und wenn dem Rest der Menschheit durch Automatisierung und Rationalisierung der größte Teil der Arbeit ausgeht, in der Wissenschaft gibt es dauerhaft noch was zu tun!

    1. @Silava: „Ich wollte schon fast meiner Tochter raten sich in Richtung Wissenschaften zu orientieren. Hätte gedacht das liegt ihr“

      Wenn es ihr liegt, dann soll sie es auch machen! Es ist durchaus möglich, auch eine Karriere zu machen, ohne sein Privatleben zu opfern. Es ist nur schwerer, aber wenn deine Tochter gut ist, dann wird sie es auch schaffen. Man darf sich nur dem Druck nicht beugen. Je mehr das tun, desto schwerer wirds für alle. Also wenn deine Tochter Wissenschaftler werden will, dann unterstütze sie dabei und unterstütze sie vor allem dabei, sich nicht unterkriegen zu lassen!

  4. @Silava

    Machen! Auf jeden Fall machen! Selbst wenn sie später nicht in der Wissenschaft arbeitet oder Karriere macht. Es ist und bleibt eine erstklassige Vorbereitung für nahezu alles was sie später machen will. Dazu kommt, dass sie ein paar Jahre eine ganze Menge Spaß haben wird und auch das ist unbezahlbar.

  5. Einer der Hauptgründe für mich nicht mehr in der Forschung zu sein… Es war mir einfach zu blöd mich abzubuckeln für den PhD und danach nicht einmal in irgendeiner Form eine Zukunftsplanung machen zu können denn Stellen gibt es auf der Uni sowieso nur für 5-10 % der angehenden Akademiker. Bzw. müsste man alle 3 Jahre seinen Wohnort etc wechseln.. An Familienplanung lässt sich da nicht mal ansatzweise denken. Für mich persönlich zwar schade da ich sehr sehr gerne wissenschaftlich arbeite/gearbeitet habe. Bin aus Wien und in den Biowissenschaften tätig gewesen.

  6. @Silava
    Ich habe als Doktorand als einiziger in meiner Gruppe nie mehr als 8 Stunden pro Tag gearbeitet und bin an den Wochenenden immer zuhause geblieben (habe dort allerdings oft was zum Thema gelesen). Trotzdem bin ich schneller fertig geworden als alle anderen. Meine persönliche (inzwischen ziemlich lange) Erfahrung als Wissenschaftler zeigt mir: Konzentriert und produktiv arbeiten kann zumindest ich nicht mehr als 7-8 Stunden am Tag, danach gehen dann höchstens noch einfache Verwaltungstätigkeiten etc. (Dafür hatte ich allerdings sehr wenig Urlaub in dieser Zeit).
    Klar kann man kurzfristig auch mal ne 80-Stunden-Woche fahren, aber auf Dauer funktioniert das nicht (und die Leute, die ich kannte, die 12 Stunden pro Tag am Institut waren, brauchten täglich zusammengerechnet mehrere Stunden Kaffeepausen). Das Bewusstsein dafür, dass das so ist, nimmt nach meinem Eindruck auch immer mehr zu. Davon allein würde ich mich also nicht abschrecken lassen.

  7. Ich studiere selbst und kenn diesen Erfolgsdruck nur zu gut. Vor allem wenn alle um dich herum selber sehr eifrig sind und jeder der Beste sein will. Selbst wenn man eine wissenschaftliche Karriere für sich selber nicht ganz ausschließt, schreckt einen doch das enorm hohe Arbeitspensum (wenn man sich die lehrenden Doktoranden, die wissenschaftlichen Mitarbeiter und deren Lebensläufe so anschaut) und die große Unsicherheit im Hinblick auf eine gesicherte Arbeitsstelle ab. Ich finde, man ist hin und her gerissen zwischen dem, was man gerne machen würde und den Opfern, die man dafür bringen müsste. Vor allem, weil ich glaube, dass es auch wirklich nur die schaffen (bis auf ganz wenige Ausnahmen), die ständig publizieren, monatelang im Ausland waren und ihre Freizeit völlig für die wissenschaftliche Arbeit aufbringen. So wird es jedenfalls teilweise von Lehrenden suggeriert. Das ist wirklich sehr schade.

  8. Ideal wäre natürlich wenn man eine(n) Partner(in) im gleichen Fachgebiet findet, oder noch perfekter auf der gleichen Arbeitsstelle, sodass man beide Leidenschaften harmonisch verbinden kann… da denke ich doch gleich mal an Marie Curie und deren Ehemann Pierre Curie… das war doch das wissenschaftliche Traumpaar, nur jenes selbst gewählte gemeinsame Forschungsgebiet war halt recht gefährlich…

    Extra Tipp: Teilnahme zur Forschungsarbeit über Selbstkontrolle

  9. Das ist ein Problem, dass auch außerhalb des Wissenschaftsbetriebes um sich greift und zwar um so schlimmer, je mehr potenzielle „Nachrücker“ zur Verfügung stehen.

    So lange die Arbeitgeber am längeren Hebel sitzen lässt sich das Problem wahrscheinlich nicht komplett lösen. Mit entsprechenden Gesetzen ließe es sich vermutlich etwas eindämmen, aber ich glaube nicht daran, dass unsere (sog.) Volksvertreter jemals etwas entsprechendes auf den Weg bringen werden, jedenfalls nicht so lange der berühmte „Druck der Straße“ noch nicht groß genug ist.

  10. Hallo Florian et at,
    herzlichen Dank fürs Feedback. Ich werde die zusätzlichen Infos berücksichtigen um meiner Tochter ein besseres Bild vermitteln zu können. Will ihr schließlich keinen Unfug erzählen. Bin sehr gespannt was es dann mal wird. Prinzipiell ist das Problem mit unbezahlten Überstunden sehr weit verbreitet, nur wenn man zu einer gefragten Spezialistenspezies gehört kann man dem leidlich entgehen.
    Gruß,
    Silava

  11. Unbezahlte Überstunden gibt es in extrem vielen Branchen. Vor allem wenn man (schnell) Karriere machen will. „Die Wissenschaft“ ist da sicher keine Ausnahme.

  12. Wieviele von den Bloglesern arbeiten denn in der Wissenschaft? Gibts da eventuell ein paar Erfahrungsberichte, wie es bei denen abgelaufen ist? Vielleicht findet sich ja einer (oder mehrere), die eine wissenschaftliche Laufbahn perfekt mit ihrem Privatleben vereinbaren konnten? 🙂

  13. @Sarah: Ja es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Fachbereichen. Ich kann allerdings jetzt aus meiner Erfahrung nur für die Situation als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule sprechen (was in der Regel ja nur zwischen 3-6 Jahren dauert).
    Grundsätzlich ist es da so, je wichtiger für eine Karriere in der jeweiligen Branche die Promotion ist, desto eher werden die jungen Wissenschaftler ausgequetscht. Also in der theoretischen Physik oder in der Biologie sind halbe Stellen und viel Mehrarbeit eher die Regel als in den Ingenieurwissenschaften.
    Es hängt natürlich auch ein bisschen davon ab, wie die grundsätzliche Kultur an der jeweiligen Institution ist, es gibt durchaus auch einige Professoren die erkannt haben, dass man sich mit „Klasse statt Masse“ auch in der Wissenschaftswelt profilieren kann.
    Grundsätzlich muss man aber wirklich eher Überzeugungs- als Gelegenheitstäter sein, wenn man sich darauf einlassen will. Außerdem, wie einige ja schon geschrieben haben, kommt man in der Regel nur einen Bruchteil seiner Arbeitszeit dazu, am eigentlichen Forschungsprojekt zu arbeiten, viel Zeit (und Nervensubstanz!) geht durch irgendwelche sonstigen Nebenaufgaben drauf. Allerdings kann man sich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter immer vor Augen halten, dass es nur eine begrenzte Zeit ist und man nach der Promotion ja etwas anderes machen kann.
    Wenn man allerdings vorhat, auch nach der Promotion noch in der Wissenschaft zu bleiben, dann sollte man noch ein ganzes Stück mehr Überzeugung mitbringen, aber das hat man dann ja bis dahin meistens selber gemerkt, ob einem das liegt und ob man dazu bereit ist oder nicht.

  14. Das von Euch beschriebene Problem gibt es ja nicht nur in der Wissenschaft, sondern in der gesamten Gesellschaft. Auch die meisten jungen Arbeitnehmer geben sich mit Hingabe ihrem Job hin, verdienen dabei aber oft deutlich weniger als die älteren Kollegen, welche häufig nur noch die Zeit bis zur Rente oder Pension absitzen.

    Gleiches läuft ja auch mit der „Umverteilung“ in der Gesellschaft. Die jungen Familien, welche viel Platz benötigen würde, leben in engen überteuerten Mietwohnungen, wohingegen viele Rentner riesige Eigenheime haben, diese aber überhaupt nicht ausnutzen können und teils aufgrund von Rentensenkungen schon Probleme haben die lfd. Kosten noch tragen zu können.

  15. @AlBundy
    Das Problem gibt es wirklich überall. Nach gewissen selbstausbeuterischen Erfahrungen im Kulturbereich (viel Arbeit für sehr wenig Geld), erzwungener Schein-Selbständigkeit (nachträgich geprüft und als sozialversicherungspflichtig eingestuft) mit wenig Urlaub, habe ich jetzt einen Job in dem ich nicht mehr bereit bin mehr zu geben als ich kann. Das schließt Engagement nicht aus. Ich (50+) denke daher, dass gerade die Älteren nicht einfach ihre Zeit bis zur Rente absitzen, sondern vielleicht gelernt haben so zu arbeiten, dass sie sie gesund erreichen und auch noch genießen können.

  16. @Mafl

    Sorry, ich wollte Sie da nicht persönlich angreifen, wie auch im Allgemeinen die Älteren nicht. Mein Vater hat beispielsweise trotz Krebs-Diagnose und Operation noch mit + 60 auf dem Bau gearbeitet und sagte immer:“Was soll ich zuhause…“ Mittlerweile ist er wieder genesen und es geht ihm soweit gut. Es gibt allerdings auch diejenigen die die Zeit absitzen und es sich dank günstiger Besitzstandswahrungen in Tarifverträgen und nahezu bestehender Unkündbarkeit auch gut bezahlen lassen. Ich denke ähnlich wird es an den Unis sein. Es ist natürlich auch nicht schlecht, wenn sich so manch weiser Alter auch dank seiner Besitzstandswahrung und seiner Zeit mal für die junge Generation stark macht. Auch das gibt es ja Gott sei Dank.

    Wenn man aber sieht, was manche Leute in Service Berufen, wie dem Verkauf oder in der Dienstleistungsbranche verdienen, da wird es echt traurig. Ich selbst arbeite bei einem Unternehmen, wo früher schlecht bezahlt wurde und es im Laufe der Jahre -auch durch den Abstieg einiger Unternehmen (z. B. in der metallverarbeitenden Branche) – im Vergleich zu anderen Arbeitgebern deutlich besser geworden ist. Dennoch können meine Frau und ich uns nicht viel leisten (z. B. neues Auto kaufen ist nicht drin, in manchen Monaten machen wir auch schon mal kräftig minus) obwohl wir nicht auf grossem Fuss leben. Und wenn man dann schon zu zweit arbeitet und 2 Kinder grosszieht, darf man vom Leben schon was erwarten, denke ich. Was will man da noch sagen, wenn dann kein Urlaub drin ist, die Heizkostenabrechnung einem die Laune versaut usw. usf. Ich denke da muss sich in Deutschland noch viel tun…. Ob es in der Zukunft besser wird!?…..
    _________

  17. @AlBundy
    Ich habe mich nicht angegriffen gefühlt. Sollte nur den Blickwinkel etwas verändern. Ich sehe nämlich im Moment gerade jüngere Kolleg(in)en, die z. B. viele Überstunden machen und krank werden. Und die Älteren warnen davor.
    Es kann Spass machen in Projekten viel zu arbeiten und dann zu sehen, das etwa Gutes dabei rauskommt. Aber egal, ob Wissenschaftler oder anderes, der Mythos wer viel und lange arbeitet ist der Tollste und wird befördert, sollte langsam widerlegt sein.

  18. Was die Situation in der Wissenschaftswelt so besonders macht: Es gibt kaum unbefristete Verträge, die meisten Leute hangeln sich von Verlängerung zu Verlängerung. Außerdem gibt es oft keine Zeiterfassung, so dass die Mehrarbeit noch nicht mal in Form von Gleitzeitkonten oder finanziell ausgeglichen werden kann. Und da meistens ein Abhängigkeitsverhältnis der Form „Sie wollen doch promovieren, oder?“ besteht, kann man sich da schlecht wehren.
    In einem mittelgroßen Institut ist es für einen Professor irgendwann schwierig, den Überblick über die tatsächliche Leistung der einzelnen Mitarbeiter zu behalten. Deswegen fällt halt derjenige positiv auf, der jeden Morgen schon vor dem Prof da ist, abends erst nach Hause geht wenn der Prof nach Hause gegangen ist und am besten auch am Wochenende immer mal wieder gesehen wird (und ja: Es gibt Professoren, die regelmäßig am Wochenende am Institut sind!).

  19. Ich habe mal ausgerechnet, dass man als Inventurhelfer fast so viel verdient, wie wenn man als Doktorand mit halbem Gehalt Vollzeit arbeitet:
    https://zwei.drni.de/archives/1254-Deutschlands-ehrenamtliche-Wissenschaftler.html

    Der Unterschied ist: Als Inventurhelfer genügt ein Hauptschulabschluss. Außerdem hat man pünktlich Feierabend und grübelt nicht noch Abends darüber nach, wie man seine Schrauben am geschicktesten zählt. Es gibt klare Arbeitsanweisungen und klare Verhältnisse.

    Kapitalistisch gesehen müssen sich Doktoranden echt mal überlegen, was sie sich wert sind. Ich bin selbst Doktorand. Die Nichtdoktoranden in meinem Umfeld kaufen sich gerade Immobilien, gründen Familien, und so weiter.

    In Deutschland soll man als Doktorand voll motiviert bis zur Habil machen, um dann mit Anfang 40 überqualifiziert, ausgebrannt und vereinsamt in die Arbeitslosigkeit entlassen zu werden. Wieso reissen sich alle so das Gesäß auf für so wenig Geld und so wenig Perspektive?

    1. @DrNI: „Ich habe mal ausgerechnet, dass man als Inventurhelfer fast so viel verdient, wie wenn man als Doktorand mit halbem Gehalt Vollzeit arbeitet:“

      Und wenn du die tatsächliche Arbeitszeit, die ja oft weiter über 8h am Tag hinaus geht in den Stundenlohn mit rein rechnest, dann wirds noch deprimierender…

  20. Wenn man die Diskussion hier so verfolgt, schwindet die Motivation, eine Laufbahn im Wissenschaftsbereich einzuschlagen, immer mehr. Es muss doch auch viele positive Dinge geben, oder nicht?

    1. @sarah: „Es muss doch auch viele positive Dinge geben, oder nicht?“

      Klar gibt es die! Lies dir all die anderen Artikel durch, die ich über coole wissenschaftliche Entdeckungen geschrieben habe. So was kann man als Wissenschaftler dann selbst machen. Das Video fasst die Faszination der Wissenschaft auch recht schön zusammen: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/11/der-geist-sieht-so-viel-mehr-als-das-auge-wissenschaft-ist-schon.php

  21. In meinem Unternehmen gibt es Doktoren, die gehen in Vollzeit mit vielleicht 3.000,00 € nach Hause. Und da ist die private KV noch nicht bezahlt… im Prinzip frage ich mich da auch, wofür, wenn z. B. Die meisten Beamten oder auch so mancher Aufsteiger aus der „normalen“ Schicht es gehaltsmässig genausoweit oder sogar noch weiter gebracht hat…

  22. Bloss nicht abhalten lassen! Es gibt überall positive und negative Erfahrungen. Und in meinem Bekanntenkreis macht kaum einer noch das, was er/sie mal gelernt oder studiert hat. Warum dann nicht mit dem anfangen, was einen am meisten begeistert? Vielleicht gehört man ja auch zu denen, die dabei bleiben und wenn nicht, man kann sich ja immer weiterentwickeln. Wichtig ist, dass man auf sich aufpasst und wo es geht, gegen diese üblen Erwartungen angeht.

  23. @sarah: Oh, es gibt sehr viele positive Dinge. Doch noch ein negatives Ding zuerst: Man hat sehr viel Verantwortung für seine Arbeit. Es gibt wenig Anweisungen und hohe Erwartungen.

    Daraus folgt auch das Positive: Es gibt oft wenig Regeln. Ob ich um 8 Uhr oder um 10:30 zur Arbeit komme ist egal. Ich kann (und muss) selbst bestimmen. Das Ergebnis zählt. Trotz aller Skurrilitäten der hochakademischen Belegschaft geht es überwiegend menschlich zu. Und ich mache laufend Dinge, die interessant-krass und irgendwie neu sind. Ich darf zu Konferenzen fahren und da interessante Orte und spannende Menschen kennenlernen. Ich werde nach und nach immer besser darin, meine Hiwis anzuleiten. Und: Ich arbeite eben nicht Vollzeit fürs halbe Gehalt. Das aber musste ich mir auch vor mir selber erkämpfen.

    Zusammenfassend: Man muss schnell genug eine gefestigte eigene Position erarbeiten, um nicht unter die Räder des Wissenschaftsbetriebs zu kommen. Dann geht es. Ganz viele haben damit Probleme und kucken tagein und tagaus unglücklich aus der Wäsche. Aber unmöglich ist es nicht. Eher dringend notwendig – man muss bis zur Rente mit 70 (wer weiß, bis dahin!) ja auch gesund und munter durchhalten!

  24. Ja, das stimmt alles schon. Das ist auch der Punkt, der mich an der Wissenschaft fasziniert: Die Möglichkeit, verschiedene Dinge eigenständig zu erforschen und einen kleinen Teil der Welt durch die eigenen wissenschaftlichen Entdeckungen ein wenig näher zu erklären. Ich fand das – so dumm es vielleicht klingt – bei meiner ersten (eher sehr kleinen) Abschlussarbeit schon toll, durch wissenschaftliche Arbeit etwas ganz eigenes zu erstellen 🙂 Aber auf der anderen Seite glückt es ja auch nicht jedem Wissenschaftler, faszinierende und „interessant-krasse“ Entdeckungen zu machen (würd ich jetzt mal behaupten).

    @Florian Freistetter (und gern auch alle anderen):

    Da hab ich gleich mal eine Frage, die mich interessieren würde: Was war denn dein/ euer tollstes „wissenschaftliches Erlebnis“? 🙂

  25. @MarinB

    Ich habe als Doktorand als einiziger in meiner Gruppe nie mehr als 8 Stunden pro Tag gearbeitet und bin an den Wochenenden immer zuhause geblieben (habe dort allerdings oft was zum Thema gelesen). Trotzdem bin ich schneller fertig geworden als alle anderen. Meine persönliche (inzwischen ziemlich lange) Erfahrung als Wissenschaftler zeigt mir: Konzentriert und produktiv arbeiten kann zumindest ich nicht mehr als 7-8 Stunden am Tag, danach gehen dann höchstens noch einfache Verwaltungstätigkeiten etc. (Dafür hatte ich allerdings sehr wenig Urlaub in dieser Zeit).
    Klar kann man kurzfristig auch mal ne 80-Stunden-Woche fahren, aber auf Dauer funktioniert das nicht (und die Leute, die ich kannte, die 12 Stunden pro Tag am Institut waren, brauchten täglich zusammengerechnet mehrere Stunden Kaffeepausen). Das Bewusstsein dafür, dass das so ist, nimmt nach meinem Eindruck auch immer mehr zu. Davon allein würde ich mich also nicht abschrecken lassen.

    Kann ich nur unterstreichen. Na ja, regelmäßig musste man irgendwelche Versuche auch am WE kontrollieren und Samstags fanden auch immer wieder mal ein paar veranstaltungen statt, aber man sollte doch Freizeit von Arbeit trennen können.

    Wie sagte schon Laotse:
    „Nichtstun ist besser
    als mit viel Mühe nichts schaffen.“

    Kreativität ist nicht abhängig von der Arbeitszeit.

    Selbst in den Freizeiten beschäftigt man sich nicht selten mit Problemen und findet Lösungen dafür. Das klassische Beispiel ist Kekulé, dem ’sein‘ Benzolring angeblichlich im Traum eingefallen ist.

  26. Sorry aber nur mal ganz kurz ne Frage. Hast du lieber Flo das gesamte Wissen für dich allein gepachtet? Lese ja so ab und an hier mit und , bitte verzeih mir , du erweckst in mir das Gefühl als seist du nur ein Mitläufer, jemand der es nicht wagt „sich selbst“ zu hinterfragen. Du hast so eindeutige Antworten die „Alternativlos“ erscheinen ( Merkel …. sorry). Ich lese hier von einem sehr Intelligenten Menschen fachliche Meinungen an die er selbst nicht glaubt.

    1. @WebNerd2.4.7.11: „. Hast du lieber Flo das gesamte Wissen für dich allein gepachtet?“

      Hab ich das irgendwo behauptet?

      „Du hast so eindeutige Antworten die “Alternativlos” erscheinen“

      Das liegt wohl daran, dass ich meistens über die Realität schreibe. Und die ist so, wie sie ist; eindeutig und alternativlos.

      Aber was hat das mit dem Thema hier zu tun? Sag doch einfach ganz konkret, was dir nicht passt.

  27. Ich war von 1994 bis 2010 Jurist in einer Anwaltskanzlei (nicht ohne „Renommee“) in Hamburg. Das bedeutete einen 12/ 14-Stundentag und wenigstens einen Tag am Wochenende.
    Turboerfolgsorientiert im Regelwerk des Landes… „Immer im Dienst“.
    Nach ca. 16 Jahren habe ich aus ökonomischen und gesundheitlichen Gründen aufgegeben, vieles war sinnvoll und gut, aber es gibt auch persönlich wichtiges, Stichwort „Work-Life-Balance“.
    Tut Euch das bitte nicht an, jedenfalls nicht dauerhaft.
    Projekte sind für ein paar Monate in Ordnung, da geht es oft nicht anders, aber als Dauerzustand wird es Euch umbringen.
    Naturwissenschaftliche Forschung ist großartig, bringt aber dem „Geldgeber“ (ob öffentlich oder privat) oft nicht aktuellen Profit. Und dann wird gerechnet.
    Und wer von der Sache beseelt und engagiert ein Ergebnis (= Erfolg) sucht, der zahlt dann meist drauf.
    Sogar mit seiner oder ihrer Gesundheit. Also so richtig,,,
    Be aware.

  28. Wenn 80h-100h als „normal“ gelten, ist das eher ein Armutszeugnis der AG/-Institutsleitung, weil dies ganz offensichtlich deren Unfähigkeit zeigt, die Anzahl der zu bearbeitenden Projekte vernüftig zu planen. Sowas sollte den Leuten eher peinlich sein– aber auch das kennt man ja— mit Inkompetenz auftreten um sich „toll“ zu verfkaufen, weil man ja dennoch Erfolg hat. Ein Pendant zum „In Mathe war ich immer schlecht“.

  29. @para: „Wenn 80h-100h als “normal” gelten, ist das eher ein Armutszeugnis der AG/-Institutsleitung, weil dies ganz offensichtlich deren Unfähigkeit zeigt, die Anzahl der zu bearbeitenden Projekte vernüftig zu planen“

    So funktioniert das leider nicht. Es geht darum, dass allgemein erwartet wird, dass man immer da ist und immer arbeitet. Ganz unabhängig von Projekten. Wissenschaftliche Arbeit wird eher selten direkt von oben gesteuert, in der Form: Du machst das, du machst das, usw. Das ist alles sehr viel individueller organisiert. Die 80/100h sind also kein Zeichen, das zu wenig Leute für einen Job da sind. Da gehts wirklich mehr um das Image: Ein echter Forscher steigert sich rein, ein echter Forscher macht die Nacht durch; ein echter Forscher arbeitet auch dann, wenn er nicht bezahlt wird; usw.

  30. Ganz unabhängig von Projekten. Wissenschaftliche Arbeit wird eher selten direkt von oben gesteuert, in der Form: Du machst das, du machst das, usw. Das ist alles sehr viel individueller organisiert.

    Völlig richtig, dass sollte auch nicht der Punkt gewesen sein. Es ging mir nicht um die Planung wer was und wieviel macht, dass ist Individuell- jedoch wird von „oben“ sehr wohl gesteuert, wie viele Anträge überhaupt raus gehen udn damit was an Arbeit generell zu ist.
    Natürlich werden nicht alle Anträge auch angenommen, klar- jedoch sollte eine halbwegs gut organisierte Leitung grob einschätzen können, wie viele Anträge ungefähr durchkommen.Wenn so viel Arbeit da ist dass die Leute so lange Arbeiten müssen (egal ob nun gern oder nicht) UND dies nicht als Fehlplanung erkannt wird, man entsprechend gegenlenkt, dann ist das eine organsatorische Inkompetenz (oder Igoranz, je nachdem). Die Erwartung „die sind ja eh immer da und steigern sich rein“ ist eine soziale Inkompetenz. Letztlich, beides nichst womit man sich schmücken kann, wie im genannten Brief.

  31. @para: “ wie viele Anträge überhaupt raus gehen udn damit was an Arbeit generell zu ist.“

    Ein Wissenschaftler hat IMMER Arbeit. Es ist ja nicht so, dass die Leute nachmittags Kaffee trinken und sagen: „Hmm, hoffentlich reicht der Chef bald mal wieder ein paar Projektanträge ein, damit wir was zu forschen haben. Nur rumsitzen und nichts tun ist langweilig“.

    „Wenn so viel Arbeit da ist dass die Leute so lange Arbeiten müssen“

    So läuft das nicht. Wissenschaft ist keine Auftragsarbeit, wo irgendwas „gemacht“ werden muss. Das läuft alles ganz anders ab. Die Forscher sind idR selbst für das verantwortlích, was sie tun und wie lange sie es tun. Eine Uni wird nicht wie eine Firma geführt (noch nicht, glücklicherweise). Ich weiß jetzt auch grad nicht, wie ich dir das besser erklären soll. Aber der Aspekt den du da gebracht hast, hat mit dem Problem definitiv nichts zu tun. Da Arbeitszeitproblem ist KEIN Resultat schlechten Zeitmanagements.

    Da gehts mehr um Karriere. Je mehr Artikel man publiziert, desto eher kriegt man nen guten Job. Wer am meisten veröffentlicht, also auch am meisten und längsten arbeitet, der hat das höchste Ansehen.

  32. @Sarah:

    Manchmal hat man auch Glück mit Stellen an der Uni: Ich sehe öfters auf Fortbildungen Leute, die Vollzeit arbeiten müssen, aber nur eine viertel oder sogar achtel Stelle haben. Zumindest an meiner bisherigen Uni ist das z.B. an der Philosophischen Fakultät die Regel.
    An der Technischen Fakultät ist es – an dieser Uni! – eher die Regel, dass man für eine volle Arbeitsstelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter/Doktorand auch voll bezahlt wird. Und da mein Chef in seiner eigenen Doktorandenzeit eher dieses Rund-um-die-Uhr-Modell erleiden musste, hat er nicht die „da müssen alle durch“-, sondern die „was ich als belastend empfunden habe, tu ich auch meinen Mitarbeitern nicht an“-Einstellung. Da ist er aber nicht der einzige im Haus, zum Glück. Gegen die Befristung kann er aber leider auch nichts tun.

    Ich habe vor dieser Tätigkeit lange selbstständig gearbeitet – war cool, ich habe beruflich Dinge gesehen, die ich nie mehr sehen werde. Aber irgendwann war der Stress, das Reisen, die fehlende Freizeit zu viel… 🙁
    Jetzt an der Uni finde ich das Leben dagegen wesentlich ruhiger, auch wenn es manchmal stressig sein kann.

    Und gerade die Mischung aus Forschung und Lehre finde ich extrem spannend und mag ich sehr (ja, ich habe keine Drittmittel- sondern „Landesstelle“).

  33. @Florian: Stimmt, so läuft es nicht. Uni-Jobs sind „selbstorganisiert“ – das Problem ist nur, gerade Doktoranden wissen ja gar nicht, wie sie das machen sollen, denn sie sind Anfänger, zumindest die ersten ein bis zwei Jahre. Profs können oft nicht gut anleiten, denn das ist bei der Berufung kein Kriterium. Je mehr Projekte und Mitarbeiter ein Prof aber hat, desto wichtiger würden auch in der Wissenschaft Fähigkeiten im Führen von Mitarbeitern werden. Allen voran das Delegieren, aber eben auch Bedürfnisse erkennen und Motivation aufbauen und erhalten.

    Dass Doktoranden oft Führungslos herumeiern und auf keinen grünen Zweig kommen, hängt also meiner Meinung nach mit der Führungsunfähigkeit der Profs direkt zusammen. Und das System erhält sich ja in der Regel selbst. Denn die Leute, die darunter leiden, gehen eben. Und übrig bleiben die, die eine Führung nicht notwendig finden, weil sie selbst ja auch keine gebraucht haben.

    Graduate Schools als Gegenprogramm finde ich wenig sinnvoll. Im Prinzip sind die ja auch nichts andere als die „Bachelorisierung“ der Dissertation. In meinem Umfeld erlebe ich das so: Pflichtveranstaltungen, die den Doktoranden oft nichts bringen, aber schon allein die vertragliche Arbeitszeit ausfüllen. Um die wissenschaftliche Arbeit in der Freizeit dann noch zu machen helfen viele der Kurse nicht weiter. Manche sind jedoch sinnvoll, wie z.B. Statistik-Kurse. Grad Schools sind also nicht die richtige Antwort auf die Frage, warum Profs zu oft keine guten Führungskräfte und Betreuer sind.

    1. @DrNI: „Dass Doktoranden oft Führungslos herumeiern und auf keinen grünen Zweig kommen, hängt also meiner Meinung nach mit der Führungsunfähigkeit der Profs direkt zusammen.“

      Allerdings auch mit der immer stärkeren Verschulung der Uni. Die Leute lernen nicht mehr, selbstständig zu arbeiten. Es ist ja mittlerweile leider oft Standard, das selbst Post-Docs, die ja eigentlich selbständig forschen sollten, nur noch Auftragsarbeiter für ihre Profs sind…

  34. Als alte Frau kann ich nur feststellen: forschender Wissenschafter zu sein gehört zu den erfüllendsten Möglichkeiten, die uns das Lebem bietet!

    Natürlich hat man in der Postdoc Zeit auch an den Wochenenden und bis in die späten Abendstunden gearbeitet. Später als Forscher in einem gtoßen Konzern waren der Arbeitsumfang und die damit verbundenen Verpflichtungen nicht kleiner geworden, dazu kamen noch die Betreuung von Diplomanden und Doktoranden und der Versuch von dem geradezu explosionsartig ansteigenden Wissen noch etwas mitzubekommen und vielleicht ein klein wenig dazu beizutragen.
    Nach der Pensionierung hat sich zwar das Spektrum der Tätigkeiten geändert, nicht jedoch die Interessensgebiete, inklusive der Betreuung von Studenten.

    Ließ sich das mit dem Privatleben vereinbaren? Mein Mann ist ebenso begeisterter Wissenschafter, unser Sohn ist in unsere Fußstapfen getreten und seine Tochter ist eben dabei dasselbe zu tun.

  35. @DrNI

    Dass Doktoranden oft Führungslos herumeiern und auf keinen grünen Zweig kommen, hängt also meiner Meinung nach mit der Führungsunfähigkeit der Profs direkt zusammen. Und das System erhält sich ja in der Regel selbst. Denn die Leute, die darunter leiden, gehen eben. Und übrig bleiben die, die eine Führung nicht notwendig finden, weil sie selbst ja auch keine gebraucht haben.

    Na ja, während meiner Arbeiten haben ich mir viel Rat von (älteren) Kommilitonen geholt, Ratschläge die meist praktikabler waren, als die der jeweiligen Profs. Während der Diplomarbeit habe ich genau zweimal mit dem Prof. gesprochen: Als er mir das Thema gab und kurz vor dem Abschluss auf ein Bussfahrt.

    Danach hatte ich das Glück eines perfekten Betreuers: Nie zu sehen, aber wenn es Probleme gab, stand er mitrausgezeichnet mit Rat und Tat zur Seite, als ob man an einer Lampe gerieben hätte.

    Man muss allerdings auch Ratschläge annehmen. In meinen höheren Semestern habe ich natürlich auch andere Leute ausführlich beraten. Einige nahmen die Ratschläge nicht selten erfolgreich an, andere verweigerten sie aus mir unerfindlichen Gründen, nachdem sie nachdrücklich um Rat gebeten hatten.

    Es gibt eine ganze Reihe von Profs., denen es mehr an ihren Veröffentlichungen gelegen ist, denn an dem Erfolg ihrer Studenten und die dann diese durchaus auf ihren Themen verheizen.

    Ich hatte das weitere Glück eines pragmatischen MPIs: Diplomarbeit: Maximal ein Jahr, Promotion maximal drei Jahre, gibt ein Thema nix her (nach so nach ein zwei Monaten), gibt es ein neues bzw. abgewandeltes. Und grundsätzlich, wenn auch nicht immer, wurden Themen auf ihre Ergiebigkeit angetestet.

    Je nach dem, so eine 40-60 Stunden Woche. Wenn man halbwegs effektiv werkelte, nahm auch niemand den 17-Uhr-Feierabend übel. Und dank des Stipendiums stand man auch finanziell auf soliden Füßen.

  36. Dass Leute, die sehr viel (produktiv) arbeiten und dementsprechend viel Wissen schaffen, die besten Jobs kriegen, finde ich in Ordnung. Das Problem liegt aber nicht bei den Arbeitszeiten, sondern -wie du auch schreibst- daran, dass es viel zu wenige feste Stellen gibt. Selbst wenn alle Nachwuchswissenschaftler 100 Stunden arbeiten würden, könnten nicht mehr eine feste Stelle ergattern.

    1. @mar o: „Dass Leute, die sehr viel (produktiv) arbeiten und dementsprechend viel Wissen schaffen, die besten Jobs kriegen, finde ich in Ordnung“

      Das Problem ist allerdings, dass es nicht reicht, produktiv zu sein. Du darfst außer arbeiten überhaupt nichts mehr machen und kein Privatleben haben um ne Stelle zu kriegen. Das löst man nicht, in dem man mehr Stellen einführt. Da muss sich grundlegend etwas am System ändern…

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