Man kennt das ja. Wenn man so richtig viel gegessen hat, dann hat man danach keine Lust mehr, irgendwas zu tun. Interessanterweise ist es bei den Galaxien so ähnlich.

Eine Galaxie besteht aus sehr vielen Sternen, typischerweise ein paar hundert Milliarden. Aber das ist noch nicht alles. Zwischen den Sternen befinden sich große Wolken aus Gas. Und im Zentrum jeder Galaxie sitzt ein supermassereiches schwarzes Loch! Im Gegensatz zu den normalen schwarzen Löcher, die nur wenig schwerer als unsere Sonne sind, können die supermassereichen schwarzen Löcher Millionen- bis Milliarden Mal schwerer als unsere Sonne sein.

Ein schwarzes Loch ist kein Staubsauger. Es „saugt“ kein Material aus der Ferne an – aber was sich ihm zu sehr nähert, kommt nicht mehr weg. In jungen Galaxien gibt es meistens noch sehr viel Gas und Staub, vor allem im Zentrum. Deswegen haben die schwarzen Löcher dort jede Menge Futter. Wenn das Material auf das schwarze Loch fällt, dann macht es das aber nicht direkt. Aufgrund der Drehimpulserhaltung muss es sich auf einer Spiralbahn um das Loch herum bewegen bevor es hineinfällt. Es bildet sich eine sogenannte Akkretionsscheibe aus Gas, das auf enorme Geschwindigkeiten beschleunigt und aufgeheizt wird. Dabei gibt es Energie und Strahlung ab. Sehr viel Energie und Strahlung. Galaxien mit solchen aktiven schwarzen Löcher haben daher enorm helle Zentren (man nennt sie auch „Quasare“). Die enorme Strahlung der hellen Galaxienkerne heizt das umliegende Gas auf. Es bewegt sich schneller und kann komplett aus der Galaxie „hinausgeblasen“ werden. Das ist schlecht für die Entstehung von Sternen. Denn die gibt es nur, wenn eine Gaswolken komprimiert wird und dann unter ihrer eigenen Gravitationskraft zusammenfällt. Die Wolke wird immer dichter und heißer, bis es dicht und heiß genug für die Kernfusion ist: Aus der Wolke wurde ein Stern. Wenn aber wegen der Strahlung des supermassereichen schwarzen Lochs das Gas zu schnell unterwegs ist, um ein kompaktes Objekt zu bilden, dann gibt es auch keine neuen Sterne.

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Jets, die aus einem schwarzen Loch schießen (Künstlerische Darstellung: NASA/ESA/JPL-Caltech/STScI/R. Hurt (SSC))

Wie dieser Zusammenhang im Detail aussieht, haben Wissenschaftler mit dem Herschel-Weltraumteleskop untersucht. James Bock, einer der beteiligten Forscher sagte:

„Um zu verstehen wie aktive galaktische Kerne die Sternentstehung im Laufe der Zeit beeinflusst haben, haben wir die Zeit untersucht, in der die Sternentstehung am lebhaftesten war, vor etwa 8 bis 12 Milliarden Jahren“

Es lohnt sich vielleicht, hier einmal kurz zu unterbrechen und über diesen Satz nachzudenken. Wenn man sich oft mit Astronomie beschäftigt, dann neigt man dazu, es nicht mehr als Besonders anzusehen, aber: In der Astronomie sieht man die Vergangenheit! Live und in Farbe! Nirgendwo anders geht das! Ok, die Archäologen und Historiker können das untersuchen, was heute noch von der Vergangenheit übrig ist und daraus jede Menge lernen. Aber die Astronomen können die Vergangenheit sehen! Je weiter wir ins All blicken, desto länger braucht das Licht bis zu uns. Das, was wir sehen, ist die Vergangenheit. Das sollte man sich immer wieder Mal bewusst machen.

Aber zurück zur Geschichte. Das Weltraumteleskop Herschel hat sich jede Menge Galaxien angesehen. Die Forscher haben sich auf die konzentriert, die noch recht jung sind und aus der Zeit von vor 8 bis 12 Milliarden Jahren stammen. Damals war die Sternentstehung noch voll im Gange, es entstanden zehnmal mehr Sterne als heute und die Galaxien leuchteten viel heller. Das Herschel-Teleskop kann langwellige Infrarotstrahlung sehen und die eignet sich besonders gut, um herauszufinden, wie viele Sterne in einer Galaxie entstehen. Denn wenn ein junger Stern seine Hülle aus Gas und Staub aufheizt, dann gibt dieser Staub genau die Infrarotstrahlung ab, die Herschel sehen kann. Außerdem hat man mit dem Röntgen-Weltraumteleskop Chandra die Zentren der Galaxien beobachtet. Wenn das Material der Akkretionsscheibe auf das supermassereiche schwarze Loch fällt, dann gibt sie besonders viel Röntgenstrahlung ab und die kann Chandra messen.

Dann wurden die Daten verglichen. Zuerst zeigte sich, dass die Sternentstehungsrate und die Aktivität der schwarzen Löcher gemeinsam ansteigt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Je mehr interstellares Gas vorhanden ist, desto mehr Sterne können entstehen und desto mehr Gas kann auf die schwarzen Löcher fallen. Allerdings nur bis zu einer gewissen Grenze! Darüber hinaus wird das schwarze Loch zu aktiv und behindert neue Sternentstehung. Sich zu überfressen ist halt auch für Galaxien keine gute Idee…

8 Gedanken zu „Überfressene Galaxien: Wenn schwarze Löcher die Sternentstehung verhindern“
  1. @Gast „Wenn diese Gasscheiben Energie UND Strahlung (= Energie) abgeben, um welche andere Form von Energie handelt es sich dann? „

    Strahlung muss nicht gleich Energie sein. Es gibt nicht nur elektromagnetische Strahlung sondern z.B. auch Partikelstrahlung (wie den Sonnenwind oder die kosmische Strahlung)

  2. Dass Strahlung nicht gleich Energie sein muss
    ist mir neu.
    Das wäre ja dann die kinetische Energie in der
    Partikelstrahlung, die nach außen wandert
    und das entferntere Gas wegtreibt.
    Wegen Impulserhalt müsste dasselbe dann
    auch nach innen hin passieren und das Loch
    füttern anstatt Sterne zu bilden…..

  3. Hm, ich dachte immer (und dein Bild zeigt das ja auch), dass die Strahlung vor allem in Form von 2 Jets abgegeben wird, die meist senkrecht zur Galaxie zeigen? Wie kann das dann auf die Galaxie so einen großen Einfluss haben?

    Und selbst wenn da Strahlung auch in andere Richtungen abgegeben wird: warum wird dadurch das Gas stärker verteilt und nicht eher (bzw. auch an anderen Stellen) verdichtet?

  4. @Bjoern; Es geht darum, das der AGN das interstellare Gas aufheizt. Dadurch wird es schnell genug, um aus der Galaxie rausfliegen zu können. Das Bild ist ein wenig irreführend, da hast du recht. Vielleicht formuliere ich das im Text nochmal anders. Die letzten Details kenne ich leider selbst nicht, da ich keinen Zugriff auf den Nature-Artikel habe: https://www.nature.com/nature/journal/v485/n7397/full/nature11096.html (meine übliche „Geheimtür“ – keine Angst, alles völlig legal 😉 – zu Naturepapers ist gerade down…)

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