Seit der Entdeckung des ersten echten Exoplaneten im Jahr 1995 beschäftigt vor allem die Öffentlichkeit und die Medien eine große Frage: Gibt es irgendwo einen anderen Planeten, auf dem die gleichen Bedingungen wie auf der Erde herrschen? Auf dem Leben möglich ist oder sogar existiert? Die Astronomen sind nicht ganz so eng fokussiert wie die Medien; sie wollen einfach mehr über Exoplaneten rausfinden, egal ob erdähnlich oder nicht. Andererseits sind auch Astronomen nur Menschen und der Frage nach Planeten mit außerirdischem Leben können sie sich schwer entziehen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Suche nach dem ersten wirklich erdähnlichen Planeten mit großem Engagement betrieben wird. Bis jetzt war man schon oft fast erfolgreich. Man hat Planeten entdeckt, die die gleiche Größe, Masse oder Dichte wie die Erde besessen haben. Man hat Planeten entdeckt, die sich genau im richtigen Abstand von ihrem Stern befunden haben, in der sogenannten „habitablen Zone“, dort wie die Temperatur für die Entstehung genau richtig wäre. Aber bis jetzt hat man noch keinen Planeten gefunden, auf den beides zutrifft. Ein Planet, mit der richtigen Größe und der richtigen Zusammensetzung im richtigen Abstand: Danach suchen alle. Zur Zeit geht die Entdeckung einer „Supererde in der habitablen Zone“ durch alle Medien. Ist das nun der gesuchte Planet? Oder wieder nur eine „Fast-Entdeckung“?
Der Planet, um den es geht, nennt sich GJ 667Cc. Er umkreist einen roten Zwerg; also einen recht lichtschwachen, kühlen kleinen Stern. Dieser Stern ist Teil eines Mehrfachsystems – das erkennt man schon an seinem Namen. Das „GJ“ bezeichnet den Gliese-Jahreiß-Katalog, der Sterne in der Nähe der Sonne enthält. „667“ ist die Nummer des Eintrags. Und das „C“ besagt, dass der Stern die dritte Komponente eines Mehrfachsystems ist. Bei Doppel- oder Mehrfachsternen werden die einzelnen Objekte mit alphabetisch geordneten Großbuchstaben bezeichnet. Das System besteht also aus „GJ 667A“, „GJ 667B“ und „GJ 667C“. Es ist ein sogenanntes hierarchisches System. D.h. A und B bilden ein Paar und diese beiden wiederum ein Paar mit C. Der Abstand zwischen GJ 667AB (man fasst so enge Paare gerne auf diese Art zusammen) und GJ 667C beträgt etwa 230 Astronomische Einheiten. Das ist fast das achtfache des Abstands zwischen Sonne und dem sonnenfernsten Planeten Neptun. Aus dynamischer Sicht ist der Einfluss von AB auf GJ 667C daher so gut wie zu vernachlässigen; wir können in der Folge die restlichen zwei Komponenten des Dreifachsystems ignorieren.
GJ 667C wird von mindestens zwei Planeten umkreist. Der eine wurde schon 2009 entdeckt. Er trägt den Namen GJ 667Cb (Planeten bezeichnet man immer mit dem Namen des Sterns plus angehängtem Kleinbuchstaben, alphabetisch gereiht nach dem Entdeckungszeitpunkt und angefangen mit „b“). Er befindet sich sehr nahe am Stern, nur 0,05 Astronomische Einheiten entfernt (die Erde ist von der Sonne 1 AE entfernt), und ist mindestens sechsmal schwerer als die Erde.
Ein Team aus Astronomen unter der Leitung von Guillem Anglada-Escudé von der Carnegie Institution in Washington (der seit Anfang des Jahrs an der Uni Göttingen arbeitet), hat nun jede Menge Beobachtung von GJ 667C gesammelt und darin noch einen weiteren Planeten entdeckt. GJ 667Cc ist etwas weiter vom Stern entfernt als der andere Planet. Er ist auch etwas leichter und wiegt nur das 4,5fache der Erde. Mit seinem Abstand von 0,12 AE (als einem Zehntel des Abstands zwischen Sonne und Erde) befindet er sich genau in der habitablen Zone des roten Zwergs! Und seine Masse macht ihn zu einer sogenannten „Super-Erde“, also einem Planeten wie die Erde, nur größer und schwerer. Ist GJ 667Cc also nun die lang gesuchte „zweite Erde“, mit Bedingungen, die außerirdisches Leben begünstigen könnten?
Nein. Bzw. höchstwahrscheinlich nicht. Das Problem an der Sache sind die Dinge, die wir noch nicht wissen. Die genaue Masse zum Beispiel. Oben habe ich geschrieben, das GJ 667Cc 4,5 mal so schwer ist wie die Erde. Das ist aber so nicht ganz korrekt. Der Planet wurde mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt. Dabei misst man das „Wackeln“ des Sterns, das durch die Gravitationskraft des Planeten erzeugt wird. Leider kann man damit die Masse des Planeten nicht exakt bestimmen, sondern nur einen minimalen Wert. GJ 667Cc wiegt also mindestens das 4,5fache der Erde. Es kann aber auch viel mehr sein! Das hängt davon ab, unter welchem Winkel wir auf das Planetensystem blicken und das wissen wir nicht. Die 4,5 Erdmassen gelten nur für den Fall, dass wir exakt von der Kante auf das System blicken. Würden wir genau von oben auf das System blicken, dann würden wir gar kein Wackeln sehen. Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen und auch die Masse des Planeten wird höher sein als die 4,5 Erdmassen. Leider unterschlagen die Medien so etwas gerne. In diesem Fall kann man ihnen aber nicht mal einen Vorwurf machen, denn selbst in der Pressemitteilung der Uni Göttingen liest man:
„Die Super-Erde mit der Bezeichnung GJ 667Cc hat die viereinhalbfache Masse unserer Erde und umkreist auf einer Umlaufbahn von 28,15 Tagen einen Zwergstern der Klasse M.“
Dass es sich hier nur um eine Mindestmasse handelt, wird nirgendwo angesprochen. Aber ok, die Pressemitteilung ist sowieso nicht sonderlich gut, man schafft es ja nichtmal, direkt auf die Originalarbeit der Wissenschaftler zu verlinken… Übrigens steht das in der Pressemitteilung der Carnegie Insitution sehr wohl drin:
„But in addition to this first candidate, the research team found the clear signal of a new planet (GJ 667Cc) with an orbital period of 28.15 days and a minimum mass of 4.5 times that of Earth.“
(Den Link aufs Originalpaper hat man aber auch dort nicht geschafft).
Aber selbst wenn der Planet wirklich nur 4,5 Erdmassen wiegt, heißt das noch lange nicht, dass es dort auch Leben gibt bzw. das Leben überhaupt möglich ist. Die habitable Zone gibt nur den Bereich an, in dem die Temperaturen theoretisch Leben ermöglichen könnten. Sehr viel hängt allerdings von den Eigenschaften des Planeten ab. Wie ist seine Dichte und Zusammensetzung? Hat er ein Magnetfeld und eine Atmosphäre? Wie sieht die aus? Gibt es dort Plattentektonik? Usw. Noch sind wir nicht in der Lage, all diese Parameter zu bestimmen und wirklich herauszufinden, ob ein Planet Leben ermöglichen kann oder nicht. Das kann sich bald ändern, aber momentan fehlt uns dieses Wissen. Das merken Anglada-Escudé und seine Kollegen übrigens auch in ihrem Artikel an (die Pressemitteilung sagt dazu allerdings nichts):
„Let us remark that the ultimate capability of GJ 667Cc to support liquid water depends on properties that are not yet known (e.g, albedo, atmospheric composition and interior dynamics).“
Die Beobachtungen die Guillem Anglada-Escudé und seine Kollegen gemacht haben, sind hervorragend. GJ 667C c ist ein äußert faszinierender Planet. Es gibt auch gute Hinweise darauf, dass sich dort auch noch ein dritter Planet befindet. Das ganze System ist eine genauere Untersuchung definitiv wert und wir werden daraus jede Menge über Exoplaneten lernen. Aber die „zweite Erde“ hat man dort nicht gefunden. Die Aufregung in den Medien ist (so wie damals bei Kepler 22b) nicht wirklich gerechtfertigt. Zumindest diese Art von Aufregung. Es wäre schon, wenn die Exoplanetenforschung in der Öffentlichkeit nicht immer nur als die Suche nach der zweiten Erde dargestellt werden würde. Es gibt noch so viel mehr interessante Dinge, die man da erzählen könnte…
Kann man denn mit all den Planeten, die man mittlerweile gefunden hat eine erste Wahrscheinlichkeitsschätzung abgeben, wie häufig erdähnliche Bedingungen wohl vorkommen könnten?
Ich meine es hülfe der Drake-Gleichung ja schon sehr viel, wenn eine der vielen Unbekannten wenigstens über-den-daumen-peilbar werden würde?
Ich weiß ja, die Benennung der Sterne und Planeten muss gewissen Regeln folgen, aber die Bezeichnungen sind so lahm ;-).
Ich mein: Qo’noS, Rura Penthe, Bajor… Gute Namen für Planeten 🙂
Ich glaube nicht, dass wir im Moment dazu in der Lage sind, wirklich einen Planeten zu finden, wo Leben theoretisch möglich ist. Dazu fehlen uns einfach zu viele Daten über den Planeten, die wir mit derzeitigen Instrumenten einfach nicht bekommen.
Wenn man heutzutage bedenkt, wie viele „Glücksfälle“ bei der Erde wohl eingetroffen sind, dass sie sich eben so entwickelt hat, wie sie jetzt ist… Und wir sehen ja schon an Venus oder Mars, wie grundverschieden „erdähnliche“ Planeten sein können. Und ich persönlich hege eher den Glauben, dass die Erde sicher kein „Einzelstück“ ist, aber wohl doch eine eher größere Ausnahme – und die Regel wirklich eher in Richtung Mars/Merkur bzw. Venus geht.
@Wolf:
Ja, Romulus, Melmac und Krypton sind bestimmt auch noch frei. 😀
beschäftigt vor allem die Öffentlichkeit und die Medien eine große Frage: Gibt es irgendwo einen anderen Planeten, auf dem die gleichen Bedingungen wie auf der Erde herrschen?
Ich glaube der Eindruck täuscht leider ein bischen. Auf tagesschau.de gab es natürlich auch einen Bericht zur „Super-Erde“ Hier mal ein kleiner Auszug einiger Kommentare:
https://meta.tagesschau.de/id/57710/forscher-super-erde-im-all-entdeckt
Es gibt dort natürlich auch vereinzelte „vernünftige“ Meinungen, aber insgesamt zeichnet sich dort ein eher wissenschaftsfeindliches und uninformiertes Bild ab 🙁
Als ich heute überall die Überschriften mit „Super-Erde“ gesehen habe, wusste ich schon wo ich heute mal nachforschen werde, um eine etwas realistischere Einschätzung zu lesen. 🙂
Die Bezeichnungen sind sind wirklich total lahm… aber könnte man sie wild benennen, käme dabei wahrscheinlich auch ein Angelina Jolie-Planet oder ein David Hasselhoff oder so raus… wie bei den Insekten.
@schlechte Pressemitteilung:
Diese Entdeckung hat es immerhin auf die erste Seite meiner Tageszeitung geschafft. Und solche Themen schaffen das normalerweise höchstens einmal im Jahr. Allerdings „nur“ als Eyecatcher mit großem Bild und wenig Text.
Der Folgende Satz in der kurzen Mitteilung gibt (bei positiver Grundstimmung) Anlass zum Schmunzeln: „…eine sogenannte Super-Erde. Sie ist nicht nur GRÖSSER ALS DIE ZWERGENSTERNE links im Bild, sondern auch 4,5mal mächtiger als unser Heimatplanet.“ Möge die Macht mit ihr sein. Auch der letzt Satz des Mini-Artikels ist bemerkenswert: „So ist etwa noch immer völlig unklar, ob es dort überhaupt Wasser gibt“. Als würde man diesen Planeten schon seit Jahren beobachten und untersuchen. Zitate aus der Print-Ausgabe der Stuttgarter Nachrichten vom 3.2.12
Es geht aber auch wesentlich besser:
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.forscher-entdecken-neuen-planeten-wohl-ein-guter-kandidat-fuer-leben.6b130140-aa56-4b61-bb02-1ed72ee434ef.html
In dem Text habe ich beim Überfliegen keinen nennenswerten Fehler gefunden. Er ist informativ und auch das Zauberwort „mindestens“ 4,5 fache Erdmasse ist enthalten. Das ist eine dpa-Meldung, müsste also auch in vielen anderen Medien zu finden sein.
@mr_mad_man:
Ich habe auch mal eine Zeit lang mir die Kommentare auf Tagesschau.de angetan. Unglaublich was sich da Tummelt. Ich habs dann irgendwann sein lassen, als damals der „Homeöpathen ohne Grenzen“ Artikel erschien. Das Wettern gegen die Böse Schulmedizin bei den Kommentaren, so wie die Tatsache, das Daten da immer mit:“glaube keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast“ kommentiert werden hat allerdings dafür gesorgt, dass ich mir das nurnoch seltenst antue.
@Vivien:
„Als ich heute überall die Überschriften mit „Super-Erde“ gesehen habe, wusste ich schon wo ich heute mal nachforschen werde, um eine etwas realistischere Einschätzung zu lesen. :)“
Genau so gehts mir auch.
Schon irgendwie traurig, dass die schnellebigkeit des Internets soviel Qualität bei den (Online)Medien gekosted hat.
ich bin der meinung dass die geilsten außerirdischen auf M leben, aber der wird grade von den frogs angegriffen, mein kommando an den schnellen raumkreuzer orion 8 lautet
„rettet die erde“, keine angst, commander mc lane kriegt das schon hinm mit schlafender energie und overkill, nötigenfalls steigen wir in eine lancet um und landen auf theta 7, da isses cool, da wächst das beste interstellare gras….;-)
nanunanu
mork vom ork
Das ist der eine Punkt. Dass Dr. Anglada-Escudé erst seit Januar 2012 in Göttingen ist und dort auch sonst niemand an der Arbeit beteiligt war, macht es umso verblüffender, dass die Pressestelle der Uni Göttingen lauthals im ersten Satz der Presseerklärung (https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=4110 ) behauptet:
Das ist schon ziemlich frech finde ich… das hat einen wirklich faden Beigeschmack des sich mit anderer Leute Lorbeeren schmückens. Schließlich hat kein Göttinger Wissenschaftler an dem Paper mitgearbeitet, man hat lediglich den Teamleiter angeworben.
@user78: „Dass Dr. Anglada-Escudé erst seit Januar 2012 in Göttingen ist und dort auch sonst niemand an der Arbeit beteiligt war, macht es umso verblüffender“
Danke für die Info. Die Affilations recherchiere ich selten nach, da hab ich bisher immer dem vertraut, was man so lesen konnte. Werd ich in Zukunft auch nicht mehr machen.
Hier noch der Link zur Pressemitteilung des Carnegie Institute for Science:
https://carnegiescience.edu/news/new_superearth_detected_within_habitable_zone_nearby_cool_star
Ja, habs im Text schon erwähnt und verlinkt.
Sowas nennt man wohl einen „Abstauber“ … oder auch „Fragdieb“ *g*.
Wäre bei einem Abstand des Planeten von 0,12 AE von seinem Zentralgestirn eventuell eine gebundene Rotation ein Thema ? Zumindest eine ausgesprochen ausgeprägte Gezeitenwirkung mit allen direkten und indirekten Folgen auf Kruste und Mantel ist vielleicht möglich …
Bedauerlich, dass wir Homo Sapiens-Abkömmlinge (btw.: Was für eine Anmaßung, sich selber „Homo Sapiens“ zu nennen, wobei „sapiens“ doch zahllos widerlegt wurde… andererseits wer oder was will einen daran hindern, sich so zu nennen…?!) nie in die Reichweite eines anderen Sonnensystems gelangen werden.
Wahrscheinlich ist es aber ja sogar „gut“, dass wir niemals zu solch einem Planeten gelangen.
Aber wie auch immer es ist, es ist egal, denn dieses Jahr (2012) geht ja die Welt unter, wenn ich den Inhalt des hier angezeigten Kindle-Büchleins für mich richtig interpretiert habe… 😉
Die 2,99 EUR haben sich durchaus gelohnt. Schöne Bettlektüre!
…. „Das hängt davon ab, unter welchem Winkel wir auf das Planetensystem blicken und das wissen wir nicht. Die 4,5 Erdmassen gelten nur für den Fall, dass wir exakt von der Kante auf das System blicken. Würden wir genau von oben auf das System blicken, dann würden wir gar kein Wackeln sehen. “
Wieso? Kann mir das jemand erklären?
Klar. Die Methode der Dopplerverschiebungsmessung misst, wie sich ein Stern aufgrund eines ihn umlaufenden Planeten bewegt. Man stelle sich einen Hammerwerfer vor, der Planet ist dann die Kugel am Ende des Seils, der Hammerwerfer ist der Stern. Wenn der Hammerwerfer Schwung holt und sich dreht, beschreibt er einen kleinen Kreis, der Hammer am Seil einen großen. Den Planeten kann man nicht sehen, den Stern schon, also sehen wir quasi nur den Hammerwerfer.
In Wahrheit sehen wir die Bewegung des Hammerwerfers aber auch nicht direkt, sondern nur die Verschiebung der Lichtwellenlänge aufgrund der abwechselnden Annäherung und Entfernung von uns. Man kennt das ja aus der Akustik: Ein herannahender Peterwagen hat einen höheren Ton, als ein sich entfernder. Wir könnten uns bei dem Hammerwerfer vorstellen, dass wir ihn selbst nicht sehen könnten, dass er aber einen Schrei abgibt (tun die ja gerne), und wir hören nur, wie dieser abwechselnd höher und tiefer wird. Beim Stern sehen wir, wie die Spektrallinien des Waserstoffs in seinem Spektrum hin- und herwandern.
Wenn wir nun als Beobachter genau in der Ebene der Bewegung sind, kommt der Stern einmal genau auf uns zu und eine halbe Umdrehung später bewegt er sich genau von uns weg, wir messen also die volle Geschwindigkeitamplitude. Schauen wir hingegen von oben auf das System, dann bewegt sich der Stern ausschließlich in einer Ebene senkrecht zur Blickrichtung, und wir messen gar keine Annäherung. Dazwischen gilt, gemessene Geschwindigkeit = wahre Geschwindigkeit * sin Neigungswinkel (0° Neigungswinkel gegen die Sichtlinie: Blick von oben auf die Bahn, 90°: Blick von der Kante). Da wir ausser der gemessenen Geschwindigkeit keine Angabe haben, sieht der Effekt eines schweren Planeten mit wenig Bahnneigung genau so aus wie der eines leichten mit großer Bahnneigung. Wir messen also nur Masse * sin Bahnneigung. Und diese Größe ist bei dem gerade entdeckten Planeten eben 4,5 Erdmassen.
Misst man viele solcher Planeten bei vielen Sternen, kann man eine gleichverteilte Zufallsverteilung der Bahnneigungen annehmen und trotzdem sinnvolle Statistiken über Planetenmassen erstellen. Im Einzelfall geht das jedoch nicht. Es sei denn, der Planet wird zufällig bei einem Transit vor seinem Stern erwischt, dann wissen wir, dass die Bahnneigung annähernd 90° gegen die Sichtlinie ist, und wir kennen die genaue Masse des Planeten.
Gibts auch eine Obergrenze für die Masse von GJ 667Cc?
@frantischek: Naja, die 4,5 Erdmassen sind nicht die Masse sondern das Produkt aus Masse und dem Sinus des Sichtwinkels. Die Masse ergibt sich also aus 4.5 / sin (i). Wenn wir genau auf die Kante des Systems (i=90 Grad) schauen, dann ist sin(i) gleich 1 und die echte Masse 4,5 Erdmassen. Wenn wir genau von oben drauf schauen, wäre i=0 Grad und sin(i)=0 und die Masse unendlich. Aber natürlich würde man beim Blick von oben gar keine Radialgeschwindigkeitsschwankungen messen. Die Masse des Planeten kann aber theoretisch beliebig groß sein. Wir könnten FAST von exakt oben drauf sehen und statt einem Planeten einen riesigen braunen Zwerg sehen, der trotz des Winkels eine große Radialgeschwindigkeit verursacht. Ist aber unwahrscheinlich.
Anscheinend ist es so, dass 85% aller Planeten deren untere Massengrenze mit der RV-Methode bestimmt wurden maximal doppelt so schwer sind wie diese untere Massengrenze. Wobei ich nicht weiß warum diese doch recht starke Eingrenzung auftritt. Die Chancen stehen also gut, dass GJ667Cc nicht so wahnsinnig viel schwerer ist als diese 4,5 Erdmassen.
Ein größeres Problem was lebensfreundliche Bedingungen betrifft sehe ich eher in der wahrscheinlich gebundenen Rotation des Planeten. Wobei ich nicht ganz sicher bin ob der Rote Zwerg es schafft/schon geschafft hat dem Planeten diese gebundene Rotation aufzuzwingen.
@Alderamin: Die Erklärung mit dem Hammerwerfer finde ich sehr nachvollziehbar und verständlich. Schaut man von vorne auf Stern/Planet sieht man nicht die Kreisbahn des Hammerwerfers/Sterns sondern nur sein Näherkommen und Entfernen. Schaut man oben drauf, sieht man davon nichts mehr.
Aber dafür müsste man dann doch die Kreisbahn des Sterns sehen? Könnte man nicht aus beiden Informationen (Näherkommen/Entfernen und Kreisbahn) die genaue Masse des Planeten ermitteln, oder reichen die Messmethoden für die Kreisbahn (noch) nicht aus?
@mr_mad_man: „Aber dafür müsste man dann doch die Kreisbahn des Sterns sehen?“
Richtig, das nennt sich „astrometrische Nachweismethode“: https://de.wikipedia.org/wiki/Extrasolarer_Planet#Indirekte_Nachweismethoden“
Die Instrumente sind aber leider noch nicht wirklich gut genug, um das effektiv einzusetzen.
@FF: Danke für die Antwort und den Link, ging ja superfix.
Lese mir gerade den Wiki-Artikel über den Gaia-Satellit durch.
Florian hat’s ja schon gesagt, aber vielleicht noch zwei Zahlenbeispiele. Nehmen wir mal Jupiter und die Sonne. Jupiter hat etwa 1/1000 Sonnenmasse und umkreist die Sonne in 5 AE Abstand, also rund 750 Millionen km. Dazu braucht er 12 Jahre (sind alles ungefähre Werte, es geht mir nur um die Größenordnung).
Fragen:
1) Wie weit bewegt sich die Sonne durch Jupiter hin- und her?
2) Wie groß ist die Amplitude der Radialgeschwindigkeit?
Zu 1): Wenn die Sonne 1000-mal schwerer ist als Jupiter, liegt der gemeinsame Schwerpunkt 1/1000 der Entfernung zwischen Jupiter und Sonne vom Zentrum der Sonne entfernt, das sind 750000 km, das ist etwas mehr als ein halber Sonnendurchmesser (1,39 Million km/2). Die Sonne eiert also durch Jupiter um einen Punkt herum, der knapp über ihrer Oberfläche liegt. Finde ich beachtlich, aber wir sind zum einen bisher nur bei ganz wenigen Sternen in der Lage, ihre Durchmesser aufzulösen (und das sind dann Riesensterne wie Beteigeuze, 662 Sonnendurchmesser), und eine Positionsveränderung ist noch viel schwieriger als ein Durchmesser aufzulösen, man muss ja stabile Referenzpunkte haben, von denen aus man die Verschiebung messen kann. Vielleicht bringt die Radioastronomie so was fertig, hab‘ noch nicht davon gehört, aber die optische tut es nicht.
2) Zur Geschwindigkeit: Die Sonne bewegt sich also in 12 Jahren einmal im Kreis um den gemeinsamen Schwerpunkt mit Jupiter. Die zurückgelegte Strecke ist (Kreisumfang) 2 * 750000km * Pi = 4,76 Millionen km. In 12 Jahren zurückgelegt wäre das eine Geschwindigkeit von 4,76e+09 m /(3600*24*12*365,25)s = 12,6 m/s. Geräte wie =>HARPS können heutzutage Dopplergeschwindigkeiten von 1 m/s (Auflösung: 0,3 m/s) messen. Damit wäre Jupiter ohne weiteres nachzuweisen, und das beinahe unabhängig von der Entfernung des Sterns, so lange man noch genügend Licht von ihm sammeln kann.
Nehmen wir noch einen Hot Jupiter mit 0,1 AE Abstand von einem sonnenähnlichen Stern an, da wäre der Schwerpunkt dann 50-mal enger am Stern, bei 15000 km, ein gutes 100stel des Sterndurchmessers. Keine Chance, die Bewegung des Sterns direkt zu beobachten. Die Umlaufzeit T‘ wäre nach Kepler 3 (T= Umlaufzeit von Jupiter, a = Bahnhalbachse von Jupiter, a‘ = Bahnhalbachse des Hot Jupiter):(T’/T)^2 = (a’/a)^3 also T‘ = T*√((a’/a)^3) = 12 Jahre * √((0,1/5)^3) = 0,034 Jahre = 12,4 Tage. Die Geschwindigkeit des Sterns um den Schwerpunkt wäre mithin 15e+06 m * 2Pi /(12,4 * 24 * 3600)s = 88 m/s. Ein Klacks für HARPS.
Deshalb entdeckt man Planeten, die sehr eng um ihren Stern kreisen, viel leichter mit der Radialgeschwindigkeitsmethode. Die astrometrische Methode würde am besten funktionieren, wenn die beiden Komponenten weit getrennt sind und der Schwerpunkt möglichst weit weg vom schwereren Körper läge, was eher bei Doppelsternen oder braunen Zwergen gegeben ist.
@Alderamin: Vielen Dank für die ausführliche Antwort und Erläuterung. Als Laie denkt man ja gar nicht an solche (eigentlich einfachen und logischen) Sachen, z. B. dass der gemeinsame Schwerpunkt um so näher am Stern liegt, desto näher sich der Planet an diesem befindet. Und je mehr man in die Details einsteigt, desto mehr erkennt man die Komplexität der Zusammenhänge. Bin wirklich froh, dass es diesen Blog gibt 🙂
„Gibt es dort Plattentektonik?“
was hat denn bitte plattentektonik mit der entstehung – oder besser – der möglichkeit von leben zu tun?
natürlich kam es aufgrund der plattentektonik auf unserer erde GENAU zu der entwicklung, die wir nun beobachten können, aber für die entstehung von leben ist die tektonik eines planeten nicht von nöten oder gar verantwortlich.
die tektonik hat einen einfluss auf das WIE sich eventuelles leben entwickelt, aber doch nicht auf das OB sich leben überhaupt entwickelt.
lg
@ein suchenender: „aber für die entstehung von leben ist die tektonik eines planeten nicht von nöten oder gar verantwortlich.“
Schön das du so exakt Bescheid weißt. Sag das doch bitte auch den Forschern, die sich die Mühe machen, und untersuchen, wie geophysikalische Vorgänge (wie z.B. die Plattentektonik) sich auf die Habitabilität eines Planeten auswirken: https://www.pik-potsdam.de/~bloh/homepage/puz.html Die freuen sich sicher, wenn sie erfahren, dass sie sich die ganze Arbeit sparen können…
@ein suchender
Man weiß ja nicht genau, wie das Leben auf der Erde entstand. Eine Theorie besagt z.B., das Leben könnte an den „schwarzen Rauchern“ in der Tiefsee entstanden sein, wo allerlei Chemikalien mit Wasser und einer Menge Hitze eine Art natürliches Chemie-Labor bilden konnten.
Außerdem sorgt Vulkanismus generell für die Ausgasung von CO2 in die Atmosphäre, der für die Photosynthese wichtig ist (die Pflanzen bilden die Grundlage der meisten Nahrungsketten). Es gibt ja u.a. die Schneeball-Erde-These, nach der die Erde mehrmals komplett zugefroren sein soll, weil das CO2 im Ozean komplett in Kalkgestein gebunden wurde und die Atmosphäre daher kaum noch Treibhauseffekt zustande brachte. Als das Eis die Bindung von CO2 im Meer dann unterbrach, konnten die Vulkane die Atmosphäre wieder mit CO2 anreichern, so dass das Eis wieder tauen konnte. Sonst hätte vielleicht nur primitives Leben im dunklen Meer überlebt.
Für Vulkanismus braucht es aber Plattentektonik.