Kürzlich ging eine astronomische Meldung durch alle Medien: Im Weltall hat man Zucker entdeckt. Das klingt ein wenig seltsam. Was soll man sich darunter vorstellen? Schweben da kleine weiße Zuckerwürfelchen durchs All? Oder vielleicht dicke Brocken aus Kandiszucker? Was hat der Zucker überhaupt im Weltraum zu suchen? Und wie um Himmels Willen entdeckt man sowas?

Es geht um eine Entdeckung, die das Teleskop ALMA gemacht hat. Das steht für Atacama Large Millimeter/submillimeter Array. Der Name sagt schon, dass es hier nicht um ein normales Teleskop geht. ALMA sieht den Himmel nicht so, wie unsere Augen es tun, sondern kann Millimeter- bzw. Submillimeterstrahlung wahrnehmen. Wir kennen diese Art von Strahlung auch als Mikrowellen und so wie all die anderen Bereiche des elektromagnetischen Spektrums verrät sie uns viel mehr über das Universum als wir mit unseren menschlichen Augen sehen können.

ALMA hat nach Molekülen im Weltall gesucht. Dort draußen gibt es ja nicht nur Planeten, Sterne und Galaxien. Auch im „leeren“ Raum zwischen ihnen findet man Materie. Nur sehr wenig zwar, aber ein bisschen was schwirrt da trotzdem rum. Manchmal sind es auch große Wolken, zum Beispiel aus Wasserstoff, in denen dann neue Sterne entstehen. Meistens findet man zwischen den Planeten und Sternen nur einfache Atome. Manchmal verbinden sich die Atome aber auch zu komplexeren Molekülen und genau die wollen die Wissenschaftler finden.

Mancher fragt sich jetzt vielleicht, wie diese Moleküle überhaupt entstehen. Im All ist ja doch ziemlich viel Platz – wie schaffen es zwei Atome da überhaupt, sich zu treffen und zu verbinden? So etwas passiert zum Beispiel in den oben erwähnten Wolken. Dort gibt es jede Menge Staub und Gas. Jetzt kann es vorkommen, dass ein Atom auf ein Staubkorn trifft und sich dort anlagert. Irgendwann kommt vielleicht noch ein zweites vorbei. Und ein drittes. Auf dem Staubkorn können sie dann chemisch reagieren und Moleküle bilden. Die interessante Frage ist aber, was mit den Molekülen danach passiert. Werden sie im Zuge der Planetenentstehung, bei der sich die Staubkörner zu immer größeren Brocken zusammenschließen, einfach mit verbaut? Oder entsteht irgendwann ein Stern dessen Strahlung dann die Moleküle verdampft? Dann lösen sie sich vom Staub und zieen wieder alleine durchs All? Wenn ja, wie lange dauert das – und wie komplex können die Moleküle werden bevor sie wieder ins All entlassen werden?

Glycolaldehyd (C2H4O2) Kohlenstoffatome sind dabei grau, Sauerstoffatome rot und Wasserstoffatome weiß dargestellt (Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/L. Calçada (ESO)).

Solche Fragen untersucht man mit ALMA und die Antworten können uns einiges über die Entstehung von Planeten, Sternen und vielleicht auch über die Entstehung des Lebens selbst verraten. Die Entdeckung, auf die sich die Sache mit dem Zucker bezieht, fand beim Stern IRAS 16293-2422 statt. Er ist nur 400 Lichtjahre von der Sonne entfernt und in etwa so groß und schwer wie unser Stern. Er ist allerdings viel jünger, der Stern ist noch von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben, die noch aus seiner Entstehungszeit in der Wolke stammt. Und in dieser Wolke haben die Astronomen Glycolaldehyd-Moleküle gefunden. Das ist nicht der Zucker, den wir uns in den Kaffee rühren, aber so etwas ähnliches. Und natürlich hat man die Moleküle auch nicht direkt gesehen, sondern sie auf andere Art und Weise gefunden.

Die Moleküle, die sich in der Scheibe um den Stern befinden, können ab und zu miteinander zusammenstoßen. Wenn sie das tun, werden sie durch die Energie der Kollision „angeregt“. Im Molekül steckt also mehr Energie als vorher – wie z.B. in einem gespannten Gummiband. Nach einiger Zeit gibt das Molekül diese zusätzliche Energie wieder ab und nimmt seinen energetischen Normalzustand wieder ein. Die abgegebene Energie wird in Form von Strahlung ins All entlassen. Und die Wellenlänge dieser Strahlung ist für jedes Molekül anders. Man sucht also mit großen Teleskopen wie ALMA nach der charakteristischen Strahlung verschiedener Moleküle. Sie zu finden wird dabei um so schwieriger, je komplexer sie sind. Denn je komplizierter der Aufbau, desto mehr Arten gibt es, ein Moleküle anzuregen und desto mehr Arten von Strahlung kann es abgeben. Man sucht dann nicht mehr nach starker Strahlung bei einer einzigen Wellenlänge, sondern nach schwacher Strahlung bei vielen verschiedenen Wellenlängen. Aber ALMA war erfolgreich und hat den Zucker im All entdeckt.

Man weiß noch nicht, wie es sonst so um den Stern IRAS 16293-2422 aussieht. Es ist gut möglich, dass es dort auch Planeten gibt. Und falls die Zuckermoleküle (und all die anderen Moleküle die es dort mit Sicherheit auch noch gibt) es irgendwie auf einen Planeten schaffen, dann könnten sie dort bei der Entstehung von Leben eine wichtige Rolle spielen (vorausgesetzt natürlich, der Planet eignet sich überhaupt für Leben). Die Chancen stehen nicht schlecht. Denn die Wissenschaftler konnten auch messen, wie schnell und wohin sich die Moleküle bewegen:

“Nicht nur sind die Zuckermoleküle am richtigen Ort, um auf einem Planeten zu landen – sie bewegen sich auch in die richtige Richtung!”

sagt Cécile Favre von der Universität Aarhus in Dänemark. ALMA wird den Stern weiter beobachten…

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7 Gedanken zu „Zucker im Weltall“
  1. Das ist bestimmt eine ziemliche Friemelei, die einzelnen Linien von allen möglichen Stoffen auseinanderzudividieren und zu identifizieren. Ich erinnere mich an eine Vorlesung, wo uns der Prof erzählte, man habe mal eine völlig unbekannte Linie gefunden, die man zunächt keinem bekannten Element zuordnen konnte, bis sich schließlich herausstellte, dass das Wasserstoff mit einem Elektronenübergang zwischen zwei irrsinnig hohen Schalen (120 oder so) war, ein Übergang der im Mittel viel länger dauerte, als dass er im Labor unter Normaldruck hätte vorkommen können – durch Zusammenstöße wäre das Elektron längst vorher auf eine viel tiefere Bahn gesprungen. Nur im Hochvakuum des Alls war dieser Übergang möglich.

    Gleiches müsste ja auch in den Molekülwolken möglich sein, nur hat man des da auch noch mit jeder Menge unbekannten Molkülen und ihren Bruchstücken zu tun. Und eine etwaige Dopplerverschiebung oder -verbreiterung der Linien macht es noch schwieriger.

    Chapeau vor dieser Leistung.

  2. Vielen Dank für diesen Artikel. Die Pressemeldung die ich gelesen habe war sehr karg und hat bloss einen Haufen Fragen aufgeworfen. Die sind jetzt beantwortet 🙂

  3. @ Christian Berger –

    herzlichen Dank für diesen Beitrag von Sir Bernard Lovell.
    In diesem Blog mit seinen Lesern kann man wohl wirklich glücklich werden… 😉

    Beste Grüße
    aus Hamburg

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