i-01709d3fbfec83cb010fad3e8920ef02-drachelogo-thumb-150x29.png

[Das hier ist eine Rezension eines Kapitels des Buches „Der Drache in meiner Garage“ von Carl Sagan. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel finden sich hier.]

Langsam neigt sich das Buch dem Ende zu. Im vorletzten Kapitel spricht Sagan über Amerika. Viele Amerikaner halten die Freiheit, die sie in ihrem Land genießen für ihr höchstes gut. Aber ist das „Land of the Free“ wirklich so offen und frei?

AuIm selben Jahr als die Bill of Rights in den USA beschlossen wurde – 1789 – wurden auch die Alien and Sedation Acts erlassen. Gesetze, die die Rechte vieler Menschen, vor allem von Ausländer einschränkten und im Prinzip jede Kritik an der Regierung unter Strafe stellte.

Glücklicherweise hob Thomas Jefferson diese Gesetze nach seiner Wahl zum Präsidenten 1801 wieder auf. Aber Sagan merkt an, das in Amerika immer wieder Probleme durch Beschneidungen der Grundrecht „gelöst“ werden – wie z.B. 1942, als Amerikaner japanischer Abstammung kollektiv interniert wurden.

Carl Sagan hat schon im UFO-Teil des Buches über Hexerei gesprochen und spricht dieses Thema noch einmal ausführlich an. Er zitiert ausführlich aus dem Buch Cautio Criminalis von Friedrich von Spee. Dieses 1631 erschienene Werk kritisiert die Hexenverfolgung und stellt deutlich klar, wie unmenschlich die damaligen Praktiken waren. Wer einmal beschuldigt wurde, hatte keinerlei Chance auf einen Freispruch. Es handelte sich um „kirchlichen bzw. staatlichen Terrorismus“, schreibt Sagan.

Das Ende der Hexenverfolgung ist der Aufklärung zu verdanken. In ihrem Mutterland, in den Niederlanden, wurde seit 1610 keine Menschen mehr verbrannt. In Amerika war es 1692. In den stark von der Kirche geprägten Ländern dauerte es leider länger: in Deutschland bis 1775, in Polen bis 1793 und in Italien bis 1816. Die christlichen Kirchen waren die letzten Bastionen, die die Realität der Hexerei und ihrer entsprechenden Bestrafung vertreten haben.

Wie konnte das passieren, fragt sich Sagan? In den „fortgeschrittenen, zivilisierten Nationen“? Und er gibt die Antwort:

Wenn wir uns absolut sicher sind, das unser Glaube richtig ist und der der anderen falsch; das wir vom Guten motiviert sind und die anderen vom Bösen; das der König des Universums nur zu uns spricht und nicht zu den anderen; das es böse ist, die üblichen Vorstellungen in Frage zu stellen und das es unsere Aufgabe ist, zu glauben und zu gehorchen – dann wird der Hexenwahn in seinen vielen Variationen wieder zurückkehren.

Ein ähnlicher wichtiger Punkt ist die Möglichkeit, die Meinung der Menschen zu beeinflussen. „Es ist das absolute Recht des Staates, die Bildung der öffentlichen Meinung zu überwachen.“ meinte Joseph Goebbels. Unter der kommunistischen Diktatur wurde die öffentliche Meinung ebenso massiv beeinflusst. Und wenn man den Menschen etwas lange genug einredet – dann wird es auch zur Wahrheit. Heute, mit all den Möglichkeiten der Massenmedien ist das noch viel leichter als früher.

Umso wichtiger ist es, dass die Menschen das skeptische Denken nicht verlernen. Umsow wichtiger ist es, dass skeptisches Denken den Menschen beigebracht wird. Nicht nur, damit die Menschen fähig sind, Aussagen über UFOs, Aliens und Geister besser einzuschätzen. Sondern auch, damit sie fähig sind, Politik und Religion kritisch zu hinterfragen!

Rezensionen der vorhergehenden Kapitel: Kapitel 1, Kapitel 2, Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 5, Kapitel 6, Kapitel 7, Kapitel 8, Kapitel 9, Kapitel 10, Kapitel 11, Kapitel 12, Kapitel 13, Kapitel 14, Kapitel 15, Kapitel 16, Kapitel 17, Kapitel 18, Kapitel 19, Kapitel 20, Kapitel 21, Kapitel 22, Kapitel 23


Noch mehr Buchrezensionen auf ScienceBlogs:
02_Sciencebooks_550.jpg

12 Gedanken zu „Wissenschaft, Religion und Hexerei“
  1. Zur Beeinflußung der öffentlichen Meinung kann ich nur sagen, daß es heute das absolute Recht des Marktes – der Geschäftemacher aller Sorten und Arten – ist, die öffentliche Meinung, ja mehr noch, nämlich die Bildung, zu beeinflußen. Es ist daher zuläßig, naturwissenschaftliche Tatsachen beginnend bei der Schwerkraft zu leugnen. Es ist erlaubt knallhart etwas als wissenschaftlich erwiesen anzupreisen, dem diese Qualität nie und nimmer zukommt. Vorraussetzung ist, daß damit Umsatz gemacht werden kann. In diesem Sinne argumentieren ja die Verfechter von Energethik (welch Irrwitz in der Schreibung) und die Astrologen, daß damit Arbeitsplätze gesichert werden. Das Ausamß des Leugnens von Tatsachen hat Prof. Beda M. Stadler veranlaßt militante Impfgegner mit Holocausleugner zu vergleichen, weil sie 1 000 000 jährliche Maserntote leugnen.

    Zum „Wunder“ in Sachen „Medizin“ ist daher zu sagen, daß der mächtige heilige Gott durch (Bio)-Information und Quantengequatsche ersetzt worden ist. Die Wunder passieren jetzt dort und nicht mehr in Lourdes! Im Wald werden Bäume ummarmt und das Heil liegt im Granderwasser!
    Und es gibt keinen auch noch so abstrusen Blödsinn in Praxis und Theorie der nicht mit Pluralismus gerechtfertigt werden kann.

  2. Hallo Florian, zum Thema Hexenverfolgung hast du etwas unsauber reagiert. Die letzte nachgewiesene Hinrichtung einer Hexe fand in Dt. 1756 in Landshut statt. Danach folgten noch ein paar Prozesse, deren Todesurteile nicht vollstreckt wurden.

    Zudem lässt sich sagen, daß, bis auf Polen, in den katholischen Ländern deutlich weniger Hexen verbrannt wurden, als in den Protestantischen Ländern.
    Trotz der größen Bevölkerung wurden in Italien und Spanien jeweils nicht viel mehr Personen als Hexen verbrannt, als in Holland.

  3. Ja, du schreibst aber bis wann in den Ländern Menschen der Hexerei wegen verbrannt wurden und das ist dann so falsch, die Frau wurde zwar verurteilt, aber nicht verbrannt. Das hat schon 19 Jahre früher aufgehört..

  4. Hmm – in Zukunft sollte ich wohl noch deutlicher machen, dass es sich bei diesen Artikeln um eine Rezension handelt und nicht das, was ich selbst recherchiert und geschrieben habe. Und rein von der Moral her ist kein großer Unterschied zwischen der Verurteilung zum Tode und der Verurteilung zum Tode, die dann nicht durchgeführt wurde. Die Geisteshaltung der Kirche dahinter ist ja die gleiche. Die Frau ist ja dann trotzdem im Kerker gestorben.

  5. Was heißt Die geisteshaltung „der“ Kirche? In der protestantischen Konfession gibt es nicht die Kirche und dort wurden mehr Menschen als Hexen verbrannt als in den reinen katholischen Gebieten.
    In Ländern wie Italien und Spanien und selbst hier in Deutschland wurde die Hexenverfolgung meistens auf das Betreiben von geistlichen eingestellt. Johann Matthäus Meyfart, Friedrich Spee von Langenfeld um ein paar zu nennen.

    Ich meine, es sollte auch in einer Rezension eines Carl Sagans platz dafür zu sein anzumerken, daß auch er nicht überall einwandfrei gearbeitet hat. Denn das ist doch die Stärke der Wissenschaft: Die Gemeinschaft, die mit Argussaugen über den Fehlern des anderen schwebt um sie zu korrigieren (manchmal um der Sache, manchmal um sich selbst willens)

  6. @Adromir: Ich will ja den Fehler von Sagan gar nicht „vertuschen“. Sagan wollte nur auflisten, wann die Hexenverfolgung jeweils geendet hat. Da ist das Datum das er angegeben hat, kein schlechtes. Und man hat erst 1995 rausgefunden hat, das sie NICHT verbrannt wurde. Sagans Buch kam 1996 raus; geschrieben haben wird er es wohl etwas früher…

    Aber willst du jetzt ernsthaft sagen, dass „die Kirche“ (egal ob Protestanten, Katholiken, oder sonstwer) nicht für die Hexenverfolgung verantwortlich ist? Klar wird es Geistliche gegeben haben, die das schlecht fanden. Aber die Verantwortung und die Geisteshaltung der christlichen Kirche(n) zu ignorieren ist absurd.

  7. Der Hexenglaube und die Verfolgung von Hexen (und Hexerei als Mittel und als Verfolgungsgrund) sind durchaus noch aktuell, siehe z.B. Afrika. Es muss auch nicht immer eine Verbrennung sein, ’stinknormale‘ Morde und andere Verfolgungsmaßnahmen sind auch ‚ausgezeichnete‘ Mittel.

  8. @Florian: Ich habe nicht vor, die Rolle der Kirche da runter zu spielen oder, gott behüte ;), sogar zu leugnen, doch ist die Sache nicht ganz so stereotyp wie wir sie gerne hätten.

    Auch bei dieser Frage ist nicht alles so schwarz und weiß, wie wir das gerne hätten und man sollte auch mal schauen, welche wirklichen Motivationen dahinter steckten.

    Ich komme aus einer Stadt (Lemgo), wo man mit dem Thema „Hexenverbrennung“ regelrecht aufwächst, dort waren bei den Hexenprozessen die religiösen Motive in der Regel ganz niederen menschlichen Begierden untergeordnet.

    Oder auch in der Kirchengeschichte gab es vor der Neuzeit ebenfalls noch ganz andere Zeiten. Mit dem Paderborner Konzil gegen 800 wurde die Hexenverfolgung selbst unter Strafe gestellt.

    Ich will die Kirche oder den christlichen Glauben beileibe in diesem Punkt nicht verteidigen, ich verwehre mich aber der geschichtswissenschaftlich unangemessenen Verflachung dieses sozialhistorischen Themas.

    Wobei generell die Frage ist, ob solche Formen von Progromen überhaupt einer Glaubensform speziel anzulasten sind, oder ob dies leider eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft ist. Denn Greultaten hat der Mensch immer vollzogen, egal unter welchem Glauben und welcher Ideologie er sich gestellt hat.

    Auch heute werden unter dem Mantel der Wissenschaft Dinge gemacht, die ethisch mehr als Fragwürdig sind. Trotzdem muss auch hier die Frage gestellt werden, ob man diese Dinge überhaupt „der“ Wissenschaft anlasten kann.

    Ich denke, es gibt genug gute Argumente , die gegen einen unreflektierten, absolutistischen Glauben sprechen. Da muss man sich in einer gegenwärtigen Diskussion die schwächsten heraussuchen.

  9. Fragt sich, ob die Bosse der Hexenverfolgung selbst daran geglaubt haben, oder ob das Schaffen von Sündenböcken nicht eher Mittel zur Ausübung der politischen Macht sind. Und diese Methoden sterben gewiss nicht aus.

Schreibe einen Kommentar zu Adromir Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.