Man braucht nur einen Blick unters Bett oder hinter das Bücherregal zu werfen um festzustellen: Staub verschwindet nicht einfach! In 456 Lichtjahren Entfernung haben Astronomen aber nun offensichtlich genau das beobachtet. Die Staubscheibe, die einen Stern dort noch vor wenigen Jahren umgeben hat, ist verschwunden.

Wir wissen schon lange, dass Sterne sehr oft von großen Scheiben aus Staub und Gas umgeben sind. Wir können sie im normalen Licht zwar nicht sehen – der Staub leuchtet ja nicht. Aber die Strahlung des Sterns heizt den Staub auf und der gibt Wärme, also Infrarotstrahlung ab. Misst man also die Infrarotstrahlung die von einem Stern zu uns gelangt, dann sieht man manchmal deutlich mehr davon, als man eigentlich erwarten würde. So etwas nennt man „Infrarotexzess“ und es ist ein deutlicher Hinweis auf die Existent einer Staubscheibe. 1984 gelang es außerdem das erste Mal, so eine Scheibe direkt im Infrarotlicht zu sehen und heute gibt es viele Sterne, deren Staubscheiben wir sehen können.

Solche Scheiben zu sehen ist keine Überraschung. Sie entsprechen dem, was wir erwarten, wenn unsere Vorstellungen der Stern- und Planetenentstehung richtig sind. Ein Stern entsteht, wenn ein riesige Wolke aus interstellarem Gas und Staub kollabiert. Je kompakter der neue Stern wird, desto schneller dreht er sich um seine eigene Achse (so wie ein Eiskunstläufer schneller wird, wenn er die Arme an sich zieht). Deswegen kann ein Stern nicht beliebig groß werden. Irgendwann würde er so schnell werden, dass die Fliehkräfte das Material seiner äußeren Schichten wieder zurück ins All schleudern. Ein junger Stern ist also normalerweise immer von einer Scheibe aus restlichem Gas und Staub umgeben. In dieser Scheibe können dann Planeten entstehen. Die Staubteilchen kollidieren miteinander, werden größer und größer und wachsen zuerst zu Asteroiden, dann zu Planeten an. Die Asteroiden, die nicht für den Planetenbau verwendet werden, bilden einen Asteroidengürtel und wenn die Asteroiden dort zusammenstoßen, erzeugen sie neuen Staub. So eine Staubscheibe der zweiten Generation nennt man „debris disk“ oder „Trümmerscheibe“ und sie sind ebenfalls recht häufig.

Staub- und Trümmerscheiben sind nicht zwingend ein dauerhaftes Phänomen. Im Zuge der Planetenentstehung verschwindet der Staub, weil er zum Bau der Planeten verwendet wird. Wenn kein neuer Staub durch Asteroidenkollisionen nachgeliefert wird, bläst der Sonnenwind ihn langsam aber sicher aus dem System ins All. Aber all das dauert sehr lange. So eine Scheibe verschwindet nicht von heute auf morgen. Abgesehen vom Stern TYC 8241 2652 1. Da ist genau das passiert…

Den Infrarotexzess dieses Sterns hat man schon im Jahr 1983 entdeckt. 2008 hat man neue Beobachtungen angestellt und nicht viel neues gesehen. Daten aus dem Jahr 2009 zeigten dann aber eine deutlich geringere Infrarotstrahlung von der Scheibe und 2010 war sie fast ganz verschwunden. Das kann man in diesem Bild recht gut sehen:

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Wir sehen hier ein Spektrum. Auf der x-Achse ist die Wellenlänge des Lichts aufgetragen, auf der y-Achse die Menge, die der Stern in diesem Bereich jeweils abstrahlt. Im linken Bereich ist das normale, sichtbare Licht. Rechts, ungefähr bei einer Wellenlänge von einem Mikrometer (µm) beginnt der infrarote Bereich. Die durchgezogene, blassrosa Linie zeigt an, wie das Spektrum des Sterns aussehen sollte, wenn es keine Staubscheibe gibt. Man sieht aber, dass die Messwerte – die bunten Punkte – deutlich über dieser Linie liegen. Das ist der Infrarotexzess; der Hinweis auf die Staubscheibe, die zusätzliches Infrarotlicht erzeugt. Schauen wir jetzt genau auf die Messdaten. Die türkisen Vierecke, die grünen Rauten und die violetten Dreiecke zeigen Messungen, die vor 2010 gewonnen wurden. Sie liegen alle weit über der blassrosa Linie, der Infrarotexzess ist deutlich zu sehen (die schwarze durchgezogene Linie fasst die gesamten Messungen die vor 2010 gemacht wurden, zusammen). Betrachten wir aber die orangenen Rauten und die violetten Kreise, dann sind das die neuen Daten, die nach 2010 gewonnen wurden. Sie liegen viel tiefer, und zeigen an, dass die Menge an Infrarotstrahlung deutlich gesunken ist.

Irgendwas hat in nur zwei Jahren dafür gesorgt, dass ein Großteil des Staubs verschwunden ist. Jetzt will natürlich jeder wissen, was das war. Da muss ich euch leider enttäuschen. Ich zitiere mal, was die Entdecker dieses Phänomens in ihrer Arbeit geschrieben haben:

„no currently available physical model satisfactorily explains the observations“

Das heißt so viel wie: Wir wissen nicht, was da passiert ist. Natürlich gibt es Spekulationen. Die Autoren überlegen, ob vielleicht ein riesiger Ausbruch von Röntgenstrahlung des Sterns den Staub einfach verdampft bzw. weggepustet hat. Solche Ausbrüche kommen vor, vor allem bei so jungen Sternen wie TYC 8241 2652 1 (er ist erst 10 Millionen Jahre alt). Aber die Berechnungen zeigen, dass der Ausbruch viel, viel größer sein hätte müssen, als alles, was so ein kleiner Stern TYC 8241 schaffen kann (er müsste dazu 1000 mal mehr Energie abstrahlen, als er es normalerweise tut). Man hätte es auch bemerkt, wenn die Staubscheibe einfach durch irgendwas dazwischen verdeckt worden wäre. Vielleicht wurde der Staub auch durch die Wechselwirkung mit dem Gas gebremst und vom Stern angezogen. Vielleicht gab es eine Art Kollisionskaskade. Wenn die Scheibe dicht genug ist, dann könnte eine Kollision dort unter Umständen eine Kettenreaktion einleiten. Die Trümmer der Kollision sausen davon, treffen auf neue Objekte, kollidieren wieder, erzeugen noch mehr Trümmer, und so weiter. So würden viele Staubteilchen aus dem System geschleudert und der Rest in so kleine Trümmer zerschlagen, dass sie der Sternenwind hinauspustet. Man weiß aber noch zu wenig über solche Kollisionskaskaden um wirklich sagen zu können, ob sich die Beobachtungsdaten damit erklären lassen oder nicht. Es kann auch sein, dass manche Phasen der Planetenentstehung viel schneller ablaufen als bisher. Wir wissen es nicht.

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Jetzt gibt es ja Leute, die jedesmal das Ende der Wissenschaft einläuten, wenn die Forscher mal auf etwas stoßen, dass sie nicht gleich erklären können. Das ist natürlich Unsinn. Genau solche Beobachtungen sind es, die uns voran bringen. Denn wenn man etwas entdeckt, dass man nicht erklären kann, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als eine Erklärung zu finden. Am Ende wissen wir dann mehr, als wir vorher gewusst haben. Und genau darum geht es in der Wissenschaft!

24 Gedanken zu „Das Geheimnis der verschwundenen Staubscheibe“
  1. Vielleicht war’s ja auch gar keine Staubscheibe in den 80ern, sondern ein großer Kometenschweif oder so was, irgendwas Temporäres eben, was anhand des Infrarotexzesses den Anschein einer Staubscheibe erweckte.

    Man denke auch an Epsilon Aurigae, der von einem dunklen Objekt mit einer Staubscheibe umkreist wird. Vielleicht umkreist TYC 8241 ein Planet mit einer Akkretionsscheibe auf einer stark elliptischen Bahn, die ihn jetzt weiter weg vom Mutterstern geführt hat, so dass der Staub in der Scheibe abgekühlt ist. Irgend so was in der Art.

  2. Vielleicht waren es ja auch mal wieder die Vogonen, die (wie immer) rücksichtslos mit unendlichem Unwahrscheinlichkeitsdrive dort vorbeigefetzt sind, während sie ihrer berühmt-berüchtigten Dichtkunst fröhnten. (Vielleicht hat sich der Staub ob deren Dichtkunst ja freiwillig verzogen…)

  3. Versteh ich das richtig, die gesammte Staubscheibe ist in nur 2 Jahren verschwunden?
    Ich meine wir reden über eine gewaltige Menge Material.
    Das klingt wirklich Spannend. Wäre cool wenn du mehr über die Storry schreiben könntest sobald was neues rauskommt.

  4. Stand der Stern seit 1983 denn unter ständiger Beobachtung? Wenn zwischen 2008 und 2010 so eine starke Veränderung eingetreten ist, dann hat man den Stern doch sicher nicht mehr aus den Augen gelassen. Wie sieht es dort denn aktuell aus?

  5. @STefanL: „WISE ( 2010 ) und T-ReCS(2012) zeigt sie nicht und Herschel PACS(Jul 2011) und SpeX (2011) zeigt sie wieder?“

    Hmm? Alle Datenpunkte ab 2010 liegen entweder direkt auf der Linie des Sternenspektrums oder deutlich unter den früheren Messungen; unterhalb von 0,02 Jy.

  6. Könnte den ursprünglichen Infrarotexzess etwas anderes als eine Staubscheibe hervorgerufen haben? Etwas was schneller verschwinden kann?

    Oder vielleicht wird die Infrarotquelle jetzt von etwas verdeckt?

  7. Ganz klar: Aliens!

    Die haben den Staub gesammelt um einen neuen Planeten zu formen, als Zentrum des Galaktischen Imperiums. Coruscant wurde auch nicht an einem Tag gebaut, darum hat es knapp zwei Jahre gedauert, blöde Rebellen.

    https://www.lachschon.de/item/92657-WIN/

    Zurück zum ernsthaften:
    @FF:
    „[…]Im linken Bereich ist das normale, sichtbare Licht. Rechts, ungefähr bei einer Wellenlänge von einem Mikrometer (µm) beginnt der infrarote Bereich.[…]“

    Nach langem Überlegen bin ich jetzt auch durch die Grafik gestiegen. Musste zwar nach der Wellenlänge von IR Strahlung suchen (und habe dabei das hier gefunden: https://www.ferninfrarot.com/ Brrr!), aber jetzt hab ichs.

    Weil es vielleicht andere auch verwirren könnte: Ich würde das oben anders ausdrücken. Z.B.:

    „Von 0 – ungefähr 1µm liegt das sichtbare Licht (hier Link zu einer genaueren Erläuterung), über 1µm beginnt der infrarote Bereich..[…]“

    Bei „links / rechts“ teile ich, wie wahrscheinlich viele andere auch, in der Mitte und dann kommt man erst mal ins schleudern.

    Jetzt zum eigentlichen Thema:

    Kann sich einfach die „Aufsichtfläche“ zu unserer Position verschoben haben? Wenn diese Scheibe von 1983 an so “ O “ zu uns gestanden hat, dann bekommen wir doch viel mehr von der IR Strahlung mit als wenn die Scheibe so “ I “ zu uns steht. Oder? Also die Scheibe ist überhaupt nicht weg, wir sehen Sie nur nicht mehr (so stark).

  8. @FF … die ‚gepunktete‘ Extrapolationskurve wird doch von SpeX noch unterstützt und die rechts im Diagramm schwarze Extrapolationskurve wird doch auch nicht wirklich verletzt durch die ‚rosa‘ Punkte von PACS bzw. das wäre doch in Einklang mit einer moderaten Abkühlung oder fehlinterpretiere ich da das Diagramm völlig?

  9. Ich hatte nicht so drauf geachtet, dass die Scheibe bis 2009 noch da war, spricht also eher gegen meine Kometen-Planeten-Hypothese.

    @Wolf
    Die Idee ist gar nicht mal schlecht, aber der Abfall von 2009 nach 2010 ist ziemlich krass, bei einem Effekt wie bei den Saturnringen im Optischen würde das wohl allmählicher ablaufen. Sieht eher wie ein einmaliges, heftiges Ereignis aus, ein ungeheurer Sternensturm oder so was. M-Zwerge flaren schon mal heftig, und neu entstehende Sterne sind vermutlich auch ziemlich unruhig. Vielleicht lernen wir daran ja etwas über die Sternentstehung.

    Man sollte auf jeden Fall mal die Archive für den Stern aus den Jahren 2009 bis 2010 durchsuchen, ob der Stern in diesem Zeitrum irgendwie geflackert hat.

  10. @StefanL

    Die Kurven sind so zu lesen:
    Ohne Staubscheibe sollte man nur die linke Kurve messen, die Du als gepunktet bezeichnest (für mich ist sie durchgezogen, aber rot-braun).
    Mit Staubscheibe sollte man die Überlagerung der linken und der rechten Kurve sehen.

    Demgemäß sind die Messpunkte zwischen 10 und 25 µm besonders zu beachten, wo die rechte Kurve ihr Maximum hat. Und da geht es zwischen T-Recs 2009 und WISE 2010 plötzlich heftig bergab.

    Da ist zwar noch was rechts von PACS in 2011, aber nicht unbedingt die originale rechte Kurve. Vielleicht eine viel flachere, nach rechts zu kühleren Temperaturen verschobene Kurve. Vielleicht auch schon Messrauschen.

  11. @Alderamin – mit ‚gepunktet‘ meine ich die Fortführung der rechten ‚Parabel‘ nach links (besser in der Vergrößerung zu sehen) und diese schneidet die ‚rot-braune‘ ziemlich genau da, wo die SpecX Daten liegen. und die PACS-werte ( 70 -120 mu-m) widersprechen der Extrapolationskurve doch nicht völlig. Und ja, die drei Meßpunkte zwischen 10 – 25 mu-m sind wohl signifikant abweichend…
    Im zuvor angegebenen Gemeni-link-pdf zu T-ReCS wird aber auch darauf hingewiesen, das um die 10,3 -18,x mu-m eine wenn auch noch geringe so doch signifikante „Verfälschung“ durch die Luftfeuchtigkeit(humidity) besteht… und sicherlich ist das doch ziemlich plötzliche Verschwinden von millionen(?) Tonnen „Staub“ weitaus spannender als durch-was-auch-immer verfälschte Meßwerte…

  12. @Alderamin
    würde denn eine ‚rot-braun‘- WISE – PACS Kurve , u.U. mit einem Minimum irgendwo zwischen 30 – 60 mu-m ein bekanntes Phänomen beschreiben?

  13. @Wolf: „Kann sich einfach die „Aufsichtfläche“ zu unserer Position verschoben haben?“

    Das haben die Autoren sich auch überlegt. Aber dafür müsste die Scheibe enorm dünn sein und das passt nicht zu den restlichen Daten.

  14. @StefanL

    Ach so, die Punkte hatte ich nicht gesehen, weil ich die Kruve nicht vergrößert habe. Die gepunktete Kurve ist dann die Staubscheibe alleine – passend zu den Messwerten von IRAS und AKARI.

    würde denn eine ‚rot-braun‘- WISE – PACS Kurve , u.U. mit einem Minimum irgendwo zwischen 30 – 60 mu-m ein bekanntes Phänomen beschreiben?

    Na ja, was passiert, wenn der Staub kälter würde? Die Kurve würde flacher werden und sich nach rechts verschieben. Ist ja nichts anderes als eine Plancksche Strahlungskurve. Wenn sie sich innen nur ausdünnt, aber nicht vollständig verschwindet, würde der kurzwelligere Teil flacher und die Spitze breiter, das entspräche in etwa der WISE-PACS-Kurve.

    Bzgl. atmosphärischer Verfälschung, erstens dürften die Autoren das wissen, d.h. es kann nur ein Dreckeffekt sein, sonst hätten sie solche Daten gar nicht erst verwendet, und zweitens sind mindestens IRAS, WISE und Herschel Satelliten, die sehen keine Erdatmosphäre.

  15. Wie wäre es damit … der Stern strahl nicht mehr genug Energie ab um den Staub zu erwärmen und somit sichtbar zu machen? Somit wäre der Staub noch da, aber im Infrarotbereich nicht vorhanden !? Gibt´s nähere Informationen über den Stern selber – wie alt, etc.. ?

  16. @Thomas: „Wie wäre es damit … der Stern strahl nicht mehr genug Energie ab um den Staub zu erwärmen und somit sichtbar zu machen? Somit wäre der Staub noch da, aber im Infrarotbereich nicht vorhanden !? Gibt´s nähere Informationen über den Stern selber – wie alt, etc.. ? „

    Gibt es – steht auch im Artikel (der Stern ist noch sehr jung, nur 10 Millionen Jahre). Und wenn der Stern weniger Energie abstrahlt, dann würde man das merken, Dann würde die gesamte Intensität sinken.

  17. Ich finde die Idee cool, dass da vielleicht ein Planet schneller entstanden ist als man bisher angenommen hat.
    Wäre doch schön wenn jetzt, plötzlich, ein Planet um den Stern nachgewiesen werden könnte.

  18. Unterbrecht mich wenn das blöd ist, aber kann es nicht sein, dass sich das beobachtete Gebilde um die eigene Achse dreht und wir z.Zt. gerade zufällig genau auf die Kante der Staubscheibe gucken (statt in einem Winkel von oben oder unten), wodurch der beobachtbare Infrarotexzess eben sehr klein wird?

    Und evtl passiert das alle x Jahre wieder, nur zufälligerweise 1983 und 2008 nicht, aber stattdessen vielleicht 1980, 1984 , 1988, […], 2010, 2012 (die Frequenz ist hier natürlich selbstausgedacht).

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