Am 6. Juni 2012 gibt es ein astronomisches „Jahrhundertereignis“ – im wahrsten Sinne des Wortes, denn das nächste Ereignis dieser Art wird erst wieder im Jahr 2117 stattfinden. Es ist ein Venustransit! Dabei wird die Venus von der Erde aus gesehen vor der Sonnenscheibe vorüber ziehen. Dieses Ereignis ist nicht nur selten, sondern auch von wissenschaftlicher Bedeutung. Es lohnt sich daher, sich näher damit zu beschäftigen und das möchte ich in den 4 Wochen bis zum Transit in einer kleinen Serie tun. Den Anfang macht die Astronomie. Was genau passiert bei einem Transit? Wie kommt es dazu? Und warum ist der Venustransit so ein seltenes Ereignis?
Die Grundlagen sind eigentlich recht simpel. Die Erde bewegt sich auf ihrer Bahn um die Sonne. Die Venus ebenfalls und zwar innerhalb der Erdbahn. Manchmal kommt es vor, dass die Venus von der Erde aus gesehen genau vor der Sonne steht:
Die oben abgebildete Situation nennt man in der Astronomie untere Konjunktion (würde Venus genau auf der anderen Seite der Sonne stehen, dann wäre es eine obere Konjunktion).
Die Venus braucht für einen Umlauf um die Sonne genau 224,701 Tage. Ihre Geschwindigkeit beträgt also 1/224.701 ~ 0,00445 Umläufe pro Tag. Die Erde braucht bekanntlich 365,256 Tage für einen Umlauf und hat daher eine Geschwindigkeit von 1/365,256 ~ 0,0027 Umläufe pro Tag. Die relative Geschwindigkeit zwischen Erde und Venus bekommen wir, wenn wir einfach die Geschwindigkeit der Erde von der Geschwindigkeit der Venus abziehen. Das ergibt 0,00171 Umläufe pro Tag oder umgerechnet eine Umlaufperiode von 583,92 Tagen, also ein bisschen mehr als anderthalb Jahre. Alle 583,92 Tagen stehen Erde und Venus also wieder in unterer Konjunktion.
Aber nicht jedesmal, wenn es eine untere Konjunktion gibt, findet auch ein Venustransit statt. Denn die Bahn der Venus ist ein klein wenig gegenüber der Bahn der Erde geneigt. Wenn wir von der Erde auf die Venus blicken kann es also vorkommen, dass sie über beziehungsweise unter der Sonne steht anstatt direkt davor. Einen beobachtbaren Venustransit gibt es nur dann, wenn die Venus fast genau in einem der sogenannten „Knotenpunkte“ steht. Also den beiden Punkten, wo die Bahn der Venus die Ebene der Erdbahn von oben nach unten beziehungsweise von unten nach oben durchstößt. Nur dann können wir sie von der Erde aus vor der Sonne stehen sehen.
Nehmen wir einmal an, es wäre gerade so weit. Die Venus steht bei einer unteren Konjunktion genau im Knotenpunkt. Wir sehen einen Venustransit. Wann wird dieses Ereignis das nächste Mal stattfinden? Dazu schauen wir uns die Zahl von 583,92 Tagen nochmal an. Die haben wir oben gerade berechnet, es ist der Zeitraum, mit dem sich untere Konjunktionen wiederholen. Man nennt das die synodische Periode der Venus. Aber wir wollen ja nicht nur eine untere Konjunktion, wir wollen eine komplette Wiederholung der Situation: untere Konjunktion im Knotenpunkt! Wenn wir ein bisschen mit den Umlaufzeiten von Erde und Venus herumspielen, dann entdecken wir eine eine 8:13 Resonanz. Das bedeutet, dass acht Umläufe der Erde um die Sonne (2922,048 Tage) fast genau so lange dauern wie 13 Umläufe der Venus um die Sonne (2921,113 Tage). Das ist interessant, aber noch interessanter ist, dass auch das Fünffache der synodischen Periode eine fast gleichgroße Zahl ergibt: 5 * 583,92 = 2919,6 Tage.
Die 8:13 Resonanz sagt uns, dass sich Erde und Venus nach 8 Jahren wieder in der gleichen Konfiguration einfinden. In der gleichen Zeit haben fünf untere Konjunktionen stattfgefunden und weil das Fünfache der synodischen Periode ebenfalls fast genau 8 Jahre beträgt gibt es auch jetzt wieder eine. Wir haben also nach 8 Erdenjahren (bzw. 13 Venusjahren) eine Wiederholung der Transit-Situation: Es findet eine untere Konjunktion in einem Knotenpunkt statt. Allerdings nicht ganz exakt! Die acht Jahre machen 2922 Tage aus, das Fünfache der synodischen Periode ist mit 2919,6 Tagen allerdings knapp zweieinhalb Tage kürzer. Die Situation wiederholt sich also nicht ganz exakt, die Venus kommt 2,5 Tage früher zurück zum eigentlichen Ausgangspunkt als die Erde.
Jetzt müssen wir noch ein kleines bisschen rechnen. Wenn wir warten, bis die Erde die 2,5 Tage aufgeholt hat, dann hat sich die Venus in der Zwischenzeit noch ein kleines Stück weiterbewegt. Das kann man leicht ausrechnen (ich lasse die Details jetzt mal weg, es ist aber wirklich nicht schwer): es sind 0,0305 Astronomische Einheiten (AE) oder knapp 4,5 Millionen Kilometer. Da die Bahn der Venus gegenüber der Erdbahn geneigt ist (um 3,4 Grad), hat sie sich während dieser 4,5 Millionen Kilometer auch ein bisschen nach oben bzw. nach unten bewegt. Und zwar um 0,0018 AE oder 269000 Kilometer. Von der Erde aus gesehen hat sich die Venus um 0,369 Grad nach oben bzw. unten bewegt. Das entspricht 22 Bogenminuten. Acht Jahre nach dem ursprünglichen Transit befindet sich die Venus also nun 22 Bogenminuten über bzw. unter ihrer ursprünglichen Position. Die Sonne sehen wir von der Erde aus als eine Scheibe mit einem Durchmesser von 30 Bogenminuten. Wenn beim ursprünglichen Transit die Venus also beispielsweise am unteren Rand der Sonnenscheibe zu sehen war, dann ist sie nun, 8 Jahre später, 22 Bogenminuten höher und damit am oberen Rand der Sonne zu sehen. Nochmal acht Jahre später ist die Venus wieder um 22 Grad nach oben gewandert und wir sehen sie nicht mehr vor der Sonne. Es findet kein Transit statt.
Jetzt wissen wir, warum zwei Venustransits so oft im Abstand von 8 Jahren aufeinander folgen. Wir haben jetzt einen Transit am 6. Juni 2012 und der letzte davor fand am 8. Juni 2004 statt. Davor fand ein Transitpaar in den Jahren 1874/1882 statt und davor in den Jahren 1761/1769. Und so weiter. Es gibt also (fast) immer zwei Transits im Abstand von 8 Jahren und dazwischen ist immer für mehr als 100 Jahre Pause. Auch das lässt sich leicht verstehen. Die 8:13 Resonanz die wir oben gefunden haben, war ja nicht ganz exakt – es gab diesen Unterschied von 2,5 Tagen. Viel exakter ist eine 243:395 Resonanz. 243 Umläufe der Erde entsprechen 395 Umläufen der Venus und 152 synodischen Perioden. Nur alle 243 Jahre wiederholt sich eine untere Konjunktion in einem Knotenpunkt wirklich genau. Allerdings gibt es ja zwei Knotenpunkte. Es gibt also zwei 243-Jahr-Perioden, die sich überlagern. Den einen Knotenpunkt erreicht die Venus im Juni, den anderen im Dezember. Jetzt haben wir ein Transitpaar, das im Juni stattfindet. 243 Jahre davor, in den Jahren 1761/1769 gab es ebenfalls ein Transitpaar im Juni. Dazwischen gab es aber in den Jahren 1874/1882 ein Transitpaar, das im Dezember stattfand, genauso wie das Transitpaar 243 Jahre vorher in den Jahren 1631/1639. Und das nächste Transitpaar in den Jahren 2117/2125 wird ebenfalls im Dezember stattfinden.
Venustransits sind also tatsächlich sehr seltene Ereignisse! Man bekommt bestenfalls zwei im Abstand von 8 Jahren zu sehen; die nächsten kommen dann erst über 100 Jahre später! Wenn sich also die Gelegenheit bietet, einen Transit zu beobachten, dann sollte man sie nutzen! Aber dazu mehr beim nächsten Artikel der Serie.
Schade, das man diesmal so weit reisen muss um den Transit vernüftig zu sehen (aber da schreibst Du ja noch garantiert darüber). Da ich den Transit vor acht Jahren aber gut sehen konnte, ist es dann doch nicht so schlimm wenn ich den verpasse (denn ich glaube nicht, dass das Wetter mitspielt und ich das Ende hier sehen kann). Trotzdem werde ich mir wohl einen Beobachtungsplatz mit freiem Nordost-Blick suchen…
Ja genial! Hoffentlich habe ich zu diesem Ereignis Zeit und das Wetter spielt mit.
Da fällt mir ein:
Den Venustransit 2004 hatte ich (Mangels guter Ausrüstung) mit einer abenteuerlichen Konstruktion sogar fotografiert: Ich nahm mein Fernglas, pappte meine alte SoFi-Brille (von 1999) vorne drauf und fotografierte bei maximalem Zoom (optisch + digital) mit einer 3MP Casio Exilim Z3 durch das Fernglas – und das hat sogar funktioniert!
Hier das Ergebnis:
https://s1.directupload.net/images/120507/4z5oywjw.jpg
@2002el6
Sieh’s positiv: die Sonne geht mit der Venus im Transit auf, das sieht sicherlich spektakulär aus. Man kann sie möglicherweise mit bloßem Auge sehen (aber nur, wenn die Sonne tiefrot ist; wenn sie blendet, keinesfalls in die Sonne starren, und optische Hilfsmittel sind ohne Filter ohnehin strengstens verboten! Die Atmosphäre lässt Rot besser durch als kürzere Wellenlängen, und unischtbares, aber durchaus schädliches nahes Infrarot noch besser als Rot). Auf jeden Fall kann man sie mit einem Teleobjektiv (150 mm aufwärts) und einer Spiegelreflex aufnehmen (wer eine Vollformat-Spiegelreflex hat, sollte eher 250 mm aufwärts ansetzen).
Belichtung am besten Punktmessung auf die Sonnenscheibe und eine Blende abblenden, eine reine Rotlichtquelle belichtet gerne mal die roten Pixel über, wenn die Helligkeit an sich noch im Rahmen wäre. Da man Zeit genug hat, sollte man ohnehin mehrere Blenden / Belichtungszeiten um den Sollwert machen. Wenn die Sonne steigt, wird sie heller, und dann muss man die Einstellungen anpassen, und bald schon braucht man ein Filter. Noch ist Zeit, Baader-Folie zu bestellen, man braucht nur diese Folie, Pappe und Klebstoff, um daraus ein maßgeschneidertes Filter zu bauen. Man nimmt für’s Fotografieren die fotografische Variante, die ist 10-fach durchlässiger als die optische, was bei der tief stehenden, abgeschwächten Sonne besonders hilfreich ist. Ein A4-Bogen kostet nur 20-25 Euro.
Ich hoffe sehr, das Wetter spielt mit. 2004 hatte ich noch mit einer (guten) Kompaktkamera und einer „Russentonne“ auskommen müssen. Diesmal bin ich mit einem 125 mm Refraktor / digitale Spiegelreflex und einem Coronado H-Alpha-Teleskop / Astrolumina Videokamera am Start. Schaun wir mal!
ich bin bis zum 10.6. in valladolid/ spanien und hab gehört das der transit hier angeblich nicht zu sehen sein wird. stimmt das denn? laut meinem astronomischen jahrbuch kann man nähmlich den transit in spanien sehen. ich hab eigentlich extra dafür mein teleskop mit genommen und mir ne sonnenfilterfolie bestellt. die ist inzwischen auch hier.
@Piepsi
Na, genial!
Allerdings Achtung mit der Sofi-Brille: Dass mir keiner auf die Idee kommt, die kleine Brille passe viel besser hinter das Fernglas; oder dass er oder sie die Brille aufsetzt und dann ein Fernglas davorhält! Keine gute Idee!
Einfacher ist es, ein Objektiv des Fernglases abzudecken und mit dem anderen die Sonne auf einen weißen Karton zu projizieren. Das lässt sich dann auch abfotografieren. Man braucht so ca. 1 m Abstand zur Projektionsfläche und sollte das Fernglas an einem Fotostativ befestigen.
Man sucht die Sonne dann nicht etwa, man durchschaut, sondern versucht, den Schatten des Feldstechers möglichst klein zu machen und hält dann die Hand kurz hinter das Okular, um auf der Handfläche das Sonnenbild zu finden. Dann Stativ fixieren und auf Projektionsfläche scharf stellen.
@Gaz: „ich bin bis zum 10.6. in valladolid/ spanien und hab gehört das der transit hier angeblich nicht zu sehen sein wird. stimmt das denn?“
Hmm – könnte knapp werden. Spanien ist gerade an der Grenze der Sichtbarkeit (hier ist ein Bild: https://www.venustransit.de/venustransit-reisen.htm). Wenn, dann sieht man ihn nur für kurze Zeit nach dem Sonnenaufgang.
ja, das man es wohl nur kurz sieht hat man mir auch erzählt, angeblich nur so ca. eine minute. aber ich wollte lieber bei dir nochmal nach fragen. das bild funktioniert übrigens nicht. gibt es ne möglichkeit raus zu bekommen wann morgens es denn ungefähr sein wird?
@Gaz
Eine Minute wäre echt wenig bei mehr als 6 Stunden Transit…
Florians Link geht, wenn man die zwei Zeichen „).“ am Schluss der URL löscht.
Du wärst jedenfalls besser in die Türkei, Ägypten oder nach Spitzbergen gereist, um den Transit zu beobachten. Oder nach Hawaii, wo man ihn in voller Länge sieht.
hallo!
am ende des 2. absatz unter dem bild von 1882 hat sich ein fehler eingeschlichen. du hast grad statt bogenminuten geschrieben.
OK. Ich oute mich:
Klar hab ich den 2004-er Transit beobachtet. Aber eigentlich – wars ziemlich langweilig. Du wandert also eine kleine schwarze Scheibe vor der Sonne, so aufregend ist das auch wieder nicht.
Der wirklich spannende Teil ist ja die Frage: wann genau findet der 1./2. Kontakt (bzw. 3./4.) statt. Mangels guter Optik kann ich das allerdings nicht exakt feststellen. Trotzdem möchte ich versuchen wenigstens einigermassen gute Zeiten zu bekommen um dann damit zu rechnen. Mal sehen was rauskommt.
Also: Gräm dich nicht in Spanien. Ein dunkles Scheibchen vor der Sonne ist nicht so wahnsinnig spektakulär. (Meine Meinung)
genau das hab ich mir auch gedacht das eine minute viel zu kurz ist. vielleicht hab ich denjenigen auch nur falsch verstanden. ich bin in spanien wegen auslandspraktikum und spanisch lernen. deswegen konnte ich mir nicht so wirklich aussuchen wo ich den transit sehen kann.
@Gaz: auf https://www.calsky.com/ kannst du dir die Daten anzeigen lassen. Danach ist am 6.6. in Valladolid Sonnenaufgang um 6:45, der Venustransit endet um 6:55. D.h. wenn du freie Sicht auf den Horizont hast, kannst du vielleicht mit Glück gerade noch sehen, wie die Venus wieder neben der aufgehenden Sonne verschwindet. Große Hoffnungen würd ich mir aber nicht machen.
naja muss ich halt früh aufstehen und hoffen das es doch irgendwie klappt. trotzdem danke an alle. 🙂
Nachlesen kann man die Geschichte früherer Venustransits sehr gut in dem Buch Die Spur des Abendsterns von Gudrun Bucher.
Sehr gut erklärt, sehr guter Artikel, DANKE Florian!
besser gehts nicht zum erklären,DANKE Florian,
Jetzt wissen wir, warum zwei Venustransits so oft im Abstand von 8 Jahren aufeinander folgen. Wir haben jetzt einen Transit am 6. Juni 2012 und der letzte davor fand am 8. Juni 2004 statt. Davor fand ein Transitpaar in den Jahren 1874/1882 statt und davor in den Jahren 1761/1769. Und so weiter. Es gibt also (fast) immer zwei Transits im Abstand von 8 Jahren und dazwischen ist immer für mehr als 100 Jahre Pause. Auch das lässt sich leicht verstehen. Die 8:13 Resonanz die wir oben gefunden haben, war ja nicht ganz exakt – es gab diesen Unterschied von 2,5 Tagen. Viel exakter ist eine 243:395 Resonanz. 243 Umläufe der Erde entsprechen 395 Umläufen der Venus und 152 synodischen Perioden. Nur alle 243 Jahre wiederholt sich eine untere Konjunktion in einem Knotenpunkt wirklich genau. Allerdings gibt es ja zwei Knotenpunkte. Es gibt also zwei 243-Jahr-Perioden, die sich überlagern. Den einen Knotenpunkt erreicht die Venus im Juni, den anderen im Dezember. Jetzt haben wir ein Transitpaar, das im Juni stattfindet. 243 Jahre davor, in den Jahren 1761/1769 gab es ebenfalls ein Transitpaar im Juni. Dazwischen gab es aber in den Jahren 1874/1882 ein Transitpaar, das im Dezember stattfand, genauso wie das Transitpaar 243 Jahre vorher in den Jahren 1631/1639. Und das nächste Transitpaar in den Jahren 2117/2125 wird ebenfalls im Dezember stattfinden.
Kewl! TheSunToday veranstaltet übrigens einen sechseinhalb-stündigen live Broadcast aus Hawaii und auf deren Homepage ist ein sekundengenauer Countdown eingeblendet. Klingt vielversprechend 🙂
https://astromedia.eu/
Kann ich empfehlen – etwas runter scrollen und einen Sonnenprojektor finden 🙂
(Ich habe versucht einen zu basteln, nach Alderamins Anleitung, aber zufrieden war ich nicht, und Astromedia hat ausnehmend hübsche …)