Astronomie – genauer gesagt die beobachtende Astronomie – ist eine Wissenschaft, die stark vom Wetter abhängt. Wenn der Himmel voller Wolken ist, es regnet oder stürmt, ist keine Beobachtung möglich.

Früher waren die Observatorien dort, wo auch die Astronomen waren: in den Städten, in Privathäusern, in Gärten. Aber die zunehmende Lichtverschmutzung in den Ballungsräumen und der Wunsch, immer lichtschwächere Objekte sehen zu können, hat die professionellen Astronomen seit einiger Zeit in abgelegene Gebiete getrieben; in Wüsten und auf Berggipfel. Dort gibt es keine Lichtverschmutzung und auch das Wetter ist ist besser als überall sonst. Zusätzlich hat man neue Beobachtungsmöglichkeiten aufgetan, die größtenteils unabhängig vom Wetter sind; z.B. Radio- oder Weltraumastronomie.

Durch diese Entwicklungen hat sich die Arbeit eines Astronomen deutlich geändert. Früher verbrachte man die Nächte mit dem Auge am Teleskop – heute sitzen die Beobachter meist in bequemen Kontrollräumen und steuern ihre Geräte mit dem Computer bzw. sie lassen die Teleskope überhaupt vollautomatisch laufen und bekommen die Ergebnisse über Internet direkt an ihren weit entfernten Arbeitsplatz geliefert.

Auch wenn es immer noch kompliziert ist, Beobachtungszeit an den internationalen Großteleskopen zu bekommen: die professionellen Astronomen haben diese Möglichkeit zumindest. Anders sieht es bei den Amateurastronomen aus. Wenn hier mal schlechtes Wetter ist, kann man nicht einfach mal eben nach Chile oder Hawaii fahren und dort beobachten. Amateurastronomen müssen sich immer noch mit den gleichen Problemen herumärgern wie die Astronomen früherer Zeiten.

Ein interessantes Projekt schafft hier vielleicht Abhilfe: Slooh bietet die Benutzung von vollautomatischen Roboterteleskopen in klimatischen günstigen Gebieten an: von jedem Ort aus und für jeden, der bezahlt.

Die acht Teleskope von Slooh stehen auf den kanarischen Inseln, in Chile und in Australien. Wer damit beobachten will, kauft sich auf der Hompepage von Slooh Beobachtungszeit. Dabei kann man entweder für knapp 35 Euro pro Jahr selbst auswählen, was beobachtet wird – oder für 10 Euro pro 100 Minuten dem Teleskop einfach über die Schulter schauen. Aufnahmen kann man direkt über das Webinterface machen.

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Slooh-Teleskopkuppeln auf den kanarischen Inseln

Stefan Taube von Lichtecho hat diesen Service ausprobiert und ein paar schöne Fotos gemacht. Er ist allerdings trotzdem nicht restlos überzeugt. „Ist das noch Astronomie?“ fragt er sich. Man bekommt zwar die Möglichkeit, schöne Aufnahmen mit einem guten Teleskop in guter Lage zu machen – aber es fehle das „Naturerlebnis“; der direkte Kontakt zum Himmel:

„Aber ist das noch Astronomie? Ist das befriedigend? Das Naturerlebnis
ist natürlich nicht vorhanden. Man erfährt detailliert die
Wetterbedingungen auf Teneriffa, aber man spürt sie nicht. Man erlebt
die Nacht nicht. Es ist natürlich auch kein Gemeinschaftserlebnis (…)“

Nun, ob es sich bei Slooh noch um Astronomie handelt, hängt ganz davon ab, was man unter „Astronomie“ versteht. Es ist nicht verwunderlich, wenn Profis und Amateure hier unterschiedliche Meinungen haben.

Amateurastronomen sind i.A. von der Ästhetik und Schönheit des Nachthimmels fasziniert. Für die professionellen Astronomen gilt das natürlich auch. Aber in ihrer Rolle als Wissenschaftler steht die Gewinnung von wissenschaftlichen Daten im Vordergrund. Und wenn sich die am besten von automatischen Teleskopen oder Geräten im Weltraum gewinnen lassen, ohne „direkten Kontakt“, dann ist das eben so. Mit dem eigenen Teleskop loszuziehen und selbst den Himmel zu beobachten, ist auch die Lieblingsbeschäftigung vieler professioneller Astronomen – und so wie die Amateurastronomen erfreuen sie sich an der Schönheit des Himmels. Aber damit lässt sich schon lange keine Wissenschaft mehr treiben (abgesehen von wichtigen Ausnahmen wie z.B. der Suche nach Kleinkörpern im Sonnensystem oder Supernovae!).

Um Stefans Frage zu beantworten: Ja, selbstverständlich ist das, was Slooh macht, Astronomie. Aber es ist vielleicht nicht unbedingt die Art von Astronomie, die jemand betreiben will, der Astronomie nur aus Freude an der Beobachtung in seiner Freizeit betreibt. Andererseits gibt es Slooh schon ein paar Jahre und es sieht danach aus, als würde der Service gut laufen. Viele Amateurastronomen scheinen also auch an dieser Art der Beobachtung Freude zu haben.

Ich selbst finde Slooh sehr interessant und man sollte darüber nachdenken, das Konzept auszuweiten und anderweitig einzusetzen (was vielleicht schwierige werden könnte, da die Technik von Slooh patentiert wurde). Aber in Sachen Öffentlichkeitsarbeit wäre es eventuell wirklich eine schöne Sache, wenn man auch den professionellen Großteleskopen über die Schulter schauen könnte (dieses Thema wurde auch schon einmal hier diskutiert).

Ich denke jedenfalls, das ich den Service in nächster Zeit auch einmal ausprobieren werde. Über meine Erfahrungen damit bericht ich dann gegebenenfalls hier.

P.S. Das ganze gibt es auch als Buch für Kinder, inklusive 150 Minuten Beobachtungszeit. Nette Idee!

4 Gedanken zu „Ja, das ist Astronomie!“
  1. In gewisser Weise kann ich die Frage schon verstehen: Das Ganze ist sicher keine Amateurastronomie mehr, wenn man das Teleskop, das man benutzt, nicht mal anfassen kann. Als ich noch gelegentlich beobachtet habe, gehörte das Aufbauen, das Einstellen im Sucher und das ganze Drumrum mindestens genauso dazu wie das Zählen der Jupitermonde. Bei Slooh käme ich mir ein wenig vor wie jemand, der mit einer Professionellen vor einer Webcam chattet. Aber okay, anscheinend haben manche Leute Spaß daran, und den will ich ihnen nicht verderben.

    Auf der anderen Seite ist Slooh auch noch keine wissenschaftliche Astronomie (oder haben sich vielleicht schon kleine Forschungsgruppen angemeldet, die keine Beobachtungszeit an den großen Geräten bekommen haben? ;)), von daher nimmt dieses Modell schon eine Art Nischenposition ein.

    Astronomie ist es zweifellos, aber welche Art von Astronomie, das fällt mir schwer zu sagen. Schön jedenfalls, dass es Slooh gibt, auch wenn ich es nicht einordnen kann.

  2. So wie ich das verstehe, wird da ein bestimmtes Programm auf der Himmelskugel abgefahren. Oder hat man auch die Möglichkeit steuernd einzugreifen?

  3. In den letzten Monaten habe ich einiges an techniklastiger Hobbyastronomie betrieben – aber trotzdem, der direkte visuelle Effekt kann mit Tele-Beobachtung nicht wettgemacht werden. Wahrscheinlich sind die „digital natives“ da anders drauf 🙂

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