Quasare sind tolle Objekte und das nicht nur, wegen des coolen, an Science-Fiction-Bücher erinnernden Namen. Eigentlich kommt die Bezeichnung ja von „quasi-stellar object“. In den 1950er Jahren begann man in Großbritannien gerade damit, die Radioastronomie zu entwickeln und bei den ersten Beobachtungen fand man jede Menge Radioquellen am Himmel. Viele davon konnte man durch Beobachtungen mit normalen Teleskopen identifizieren und sah, dass es sich um Galaxien handelte. Bei anderen sah man allerdings nur schwach leuchtende Punkte im Teleskop, die fast wie Sterne aussahen. Später stellte man allerdings fest, dass diese Punkte enorm weit weg waren, also keine Sterne sein konnten. Damit sie trotz der Entfernung noch zu sehen waren, musste es sich dabei um ganze Galaxien handeln die eben nur so erschienen wie Punkte. Man hatte es also mit quasi stellaren Objekten zu tun: den Quasaren.

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Ein Quasar – sieht aus wie ein Stern… (Aufnahme vom Lohrmann-Observatoriums der TU Dresden)

Heute wissen wir, dass die Quasare die aktiven Zentren einer Galaxie sind. Im Mittelpunkt aller großen Galaxien (inklusive unserer Milchstraße) sitzen riesige supermassereiche schwarze Löcher. Sie können einige Millionen oder gar Milliarden mal schwerer sein, als die Sonne. Das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße ist relativ ruhig. Es hat alles Material in seiner Nähe schon längst eingeschlurpt und genehmigt sich nur noch ab und zu einen kleinen Happen. In anderen Galaxien geht es wilder zu. Wenn in der Nähe des schwarzen Lochs noch viel Material – im allgemeinen interstellares Gas – vorhanden ist, dann bildet sich eine sogenannte Akkretionsscheibe aus. Denn wegen der Drehimpulserhaltung kann das Gas nicht in gerader Linie ins Loch fallen. Es bewegt sich spiralförmig um das Loch herum und wird durch die Reibung mit der ganzen anderen Materie in der Scheibe enorm aufgeheizt. Das aufgeheizte Material gibt elektromagnetische Strahlung in allen Wellenlängenbereichen (Licht, Radio, Röntgenstrahlung,…) ab und das Zentrum der Galaxie leuchtet strahlend hell. Quasare sind die leuchtenden Herzen aktiver Galaxien.

Aber gerade weil sie so stark strahlen, ist es oft schwer, mehr über sie herauszufinden. Quasare überstrahlen die restlichen Sterne ihrer Galaxie und machen es den Astronomen damit schwer, ihre gesamte Leuchtkraft abzuschätzen. Normalerweise kann man das Licht aller Sterne einer Galaxie messen und daraus dann berechnen, wie viele Sterne es dort gibt. So bekommt man eine gute Abschätzung für die Masse – aber bei Galaxien, in denen ein Quasar sitzt, klappt das nicht.

Aber wie immer gibt es Möglichkeiten, man muss nur kreativ sein 😉 In solchen Fällen machen sich Astronomen eine Eigenschaft des Raums zu nutze, von der wir seit 1915 wissen. Da hat Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie veröffentlicht, die besagt, dass jede Masse die Raumzeit krümmt. Das ist die Ursache der Gravitationskraft; es hat aber noch andere Auswirkungen. Ein Lichtstrahl, der sich durch den Raum bewegt, wird der Krümmung ebenso folgen. Die Raumkrümmung lenkt das Licht also ab und kann unter den richtigen Umständen wie eine Linse funktionieren. Stellen wir uns eine Galaxie vor; weit entfernt von der Erde. Und stellen wir uns, irgendwo zwischen Erde und der fernen Galaxie, ein weiteres schweres Objekt vor. Zum Beispiel einen Quasar. Dieser Quasar sollte genau entlang der Sichtlinie zwischen Erde und ferner Galaxie liegen. Lichtstrahlen, die eigentlich ungestört von der Galaxie zur Erde (und dann in die Teleskope der Astronomen) gelangen, treffen nun auf den Quasar, der im Weg steht und die von ihm verursachte Krümmung des Raums. Das Licht wird abgelenkt und wir sehen die ferne Galaxie nicht mehr richtig. Wir sehen ein verzerrtes Bild, wie durch eine Linse. Und genau das ist der Quasar auch: Eine Gravitationslinse. Sie deformiert das Bild der Galaxie, verschmiert es zu einem Bogen oder erzeugt manchmal sogar Mehrfachbilder.

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Eine Gravitationslinse verschmiert das Bild einer fernen Galaxie zu einem Einsteinring (Bild: ESA/Hubble/NASA)

Der Gravitationslinseneffekt wurde schon oft beobachtet. Die Art und Weise, wie das Bild deformiert wird, hängt von der Masse der Linse ab. Man hat ihn deswegen benutzt, um herauszufinden, wo sich dunkle Materie befindet, die wir ja nur über ihre Gravitationswirkung finden können, da sie keine elektromagnetische Strahlung abgibt. Der Gravitationslinseneffekt kann aber auch verwendet werden, um die Masse des Quasars zu bestimmen (bzw. die Masse der gesamten Galaxie, die den Quasar enthält). Das haben Frederic Courbin von der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne und seine Kollegen getan („Three QSOs acting as strong gravitational lenses“ (pdf). Zuerst haben sie knapp 23000 Spektren von Quasaren aus einem Katalog untersucht. In einem Spektrum findet man ja Spektrallinien und die sind verschoben, je nachdem, wie weit entfernt der Quasar ist. Courbin und sein Team haben nun nachgesehen, ob sie in den Spektren irgendwo Linien finden, die nicht so verschoben sind, wie sie es sein sollten. Wenn sich zum Beispiel im Spektrum einerseits Linien finden, die genau so stark verschoben sind, wie es der Entfernung des Quasars entspricht und andererseits auch Linien, die stärker verschoben sind, dann ist das ein Hinweis darauf, dass sich hinter dem Quasar noch eine weitere Galaxie befinden muss, deren Licht sich mit dem des Quasars vermischt hat. Man hätte dann also genau den oben beschriebenen Fall: eine ferne Galaxie, zwischen der und der Erde sich ein Quasar befindet.

Bei drei Spektren wurden die Forscher fündig. Der nächste Schritt bestand nun in einer detaillierten Beobachtung der Quasare. Wenn sich dahinter wirklich eine ferne Galaxie befindet, dann müsste man eigentlich dank des Gravitationslinseneffekts ein paar verzerrte Bilder von ihr in der Nähe des Quasars sehen können. Also hat man das Hubble-Weltraumteleskop auf die Objekte gerichtet. Hier ist das Resultat:

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In allen drei Bildern sieht man deformierte Galaxienbilder, verursacht durch die Krümmung der Raumzeit des Quasars (die Pfeile zeigen auf die entsprechenden Strukturen). Besonders schön sieht man das auf dem Bild ganz links. Die ferne Galaxie wurde hier gleich doppelt abgebildet; rechts oben und links unten des Quasars (der helle, bläuliche Punkt links in der Mitte) sieht man zwei Bögen. Das sind beides verzerrte Bilder der selben Galaxie. Auch die anderen beiden Quasare haben schöne Verzerrungen hervorgerufen und dank ihnen war es Courbin und seinen Kollegen möglich, die Masse der Quasare bzw. der Galaxien, die sie beheimaten, zu bestimmen. Sie hoffen nun, ihre Techniken zur Datenauswertung verbessern zu können, um so einen ganzen Katalog solcher Quasar-Linsen zu erstellen mit dem sich die Eigenschaften der Quasare dann besser untersuchen lassen als es jetzt der Fall ist.

15 Gedanken zu „Wie man mit der Raumkrümmung Quasare wiegen kann“
  1. Sehr schöner Beitrag. Wirklich sehr interessant.
    Ich habe nur eine Frage. Ist es nicht so, dass die Verschiebung von Spektrallinien damit zusammenhängt, wie schnell oder langsam ein Objekt sich auf uns zu bzw. von uns weg bewegt (Stichwort: Dopplereffekt)? Wie kann eine Verschiebung der Linien einzig durch die Entfernung hervorgerufen werden? Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir das beantworten könntest, da mich das wirklich interessiert.

  2. Ist es nicht so, dass die Verschiebung von Spektrallinien damit zusammenhängt, wie schnell oder langsam ein Objekt sich auf uns zu bzw. von uns weg bewegt

    Ganz genau

    Wie kann eine Verschiebung der Linien einzig durch die Entfernung hervorgerufen werden?

    Das war die Erkenntnis, für die letztendlich Edwin Hubble berühmt geworden ist. Je weiter Objekte von uns entfernt sind, desto schneller bewegen sie sich von uns weg (auf kosmologischen Skalen, wir sprechen hier also von Galaxien). Das ist letztlich genau das, was man bei einer Explosion erwarten würde und was letztendes (auch) zur Big-Bang Theorie geführt hat.

    Achtung, Analogie, die etwas hinkt! Stell dir einen Luftballon vor, den du aufbläst. Markierst du mehrere Punkte auf der Oberfläche und nimmst einen als deinen Basispunkt an, so entfernen sich andere Punkte von diesem Basispunkt umso schneller, je weiter sie von ihm entfernt sind. Die Analogie hinkt deshalb, weil es sich hier nur um die Oberfläche des Ballons handelt, also eine 2D Expansion darstellt, während das Universum 3-dimensional expandiert.

    Daher ist die Geschwindigkeit, mit der sich weit entfernte Objekte von uns entfernen ein Mass dafür, wie weit sie weg sind.

  3. @Lukas: „Wie kann eine Verschiebung der Linien einzig durch die Entfernung hervorgerufen werden? Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir das beantworten könntest, da mich das wirklich interessiert. „

    Das liegt an der Expansion des Alls. Jede Galaxie bewegt sich von jeder anderen weg und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt ist (Hubbles Gesetz). Die Entfernung hängt über die Hubble-Konstante direkt mit der Geschwindigkeit zusammen.

  4. Hmm, aber bei den Hubble-Bildern sind die gelinsten Bögen so groß, dass sie den gesamten Bulge der Galaxie oder gar mehr (erstes Bild) einkreisen. Da linst doch nicht nur der Quasar, sondern auch die Milliarden von Sternen im Bulge kräftig mit. Ich dachte immer, die Masse des Quasars sei im Verhältnis zu derjenigen der Muttergalaxie eher klein, wie trennt man denn dann die Masse des Quasars von derjenigen der Sterne?
    Kann man vielleicht letztere Abschätzen und dann Herausrechnen?

  5. @Alderamin: „Ich dachte immer, die Masse des Quasars sei im Verhältnis zu derjenigen der Muttergalaxie eher klein, wie trennt man denn dann die Masse des Quasars von derjenigen der Sterne? Kann man vielleicht letztere Abschätzen und dann Herausrechnen?“

    Hmm – das hab ich wohl schlecht ausgedrückt. Es ging um die Bestimmung der Masse der „quasar host galaxies“. Also das ganze Teil, nicht nur den Quasar selbst. Die Linse ist die komplette Galaxie und deren Masse bestimmt auch.

  6. Florian hat geschrieben „Jede Galaxie bewegt sich von jeder anderen weg und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt ist (Hubbles Gesetz).“
    Das versteh ich nicht. Das würde doch bedeuten das sich Galaxien nie kreuzen könnten, oder?

  7. Florian hat geschrieben „Jede Galaxie bewegt sich von jeder anderen weg und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt ist (Hubbles Gesetz).“
    Das versteh ich nicht. Das würde doch bedeuten das sich Galaxien nie kreuzen könnten, oder?

  8. @rich

    Im Nahbereich zwischen den Galaxien ist die Expansion des Universums vernachlässigbar gegenüber ihrer Eigenbewegung, deshalb können z.B. die Milchstraße und der Andromedanebel miteinander kollidieren, sie bewegen sich aufeinander zu. Aber ab ca. 200 Millionen Lichtjahren Abstand beginnt die Hubble-Expansion zu dominieren und die Eigenbewegung spielt immer weniger eine Rolle.

  9. Wie soll Raum der Nichts ist (Vakuum) gekrümmt werden?
    Was am Raum wird gekrümmt? Mathematisch beschreibbar, aber physikalisch nicht nachvollziehbar. Nicht überzeugend ist auch die Ansicht, dass das All nur da expandieren soll, wo es die Gravitationstheorie nicht gefährdet. Ab welcher Entfernung expandiert der Raum denn genau?

  10. @Stefan

    Wie soll Raum der Nichts ist (Vakuum) gekrümmt werden?
    Was am Raum wird gekrümmt?

    Wenn Du einen Lichtstrahl nahe an einer großen Masse vorbeilenkst, wird er der Raumkrümmung folgen und einen Bogen beschreiben (wurde schon beobachtet, Sterne die bei Sonnenfinsternissen dicht neben der Sonne ihre Position verändern). Wenn Du einen Kreis um eine Masse ziehst und dessen gemessenen Umfang durch seinen gemessenen Durchmesser teilst, kommt weniger als Pi heraus. Das ist eine nicht-euklidische Geometrie, eben gekrümmter Raum.

    Nicht überzeugend ist auch die Ansicht, dass das All nur da expandieren soll, wo es die Gravitationstheorie nicht gefährdet.

    Das tut sie auch gar nicht, ein Term für die kosmische Expansion war schon in Einsteins ursprünglichen Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie (aka Gravitationstheorie) drin und nannte sich „kosmologische Konstante“. Das war eine Integrationskonstante, die man lange für 0 gehalten hatte.

    Masse krümmt den Raum, dunkle Energie ebenfalls, nur anders herum. Die Raumkrümmung wird in der Nähe von Massen von diesen dominiert und verursacht Anziehung, in großer Entfernung überwiegt die Raumkrümmung und bewirkt Abstoßung. Es gibt keine scharfe Grenze, sie hängt von den Massen und ihren Geschwindigkeiten zueinander ab, aber wie oben geschrieben überwiegt die kosmische Expansion ab ca. 200 Millionen Lichtjahren die typischen Eigenbewegungen der Galaxien umeinander.

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