Mein „Krawumm“ hat auf seiner Reise um die Welt wieder mal einen höchst faszinierenden Ort erreicht. Allein der Name klingt wie ein Schauplatz, der direkt aus „Raumschiff Orion“ zu stammen scheint: die Erdfunkstelle Raisting. Die liegt in Bayern und was das genau ist, hat mir Sven, der Fotograf des Bildes, so schön erklärt, dass ich den Text als kleinen Gastbeitrag übernehmen möchte:
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Die Antenne wurde 1964 von der Deutschen Bundespost als erste Satellitenkommunikationsantenne in Deutschland gebaut. Als Bauort wurde Raisting am Ammersee ausgewählt, da die Raistinger Wanne einerseits hervorragend terrestrische Störsignale (zivile wie auch militärische) abschirmt, die Lage im südlichen Deutschland einen hohen Elevationswinkel für geostationäre Satelliten zulässt, aber andererseits die Alpen noch nicht zu nah sind. Da die Technik es damals noch nicht zuließ einfach eine Antenne in die Wildnis zu pflanzen (bzw. mitten in die Felder ) wurde zuerst eine riesige Tragluftkuppel (40m Höhe) errichtet, welche die Antenne vor der Witterung schützen sollte (das Gebäude wird auch einfach nur „Radom Raisting“ genannt – von „Radar Dome“). Erst als die nur von einem Überdruck gehaltene Kuppel stand, wurde im Inneren die Antenne mit ihrem 25m Parabolreflektor errichtet. Später wurden weitere Antennen in Raisting gebaut, doch hier war die Technik bereits so weit, dass auf die Schutzhülle verzichtet werden konnte (ursprünglich waren 4 oder 5 solche Radome in Raisting geplant) und die Antennen somit wirklich mitten in die Felder geplanzt werden konnten. Die Erdefunkstelle Raisting wurde somit zu einer der größten Erdfunkstellen der Welt.

Über die Antenne 1 und ihre Schwestern liefen wichtige Fernsehübertragungen wie die Liveübertragung der Mondlandung (von den USA nach Deutschland) oder die Olympischen Spiele 72 (von München in die ganze Welt). Auch eine der Direktverbindungen vom Weißen Haus in Washington D.C. zum Kreml in Moskau während des Kalten Krieges verlief über die Anlage.

Im Jahr 1984 wurde die Antenne 1 schließlich stillgelegt, da durch modernere Übertragungstechniken (vor allem vertikale/horizontale Polarisation) die Hülle der Antenne hinderlich war (vor allem bei Regen). Sie wurde jedoch weiterhin betriebsfähig gehalten und als Lehrantenne für das Tracking von Satelliten verwendet, da damals die Antennen 2 und 3 noch baugleich (von der Steuerung her) mit ihrer älteren Schwester waren. Einem Förderverein ist es zu Verdanken, dass die Antenne auch nach ihrer Zeit als Lehrobjekt erhalten und betriebsbereit blieb und 1999 wurde sie schließlich in die bayerische Denkmalliste aufgenommen. 2007 ging die Antenne von der Deutschen Telekom in den Besitz des Landkreises Weilheim-Schongau über (die übrigen Antennen gehören nun dem Unternehmen Emerging Market Communications, welche jene weiterhin pflegt, nutzt und teilweise auch modernisiert). 2009 wurde das Radom dann zum Denkmal von nationaler Bedeutung erhoben, was heißt, dass es zum Beispiel in einem Atemzug mit Schloss Neuschwanstein oder der Wieskirche genannt werden darf. Dies wurde damit begründet, dass es ein für Deutschland „singuläres Bauwerk“ und ein Zeichen der technologischen Entwicklung Deutschlands darstellt. Dass die Tragluftkuppel in Kombination mit der Antenne die letzte ihrer Art weltweit ist, hat sicher auch dazu beigetragen (es existiert noch eine weitere solche Tragluftkuppel in Frankreich, jedoch ohne Antenne).

2010 bis 2012 fand dann eine aufwendige Sanierung des Radomgebäudes statt, was auch einen Austausch der eigentlich nur für etwa 7 Jahre ausgelegten Hülle im Herbst 2010 einschloss. Dieser Hüllentausch, der sich über zwei Tage streckte, war bisher der einzige Moment, in der die Antenne ungeschützt von Außen zu sehen war. Wie man auf dem Foto erkennen kann ist die neue Hülle lichtdurchlässig, was bei der alten nicht der Fall war.

Im Jahr 2008 war es außerdem so, dass die ESA das Projekt „European Student Moon Orbiter“ (ESMO) ausgerufen hat, in der es das Ziel ist eine von Studenten entworfene und operierte Sonde zum Mond zu schicken. Neben einem Nutzlastprojekt hat sich die Technische Universität München dazu entschieden die Rolle der Bodenstation zu übernehmen und nach einiger Zeit kam der verantwortliche Lehrstuhl mit der Eigentümerin des Radoms (die Radom Raisting GmbH, eine hunderprozentige Tochter des Landkreises Weilheim-Schongau) ins Gespräch, welche es letztendlich erlaubte die Antenne für ESMO und weitere wissenschaftliche Missionen zu reaktivieren und zu nutzen. Seit dieser Zeit arbeiten mehrere Studenten der Elektrotechnik daran die Technik der Antenne zu verstehen (was dank Analogtechnik vergleichsweise einfach ist) und eine eigene Regelung zu entwerfen.

Hier noch ein paar weitere Daten zu der Antenne:

  • Drehbereich Azimut: -380° bis + 380° (also etwas mehr als zwei Drehungen, da viele der Kabel über Kabelspiralen in der Rotationsachse verlegt sind)
  • Drehbereich Elevation: -5° bis 110° (ja, der Reflektor kann leicht über den Zenit gefahren werden; das haben wir kurz vorm Verriegeln am Freitag sogar mal ausgetestet)
  • Geschwindigkeit (auf beiden Achsen): 1,5°/s (die Antenne hatte ursprünglich hydraulische Motoren, mit der 8°/s möglich waren, bei den neueren Elektromotoren macht die (damals eingebaute) Leistungselektronik das nicht mit)
  • Gewicht: 280t
  • Hersteller Metallkonstruktion: MAN
  • Hersteller Steuerung, Regelung, Antriebe, Sende-/Empfangsanlage: Siemens

Linkliste:

  • Website der Radom Raisting GmbH (besonders zu empfehlen auch die Bildergalerie mit den Videos): https://www.radom-raisting-gmbh.de/
  • ESMO Projekt: https://www.esa.int/esaMI/Education/SEML0MPR4CF_0.html
  • Website der Student Satellite Initiative Munich e.V., welche die Aktivitäten der TUM an der Antenne organisiert (und versichert): https://ssimuc.de/content/
  • Hier sind Zeitraffervideos des Hüllentausches (auch ein paar andere Newseinträge könnten interessant sein): https://ssimuc.de/content/pmwiki.php?n=Main.News#timelapseanchor
  • Ein paar Medienberichte zu ESMO: https://ssimuc.de/content/pmwiki.php?n=Main.MediaCoverage

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Und hier kommt natürlich auch noch das Bild! Wunderbar:


Was bisher geschah: Teil 1: Die staubige Fabrik, Teil 2: Rindviecher, Teil 3: Das Krawumm will hoch hinaus, Teil 4: Eishockey und Nobelpreis, Teil 5: Der Weltskeptikerkongress, Teil 6: James Randi!, Teil 7: Bulgarische Berge, Teil 8: Auf hoher See, Teil 9: Das Buch im Transit, Teil 10: Der Berliner Flughafen, Teil 11: Flauschige Eichhörnchen, Teil 12: Der Bund fürs Leben, Teil 13: Der weiße Gott, Teil 14: Besuch auf Tatooine, Teil 15: Bei den alten Römern, Teil 16: Gaudi in Barcelona, Teil 17: Geysire im Yellowstone-Park, Teil 18: Urlaubslektüre in Antalya, Teil 19: Das Unheil kommt von oben, Teil 20: Die chinesische Mauer, Teil 21: Moskau!, Teil 22: Die Abenteuer des kleinen Krawumm in der Stadtbücherei, Teil 23: Das Krawumm geht in die Luft, Teil 24: Im Land der kleinen Ponys, Teil 25: Hoch oben unter den Sternen, Teil 26: Himmelsbeobachtung

12 Gedanken zu „Ein Krawumm geht um die Welt (27): Funkkontakt zur Erde“
  1. Ich hab übrigens hier einen alten Artikel aus dem „Jahrbuch des Elektrischen Fernmeldewesens 1967“ hier. Da wird die Erdfunkstelle auch in einigen Details beschrieben. Die hatte damals MASER im Empfangsteil.

  2. Ich hab jetzt grad mal gezählt: Ich hab noch 15 weitere Einsendungen in der Warteschleife! Wenn ich jede Woche 2 veröffentliche und nicht mehr allzu viel neue kommen, dann schaff ichs noch bis 21.12.2012…

  3. @Christian: ja, die Verstärkung war damals glaub ich kaum anders zu bewerkstelligen. Wenn ich mich recht erinnere verfügte das Radom auch über eine eigene Verflüssigungsanlage. Zumindest ein Teil der Rohrleitungen vom Heliumlager zur Antenne bzw. zum Empfangsraum (im Foto der Raum rechts der Elevationsachse). Das einzige was wir davon aber nur noch verwenden ist der C-Band Feed. Selbst denn aber aktuell nicht, da zur Zeit ein L-Band Feed angeschlossen ist.

    @Florian:
    Erst mal Danke, dass du den ganzen Erklärungstext mit veröffentlicht hast :
    Dann noch eine kleine Anmerkung zu deiner Einleitung :Wusstest du, dass Planetenszenen aus Raumschiff Orion auf den Abraumhalden des Bergwerks in Peißenberg – einen in der Nähe von Raisting gelegenem Ort – gedreht wurden?

    Gruß,
    Sven

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